Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Das Wort hat nun Frau Kollegin Stahl vom Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren! Ich habe schon lange nicht mehr etwas so Unverfrorenes gelesen wie die Pressemitteilung von Herrn Staatsminister Zeil vom 10. November 2011 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. In dieser Mitteilung bringen Sie eine Informationskampagne für faire Steinmetzprodukte auf den Weg. Sie möchten damit erreichen - ich zitiere -, "dass die von einem Trauerfall betroffenen Menschen beim Kauf von Grabsteinen aufgeklärt werden. Die Trauernden sollen die Möglichkeit haben, sich fachkundig beraten zu lassen." Da könnte doch jeder sagen: Das ist doch gut. Auch ich sage: Das ist gut.

Aber sagen Sie doch einmal: Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Herr Zeil, wir machen seit Jahren nichts anderes, als - das hat auch meine Kollegin Weikert gesagt - dass wir teils einstimmig, teils mit unterschiedlichen Positionen darum kämpfen, Grabsteine aus Kinderarbeit aus den kommunalen Friedhöfen endlich zu verbannen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kenne sämtliche Berichte und Zwischenberichte, die von Ihrer Seite gegeben wurden, wenn es wieder einmal einen Antrag von uns aus der Mitte des Landtags gab, die in vielen Variationen alles wiederholten, aber mit dem Ergebnis endeten, dass man sich einem Aktivwerden verweigerte. Das war jedenfalls der Inhalt Ihrer Berichte.

Meine liebe Kollegin Schorer, mit Ihrer Staatsregierung kann ich leider nicht gnädig umgehen; denn es war von uns immer gewollt, dass sich die Staatsregierung überlegt, wie man dem Problem begegnen könnte. Wir wissen zwar, dass es eine ganze Reihe von Rechtsgrundlagen gibt, die dem Anliegen unter Umständen entgegenstehen; aber es kann letztlich, wie es uns das Verfassungsgericht gezeigt hat, ganz einfach gehen. Es kann dann einfach gehen, wenn man es politisch will, das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen achtet und die Würde des Menschen in allen Bereichen über alle möglichen Einwendungen stellt. Da dürfen Sie mir nicht mit Hinweisen auf das Handelsrecht kommen; denn wir haben Ihnen bezüglich des Gesetzentwurfs der SPD gezeigt, dass es Auswege gibt, bei denen es nicht notwendig ist, das Handelsrecht zu ändern.

Sie verweisen in diesem Zusammenhang immer auf die Zuständigkeit des Bundes. Der Kollege Brüderle hat dann nach oben auf die EU verwiesen. Über allem schwebte das WTO-Handelsrecht. Die ILO-Kinderrechtskonvention hat Sie in diesem Zusammenhang überhaupt nicht interessiert. Sie haben über die Jahre das Wirtschaftsrecht über die Rechte der Kinder und den Schutz der Kinder gestellt.

(Beifall bei der GRÜNEN)

Und noch etwas. Diese von Ihnen gewünschte Kampagne ist - wie Sie schreiben - unabhängig vom Ausgang des laufenden Gerichtsverfahrens möglich. Das Ganze wurde an den BGH zurückverwiesen.

Jetzt ist es auf einmal möglich, unabhängig vom Gerichtsverfahren aktiv zu werden. Da hat sich die Staatsregierung nicht mit Ruhm bekleckert.

(Beifall bei der GRÜNEN)

Der Vorwurf betrifft nicht nur das FDP-geführte Wirtschaftsministerium mit seinem Minister Zeil, sondern es betrifft auch das "Lebensministerium" des Herrn Söder. Auch dieser hat sich zuständig gefühlt. Vielleicht hätte auch das Justizministerium mit seiner ganzen Mannschaft, die ihm zur Verfügung steht, einmal überlegen können, welche Möglichkeiten es hier gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Dringlichkeitsantrag enthält richtigerweise den Hinweis darauf, dass es einer Rechtsgrundlage nicht unbedingt bedarf. Wir haben das aus dem Verfassungsgerichtsurteil übernommen. Das heißt aber nicht, dass deswegen der Gesetzentwurf der SPD falsch wäre. Im Gegenteil. Er sorgt für rechtliche Klarheit bei den Kommunen, die das Gesetz dann umsetzen müssen. Das geht Hand in Hand mit dem, was wir mit unserem Dringlichkeitsantrag fordern, nämlich alle, die mit diesem Problem befasst sind, entsprechend zu informieren und ihnen den neuesten Stand aufzeigen.

