Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

Um es auf den Punkt zu bringen: Hier war schlechter Rat teuer. Das Ganze kostet auch noch Geld, wenn auch nicht sehr viel.

Wenn man einen Zukunftsrat einsetzt, sollte man sich mit den Themen beschäftigen, die uns wirklich auf den Nägeln brennen, und sich dazu raten lassen. Das sind die Probleme der Studierenden. Dazu haben wir

FREIEN WÄHLER ein Programm aufgelegt. Auch aus den anderen Oppositionsparteien gibt es genügend Vorschläge, wie man die Studierenden stärken kann.

Wir geben Ihnen, wenn Sie es wollen, kostenlosen Rat, der auch in die Zukunft wirkt und viel mehr bringt als das, was wir hier auf 90 Seiten erlebt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Piazolo, es würde Ärger geben, nicht nur, wenn man etwas zeigt, sondern auch ein Stück schwarzen Stoff auf dieses Pult legt.

Ich bitte jetzt Herrn Dr. Kirschner nach vorn.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Piazolo, zu fortgeschrittener Stunde lässt der Professor manchmal nach. Ich war sehr erstaunt über Ihre Aussage, dass Sie die jungen Menschen in München halten wollen. Ich habe eine Tochter, die in Passau studiert hat. Ich war froh, dass sie für ein Jahr nach Mexiko gegangen ist. Ich bin auch froh, wenn sie für ein Jahr nach Amerika geht, weil sie internationales Know-how hat. Sie muss deswegen nicht in München sein.

Die jungen Menschen müssen auch zum Studieren nach draußen. Da brauchen wir doch kein Rückholprogramm. Die Probleme liegen ganz woanders. Die jungen Menschen studieren hier, haben den Drang zum Weggehen und zum internationalen Lernen und kommen dann in Amerika oder England oder in Norddeutschland oder Ostdeutschland in Betriebe, wo sie ihren Lebensmittelpunkt - weil sie dort vielleicht ihren Lebenspartner kennenlernen - finden und dann dort bleiben. Das ist ein völlig normaler Weg.

Ein Problem besteht darin, dass die Menschen generell einen Zug in die Großstadt haben. Das trifft gerade für junge Menschen zu. Diesen gilt es zu stoppen. Dazu möchte ich kurz etwas sagen. Aber ich will das, was von der Oppositions- und der Regierungsseite gesagt worden ist, nicht wiederholen, um Zeit einzusparen.

Herr Piazolo, Sie haben gesagt, es habe keinen konkreten Beratungsauftrag gegeben. Aber es gab sehr wohl einen konkreten Beratungsauftrag, nämlich zu den Themen: "Zukunftsfähige Gesellschaft", "Stärkung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts", "Entwicklung Bayerns bei fortschreitender Internationalisierung und Globalisierung", "Wie können regionale Identitäten in einem internationalen Rahmen gestärkt werden?". Das ist ein ganz klarer Beratungsauftrag; das steht fest.

Ich finde es gut, wenn eine Regierung ein Gutachten mit konkreten Zielen in Auftrag gibt. Ich finde es gut, dass das Gutachten dann heiß diskutiert wird, auch wenn Fehler gemacht worden sind; denn dann kommen die Dinge endlich auf den Tisch.

In dem Gutachten sind eine Menge Probleme diskutiert worden, die uns über die Jahre hinweg immer wieder begleiten. Ich denke dabei an die Themen "demografischer Wandel", "Mentalitätswandel bei den jungen Menschen", "mehr Internationalität", "Rohstoffverknappung". Ich wiederhole aber nicht alles.

Viele Dinge wurden gesagt. Empfehlungen wurden zu den Themen "Familie und Beruf", "Verbesserung der Kinderbetreuung", "Vereinbarung Pflege und Beruf", "Verbesserung der Bildung durch Netzwerke", "Schulen mit Unternehmergeist" gegeben. In diesem Zusammenhang gebe ich Ihnen einen Tipp. Fahren Sie einmal nach Pfarrkirchen in Niederbayern. Da gibt es das Unternehmergymnasium. In Fürstenzell bei Passau gibt es das Erfindergymnasium. Hoch spannend! Toll entwickelt! Ich empfehle jedem, das einmal anzuschauen.

