Die Bayerische Staatsregierung hat einen sehr sachlichen Vorschlag für den Zuschnitt der Stimmkreise gemacht. Der Landtag hat im Rahmen der Diskussionen in den Ausschüssen die Aufgabe, über diesen Zuschnitt nachzudenken und über Alternativen zu diskutieren. Ich vermute, dass wir am Ende, weil dieser Vorschlag den objektiven Gegebenheiten Rechnung trägt, zu keinem anderen Ergebnis kommen werden. Wir können darüber jedoch durchaus diskutieren.
Eines sollten wir aber nicht tun: Wir sollten das bayerische Wahlsystem, auf das wir stolz sein können und das Bayerns Bürgern im Verhältnis zu anderen Bundesländern in einem höheren Maße die Möglichkeit einräumt, die Zusammensetzung des Bayerischen Landtages zu bestimmen, nicht vorschnell zur Disposition stellen. Wir sollten das bayerische Wahlrecht nicht durch eine polemische Debatte zu Unrecht schlechtreden. Wir sollten uns als Demokraten gemeinsam den Problemen zuwenden, die die Bevölkerungsentwicklung in Bayern verursacht hat. Als gute Demokraten sollten wir gemeinsam nach einer Lösung suchen. Das Wahlrecht ist letztlich die Spielregel für uns alle.
Über das Wahlrecht sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien diskutiert werden. Nach der Vorlage des Berichts der Staatsregierung und dem ergänzenden Bericht der Staatsregierung mit den ausführlichen verfassungsrechtlichen Überlegungen habe ich keinen Zweifel daran, dass wir eine sehr gute Grundlage für die weitere Beratung des Gesetzentwurfs vorfinden. Ich freue mich auf die Diskussionen mit Ihnen und den Kollegen der anderen Fraktionen.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, zunächst möchte ich eine Anmerkung zu den eilends eingeholten Gutachten machen. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die örtliche CSU in Bayreuth die Erste war, die ein solches Gutachten gegen diese Reform vorgelegt hat. In der Tat haben wir ebenfalls gemeinsam mit den Kollegen von den GRÜNEN ein weiteres Gutachten eingeholt. Dieses war zwar nicht eilends, aber wichtig.
Meine Damen und Herren, zwei Ereignisse im Januar dieses Jahres haben die Menschen im Nordosten Bayerns in Angst und Schrecken versetzt. Innerhalb einer Woche - das war das Besondere an dieser Situation - fühlten sich die Bürger Oberfrankens wegen zweier Ereignisse zu Recht abgehängt und sogar verhöhnt. Zeitgleich mit dem Gutachten des Zukunftsrates kam die Stimmkreis- und Wahlkreisreform auf. Im Hinblick auf die Intention stehen diese beiden Ereignisse in einem Zusammenhang. Meine Damen und Herren, darauf komme ich noch einmal zurück.
Der heute eingebrachte Gesetzentwurf basiert auf dem Stimmkreisbericht. Das ist richtig. Ich kann und werde die Zahlen nicht bestreiten. Die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung sind so, wie sie sind. Wir können auch rechnen. Irgendwann erreichen wir jedoch eine Grenze und unterschreiten diese. In diesem Fall ist eine Region nicht mehr angemessen in diesem Parlament vertreten.
