Protokoll der Sitzung vom 13.07.2011

In der Statistik klingt es ganz gut, dass die Armutsrisikoquote von Migranten laut Sozialbericht in Bayern mit 24,8 % die geringste in der Bundesrepublik ist. Das ist aber noch längst kein Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen. Das sage ich mit voller Überzeugung. 24 % sind meines Erachtens noch immer eine erschreckend hohe Zahl. Mich tröstet es dabei keineswegs, dass die Situation in anderen Bundesländern noch schlechter ist. Ganz im Gegenteil: Mich erschreckt, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern ein mehr als doppelt so hohes Armutsrisiko haben wie Menschen ohne Migrationshintergrund.

Deshalb gilt es, endlich zu handeln und sich nicht auf den vorhandenen Lorbeeren auszuruhen. Ich bin davon überzeugt, dass wir über Migration neu nachdenken müssen. Gerade bei der Zuwanderung von Qualifizierten und Hochqualifizierten muss ein Umdenken stattfinden. Angesichts der demografischen Entwicklung brauchen wir dieses Potenzial an Menschen sowohl im Alltag als auch im Berufsprozess dringender denn je. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Neben der Ausschöpfung des heimischen Arbeitsmarktes durch Qualifizierung brauchen wir auch eine gesteuerte Zuwanderungspolitik.

Sehen wir uns einmal die Zahlen an, die in dieser Interpellation zum Thema Bayern als Zuwanderungsland zuhauf vorhanden sind. Dann müssen wir leider

feststellen, dass in den vergangenen fünf Jahren deutlich mehr Menschen ab- als zugewandert sind. Im Jahre 2009 betrug der negative Saldo beispielsweise 6.476 Personen allein in Bayern. Geschätzter Herr Kollege Neumeyer, ich habe deshalb mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass Sie vorhin sagten, dass mehr Zuwanderung erfolgt sei.

Mit anderen Worten: Bayern verliert als Zuwanderungsland an Attraktivität. Deutschland und Bayern werden im Ausland nicht mehr unbedingt als weltoffen und gastfreundlich wahrgenommen. Das kann nicht in unserem Interesse liegen, sondern sollte uns vielmehr zu denken geben. Hier gilt es, kritisch nach den Ursachen zu fragen und Lösungen zu finden. Die Menschen, die in unser Land kommen, müssen das Gefühl haben, willkommen zu sein und hier mit ihrer Arbeitskraft und ihrem Know-how eine lebenswerte Zukunft für sich und ihre Familien aufbauen zu können. Das hat beileibe nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern liegt in unser aller Interesse.

Deshalb ist es das Gebot der Stunde, endlich eine Aufnahmekultur zu entwickeln. Schließlich sind die Zeiten ungelernter Gastarbeiter längst vorbei, auch wenn das einige vielleicht noch nicht bemerkt haben. Menschen, die in ein Land ein- oder auswandern, tun das selten zeitlich beschränkt. Der Großteil der Migration ist auf Dauer angelegt. Die Menschen wollen hier leben und arbeiten. Sie wollen sich einbringen und an allen Lebensbereichen der Gesellschaft teilhaben. Davon können wir profitieren; nur müssen wir die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen. Die Migration von hochqualifizierten Arbeitskräften wird ein dauerhaftes Phänomen unserer Gesellschaft sein. Wir brauchen die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte, wenn wir den Wohlstand in unserer Gesellschaft wahren wollen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Lassen Sie uns die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Die Einwanderungspolitik Deutschlands war von den Siebzigerjahren bis in die Neunzigerjahre von dem Bemühen geprägt, keine weitere Zuwanderung zuzulassen. Sie war auch von der Unfähigkeit geprägt, dies mit der Realität der Migrationsbewegung in Deckung zu bringen. Ganz im Gegenteil: Gebetsmühlenartig hat man über Jahre hinweg betont, Deutschland sei kein Einwanderungsland, anstatt die tatsächlichen Gegebenheiten wahrzunehmen. Integration muss gesamtgesellschaftlich passieren. Nur im Zusammenspiel zwischen Arbeits-, Bildungs- und Sozialpolitik kann sie gelingen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

An dieser Stelle möchte ich der Staatsregierung recht geben, dass Integration keine Einbahnstraße sein kann, sondern ein Vertrag auf Gegenseitigkeit ist. Beide Seiten haben eine Bringschuld. So wenig eine einseitige Integration funktionieren kann, wenn die kulturelle Vielfalt nicht anerkannt wird, so wenig eine erzwungene Integration funktionieren kann, so wenig kann eine Integration funktionieren, wenn die Werte und Normen des neuen Heimatlandes nicht akzeptiert werden. Das beginnt schon bei der Bereitschaft, deutsche Sprachkenntnisse nachzuweisen. In diesem Zusammenhang müssen wir immer wieder feststellen, dass ein Großteil der Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, die Sünden der Vergangenheit sind. Die mangelnde Integrationspolitik der Sechzigerund Siebzigerjahre, die auch von der CSU als Regierungspartei oder als Partner im Bund zu verantworten ist, holt uns heute ein. Wichtige Weichenstellungen wurden damals versäumt.

