Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

ßendämmung? Weshalb regelt man diesen Tatbestand nicht genauso?

Bitte.

Frau Kollegin, in einem mehrseitigen Schreiben des Innenministeriums an die Bezirksregierungen wird im Detail dargestellt, wie man in solchen Fällen vorgehen kann. Es wird dargelegt, welche rechtlichen Möglichkeiten infrage kommen und wie sie genutzt werden können. Wenn Sie das durchlesen, sehen Sie, dass dort auf Befreiungsbzw. Ausnahmemöglichkeiten eingegangen wird. Selbst die Auswirkungen auf den Brandschutz Trennwände! - werden beleuchtet. Die Oberste Baubehörde im Innenministerium erläutert die gegenwärtige Rechtslage ausführlich. Den unteren Genehmigungsbehörden werden entsprechende Hinweise an die Hand gegeben.

Frau Kamm, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir zuerst wissen wollen, welche Regelung der Bund trifft. Wenn sich im Anschluss daran zeigen sollte, dass es Änderungsbedarf bei uns in Bayern gibt, dann ändern wir halt auch in Bayern - aber doch nicht vorher! Das wäre unlogisch. Der Weg, den Sie vorschlagen, ist nicht praktikabel. Wir gehen den umgekehrten Weg. Alles klar?

Da brauchen Sie nicht mich zu fragen. Wenn Sie damit die Frage beantwortet haben und keine weiteren Fragen angedeutet werden, sind Sie herzlichst an Ihren Platz zurück entlassen.

Ich darf den nächsten Redner aufrufen: Für die SPDFraktion spricht Herr Kollege Dr. Wengert.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von allen Maßnahmen zur Energiewende kommt einer Maßnahme besonders große Bedeutung zu, nämlich der Energieeinsparung. Wir alle wissen, dass ein riesiges Potenzial dafür im Bereich der Wärmedämmung liegt, insbesondere wenn es zugleich um die Verminderung des CO2-Ausstoßes geht.

In den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, vor allen Dingen im Baugesetzbuch, in der Baunutzungsverordnung und in der Bayerischen Bauordnung muss dem rasch Rechnung getragen werden. Denn aufgrund der mit der Aufbringung von Außendämmungen verbundenen Überbauten ergibt sich eine Vielzahl rechtlicher Probleme, die allein mit Befreiungen nach Artikel 31 Absatz 2 Satz 1 Baugesetzbuch nicht gelöst werden können.

In der Sammelabstimmung zu Tagesordnungspunkt 6 der heutigen Sitzung werden wir unter der Nummer 11 nach den jeweils einstimmigen Empfehlungen der beratenden Ausschüsse einem Antrag zustimmen, mit dem die Staatsregierung aufgefordert wird, sich bei der anstehenden Novelle zum Baugesetzbuch und zur Baunutzungsverordnung für eine Änderung unter dem Leitmotiv der Energieeinsparung und des Klimaschutzes noch in der laufenden Legislaturperiode mit dem Ziel einzusetzen, dass Abweichungen im Rahmen der Aufbringung von Wärmedämmungen im Hinblick auf Überschreitungen der Grundflächenzahl und der Geschossflächenzahl bzw. der Grundstücksgrenze legalisiert werden. Aus der Begründung zu diesem Antrag habe ich eingangs zitiert. Aber - hier unterscheiden wir uns offensichtlich von den Regierungsfraktionen - auch die Bayerische Bauordnung muss an die neue Lage angepasst werden. Denn die derzeitigen Abstandsflächenregelungen lassen bei ausgeschöpften Bauabständen entsprechende Wärmedämmmaßnahmen, die bis zu 20 Zentimeter betragen können, einfach nicht zu, wenn man sich an die Vorschriften hält.

(Christine Kamm (GRÜNE): So ist es!)

Es ist keineswegs zwingend, Herr Kollege Bernhard, dass dies erst in einem zweiten Schritt, also erst nach der Änderung des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung geschehen kann.

Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sollte der Problematik dergestalt begegnet werden, dass durch die Einfügung einer weiteren Ausnahmeregelung für Bestandsgebäude - nur um die geht es - Fassaden- und Dachaußendämmungen, soweit sie zur Erreichung von Klimaschutzzielen erforderlich sind, in den Ausnahmekatalog des Artikels 6 Absatz 8 der Bayerischen Bauordnung als weitere Nummer eingefügt werden. Dies dient der Rechtssicherheit und vermeidet Auseinandersetzungen im nachbarlichen Bereich. Eine Ermessensentscheidung im Rahmen der Abweichungsregelung des Artikels 63 Absatz 1 der Bayerischen Bauordnung wird damit überflüssig, denn jede Ermessensentscheidung öffnet natürlich Streitigkeiten Tür und Tor.

Auf diese Weise, wie das hier beabsichtigt ist, kann schnell und vor allen Dingen in eigener bayerischer Verantwortung eine Lösung für bestehende Gebäude, die wärmegedämmt werden sollen, erreicht werden. Die Anzahl solcher Maßnahmen wird in Zukunft sprunghaft ansteigen, sodass wir die Bayerische Bauordnung nicht nur für einige wenige Fälle ändern, Herr Kollege Bernhard.

Einer solchen bayerischen Regelung steht auch das Bauplanungsrecht nicht entgegen, denn dort, wo im Geltungsbereich von Bebauungsplänen Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl, Baugrenzen und Gebäudehöhen durch Dämmmaßnahmen überschritten werden, sind entsprechende Befreiungen möglich. Daher läuft dieser Gesetzentwurf auch nicht ins Leere.

Es ist deshalb also nicht notwendig, erst auf eine bundesrechtliche Änderung zu warten. Wer weiß, wie lange das dauert. In dem Antrag, der anschließend mit abgestimmt wird, ist formuliert "noch in dieser Legislaturperiode". Das ist noch ein langer Zeithorizont und wir sind auch nicht sicher, ob es tatsächlich noch in dieser Zeit geschieht. Deswegen wollen und sollten wir nicht erst auf eine bundesrechtliche Änderung warten, die dann über die Verknüpfungsregelungen in Artikel 6 Absatz 5 Satz 3 der Bayerischen Bauordnung auch die nach bayerischem Bauordnungsrecht einzuhaltenden Abstände verändern würde.

Lassen Sie uns also jetzt dort handeln, wo wir es in eigener Zuständigkeit tun können; wenn wir uns über das Ziel schon ausnahmsweise so einig sind, dann lassen Sie uns doch diesen Weg gehen. Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege. Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich meinen Kollegen Thorsten Glauber nach vorne bitten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute in diesem Hohen Hause die Energiewende und wir diskutieren die Zukunft der Energieeinsparung. Ich denke, wir sollten alle Möglichkeiten ergreifen, um diese Energieeinsparung so rasch wie möglich zu realisieren.

Wenn wir auf den Gebäudebereich blicken, lasst uns auch einmal zurückschauen auf die Jahre 1975 bis 1980. Da hatten wir bei Wohnhäusern - das kann ich Ihnen als Architekt sagen - ein Öläquivalent für 150 bis 200 Quadratmeter Wohnfläche von 4.000 bis 5.000 Liter Heizöl pro Jahr. Heute sind wir mit der Energieeinsparungsverordnung bei 400 bis 500 Litern für die gleiche Wohnfläche. Das ist eine wunderbare Geschichte, wie man bauleitplanerisch, gesetzgeberisch beispielsweise über die Energieeinsparungsverordnung eine Veränderung geschaffen hat, die für die Energiewende ganz wichtig ist.

Deshalb sollten wir alle Anstrengungen in diese Richtung unternehmen. Der Antrag der GRÜNEN ist ein

Baustein, diese Anstrengungen zu optimieren. Wir sollten uns also darauf einigen, das Bauordnungsrecht in Bayern zu ändern.

In diesem Zusammenhang kann ich die Ausführungen der Vertreter des Ministeriums im Wirtschaftsausschuss nicht nachvollziehen, dass Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht miteinander zu verknüpfen wären. Denn bauplanungsrechtlich ist natürlich eine Regelung auf Bundesebene notwendig, wie Kollege Paul Wengert dargelegt hat. Aber es wird da noch Jahre dauern, bis es zu einer Veränderung kommt.