Ich danke an dieser Stelle der Stadt Nürnberg, die anders als das Wirtschaftsministerium sich nicht mit dem BGH-Urteil zufriedengegeben hat, sondern bis vor das Verfassungsgericht gegangen ist. Damit ist endlich etwas zum Schutz der Kinder erreicht worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich erteile Ihnen nun hier oben das Wort.

Und ich bitte meinen Kollegen, Herrn Rohde, für die FDP an das Redepult.

(Heiterkeit)

Darauf haben wir uns schon etliche Minuten gefreut. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stahl, genau die Pressemitteilung, die Sie gerade kritisiert haben, habe ich als Grundlage für meine Notizen gewählt, weil ich den Wirtschaftsminister ausdrücklich loben wollte. Wenn wir die Grundlage dafür entziehen, dass jemand solche Grabsteine überhaupt kaufen kann, werden sie doch auch nicht eingeführt; wenn sie nicht eingeführt werden, werden auch deutlich weniger produziert, und in der Folge davon wird es weniger Kinderarbeit in den indischen Steinbrüchen geben. Das war doch unser Ziel.

Mich irritiert jetzt nur etwas die zeitliche Abfolge. Zunächst haben wir lange auf das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes gewartet. Dieser hat nun am 17.10. das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes kassiert.

Der Gesetzentwurf der SPD trägt das Datum vom 24. Oktober. Die Antragsteller haben also überlegt, ob man weitermachen müsse oder nicht. Anscheinend sind sie zur Überzeugung gekommen, trotz des Urteils eine landesweite Regelung zu fordern.

Wirtschaftsminister Zeil, der die Initiativen des Landtags verfolgt hat, wurde vom Umweltministerium mit der Begründung, es handele sich um Außenhandelsthemen, eine gewisse Zeit die Federführung überlassen. Und er war ebenso wie der Bundeswirtschaftsminister - bei meinem Aufenthalt in Brüssel mit dem Präsidium konnte ich das erfragen - der gleichen Meinung wie die Europapolitiker, dass es ein EU-Thema sei. Es gehe um Welthandel, bei dem überhaupt keine anderen Ebenen mitzureden hätten.

Bund und Europa ziehen jetzt das Thema an sich, sodass wir als Landesgesetzgeber zumindest von einer umstrittenen Gesetzgebungskompetenz auszugehen haben. Die SPD möchte weiterhin eine gesetzliche Regelung. Die GRÜNEN wollen die Kommunen informieren. Der Wirtschaftsminister möchte die Bürger informieren und zusammen mit den Steinmetzinnungen das Thema weiterverfolgen.

Ich denke, man muss beides machen. Die Kommunen müssen ebenso wie auch die Bürger informiert werden. Im Übrigen ist es mir durchaus nicht unangenehm, dieses Thema noch einmal im Landtag aufzugreifen. Es ist eine wichtige Sache. Hier im Hohen Haus können wir das Thema besonders gut multiplizieren und auf die Problematik aufmerksam machen.

Ich denke, es wird viel Information kommen. Sie ist auch notwendig, damit das Thema möglichst weit bekannt wird. Damit haben die Kommunen dann eine Handhabe für die Regelung, und damit ist das Thema bei den Kommunen, das heißt in der Selbstverantwortung, gut aufgehoben. Die Gemeinde kann es regeln.

Wenn es nun rechtlich so umstritten ist, ob wir als Landesgesetzgeber tätig werden dürfen oder nicht, und wir gleichzeitig erkennen, dass eine gesetzliche Regelung nicht notwendig ist, bin ich sicher, dass wir auch in den weiteren Beratungen zu einem gleichlautenden Beschluss kommen werden. Damit will ich allerdings noch nicht dem Ende der Beratungen vorgreifen. Aber immerhin ist es ein Welthandelsthema. Es geht dabei nicht nur um die Grabsteine - das habe ich bereits in einer anderen Landtagsdebatte gesagt -, sondern es bezieht sich auch auf die Kakaoernte oder die Textilproduktion. Da gibt es leider, leider noch viel zu tun. 200 Millionen Kinder in der Welt müssen bereits in ganz jungen Jahren arbeiten. Wir versuchen, das mit unseren vielen Projekten zu vermeiden. Ich denke, die Staatsregierung hat hier gut und klug gehandelt; sie war aktiv und ist jetzt mit den richtigen Initiativen da.