Im ländlichen Raum ist das Hauptthema die Infrastruktur und ihre Gestaltung, ebenso die Infrastruktur an Hochschulen. Auch ich habe da massive Kritik geübt und bleibe dabei. Ich habe massive Mängel in der Benutzung der Fachterminologie festgestellt; so hatte es auch der Professor ausgeführt. Er sprach vom Land und vom ländlichen Raum. Freising ist ländlicher Raum, aber niemals vergleichbar mit Wunsiedel. Erding und Miesbach sind ebenfalls ländlicher Raum, aber niemals vergleichbar mit Passau und Freising. Da hätte man differenzieren müssen. Aber das ist leider nicht geschehen.

Das Gutachten hat überall zu massiver Verwirrung beigetragen, nämlich durch die Gegenüberstellung von Metropolregion und ländlichem Raum. Beides wurde wie ein Gegensatz behandelt. Es wurde so getan, als bestünde hier eine Konkurrenzsituation, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist; denn das Leben geht nicht ohne die Städte und auch nicht ohne das Land. Unser Leitbild muss heißen, auf gleichwertige Lebensbedingungen zu achten, wie es im LEP festgeschrieben ist. Dies muss beibehalten werden. Gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern müssen geschaffen und erhalten werden.

Die Empfehlung soll Antwort auf die zukünftige Entwicklung und auf dabei auftretende Probleme geben. Wenn eine Antwort gefunden werden soll, ist es wichtig, nicht zu reagieren, sondern zu agieren.

Die alleinige Förderung von Metropolregionen wie München oder Nürnberg oder Augsburg reicht nicht

aus. Nürnberg ist ein gutes Beispiel. Dort war Quelle. Das Unternehmen ist punktuell gefördert worden. Aber wir sollten Metropolregionen nicht massiv fördern, weil sie sich aus eigener Kraft gut entwickeln; dies steht außer Frage.

Denken Sie zum Beispiel einmal an den Flughafen München. Was sich dort über die Jahre hinweg entwickelt hat, kann man nicht mit Passau oder Wunsiedel oder Ulm oder womit auch immer vergleichen. Man muss hier massiv differenzieren.

Falsch ist die ausschließliche Förderung von Leistungszentren neben München, Nürnberg, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Würzburg. Dabei denke ich auch an den 60-Minuten-Pendlereinzugsbereich, und der Rest fällt weg; das sind das Allgäu, Niederbayern usw. Die Oberpfalz geht nach Tschechien. Das ist aber eine völlige Fehlinterpretation der gegebenen Situation. Die muss korrigiert werden.

Wenn es uns gelingt - damit komme ich zu einem zentralen Thema, das auch die Regierung aufgegriffen hat -, zukunftsfähige Arbeitsplätze durch Existenzgründungen an den Orten des ländlichen Raums zu organisieren - zum Beispiel in Teisnach, wozu ich heute schon gesprochen habe; im Bayerischen Wald sind es auch Freyung und Grafenau -, dann entstehen kleine Einheiten, kleine Unternehmen mit Arbeitsplätzen. Wenn Arbeitsplätze entstehen, bilden sich Familien. Wo Familien entstehen, gibt es normalerweise Kinder. Dort braucht man Wohnungen, Schulen, Ärzte und Krankenhäuser. Es würde uns niemals gelingen, diese Transferleistungen aufrechtzuerhalten, wenn es uns nicht gelingt, Arbeitsplätze zu schaffen. Dies ist das alles entscheidende Thema.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Diese Entwicklung vollzieht sich natürlich nicht von heute auf morgen.

In Roding gibt es zum Beispiel die Firma Mühlbauer. Herr Mühlbauer hat sich vor 29 Jahren selbstständig gemacht. Zunächst war er in München. Da hat er keine Mitarbeiter bekommen, weil BMW alles weggesaugt hatte. Er hat eine Maschinenbaufirma in Roding im Bayerischen Wald gegründet. Sie hat 2.700 Beschäftigte und 300 Auszubildende. Jetzt investiert er 30 Millionen Euro in den Ort.

