Ich bitte Sie um noch etwas Aufmerksamkeit. Jede Fraktion hat fünf Minuten Redezeit. Ich meine, dass wir schnell damit fertig sein werden. Anschließend ist dann die Mittagspause.
Als Erste bitte ich Frau Kollegin Weikert für die SPD nach vorne. - Ich gestatte mir einen kurzen Hinweis: Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen um Nachsicht, weil Herr Rohde und ich im fliegenden Wechsel am Redepult einwechseln müssen. Das ist nicht schön, aber leider nicht zu vermeiden. Danke. - Bitte, Frau Weikert.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Viele haben jetzt fluchtartig den Saal verlassen. Ich habe fünf Minuten Redezeit.
Die SPD-Fraktion legt dem Landtag heute einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, den Gemeinden zu gestatten, in Friedhofsatzungen niederzulegen, dass keine Grabsteine oder Grabeinfassungen geduldet werden, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen. Kolleginnen und Kollegen, man geht davon aus, dass weltweit mehr als 200 Millionen Kinder durch ausbeuterische Kinderarbeit ihrer Kindheit beraubt werden. Dies ist ein Umstand, dem wir alle - das spreche ich uns allen zu - im Bayerischen Landtag etwas entgegensetzen wollen. Kolleginnen und Kollegen, wie dieser Vorgang hier im Bayerischen Landtag behandelt wurde, ist, gelinde gesagt, ein Trauerspiel. Das richte ich jetzt vor allen Dingen an die Kollegen der CSU. Denn der Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, geht auf einen einstimmigen Beschluss des Bayerischen Landtags vom 18. Juli 2007 zurück. Die FDP und die FREIEN WÄHLER waren damals nicht beteiligt. Das war ein einstimmiger Beschluss, der durch die CSU, die SPD und die GRÜNEN im Landtag herbeigeführt wurde. Darin ist eindeutig festge
schrieben, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, im gesamten Beschaffungswesen und bei allen Ausschreibungen des Geschäftsbereichs die ILO-Konvention 182 - das ist eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation - entsprechend zu beachten und keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zuzulassen. Im Übrigen enthält dieser Beschluss vom 18. Juli 2007 unter Punkt 6: Dem Landtag ist über die Ergebnisse zu berichten. Nichts davon, Kolleginnen und Kollegen, ist passiert; kein einziger Bericht kam unaufgefordert in den Landtag. Wir mussten durch Antragstellung nachfragen.
Kollege Zeil, ich richte mich besonders an Sie als Wirtschaftsminister. Etwas hat mich wahnsinnig geärgert. Wir Sozialdemokraten haben einen Bericht darüber gefordert, wie der weitere Verlauf dieser Dinge ist. Sie als Wirtschaftsminister haben das an sich gezogen, was ich nicht verstehen kann, da es ein eindeutig soziales Problem ist.
Sie haben uns dann einen Bericht geschrieben, der einfach nur als unverschämt zu bezeichnen ist. Sie haben geschrieben: Das geht nicht; wir dürfen das nicht machen; dafür ist die WTO zuständig;
da ist irgendjemand zuständig, nur der bayerische Wirtschaftsminister nicht. - Ich bin nun ein wenig irritiert, da fünf Minuten Redezeit vereinbart waren.
Entschuldigung. Dann brauche ich mich gar nicht so zu beeilen. Somit bleibe ich noch bei Ihnen, Herr Zeil.
Grundlage war auch, dass das die Städte München und Nürnberg schon in ihre Satzungen aufgenommen hatten, dies aber durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde. In Ihrem Bericht stand dann: Ja, das ist richtig; wir können das nicht machen, usw. Gott sei Dank hat dann der Bayerische Verfassungsgerichtshof vor einigen Wochen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aufgehoben und eindeutig festgestellt: Selbstverständlich ist diese Bedingung zulässig, Kolleginnen und Kollegen. Herr Zeil, wie kann man sich eigentlich als Vertreter des Bayerischen Landtags in der Staatsregierung - ich nenne das jetzt einmal eindeutig so - bei einem solchen Anliegen so verhalten? Selbst wenn man sich
bei einem solchen Gesetzentwurf, der im Übrigen in anderen Bundesländern, im Saarland, rechtskräftig ist und dort seit Langem, seit vielen Jahren oder Monaten Bestand hat, rechtlich unsicher wäre, könnte man doch bei diesem Anliegen einen Vorstoß unternehmen und sagen: Ja, ich als Freistaat Bayern will, dass dies zum Gesetz erhoben wird, und sollte das durch einen Gerichtshof aufgehoben werden, dann werde ich mich auch politisch mit einer solchen Entscheidung auseinandersetzen,
aber ich lasse nicht von vornherein die Finger davon, nur weil ich Angst habe, irgendjemandem auf die Füße zu treten.