Die Bürger in Oberfranken neiden den Oberbayern nichts. Angesichts der Größenverhältnisse ist der Schaden für die kleineren Regionen jedoch größer, wenn ein Mandat wegfällt. Aufgrund ihrer größeren Masse profitiert die Region Oberbayern von einer größeren Pufferwirkung. Meine Damen und Herren, die kleineren Bezirke bedürfen auch zukünftig einer angemessenen parlamentarischen Betreuung und Reprä
Die Staatsregierung verbreitet die apodiktische Behauptung, die verfassungsrechtlichen Vorgaben ließen nichts anderes zu. Das ist zu bestreiten. Selbstverständlich stehen auch wir auf dem Boden der Verfassung. Selbstverständlich respektieren wir das Recht auf Wahlgleichheit und Gleichwertigkeit der Stimmen. Darum geht es gar nicht. Die Änderung des Landeswahlgesetzes ist widersprüchlich. Bei der Verteilung der Stimmen auf die Wahlkreise muss spitz abgerechnet werden, auf das Komma genau. Bei den Stimmkreisen lässt das Gesetz jedoch Ausnahmen von 15 bis 25 % zu. Somit gibt es Ausnahmen, und eine Stimme ist nicht wirklich zu 1,000 gleichwertig mit anderen Stimmen. Die Fünf-Prozent-Hürde ist eine solche Ausnahme, die eine gewisse Toleranz hinsichtlich der Gleichwertigkeit von Stimmen walten lässt.
Herr Staatsminister, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Selbstverständlich haben wir in Bayern das beste System, weil die Regionen ihre eigenen Abgeordneten wählen. Das unterstütze ich. Es ist eine tolle Sache, dass die Region ihre jeweiligen Mandate selber bestimmen kann. Aber gerade deswegen darf man nicht nur rein mathematisch vorgehen, um die Wahlgleichheit zu garantieren; denn - das sagt die Rechtsprechung, und das finden Sie in jedem Kommentar - es gibt auch die Erwägung, dass die repräsentierten Bevölkerungsgruppen nicht nur nach örtlichen, sondern auch nach historischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ähnlichen Gesichtspunkten eine zusammengehörige Einheit bilden.
Auf die Benachteiligung der kleineren Parteien muss ich nicht eingehen. Minister Herrmann selbst räumte ein, dass zwar noch nicht bei 16, aber auf jeden Fall bei 15 Mandaten die Gefahr der Benachteiligung bestehe. So abwegig war also die Feststellung in unserem Gutachten dann doch nicht.
Meine Damen und Herren, nun noch ein Wort zu den Stimmkreisen. Wir vertreten die Auffassung, dass die Stimmkreisänderungen in Oberfranken und der Oberpfalz nicht notwendig wären, wenn es die Wahlkreisreform mit der Reduzierung der Mandate nicht gäbe. Die kleineren Änderungen in Unterfranken sind eine andere Sache; aber damit wird sich niemand Freunde machen. Beim jetzigen Status quo mit 17 Mandaten wäre Wunsiedel an der 15-Prozent-Grenze, die besagt, dass etwas geschehen "soll". Mit der Fusionierung der Stimmkreise Kulmbach und Wunsiedel mutieren zwei der kleineren Stimmkreise zu einem der größten. Wo bleibt denn da die von Ihnen vorhin so betonte Wahlgleichheit? - Dieser "Hundeknochen",
wie er in der Presse bezeichnet wird, entsteht aus zwei Landkreisen, die mit einem kleinen Steg von drei Gemeinden aus dem Landkreis Bayreuth verbunden sind. Biologen würden einen solchen Korridor für Naturschutzgebiete nicht durchgehen lassen. Dieser "Hundeknochen" bildet einen der größten Stimmkreise. In dem Zusammenhang komme ich zu dem Begriff "sachlicher Stimmkreisbericht", von dem Kollege Dr. Bausback gesprochen hat.
Herr Staatsminister, der Stimmkreisbericht ist mit der zynischen Bemerkung verbunden: Wir sehen, dass dieser Stimmkreis mit der Abweichung von 24 % bzw. fast 25 % an der oberen Grenze der Abweichung liegt; aber die würden sich noch "runterhungern", die würden noch weniger werden. Das, meine Damen und Herren, ist zynisch und schäbig und entspricht der Intention des Zukunftsrats. Man nimmt hin, dass die Bevölkerungszahlen geringer werden, und damit hat sich’s. Wir können dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Alexander König (CSU): Machen Sie doch eigene Vorschläge, anstatt populistisch zu kritisieren! - Dr. Andreas Fischer (FDP): Machen Sie einen Vorschlag!)
