Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Dass wir es natürlich mittragen, wenn die Staatsregierung in entsprechende Gespräche eintritt, ist selbstverständlich. Man muss ja alle Möglichkeiten versuchen, auch die hoch qualifizierten Arbeitsplätze in Bayern zu halten; das ist völlig klar.

Aber wir haben es hier nicht nur mit einem deutschen oder bayerischen Problem zu tun; denn es ist inzwischen leider ein europäisches Problem geworden. In manchen Bereichen der Technologie hat Europa in den letzten 20, 25 Jahren nicht nur die Führerschaft, sondern auch den Anschluss verloren. Das gilt für den Bereich der Telekommunikation, für den Bereich der Unterhaltungselektronik, für den Bereich von Computer-Hard- und -Software. So etwas wird heute im Grunde nur noch im Fernen Osten gebaut. Auch die großen amerikanischen Unternehmen lassen ihre Hardware mehr oder weniger dort bauen. Auf diesen Gebieten haben Europa und Amerika in den letzten Jahrzehnten leider total den Anschluss verpasst.

Dennoch meine ich, wir sollten aus unserer Sicht herausstellen, dass Bayern in wichtigen Bereichen der Hochtechnologie Weltmarktführer ist. Denken wir nur an die Fahrzeugherstellung. Der deutsche und der bayerische Erfolg gehen in erster Linie auf diesen Bereich, auf Maschinen- und Werkzeugbau sowie auf Umwelt- und Energietechnologie zurück. Da gehören wir Gott sei Dank zu den Weltmarktführern und haben die entsprechenden Arbeitsplätze in Deutschland, vor allem aber auch in Bayern sichern können.

Wie gehen wir nun mit den Anträgen um? - Eines ist völlig klar: Die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen sind Aufgaben der Unternehmen. Sinnvoll und dauerhaft stabil können Arbeitsplätze nur sein, wenn sie über den Markt finanziert werden. Aber das ist offenbar schwierig. Hier dem Staat die Verantwortung zuzuschieben, ist in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung etwas billig und oberflächlich. Wir sind für die Rahmenbedingungen zuständig. Wir können Gott sei Dank sagen, dass Bayern in vielen Bereichen hervorragende Rahmenbedingungen geschaffen hat.

Da Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in Ihrem Antrag nicht nur stehen haben, man sollte Gespräche führen, sondern aus meiner Sicht auch völlig illusionäre Forderungen stellen, zum Beispiel den Firmensitz nach Bayern zu verlegen oder die Unternehmensmitbestimmung zu ändern, muss ich sagen: Das ist jenseits jeder Realität. Das weckt Hoffnungen, die der Staat nicht erfüllen kann. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Ich lade Sie aber ein, dem nachgezogenen Antrag von FDP und CSU zuzustimmen, in dem wir die Thematik NSN in gleicher Weise aufgreifen mit der Bitte an die Staatsregierung, Gespräche zu führen. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem wir auch die Problematik der Eon-Arbeitsplätze, die in Ihrer Vorstellung eine Rolle spielt, ansprechen. Viele Arbeitsplätze in München und in Bayern sind leider gefährdet.

Dazu gibt es - ich möchte es ausdrücklich anerkennen, Herr Wirtschaftsminister - Gespräche der Staatsregierung mit der Konzernführung. Diese haben bisher nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt. Ob sie Erfolg haben werden, kann man noch nicht sagen. Aber wir sind der Meinung: Man sollte die Bemühungen um die Erhaltung von Arbeitsplätzen im Bereich von Eon fortsetzen. Das gilt natürlich auch bezüglich einiger Konzernteile von Eon, die für ganz Deutschland und möglicherweise auch darüber hinaus von operativer und strategischer Bedeutung sind.