In diesem Zusammenhang muss uns klar sein: Eine nachholende Integration ist nur ganz schwer möglich. Das überdurchschnittliche Armutsrisiko von Menschen, von denen ich vorhin schon einmal gesprochen habe, ist dafür ein trauriger Beweis. Wir müssen uns den gegenwärtigen Herausforderungen offen und ohne Vorurteile stellen, sodass der Integrationsprozess in Zukunft gelingen kann. Wir FREIEN WÄHLER wollen in der Integrationspolitik weg von der Defizitorientierung hin zur Potenzialorientierung. Nur so können wir eine Situation schaffen, in der es keine Verlierer, sondern ausschließlich Gewinner gibt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

In unserer globalisierten Welt können gerade Menschen mit Migrationshintergrund einen wertvollen Schatz an kultureller Erfahrung einbringen. Es liegt an uns, die Chancen der Vielfalt zu nutzen. Dazu gehört es auch, die im Ausland erworbenen Abschlüsse und Qualifikationen anzuerkennen. Wir sind in Deutschland immer noch zu sehr auf formale Abschlüsse fixiert und schauen zu wenig auf die individuellen Fertigkeiten. Wir müssen beispielsweise über gezielte Weiterbildung und Nachqualifikationen nachdenken sowie über Probezeiten oder Bewährungszeiten, um ein Potenzial zu nutzen, das wir zum Großteil bereits jetzt in unserem Land haben.

Herr Neumeyer, Sie haben vorhin richtigerweise gesagt, dass unsere europäischen Nachbarn uns hier einen Schritt voraus sind. Wenn ich mir die aktuelle Diskussion über den Fachkräftemangel ansehe, muss ich feststellen, dass sich auch die Kammern bewegen müssen. Ich habe gestern mit dem Präsidenten der Handwerkskammer Unterfranken gesprochen, der gesagt hat, dass 1.000 Meister und 6.000 Azubis in Bay

ern fehlten. Mit einem unkomplizierten Anerkennungsverfahren bei den Abschlüssen von Menschen mit Migrationshintergrund könnten wir einen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Sonntagsreden. Wir brauchen auch nicht hier oder dort ein Projekt, wie das bisher der Fall ist. Wir brauchen vielmehr - ich wiederhole das - ein tragfähiges, langfristiges und nachhaltiges Gesamtkonzept. Kultusminister Dr. Spaenle preist immer sein Gesamtkonzept zur schulischen Integration an. Ich zitiere:

Wir können, dürfen und wollen auf kein Talent verzichten. Es ist im Interesse aller Kinder und der ganzen Gesellschaft, wenn wir gezielt und verstärkt den Kindern mit Migrationshintergrund besonders helfen und so ihre erfolgreiche Teilhabe in der Gesellschaft erleichtern.

Das klingt gut. Wie schaut aber die Realität aus? Wo bleiben beispielsweise die Deutsch-Fördermaßnahmen für Schüler mit Migrationshintergrund an Realschulen, an Gymnasien und an beruflichen Schulen, die so vollmundig versprochen wurden? Es gibt sie fast nicht.

Wir haben an den Berufsschulen nicht annähernd eine ausreichende Zahl an ausgebildeten Lehrkräften für das Fach Deutsch. Wir haben zu wenig Förderlehrer und zu wenig Ganztagsangebote. Wir haben auch zu wenig Schulsozialarbeiter und zu große Klassen, um nur einige Baustellen zu nennen.

