Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU und der FDP)

Diese Dringlichkeitsanträge und auch der Gesetzentwurf, den wir heute Morgen beraten haben, sind zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Sie geben einen wichtigen Anstoß. Da geht es um ein stetes Nachfassen, von dem ich denke, dass es notwendig ist; denn bisher wird die Problematik nur schleppend behandelt und muss endlich forciert werden. Dass deshalb diese Anträge und auch der vorliegende Gesetzentwurf angebracht sind, muss man fachlich zugestehen.

Bezüglich des Themas der frühkindlichen Bildung gibt es in der Bevölkerung eine große Unsicherheit in den Fachbegriffen. Wir haben die Tagesbetreuung, die Kinderkrippen und die Tagespflege von Müttern. Wir

sollten also immer ganz klar sagen, ob wir von Kinderkrippen, von Tagesbetreuung bei Familienmüttern oder Kindergärten sprechen. Angesichts der verschiedenen Angebote kommt es zu sehr viel Verwirrung, und wir sollten bei dieser Debatte die Gelegenheit nutzen, etwas Klarheit in die Sache zu bringen.

Nun zu den beiden Dringlichkeitsanträgen. Die FREIEN WÄHLER werden sich bei der Abstimmung zu beiden Anträgen der Stimme enthalten, da sie einige Ungereimtheiten enthalten, auch wenn sie in die richtige Richtung zielen.

Ziel des Antrages des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN ist unter anderem, bis zum Jahre 2013 die Vorgaben einzuhalten. Es ist gut, das hier noch einmal schriftlich zu fixieren.

Beim Stellenschlüssel von 1 : 10 schimmert ein bisschen Gutgläubigkeit durch. Wir haben das selbst auch schon gefordert, und Frau Haderthauer - sie ist jetzt leider nicht im Saal - hat bereits im Jahre 2010 in ihrer Jahrespressekonferenz als Ministerin ganz klar gesagt, dass das auch ihr Ziel sei.

Bei einer langfristigen Verbesserung des Stellenschlüssels auf 1 : 7,5 sind wir folgender Meinung: Solange das Ganze noch eine Frage der Konnexität ist und solange die ganze frühkindliche Bildung nicht Aufgabe des Freistaates ist, weil wir da von Bildung reden, halten wir das Verhältnis 1 : 7,5 für nicht praktikabel, da dann alle Kommunen, egal ob arm oder reich, das Ganze mittragen müssten.

Die Aussage zur schrittweisen Umsetzung der kostenfreien frühkindlichen Bildung erst nach Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Betreuungsplätzen ist für uns FREIE WÄHLER im Grunde eine falsche Forderung; denn es würde bedeuten, dass im Augenblick das nicht eingeführt werden kann, wozu sich die Koalition aufgerafft hat. Das wäre nicht in Ordnung, auch wenn das Ganze die Idealvorstellung für uns bedeutete. Wenn wir jetzt zu einem solchen Beschluss kämen, der immer noch besser wäre als das Bisherige, sollten wir diesen Antrag nicht verhindern, da man Reisende ja nicht aufhalten soll. Aber er würde eben durch Ihren Antrag verhindert.

Aus all diesen Gründen meinen wir, dass es in dem Dringlichkeitsantrag zwar richtige Ansätze gibt. Wir können aber wegen der von mir vorgetragenen Bedenken nicht zustimmen und enthalten uns deshalb der Stimme.

Und nun ein Wort zum Antrag der SPD. Auch hier finden sich viele Forderungen, die wir FREIEN WÄHLER unterstreichen können. Zum dritten Punkt des Dringlichkeitsantrags, in dem der Mindestanteil der vom pä

dagogischen Fachpersonal zu leistenden Arbeit von 50 % auf 70 % angehoben werden soll, gebe ich meiner Vorrednerin Frau Dettenhöfer durchaus recht. Kinderpflegerin ist auch ein qualifizierter Beruf. Wir müssen realistisch sein, wenn das Ganze bezahlbar bleiben soll. Wenn wir in fachlicher Hinsicht eine gute Kinderbetreuung haben, ist diese fachlich gute Qualifizierung nicht unbedingt damit verbunden, dass man sagt, wir bräuchten 70 % Erzieherinnen. Im Umkehrschluss müssten nämlich sonst alle Bundesländer, die einen anderen Schlüssel haben, eine wesentlich bessere Kindergartenbetreuung aufweisen. Das ist nicht der Fall.