Vor zehn Jahren war es das Ziel von Eon - seinerzeit unter anderem Namen -, dass der Schwerpunkt für Energie in Bayern, in München, liegt. Leider hat sich dieser in den letzten zehn Jahren sukzessive in Richtung Düsseldorf verändert. Ob diese Entwicklung aufzuhalten ist, wagt man in der heutigen Situation nur schwer einzuschätzen.

Nach meiner Meinung ist es richtig, wenn wir die Staatsregierung bitten, sowohl bei NSN wie auch bei Eon ihre Kompetenz für die bayerischen Rahmenbedingungen einzubringen, um möglichst viele hoch qualifizierte, gute Arbeitsplätze in München und Bayern zu erhalten.

Abschließend weise ich darauf hin, dass wir mit unserer Politik seit langer Zeit die besten Rahmenbedingungen gerade auch für Hightech-Betriebe haben. Das Niveau im Bereich der Forschungsförderung betrifft den hohen Anteil der Ausgaben für Forschung und Innovation. Jetzt sind es etwa 3 % des BIP.

Dazu hatten wir mehr als 50.000 Studienplätze in den letzten drei, vier Jahren in Bayern geschaffen, davon viele im Bereich Hightech. Dabei liegt ein Schwerpunkt bei MINT-Schulfächern. Wir verfolgen das Ziel, die Energiewende sicher und preiswürdig zu gestalten.

Wir setzen uns für eine moderne Verkehrstechnologie ein. Meine Damen und Herren von der SPD, da könnten Sie beispielsweise mit einem klaren Ja zum Ausbau der dritten Startbahn des Flughafens München dazu beitragen, dass die Standortqualität in Bayern weiter verbessert wird und wir insgesamt dazu kommen, durch eine hohe Investitionsquote im Staats

haushalt die Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bayern ein wettbewerbsfähiger Innovationsund Technologiestandort bleibt und dass das auch für den Produktionsstandort gilt.

Wir sollten diese Politik der letzten Jahre konsequent und mutig fortsetzen. Das ist die beste Grundlage für die Schaffung und Erhaltung hoch qualifizierter Arbeitsplätze im Bereich Hightech in Bayern.

Leider können wir dem Antrag der SPD nicht zustimmen. Aber wir laden die Opposition herzlich ein, dem sehr guten und klug formulierten Antrag von FDP und CSU zuzustimmen.

Herr Roos hat das Wort zu einer Intervention.

Herr Kollege Huber, bei Ihrer letzten Bemerkung haben Sie jetzt selber lachen müssen. Das wirft ein Schlaglicht auf die mangelnde Qualität der Rahmenbedingungen, die Sie so glänzend beschrieben haben.

Wenn wir in den letzten zehn Jahren einen Trend "Weg aus Bayern" haben - Eon geht von München nach Essen - und beispielsweise NSN von München nach Ulm geht, müssen wir uns fragen: Warum ist das so? Warum fühlt man sich nicht an angebliche Zusagen gebunden, die Sie in der Vergangenheit als Wirtschaftsminister mit der Eon-Konzernspitze erwirkt haben wollen? Warum verstößt man dagegen?

Außer der Produktion von Papier und heißer Luft ist nichts passiert. Was "heiße Luft" betrifft, wünsche ich mir keinen warmen Händedruck, sondern ein heißes Herz von Ihnen, genauso von Herrn Zeil, alles hier Mögliche zu tun. Es reicht eben nicht, zu sagen, man könne hier wenig tun, sondern dazu gehört, dass man sagen kann: Wir haben unser Möglichstes getan, um die Rolle Bayerns in der Industriepolitik zu stärken.

Man muss den Fehlentwicklungen, die bei NSN seit Jahren festzustellen sind, entgegentreten und sagen: Wir laden euch nach Bayern ein, und zwar unter dem Co-Management der Betriebsräte, die vorgeschlagen haben, die Verbindung zwischen Internet und Elektroversorgung, die sogenannte E-Electricity, als Geschäftsfeld weiterzuentwickeln und diese Chancen nach vorn zu bringen. Man sollte sich nicht in das scheinbar Unvermeidliche fügen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Huber, Sie haben zwei Minuten Zeit zu antworten. - Funktioniert die Anzeige an Ihrem Pult jetzt wieder?