Von einer Kollegin wurde vorhin das frühkindliche Sprachangebot angesprochen. Nach Expertenmeinung setzt dieses Angebot viel zu spät an, obwohl Studien genau das Gegenteil für angezeigt halten. Diese Studien zeigen auch, dass der Vorkurs Deutsch zu ineffektiv ist. Trotzdem wird er seitens der Staatsregierung nach wie vor als Erfolgsmodell verkauft. Dafür werden erfolgversprechendere Programme wie das Sprachberaterprogramm vernachlässigt. Auch hier gilt: Nimmt man frühkindliche Sprachförderung ernst, muss man dafür auch das Geld in die Hand nehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich komme zum lebenslangen Lernen. Hier ist es der Staatsregierung bisher noch nicht einmal gelungen, einen Vertreter des Ausländerbeirats fest im Landesbeirat für Erwachsenenbildung zu installieren, wie das von den Oppositionsparteien gefordert wurde. Statt mit Riesenschritten, wie immer wieder verkündet, kommen wir in den genannten Bereichen nicht einmal

im Schneckentempo voran. Der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse ist der Schlüssel für jegliche Integration. Allein die Bewältigung des Alltags ohne entsprechende Sprachkenntnisse ist nicht möglich. Das weiß jeder, der schon einmal im Ausland war. Dennoch verfügen viele Mütter insbesondere türkischer Herkunft oft über nur geringe oder teilweise keinerlei Deutschkenntnisse, wie Sie in dem Bericht vom 9. Mai 2011 zum Projekt "Mama lernt Deutsch" feststellen.

Auf die Frage, welche Maßnahmen die Staatsregierung in diesem Zusammenhang im Rahmen der nachholenden Integration plant, geben Sie zur Antwort ich zitiere aus der Interpellation: "Weitere spezielle Fördermaßnahmen für Frauen sind nicht geplant." So kann es nicht gehen. So werden wir Integration nicht erfolgreich meistern. Wir FREIEN WÄHLER halten das für den absolut falschen Weg; denn gerade die Mütter sind wichtige Multiplikatoren in ihren Familien. Sind sie gut integriert, wirkt sich das positiv auf andere Mitglieder, insbesondere auf die Kinder aus. Sind sie es nicht, haben wir mit entsprechenden Problemen zu kämpfen.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Elternarbeit an den Schulen erwähnen. Schulen und Lehrer geben sich wirklich Mühe, intensiv daran zu arbeiten. Wo es aber an Sprachkenntnissen mangelt, sind der Elternarbeit enge Grenzen gesetzt.

In den einzelnen Ergebnissen wird immer wieder dargelegt, dass es viel zu tun gibt. Nur, es passiert nichts. Das Ziel unserer Integrationspolitik, meine Damen und Herren, muss sein, allen dauerhaft und rechtmäßig bei uns lebenden Personen unabhängig von ihrer Herkunft gleiche Teilhabechancen zu eröffnen. Wir fordern ein Geben und Nehmen und ein Wechselspiel zwischen Integrationsangeboten und der Bereitschaft, diese anzunehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Bevor ich Frau Kollegin Meyer aufrufe, gebe ich das Ergebnis der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend Änderung des Bayerischen Besoldungsgesetzes, Drucksache 16/8693, bekannt. Mit Ja haben 69 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 94. Es gab keine Stimmenthaltung. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Wir fahren in der Debatte fort. Ich erteile für die FDPFraktion Frau Brigitte Meyer das Wort. Bitte schön.

Verehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht verwundern, dass auch ich am Anfang meiner Rede ein Dankeschön dafür sage, dass wir wegen der Interpellation der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN das Thema Integration heute wieder auf der Tagesordnung haben. Haben Sie doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, mit dieser sehr großen Fleißaufgabe in Bayern dazu beigetragen, wieder einen Blick auf die Ist-Situation zu richten und genau hinzusehen, wie sich die Dinge entwickelt haben. Ich werde nicht behaupten, in Bayern sei in Sachen Integration alles spitze und wir müssten nur dafür sorgen, dass wir spitze bleiben. Ich meine aber schon, dass diese Interpellation auch eines deutlich macht, dass nämlich nicht alles ganz so schlecht ist, wie es soeben von der Opposition dargestellt wurde.

Wir haben auf alle Fragen Antworten bekommen. Die Antworten machen zum Teil deutlich, dass die Probleme zwar erkannt wurden, aber vielleicht nicht so früh, wie sie hätten erkannt werden müssen, und vielleicht auch nicht so intensiv, wie sie hätten erkannt werden sollen. Sie werden aber nicht erst seit gestern aufgegriffen.

Ich meine, dass zusammen mit der FDP einige ganz grundlegende Neuerungen in den Landtag eingezogen sind. Ich möchte das nicht in einen Wettbewerb ausarten lassen, wer was und wer am meisten gemacht hat, wie es Frau Weikert angesprochen hat. Es muss aber erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass wir in Bayern inzwischen einen Integrationsbeauftragten haben, den es in Bayern erstmals gibt.