Bei der Forderung in Punkt 5, zur Verbesserung der Betreuungsqualität den Anstellungsschlüssel von 1 : 10 auf 1 : 7,5 zu verbessern, glauben wir nicht zustimmen zu können, solange die Konnexität angewendet werden muss und die Finanzierung nicht in einer Hand, nämlich in der Hand des Freistaates liegt. Deshalb enthalten wir uns auch bei diesem Dringlichkeitsantrag der Stimme.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, gebe ich Ihnen kurz das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Tobias Thalhammer, Karsten Klein, Dr. Franz Xaver Kirschner und anderer und Fraktion (FDP) sowie der Abgeordneten Georg Schmid, Renate Dodell, Tobias Reiß und anderer und Fraktion (CSU), betreffend "Energiewende gestalten - Umbau der bayerischen Energiewende zielgerichtet vorantreiben", Drucksache 16/10419, bekannt. Mit Ja haben gestimmt 109 Abgeordnete, 31 haben mit Nein gestimmt. Es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Wir fahren in der Debatte fort. Ich erteile das Wort der Kollegin Will für die FDP-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn hier von Populismus die Rede ist, muss ich sagen: Ich habe heute schon sehr viel Populistisches gehört und auch sehr viel Polemisches, um es einmal deutlich vorwegzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Das Maßnahmenpaket für die Umsetzung des gesetzlich garantierten Betreuungsanspruchs für Kinder unter drei Jahren ist seit Langem geschnürt. Im Jahre

2008 haben wir mit einer Betreuungsquote von sieben Prozent bei den Kindern unter drei Jahren begonnen. Zum Krippenjahr 2011/2012 beträgt die Quote bereits 28 %. 28 % und nicht 18,5 %, wie Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag zur Begründung ausführen.

(Beifall bei der FDP)

Das kann sich sehen lassen. Wir können schon jetzt davon ausgehen, dass im Jahre 2013 in etwa 110.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stehen werden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wie viele fehlen dann noch?)

Das entspricht einer Deckung von ungefähr 36 %. Damit liegen wir in Bayern nach jetzigem Planungsstand sogar über der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Versorgungsquote von 31 %.

(Beifall bei der FDP - Markus Rinderspacher (SPD): Schön wär es!)

- Es ist einfach so, Herr Kollege. Wenn man die Fakten nicht sehen will, wird man polemisch und verwechselt die Zahlen.

Neben den regulären Haushaltsansätzen, die zum Krippenausbau vorhanden sind, gibt es ein Investitionsprogramm für den weiteren Ausbau von Plätzen für Kinder unter drei Jahren zusätzlich durch das Investitionsprogramm Krippenausbau im Rahmen von "Aufbruch Bayern" mit 56 Millionen Euro, und im Nachtragshaushalt finden sich 92,2 Millionen Euro, meine Damen und Herren! Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung. Damit haben wir für frühkindliche Bildung und Betreuung insgesamt den größten Ansatz auch im Nachtragshaushalt erreicht.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ackermann?

Nein! - Neben Hamburg ist Bayern im Übrigen das einzige Bundesland, das die ihm zustehenden Bundesmittel schon verplant hat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil der Nachholbedarf so groß war!)

Mehr noch! Bayern ist das einzige Bundesland, in dem die eingesetzten Landesmittel die Höhe der Anteile der auf das Land entfallenden Bundesmittel bereits übersteigen.

(Zurufe von der SPD)

Zusätzlich gibt Bayern als eines der wenigen Bundesländer auch die Bundesmittel für die Betriebskostenförderung ungekürzt an die Kommunen weiter. Ungekürzt! Bis 2013 handelt es sich hierbei um 277 Millionen Euro. Ab 2014 sind es jährlich 115 Millionen Euro. Angesichts dieser gewaltigen Anstrengungen sind wir uns ganz sicher, den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz im Zusammenwirken mit den dafür verantwortlichen Kommunen verwirklichen zu können.

Den qualitativen und quantitativen Ausbau der Ausbildungsangebote für Erzieherinnen und Erzieher halten auch wir natürlich für längst überfällig. Aber auch das sind wir angegangen, auch diesen Schritt werden wir weitergehen.