Ach, das habe ich im Blut.

Dazu haben Sie mich im Genick; dann passt es schon.

Herr Kollege Roos, ich freue mich, dass Sie Ihre knappe Redezeit, die Sie noch hatten, durch Ihre Zwischenbemerkung verlängert haben. Allerdings waren Ihre Ausführungen weniger eine Anfrage an mich als vielmehr eine Darstellung Ihrer Position. Das ist natürlich bei Zwischenbemerkungen legitim und erlaubt.

Im Übrigen war Ihre Auffassung erkennbar - das konnte man auch im Wirtschaftsausschuss des Öfteren sehen -, der Staat könne im Bereich der globalen Marktentwicklung ständig korrigierend und steuernd eingreifen. Das ist ein Irrtum. Das funktioniert nicht. All die Staaten, die das versucht haben, sind gescheitert. Am nächsten dran am Markt sind die Unternehmen. Jeder Politiker wäre überfordert gewesen, wenn er NSN vor zwei Jahren prophezeit hätte, dass da irgendetwas passiert. Ich meine, man soll die Verantwortlichkeiten schon dort lassen, wohin sie gehören. Die unternehmerische Verantwortung liegt dort, wo es um Arbeitsplätze, Marktchancen und die Entwicklung von Produkten geht. Die Aufgabe der Politiker ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Da Sie mir nun die Möglichkeit gegeben haben, ein wenig länger zu reden, möchte ich zur Entwicklung unserer niederbayerischen Heimat etwas sagen. Sie kommen aus der Passauer Gegend. Großartig, wie sich ZF dort mit prächtiger Technologie und guten Chancen auf dem Markt entwickelt hat! Unsere Heimat Niederbayern ist heute - das sage ich mit großer Freude an die Adresse aller - der Regierungsbezirk mit der geringsten Arbeitslosigkeit. Ich denke da gerade auch an den Bayerischen Wald. Es ist sensationell, Herr Kollege Muthmann, dass die Landkreise Freyung-Grafenau und Regen heute eine Arbeitslosigkeit von unter 3 % aufweisen. Das hätten wir früher nie für möglich gehalten. Auch das ist ein Erfolg der bayerischen Technologie- und Regionalpolitik.

Es gibt also viele Leuchttürme. Wenn wir auch in manchen Bereichen in der Tat nicht in der Lage sind, im weltweiten Wettbewerb mitzuhalten, werden wir uns dennoch weiter anstrengen, die Rahmenbedingungen und die Grundqualifikationen für die Entwicklung in Bayern aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der CSU)

Für die FDP bitte ich Herrn Dr. Kirschner ans Redepult. Ihm verbleiben zehn Minuten und eine Sekunde.

Wie Sie wissen, Frau Präsidentin, fasse ich mich immer sehr kurz und komme nur auf das Wesentliche zu sprechen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Roos, ich schätze Sie wegen Ihrer Kenntnis der Wirtschaftslage und Ihrer fachlichen Tätigkeit. Mit dem vorliegenden Antrag und dem, was Sie dazu wiedergegeben haben, habe ich mich allerdings wie auf einem Gewerkschaftstag gefühlt. Sie fordern beispielsweise in dem Antrag, wir sollten Einfluss auf die Mitbestimmung nehmen. Wo sind wir hier denn? Diese Forderung verstehe ich nicht. Das kann ich einfach nicht nachvollziehen.

Wenn Sie Herrn Minister Zeil unterstellen, er wäre nicht bei Siemens gewesen und hätte keine Gespräche geführt, muss ich widersprechen. Ich bitte Sie, davon auszugehen, dass er Gespräche geführt hat. Er kämpft wie ein Löwe, um Arbeitsplätze zu erhalten. Sie wissen genau, dass sich der Mittelstand grundlegend von den großen Unternehmen unterscheidet. In diesen spielen die Menschen eine weniger bedeutende Rolle; die Hauptrolle spielt die Strategie zur Lage der zukünftigen Märkte.