(Beifall bei der FDP)

Der Bayerische Integrationsrat, an dem manche meinen, herummäkeln zu müssen, hat sich am 19. Januar 2010 erstmals konstituiert. Die Sozialministerin legt Wert darauf, dass sie als "Integrationsministerin" bezeichnet wird. Auch das gab es früher nicht. Sie hat erstmals im Bayerischen Landtag in dieser Legislaturperiode eine Regierungserklärung zur Integrationspolitik abgegeben. Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles sind wichtige Pflöcke auf dem Weg zur Integration. Man sieht daran, dass sich etwas bewegt hat. Diese Pflöcke wurden maßgeblich von der FDP angespitzt.

Zu diesem Thema gibt es Weiterentwicklungs- und Nachbesserungsbedarf. Sie haben sich die Aufgabe des Integrationsbeauftragten vorgenommen. Auch ich sehe, dass wir beim nächsten Mal, wenn diese Position neu besetzt werden sollte, sicherlich das eine oder

andere anders machen können. Vielleicht kann die Besetzung wie bei der Behindertenbeauftragten mit einer Person erfolgen, die zum Migrationshintergrund eigene Erfahrungen mitbringen kann. Auch über die beratende Funktion dieser Aufgabe sollte man nachdenken. Diese Gedanken haben nichts mit der jetzt amtierenden Person des Integrationsbeauftragten zu tun. Die Fragen liegen in den Aufgaben begründet. Ich möchte betonen, dass Kollege Neumeyer seine Aufgabe mit großem Engagement und großer Leidenschaft verfolgt, wofür wir ihm ausdrücklich danken.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ein weiterer Punkt, der der FDP im Zusammenhang mit den Aufgaben des Integrationsbeauftragten sehr wichtig ist, ist die Meinung, dass keine Menschen ausgegrenzt werden dürfen, die bei uns zum Beispiel als Asylbewerber über viele Jahre hinweg eventuell mit einem faktischen Abschiebehindernis in den Unterkünften leben. Sie in die Integrationsbemühungen einzubeziehen, sehe ich als humanitäre Aufgabe an. Diese Aufgabe kann sich daneben auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechnen. Menschen, die sich akzeptiert und geachtet fühlen, die ihr Leben selbst gestalten, arbeiten und sich fortbilden dürfen, fallen der Gesellschaft nicht zur Last. Wenn sie in ihr Land zurückkehren, sind sie auch dort eine Bereicherung und ein Gewinn und können helfen, das Land wieder aufzubauen und nach vorne zu bringen. Vor diesem Hintergrund halten die Liberalen es für erforderlich, dass in der nächsten Aufgabenbeschreibung für den Integrationsbeauftragten die Aufgabe nicht explizit ausgeschlossen werden darf, sich um diese Menschen zu kümmern.

Bayern zählt zu den Bundesländern mit einem sehr hohen Migrationsanteil und hat damit verbunden besondere Herausforderungen zu meistern. Um die bestehenden Integrationsdefizite zu erkennen, ist die Bayerische Staatsregierung bemüht, die Datenlage im Bereich der Integrationspolitik durch Erkundungen zu erfassen und bayernweite milieuspezifische Daten zu erheben, um der Vielfalt der bayerischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund gerecht zu werden. Um zielgenau und niedrigschwellig dort ansetzen zu können, wo Unterstützung gebraucht wird, brauchen wir verlässliche Grundlagen. Eine ehrliche Bilanz darf nicht verhehlen - das tue ich auch nicht -, dass auch in Bayern immer noch Menschen leben, die nicht integriert sind und die am Rand der Gesellschaft stehen.

Zur Förderung der Integration schafft der bayerische Staat einerseits die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen und flankiert andererseits diese Prozesse gezielt mit Fördermaßnahmen. Die Fördermaßnahmen der Staatsregierung umfassen

die gesamte Lebensspanne und damit alle Bereiche des Lebens. Ich meine, mit dieser Interpellation ist deutlich geworden, dass es für alle Lebensbereiche der Menschen, die bei uns leben, die integriert werden sollen und dies wollen, entsprechende Programme und Möglichkeiten gibt. Auch ich möchte wie die Vorrednerinnen, Kollegin Ackermann und Kollegin Weikert, einige Lebensbereiche herausgreifen und einen etwas gezielteren Blick darauf richten.