Bauordnungsrechtlich können wir in Bayern etwas verändern. Ich will Ihnen dafür Beispiele nennen. Es betrifft immer den nicht beplanten Bereich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Im Innenbereich haben wir oft den Fall. Der Gesetzgeber schreibt uns heute eine Abstandsfläche von mindestens drei Metern vor, um Belichtung, Belüftung und Besonnung für den Nachbarn zu gewährleisten. Wenn wir nun 14 bis 16 Zentimeter Dämmung aufbringen, überschreiten wir diese Fläche um eben 14 bis 16 Zentimeter, und damit entsteht plötzlich der Fall, zumindest deutet dies die Haltung der Obersten Baubehörde an, dies kommunal vom Landratsamt bzw. das Stadtbauamt regeln zu lassen.

Da sage ich Ihnen heute schon voraus, dass sich die Ämter einen solchen Nachbarschaftsstreit nicht antun wollen. Warum sollten sie es sich auch antun? Wir hier im Hohen Haus sind der Gesetzgeber und warum können wir diese Veränderung nicht herbeiführen, wenn wir die energetischen Maßnahmen schon haben wollen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Thema haben wir ausführlich besprochen. Ich meine, eine bauordnungsrechtliche Lösung ist ganz klar möglich. Und sie ist im nicht bebauten Bereich auch wichtig und machbar. Das Tangieren von Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht ist im Gegensatz zur Aussage des Vertreters des Innenministeriums weniger von Belang. Daraus resultiert auch unsere klare Zustimmung zu dem Antrag. Ich bitte die Staatsregierung und auch die CSU- und FDP-Koalition, diese Dinge noch einmal zu überlegen und sich der Problematik zu nähern. Es würde die energetischen Maßnahmen verbessern und damit verbunden den Energieeinsparungszielen dienen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die FDP-Fraktion darf ich nun Dr. Franz Xaver Kirschner das Wort erteilen.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Materiell sind wir völlig auf der Seite der Antragsteller. Da gibt es kein Wenn und Aber. Aber im Formalen liegen wir auseinander. Das durchzieht die ganze Diskussion. Es ist dringend notwendig, dass etwas passiert; es ist überhaupt keine Frage, dass die Abstandsflächen auch künftig nicht unterschritten werden, wenn man Wärmedämmung auf energetische Art und Weise macht. Da sind wir völlig bei Ihnen. Bezüglich der rechtlichen Auseinandersetzung haben wir jedoch eine andere Auffassung. Dazu werde ich am Schluss meiner Rede noch einen Vorschlag machen.

Unabhängig davon tangiert ein Unterschreiten der Abstandsflächen zum Nachbarn planungsrechtliche Vorgaben. Und da gibt es keine bayerischen, sondern bundesrechtliche Probleme. Rechtliche Vorgaben für bebaubare Grundstücksflächen, Baugrenzen, Baulinien, Bauhöhe und Nutzung sind einzubeziehen. Es ist also Bundesrecht.

Gerade in Innenstadtlagen - da sind wir rechtlich anderer Auffassung als die Opposition - treten häufig sehr große Probleme auf. Artikel 6 Absatz 5 der Bayerischen Bauordnung regelt, dass die abstandsflächenrechtliche Regelung hinter die bauplanungsrechtliche Regelung zurücktritt. Dies gilt dann, wenn im Bebauungsplan abweichende Gebäudeabstände enthalten sind. Solange das Bundesrecht keine Flexibilität - es hat dort eben keine Flexibilität - hinsichtlich der Abstandsflächen hergibt, insbesondere für energetische Baumaßnahmen, geht eine Änderung des Abstandsflächenrechts letztlich ins Leere.

Der Bundesgesetzgeber ist gefordert, in der Baunutzungsverordnung eine entsprechende Regelung aufzunehmen, wonach die Baugrenze nicht überschritten ist, wenn eine nachträgliche angebrachte Wärmedämmung zur Unterschreitung der gesetzlich vorgegebenen Abstände führt. Dies würde Artikel 6 Absatz 5 der Bayerischen Bauordnung automatisch tangieren. Dies gilt auch für den überplanten Innenbereich.