Meine Damen und Herren, wir beantragen gemeinsam mit der SPD und den GRÜNEN die Expertenanhörung. Dort können die schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen in aller Ruhe geklärt und hoffentlich vernünftige Lösungen gefunden werden, die nicht nur die Spitzabrechnung berücksichtigen.
Bitte Herr Kollege, bleiben Sie am Redepult, damit wir die Zwischenbemerkung des Kollegen Dr. Bausback abarbeiten können. Bitte schön, Herr Bausback.
Herr Kollege Meyer, ich habe zwei Fragen. Erste Frage: Wollen Sie die Zahl der Mandatsträger im Bayerischen Landtag, die momentan in der Verfassung vorgeschrieben ist, erhöhen?
Zu Ihrem Vorschlag, die jetzige Regelung beizubehalten, stelle ich die zweite Frage: Wollen Sie das Risiko in Kauf nehmen, dass ein Oberfranke oder ein Oberpfälzer, der, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht vor zwei oder drei Jahren nach Oberbayern umgesiedelt ist, Popularklage mit der Begründung einreicht, er habe weniger Einflussmöglichkeiten als
sein Bruder, seine Schwester oder andere Verwandte, die in der Oberpfalz oder in Oberfranken geblieben sind? Wollen Sie wirklich das Risiko der Anfechtung einer Wahl eingehen?
Herr Kollege Dr. Bausback, zum jetzigen Zeitpunkt, vor der Expertenanhörung und gar mit heißer Nadel gestrickt, möchte ich keine Verfassungsänderung und keine Erhöhung der Mandate.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich meine, dass die Verfassung durchaus flexibler ist, als behauptet wird. Ich habe schon vorhin gesagt, dass wir auf dem Boden der Verfassung und zur Wahlgleichheit stehen. Es gibt auf einfachgesetzlicher Ebene aber genügend Beispiele, die Ausnahmen und Toleranzen zulassen. Es gibt verschiedene juristische Auffassungen. Die vorliegenden Gutachten können Sie nicht als völligen Blödsinn abtun.
Ich behaupte, dass eine Verfassung wesentlich toleranter ist. Überlegen Sie, wie viele Wahlgesetze auf Bundesebene für verfassungswidrig erklärt worden sind - der Bundestag ist trotzdem geblieben. Der Gesetzgeber hat lediglich den Auftrag zur Änderung bekommen. Die Verfassung ist also wesentlich toleranter, als sie uns einreden wollen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Stimmkreisreform muss verfassungsgemäß stattfinden. Wir reden keiner Verfassungsänderung das Wort, und wir wollen die Zahl der Mandate im Landtag auch nicht erhöhen.
Ob und wie die Notwendigkeit einer Anpassung besteht, ist durchaus fraglich. Die Verfassung enthält keine Regelung, wann genau und wie eine Anpas
sung zu erfolgen hat und welche Spielräume bei der Mandatsverteilung auf die Regierungsbezirke bestehen. Die strenge Proportionalität, die Innenminister Herrmann immer wieder betont, ist nicht der einzige Grundsatz der Wahlgleichheit.
Fraglich ist auch, ob der zugrunde gelegte Maßstab, die Anzahl der deutschen Bevölkerung als ausschlaggebend zu nehmen, das Maß aller Dinge ist. Man könnte ebenso gut die Anzahl der Wahlberechtigten oder die Anzahl aller Menschen, die in Bayern leben, heranziehen.
Auch wenn Staatsminister Herrmann von einer verfassungsrechtlich zwingenden Anpassung zulasten von Oberfranken und der Oberpfalz spricht, muss dies nicht unbedingt das Maß aller Dinge sein. Die Staatsregierung ist mit ihrer Rechtsauffassung schon häufiger vor den Verfassungsgerichten gescheitert. Jüngst war das Auskunftsrecht des Parlaments bezüglich der Resonanzstudien Gegenstand einer Verfassungsklage. Bezogen auf die Stimmkreisreform sind anerkannte Verfassungsjuristen anderer Meinung: Professor Dr. Klaus Gärditz, Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Bonn, und der von uns für das Gutachten beauftragte Professor Dr. Joachim Wieland, Lehrstuhl für öffentliches Recht der Verwaltungshochschule Speyer. Beide sind anerkannte Verfassungsjuristen, die ihre abweichende Meinung zum Ausdruck gebracht haben. Wir wollen die offenen verfassungsrechtlichen Fragen in einer Landtagsanhörung klären. Es gibt sehr wohl eine Kollision zwischen den verschiedenen Verfassungsgrundsätzen. Die numerische Betrachtung lediglich der Wahlgleichheit reicht nicht aus.