Indem ich nun auf Ursachensuche gehe, nenne ich als Erstes die Staatsverschuldung. In Bayern gibt es bei NSN 4.000 Arbeitsplätze; davon sollen rund 2.000 entfallen. Das ist für die Mitarbeiter eine Katastrophe. Herr Zeil spricht mit den Leuten, um sie in die Lage zu versetzen, Alternativen zu finden. NSN ist weiterhin am IT-Gipfel beteiligt und ist auch dabei, die Neuausrichtung des mobilen Breitbands zu organisieren. Insofern ist NSN nach wie vor ein wichtiger Partner in Bayern. Das können wir nicht komplett schlechtreden.

In Ihrem Antrag fordern Sie, alternative Arbeitsplätze zu schaffen. Wer soll das tun? Der Wirtschaftsminister? Der Wirtschaftsminister ist kein Organ des Unternehmens, er kann nur versuchen, entsprechenden Einfluss zu nehmen.

Sie sprechen in Ihrem Antrag von jedweder Unterstützung. Ich frage: welche denn? Steuergelder mit Sicherheit nicht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Dies sollten wir nicht von vornherein ausschließen!)

Dann findet sich in dem Antrag auch noch das Thema Mitbestimmung. Sie wissen von der Förderung von Nokia in Bochum durch die EU. Können Sie sich erinnern, über welche Beträge da gesprochen wurde?

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Nun ja, wir müssen doch Lehren aus solchen Fehlern ziehen, Herr Kollege Halbleib!

Der nächste Punkt ist das Thema Eon. Auch dort fehlen Arbeitsplätze. Da stelle ich schon die Frage, warum Sie hierzu keinen Antrag eingebracht haben. Könnte man daraus schließen, dass Ihr Antrag deswegen nicht gekommen ist, weil Sie für die Situation aufgrund der Energiepolitik, die Sie hier betreiben wollen, mitverantwortlich sind? Ich schließe Folgendes daraus - das sage ich Ihnen ganz ehrlich -: Es sind die Folgen der politischen Entscheidungen, mit denen Sie nicht leben wollen.

(Anhaltender Widerspruch der Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) und Volkmar Halbleib (SPD))

Sie fordern doch für 2017/2018 den Ausstieg aus der Kernenergie.

(Zurufe von der SPD)

Das fordern doch Sie und nicht wir.

Ich wiederhole mich: Wir sind in Bayern hervorragend aufgestellt. Wenn Sie sich die gesamtwirtschaftlichen Ergebnisse und die Arbeitslosenzahlen ansehen, sehen Sie, wie gut das hier läuft. Selbst im Bayerischen Wald liegen wir bei einer Arbeitslosigkeit von unter 4 %.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

Nein! Er kann sie am Schluss stellen.

Noch ein Wort zum Thema Wissenschaft/Wirtschaft. Die Technologiearbeitsplätze der Zukunft sind eng verbunden mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Standortbedingungen. Auch hier gedeiht eine gute Saat, seit wir im Jahre 2008 dieses Thema angegangen sind. Da haben wir die Hochschulen in die strukturschwachen Gebiete ausgelagert und damit an diesen Orten neue Arbeitsplätze geschaffen. Allein in Teisnach sind innerhalb eines halben Jahres vier neue Firmen gegründet worden. Ich wünsche, dass es dort bald 100 bis 200 Arbeitsplätze gibt. Die Rahmenbedingungen, die hier in der Vergangenheit geschaffen wurden und jetzt weiterhin geschaffen werden, sind ein Leuchtturm in Deutschland. Keinem deutschen Land geht es, bezogen auf die Arbeitsplätze, so gut wie Bayern.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))