Fazit: Materiell haben wir keine Diskussion; da sind wir völlig bei Ihnen. Formell sind wir aber unterschiedlicher Auffassung. Wir haben einen eigenen Antrag auf Drucksache 16/7789 zur Novellierung des Bundesbaugesetzes gestellt. Eine persönliche Anmerkung meinerseits: Sollte sich in den nächsten zwei, drei Monaten nichts ändern, sind wir Ihrem neuen Antrag gegenüber sehr aufgeschlossen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Staatsregierung darf ich nun Herrn Staatssekretär Eck zum Mikrofon bitten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf der Oppositionsseite wird geschmunzelt - ich weiß nicht, warum.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Ich habe geschmunzelt, ob Sie diese Passage übernehmen!)

Ich habe mich nur noch zu Wort gemeldet, um verschiedene Punkte noch ein Stück weit klarzustellen.

Als Erstes wurde Kollege Bernhard angesprochen; er hat zum Ausdruck gebracht, dass zunächst im Bund gesetzliche Änderungen erfolgen müssten, bevor dies in Bayern möglich ist. Das hat Kollege Bernhard aber so gar nicht zum Ausdruck gebracht. Er hat vielmehr dargelegt, dass wir zunächst abwarten sollten, wie die gesetzlichen Änderungen in Berlin aussehen; dann können wir uns immer noch überlegen, ob wir gefordert sind, etwas zu tun.

Lieber Kollege Glauber, Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass mit Ihrem Antrag all die Probleme, die in der Praxis auftauchen, geregelt sind. Diese sind eben nicht geregelt, lieber Herr Kollege Glauber. Das ist doch der Punkt. Mit dem Antrag, der von der Opposition eingereicht worden ist, wird zwar das Spektrum ein Stück erweitert, es ist aber nicht definiert, wie es in einem Gesetz definiert sein sollte und müsste. Wiederum werden wir bei Einzelfällen große Probleme haben und sind von der Einzelfallgenehmigung, von der Ausnahmegenehmigung nicht weg.

Jetzt will ich ein Zweites klarstellen.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kamm?

Nein, erst am Schluss.

Ich möchte ein Zweites klarstellen. Natürlich gibt es die Ausnahmegenehmigung. Glauben Sie mir - ich bin über Jahrzehnte hinweg mit beiden Beinen im Bau tätig gewesen und kenne das Thema in- und auswendig. Es wurde auch reagiert. Von unserem Haus wurde ein Empfehlungsschreiben an die Regierungen herausgegeben - wer es nicht kennt: Es stammt vom 4. Februar. Dort sind all die Probleme, die man irgendwie konstruieren kann, niedergeschrieben, und sind Empfehlungen ausgesprochen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es kann eben nicht jede

Regierung oder jedes Landratsamt entscheiden, wie es gerade passt. Ich traue unseren Behörden, unseren Landratsämtern und der Regierung schon die entsprechende Kompetenz zu, das zu entscheiden und Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

Last but not least ist für Ausnahmegenehmigungen auch nicht in jedem Fall ein formeller Bauantrag mit drei Bauantragsunterlagen notwendig, die über die Gemeinde an das Landratsamt gehen. Die meisten Dinge sind mit einem formlosen Antrag machbar. Das ist also überhaupt kein Thema.

Ich setze jetzt wirklich guten Willen und konstruktives Handeln voraus. Das hat die Opposition sicherlich im Sinne gehabt und wollte die Regierung nicht attackieren. Das sage ich alles in dieser Offenheit und Deutlichkeit.

Ein Letztes. Was den Antrag eigentlich überflüssig macht, ist die Tatsache, dass das in Berlin in den Ausschüssen bereits diskutiert wird. Es gibt noch ein paar kleine Formulierungsunklarheiten. Wir gehen davon aus, dass die Baugesetzbuchänderung noch im Juli beschlossen wird. Dann ist die Änderung, die Sie mit Ihrem Antrag bezwecken wollen, völlig überflüssig. Wir brauchen das nicht. Allein aus diesem Grund, weil sich das zeitlich aufhebt, überschneidet und überlagert, bitte ich ganz herzlich darum: Ziehen Sie den Antrag zurück. Wenn nicht, bitte ich, dagegenzustimmen. Sollte mit der gesetzlichen Regelung in Berlin das Ziel nicht erreicht sein, sind wir immer noch bereit und in der Lage, zu reagieren und vielleicht entstandene Lücken zu regeln. In diesem Sinne bitte ich so zu verfahren, wie ich gerade gebeten habe, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Kollegin Kamm gemeldet. Bitte schön.