Es handelt sich hier nicht um einen Einzelfall. Es gibt genügend derartige Beispiele. Wir können uns den Gedanken abschminken, dass aus dem Ausland große Investoren kommen und bei uns 1.000 oder 2.000 Arbeitsplätze schaffen. Wir leben davon, dass wir durch Existenzgründungen und Ähnliches nachhaltig und organisch wachsen. Dies muss massiv ge

fördert werden. Das habe ich hier mehrmals vorgetragen. Wir müssen die Förderung umstellen: weg vom Beton, hin in die Köpfe.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir müssen die Internationalisierung der Hochschulen organisieren. Die internationale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hochschulen muss verbessert werden. Die Öffnung der Hochschulen für Meister ist gelungen und läuft an. Die Ausgliederung von Hochschulen in die ländlichen Räume läuft ebenfalls an.

Des Weiteren brauchen wir junge Wissenschaftler gerade für den mittelständischen Bereich; denn dort, wohin die Maschinen geliefert werden, wird künftig Dienstleistung benötigt. Wir haben aber nicht die Menschen, die diesen Bedarf ausfüllen. Von daher geht uns eine enorme Wirtschaftskraft verloren.

Ich persönlich mache mir um den bayerischen Mittelstand keine Sorgen. Sorgen mache ich mir, wenn es darum geht, in der Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, wenn wir nicht genügend Fachkräfte haben. Insofern müssen wir - das sage ich hier nochmals laut und deutlich - dem Fachkräftemangel auch dadurch begegnen, dass wir nicht nur die eigenen Arbeitslosen fördern, sondern ganz gezielt auch die Einwanderung organisieren, wie es zum Beispiel in Österreich mit einem Punktesystem geschieht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir brauchen eine verbesserte Infrastruktur. Ich nenne ganz konkret die A 94. Herr Runge hat heute schon darüber diskutiert. Ich nenne die Bahn, die wir gerade im ländlichen Raum brauchen. Das geht nicht von heute auf morgen, weil wir leider Vorläufe von 10 bis 15 Jahren haben. Ich spreche das jetzt permanent diskutierte Thema Energieversorgung an, das uns noch großes Kopfzerbrechen machen wird, und ich spreche noch das Thema DSL an.

Meine persönliche Einschätzung: Der ländliche Raum hat riesige Chancen. Ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung. Wir haben ein Büro in München. Dort verdienen die Mitarbeiter 20 % mehr als im ländlichen Raum. Am Ende des Monats hat aber der Mitarbeiter im ländlichen Raum nach Abzug der Miete und der Lebenshaltungskosten mehr in der Tasche als der Mitarbeiter in München. Deshalb traue ich mir zu sagen, dass sich der normale Facharbeiter das Leben in der Großstadt aufgrund der Grundstückspreise und der massiv wachsenden Mietkosten und Kaufpreise auf Dauer nicht mehr leisten kann, auch wenn er 6.000 oder 7.000 Euro brutto verdient. Wenn er eine Familie mit zwei kleinen Kindern hat, kann er in Mün

chen nicht leben. Wir lagern mittlerweile eine Menge an Arbeit in den ländlichen Raum aus, weil wir in den Städten keine Mitarbeiter mehr bekommen.

Die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur müssen von der politischen Seite geschaffen werden. Dann wird der ländliche Raum nicht nur überlebensfähig, sondern so attraktiv und lebenswert bleiben, wie er es jetzt ist.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben noch eine Wortmeldung von Herrn Sibler für die CSU.

Frau Präsidentin, meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich hat das Gutachten eingeschlagen wie ein Blitz und große Aufmerksamkeit in ganz Bayern erzielt. Zur Abwechslung will ich auch einmal das westliche Mittelfranken und das nördliche Unterfranken nennen, die ähnliche Probleme haben wie die schon genannten Regionen. Vor allem hat die Frage der Anbindung der Region an die Zentren provoziert. Diese Frage hat die notwendige Kritik nach sich gezogen. Es war wichtig, dass sich die Regionen zu Wort gemeldet haben. Es wurde die Frage gestellt, ob das eine neue Politik der Staatsregierung sei. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich klarstellen, der Zukunftsrat, der ehemalige Wissenschaftlich-Technische Beirat, den es übrigens seit 1986 gibt, ist ein Beratungsgremium und kein politisches Entscheidungsgremium. Entscheidungen trifft immer noch die Politik und kein anderer, auch wenn der Zukunftsrat kostenlos - in Klammern könnte man vielleicht auch "umsonst" sagen - arbeitet.