Die Pläne der Staatsregierung zur Stimmkreiskorrektur sind ein Musterbeispiel dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit die CSU noch immer versucht, den Freistaat unter sich aufzuteilen. Damit sind wir bei der schon angesprochenen Machtfrage. Wie bereits bei der letzten Stimmkreisreform zur Wahl 2003 sind die Pläne maßgeschneidert orientiert an den CSU-Interessen. Objektive Kriterien werden beiseitegeschoben. Dies wird besonders an der Stimmkreiseinteilung in München deutlich. Sie ignoriert die Existenz der Stadtbezirke, obwohl diese eingehalten werden könnten. Wir haben dies mit mehreren Alternativvorschlägen nachgewiesen. Stattdessen wurden dort die Parteistrukturen der CSU zum Maßstab erhoben. Die Stimmkreise werden wie Kuchenstücke so zugeschnitten, dass ein jeweils CSU-tauglicher Wählermix entsteht, zur Sicherung möglichst vieler Direktmandate. Anstatt jetzt die Gelegenheit zu nutzen, diese wahltaktische Einteilung zu korrigieren, hält die
Staatsregierung im Grundsatz an dieser Fehlentscheidung fest, und sie missachtet damit die gewachsene politische Identität der Bevölkerung mit den Stadtbezirken, weil sie von den Stimmkreisen durchschnitten werden.
Ziemlich dreist ist auch der Plan, ausgerechnet in Ingolstadt einen zusätzlichen oberbayerischen Stimmkreis zu schaffen. Dies ist offensichtlich der Absicht geschuldet, dass auch Ministerpräsident Seehofer einen Stimmkreis und damit überhaupt ein Landtagsmandat bekommt. Im Raum Ingolstadt aus zwei Stimmkreisen drei zu schaffen, ist objektiv nicht zu begründen. Es würden drei unterdurchschnittlich kleine Stimmkreise mit einer Abweichung von bis zu minus 23 Prozent vom Durchschnitt, bezogen auf die Einwohner, geschaffen, ganz abgesehen von den Protesten der Gemeinden Hohenwart, Gerolsbach und Scheyern, die von ihrem Landkreis Pfaffenhofen nicht getrennt werden wollen.
Unser Vorschlag für den südwest-oberbayerischen Bereich, mit dem ein wesentlich besseres Ergebnis erzielt werden könnte - die maximale Abweichung beträgt minus 11,5 Prozent - wurde einfach vom Tisch gewischt.
Das dritte Beispiel ist bezogen auf den Wegfall des oberfränkischen Stimmkreises. Auf regionale Besonderheiten, geografische, strukturelle Unterschiede, wird keine Rücksicht genommen. Mit der Zusammenlegung von Kulmbach, Wunsiedel und einigen Gemeinden des Landkreises Bayreuth entsteht dieser sogenannte Hundeknochen-Stimmkreis. Dies ist absolut nicht akzeptabel.
Wir hoffen, dass mit unserer Anhörung endlich Objektivität in die Debatte kommt. Die Rechtsmeinung von Innenminister Herrmann ist, wie gesagt, nicht das Maß aller Dinge.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich nach den markigen Worten und den Beiträgen der Opposition ein paar Punkte vorausschicken. Erstens. Wir haben in Bayern ein hervorragendes Wahlrecht, in meinen Augen das beste Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland, ein Wahlrecht, das garantiert, dass die Bezirke vertreten sind, weil es Wahlkreise