Zunächst ist es wichtig, auf die Kinder zu gucken; denn Kinder kennen keine Vorurteile. Kinder kennen keine Diskriminierung, und sie akzeptieren sich gegenseitig, ob weiß oder farbig, ob behindert oder nicht behindert. Ihnen sind kulturelle Hintergründe ebenso völlig egal wie irgendwelche finanzielle Fakten. Wie wichtig für das spätere Miteinander in unserer Gesellschaft dieser unkomplizierte Umgang miteinander ist, brauche ich wohl nicht extra zu betonen. Kinder lernen leicht, unsere deutsche Sprache zu sprechen und zu verstehen. Auch das wurde schon vielfach gesagt und ist nachdrücklich und eindrucksvoll belegt: Das Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft sowie für sozialen Aufstieg und Wohlstand. Das ist, wie gesagt, eine Feststellung, die zwischenzeitlich von allen zwar anerkannt wird, auf die man aber immer wieder neu hinweisen muss, um ihre Bedeutung allen bewusst zu machen.

Daher liegt ein Schwerpunkt bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund hier in Bayern auf der möglichst früh einsetzenden, kontinuierlichen, systematischen und expliziten Förderung der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Sie könnten sagen, das geschehe viel zu spät und viel zu wenig.

Mit der Einführung des Bayerischen Kinderbildungsund -betreuungsgesetzes - BayKiBiG - sowie der Implementierung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplanes hat in Bayern eine ganz hohe Qualität von Bildung und Förderung in den bayerischen Kindergärten und Kinderkrippen Einzug gehalten. Damit Kinder mit Migrationshintergrund noch mehr gefördert werden können, wurden sie im Rahmen des BayKiBiG mit einem um 30 % höheren Förderfaktor bedacht. Auch das haben Sie kritisiert. Das ist aber wichtig, weil es einfach deutlich macht, dass es damit eine bessere Fördermöglichkeit speziell für Kinder mit Migrationshintergrund gibt.

Um Kinder mit Sprachrückständen noch besser fördern zu können, wurde in Bayern das Sprachberaterprojekt ins Leben gerufen. Das alles sind Schritte, die dazu beitragen, Kinder möglichst früh durch eine Teilnahme an der Sprache zu integrieren. Die InhouseSchulungen des in der Einrichtung tätigen Personals

sollen den Erziehern helfen, die Prinzipien der individuellen Sprachförderung des Bildungs- und Erziehungsplanes noch besser umzusetzen. Bis Ende des nächsten Jahres soll das Sprachberaterprogramm fortgesetzt werden, damit auch die Einrichtungen zum Zuge kommen, die das erfolgreiche Projekt bislang mit Skepsis betrachtet haben.

Andere, immer wiederkehrende Fortbildungen fördern eine stets hohe Professionalität des pädagogischen Personals. Verbindliche Sprachstandsfeststellungen spätestens in der zweiten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres erleichtern darüber hinaus ein frühes Erkennen von Sprachdefiziten. Kinder ohne ausreichende Sprachkenntnisse und solche, die bislang keinen Kindergarten und somit keinen Vorkurs Deutsch besucht haben, können für ein Jahr zurückgestellt und zu der Teilnahme an einem Vorkurs Deutsch verpflichtet werden.

Das alles sind Maßnahmen, die dazu beitragen, dass Kinder die Möglichkeit haben, an unserer Gesellschaft teilzunehmen.

Zum Lebensraum Familie: Der Kindergarten - auch das wurde schon gesagt - ist der zentrale Punkt, an den sich Erziehungspartnerschaften sehr gut anknüpfen lassen. An Kindergärten angegliederte Familienstützpunkte, in denen niederschwellige Eltern- und Familienbildung angeboten werden, können mittels Erziehungstipps die Förderung der Kinder forcieren und Kontakte der Migrantinnen und Migranten untereinander sowie zur bayerischen Bevölkerung schaffen. Ich halte diese Familienstützpunkte für eine ganz, ganz wichtige Einrichtung. Wir haben sie nicht ohne guten Grund in unserem Koalitionsvertrag explizit aufgeführt, weil dort diese Begegnungen stattfinden, vor allen Dingen im Dorf. Dort kommt man an die Mütter heran. Die Verbindung untereinander kann dazu beitragen, dass sich Mütter für die deutsche Sprache und die deutsche Kultur öffnen. Dort können Informationen zu Sprach- und Integrationskursen vermittelt werden. Solche Kurse haben sich in den letzten Jahren verstärkt an den Bedürfnissen von Müttern und Eltern orientiert, auch wenn man vielleicht kritisieren kann, dass sie viel zu stark nebeneinander herlaufen, dass sie zu wenig koordiniert sind und dass es zu wenige Stellen gibt, wo man einen genauen Überblick über die Angebote bekommen kann. Ich bin immer wieder überrascht von den bestehenden Angeboten gerade in den Großstädten München und Nürnberg. Vieles wird von den Städten unterstützt, aber vieles auch von der Bayerischen Staatsregierung.