Im Rahmen des Nachtragshaushalts haben wir beschlossen, den verbindlichen Anstellungsschlüssel gemäß BayKiBiG zum Kindergartenjahr 2012/2013 von derzeit 11,5 auf 11,0 abzusenken. In einem ersten Schritt haben wir mit dem Doppelhaushalt den Wert von 12 auf 11,5 gesenkt. Dies ist jetzt der zweite Schritt, und weitere werden entsprechend den Haushaltsmitteln folgen. Das bedeutet ganz konkret in der praktischen Umsetzung, dass der Personal-KindSchlüssel, der derzeit in Krippen schon bei 1,4 und in Kindergärten bei 1,86 liegt, dadurch noch weiter verbessert werden kann.

Nach der finanziellen Absicherung des Ausbaus aller Ausbildungsangebote einerseits und der mit der Absenkung des Anstellungsschlüssels verbundenen Qualitätsverbesserung andererseits ist es uns darüber hinaus möglich, auch als familienpolitische Maßnahme die Eltern finanziell spürbar zu entlasten. In einer ersten Stufe wollen wir als Freistaat ab dem Kindergartenjahr 2012/2013 im Rahmen der staatlichen Förderung nach dem BayKiBiG bei Kindern im dritten Kindergartenjahr einen Anteil von 50 Euro des Kindergartenbeitrags übernehmen. Dies entspricht rund der Hälfte des durchschnittlichen Elternbeitrags in Höhe von 96 Euro bei einer durchschnittlichen Buchungszeit von sechs Stunden täglich. Das bedeutet konkret, dass alle betroffenen Familien, deren Kinder eine Kindertageseinrichtung besuchen, um 600 Euro jährlich entlastet werden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Warum haben Sie sie dann nicht kostenfrei gestellt?)

Mit dieser Maßnahme wollen wir gerade für die Familien, die in der Mitte unserer Gesellschaft sind, für die die hohen Beiträge oft nicht leicht zu erbringen sind, ein klares familienpolitisches Zeichen der Unterstützung setzen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie wollten es doch kostenfrei stellen!)

- In einer zweiten Stufe - ein bisschen Geduld! - soll der Freistaat dann je nach wirtschaftlicher Entwicklung - wir gehen nämlich sehr verantwortungsvoll mit unseren Finanzen um und nehmen auch keine neuen Schulden auf - und nach Entwicklung der Steuereinnahmen zum Kindergartenjahr 2013/2014

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

den kompletten Elternbeitrag in Höhe des durchschnittlichen Beitrags für eine Buchungszeit von sechs Stunden täglich übernehmen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Unter Haushaltsvorbehalt!)

- Ja, klar. Das ist verantwortungsvolle Politik, Herr Halbleib.

(Beifall bei der FDP - Markus Rinderspacher (SPD): Die FDP steht für Bürokratieaufbau! Das ist die Wahrheit! Sie predigen Abbau und machen das Gegenteil!)

Die GRÜNEN fordern in ihrem Gesetzentwurf den Beginn der Kostenfreiheit bereits bei den Krippenplätzen. Diese Meinung der GRÜNEN teilen wir nicht. Wir wollen langfristig den Kindergarten ab drei Jahren elternbeitragsfrei gestalten.

(Volkmar Halbleib (SPD): Viel Ankündigung und wenig Substanz! - Zuruf des Abgeordneten HansUlrich Pfaffmann (SPD))

Wir beginnen jetzt mit dem Jahr vor der Einschulung. Dies ist für uns ein deutliches Bekenntnis, dieses Jahr als schulvorbereitendes Jahr aufzuwerten sowie Kindergarten und Schule enger zu vernetzen; denn jedes Kind muss am Ende seiner Kindergartenzeit am Schulunterricht aktiv teilnehmen können.

Wir hatten einmal das wunderbare KiDZ-Programm. Das ist aus Kostengründen nicht weiterverfolgt worden. Das Ziel war, das letzte Kindergartenjahr mit der Grundschule zu verzahnen und wirklich allen Kindern die Chance zu geben, in der Grundschule die gleichen Voraussetzungen zu haben, wie sie Chancengerechtigkeit am Start erfordert.