(Alexander König (CSU): Umsonst ist richtig! Völlig umsonst!)

Es sei aber auch einmal gesagt, dass die Mitglieder des Zukunftsrats kein Geld für ihre Arbeit bekommen.

Meine Damen und Herren, der Vergleich mit Julius Cäsar fordert mich natürlich heraus, lieber Michael Piazolo. Dazu möchte ich sagen, dass der Pontifex maximus im Besitz der Deutungshoheit war. Daran sieht man, dass die Politik die Deutungshoheit hat. Das Beispiel war dann wohl eher an den Gedärmen herbeigezogen als tatsächlich von historischer Faktizität.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns fragen, wie man mit einem solchen Gutachten umgeht. Sollen wir schimpfen, resignieren oder handeln? Geschimpft haben alle in den betroffenen Regionen. Resigniert haben Gott sei Dank die allerwenigsten. Gehandelt haben nur relativ wenige. In

Niederbayern und Oberfranken waren es vor allem die CSU-Mitglieder, die gehandelt haben. Minister Helmut Brunner hat einen Infrastruktur-Arbeitskreis auf den Weg gebracht. Er hat viele Maßnahmen vorgeschlagen. Innenminister Friedrich hat in Oberfranken verschiedene Gruppen ins Leben gerufen. Landrat Christian Bernreiter hat jetzt eine Organisation auf den Weg gebracht. Bei den Hochschulkonzepten hat sich auch sehr viel getan. Für Franken will ich nur auf die Technologieallianz Oberfranken hinweisen. Ich will auf die Kooperation zwischen Nürnberg und Erlangen verweisen. Ich will auf das übergreifende Konzept zwischen Würzburg, Erlangen und Regensburg hinweisen, Frau Präsidentin Stamm. Ich will auf die vielen Initiativen verweisen, die sich in Niederbayern, in Straubing, Passau und Deggendorf unter dem Begriff "Technik Plus" entwickelt haben. Damit stellt man die Handlungsfähigkeit einer Region unter Beweis, lieber Herr Muthmann.

Ich darf auch noch darauf hinweisen, dass der Bezirksverband der CSU Niederbayern bereits im Dezember 2010, als vom Zukunftsrat noch niemand gesprochen hat, beschlossen hat, einen demografischen Faktor in der kommunalen Förderung einzuführen. Diesen Beschluss hat der Demografiebeirat der Bayerischen Staatsregierung jetzt schon in seine Überlegungen einfließen lassen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das haben Sie bei uns abgeschrieben!)

- Lieber Herr Rinderspacher, ich kann Sie beruhigen, ich lese Ihre Papiere nicht einmal.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das spricht aber nicht für Sie, Herr Sibler!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, andere Parteien sammeln heute noch Unterschriften. Wir liefern lieber Ideen ab. Das ist der Unterschied. Wir brauchen Konzepte statt Betroffenheit. Das Beruhigende an den Konzepten ist, dass wir Geld dafür Gott sei Dank auch noch zur Verfügung haben.

Lassen Sie mich als hochschulpolitischer Sprecher noch ein paar Sätze zur Internationalisierung sagen. Ich kann Sie beruhigen, lieber Herr Rabenstein, Herr Piazolo. Wir sind konkurrenzfähig. Letzte Woche war ich mit Frau Matschl am Max-Planck-Institut für Licht in Erlangen. Dort haben wir feststellen können, dass gerade ein Professor von der ETH in Zürich nach Erlangen gegangen ist, weil er dort ideale und sehr gute Voraussetzungen vorfand. Die Konzepte, die in diesem weiteren Punkt der Empfehlungen des Zukunftsbeirats aufgeführt sind, bringen viele Impulse für die Internationalisierung. Wir sind auf dem Weg, diese zu realisieren. Auch dafür, lieber Herr Mütze, werden wir