Innenminister Herrmann wird die Kommunen informieren, das Umweltministerium wird entsprechend informieren, und Herr Zeil wird Kontakt mit den Innungen

aufnehmen. Wir gehen also in aller Breite vor und können damit das Thema gut abdecken. Deswegen ist ein Gesetzentwurf nach wie vor nicht notwendig. Ich freue mich trotzdem auf die Beratungen im Ausschuss und hoffe, dass wir das Thema hier im Hohen Hause noch einmal gemeinsam behandeln können.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, nachdem wir heute Morgen ein Gedenken an die Opfer von braunem Terror gehabt haben, bitte ich Sie, nach der Mittagspause hier unserer verstorbenen ehemaligen Mitglieder zu gedenken und deshalb pünktlich um 13.35 Uhr hier im Saale zu erscheinen. Es wäre schön, wenn sich ein paar Kollegen und Kolleginnen hier rechtzeitig einfinden. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 13.07 bis 13.40 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben. Ich möchte zweier Kollegen gedenken, die verstorben sind.

(Die Anwesenden erheben sich)

Erst mit Schreiben vom 11. November 2011 haben wir erfahren, dass unser ehemaliger Kollege Dr. Rudi Richter bereits am 30. Oktober 2011 im Alter von 84 Jahren verstorben ist. Er gehörte dem Hohen Haus von 1978 bis 1990 an und vertrat die CSU-Fraktion für den Wahlkreis Mittelfranken. Dr. Rudi Richter war Mitglied in verschiedenen Ausschüssen, unter anderem im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen sowie im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr.

Vor seiner Abgeordnetentätigkeit war er in leitenden Positionen in der Wirtschaft tätig und engagierte sich als Stadtrat für seine Heimatregion Fürth. Seine Erfahrungen in diesem Bereich brachte er in seine Arbeit im Bayerischen Landtag ein, wo er stets mit Kompetenz und Überzeugung seine Meinung vertrat.

Am 18. November 2011 verstarb unser ehemaliger Kollege Alfons Gerstl im Alter von 91 Jahren. Von 1962 bis 1972 war er Mitglied des Bayerischen Landtags und vertrat dort für die Fraktion der SPD den Wahlkreis Niederbayern. Alfons Gerstl war Mitglied im

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie im Landessportbeirat.

Alfons Gerstl war Politiker durch und durch. Als langjähriger 1. Bürgermeister, als Stadt- und Kreisrat hat er sich stets für die Belange der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt und insbesondere während seiner Amtszeit als Bürgermeister zahlreiche bedeutende Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt.

Neben und nach seiner politischen Tätigkeit war Alfons Gerstl ein beherzter Streiter für den sozialen Bereich, für den er sich besonders in den Reihen der Arbeiterwohlfahrt große Verdienste erwarb. Der überzeugte Sozialdemokrat wurde für seine Leistungen mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von den Plätzen erhoben. Ich bedanke mich bei Ihnen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Energiewende jetzt! - Energieleitplan für Bayern (Drs. 16/10398)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Tobias Thalhammer, Karsten Klein, Dr. Franz Xaver Kirschner u. a. und Fraktion (FDP), Georg Schmid, Renate Dodell, Tobias Reiß u. a. und Fraktion (CSU) Energiewende gestalten - Umbau der bayerischen Energiewende zielgerichtet vorantreiben (Drs. 16/10419)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erstem darf ich Herrn Kollegen Glauber für die FREIEN WÄHLER das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag "Energiewende jetzt! - Energieleitplan für Bayern" wollen wir das Ziel erreichen, einen roten Faden zu spinnen, wie wir die Energiewende in Bayern gestalten können. Aus unserer Sicht

fehlt der rote Faden, an dem wir uns entlanghangeln können. Wenn wir davon sprechen, dass wir die Energiewende aus Sicht der Kommission bis 2020, aus Sicht der Staatsregierung bis 2022 "Weg von der Atomkraft - hin zu erneuerbaren Energien" erreichen wollen, dann müssen wir unsere Kommunen in die Energiewende entscheidend einbinden. Dazu braucht man einen roten Faden, einen Leitplan, an dem man sich entlanghangeln will, an dem wir uns entlangentwickeln können.