Kolleginnen und Kollegen, wir können bei diesem Punkt angesichts der weltweiten Problematik eigentlich sehr, sehr wenig tun - ich habe es vorhin kurz erwähnt: mehr als 200.000 Kinder sind weltweit davon betroffen. Dabei geht es nicht nur um die Herstellung von Grabsteinen, sondern auch um Sklavenarbeit, das betrifft Prostitution und viele wirklich unangenehme, ekelhafte Dinge, die in der Welt passieren. Unser Antrag betrifft wirklich nur einen ganz kleinen winzigen Schritt. Was machen Sie als Wirtschaftsminister aber? - Anscheinend haben Sie mehr Verständnis für die Steinmetze, die irgendwo etwas in den Handel bringen, als für eine solche internationale Konvention, der man sich nun wohl anschließen kann.
Kolleginnen und Kollegen, ich will die Redezeit von zehn Minuten nicht ausschöpfen, sondern will Sie für die Beratungen in den Ausschüssen ausdrücklich auffordern, diesem Gesetzentwurf endlich zuzustimmen und einen kleinen, winzigen Schritt in der Umsetzung unseres gemeinsamen Beschlusses aus dem Jahre 2007 zu unternehmen, vor allem auch deshalb, Herr Zeil, weil dann der Freistaat Bayern auf die Kommunen ganz offensiv zugehen und sagen kann: Da gibt es eine Landesgesetzgebung; überprüft eure Satzungen, nehmt diese Bestimmungen in die Satzungen auf. Wie gesagt: Damit machen wir einen kleinen, einen ganz, ganz kleinen Schritt zu mehr Sozialverträglichkeit in der Welt.
Im Übrigen - das noch als ein letzter Hinweis - haben Sie in diesem Beschluss auch vorgesehen, dass Sie bei der Neugestaltung des Vergaberechts öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit geben werden, bei Ausschreibungen ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen. Ich erinnere daran, dass wir erst vor einigen Wochen ein Vergabegesetz vorgelegt haben, das Sie ausdrücklich vom Tisch gewischt und wieder einmal abgelehnt haben. Ich erinnere auch daran, dass irgendjemand von der CSU gefragt hat, wo denn
eigentlich die Schwarzarbeit sei, wie das beim Bau üblich sei. Ich erinnere daran, dass die "Süddeutsche Zeitung" vor einigen Tagen einen sehr umfangreichen Bericht über München veröffentlicht hat; lesen Sie ihn.
Wir sind doch gar nicht immer darauf angewiesen, die Namensgeber solcher Gesetzentwürfe zu sein. Vielleicht raffen Sie sich ja dazu auf und bringen in den nächsten Wochen und Monaten einen eigenen Gesetzentwurf zur Tariftreue ein. Wir werden ihm gerne zustimmen und sehen dem mit Interesse entgegen.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen Grund, unseren Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Frau Kollegin Weikert, wenn die Antragsteller die Begründung mit der Aussprache verknüpfen, beträgt die Redezeit natürlich zehn Minuten; das ist völlig in Ordnung. Wir fahren in der Aussprache fort. Jetzt bleibt es aber bei den fünf Minuten pro Fraktion. Ich bitte Frau Schorer für die CSU ans Redepult.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Weikert hat den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sehr ausführlich begründet. Ich möchte auch auf die Thematik intensiv eingehen. Wir haben zwar die Erste Lesung; ein paar Punkte möchte ich aber doch noch erläutern. Ich meine schon, dass wir uns mit diesen Punkten intensiv befasst haben, nicht nur in Ihrer Fraktion, Frau Weikert - das haben Sie heute auch deutlich gesagt -, sondern in allen Fraktionen. Ich bedaure heute auch sehr, dass wir dieses Thema schon wieder auf der Tagesordnung haben müssen. Wir haben uns in diesem Hause mehrmals mit den Themen ausbeuterische Kinderarbeit, fairer Handel und insbesondere auch mit Grabsteinen befasst, was Sie in Ihrem Antrag hervorheben. Ich möchte auch darauf eingehen - Sie haben nicht alles erwähnt -, dass in diesem Zusammenhang seit 2007 und in der neuen Legislaturperiode viele Beschlüsse gefasst worden sind. Gemeinsam wurde auch daran gearbeitet. Sie haben kurz erwähnt -
Sie kennen die Beschlüsse, Frau Weikert, und Sie kennen auch die Gerichtsentscheidungen, die vorausgegangen sind. Ich glaube, sie waren auch maßgeblich - das haben Sie auch so gesehen - in den Gesprächen, die wir in den verschiedenen Ausschüssen geführt haben. Es ging eine Oberverwaltungsgerichtsentscheidung des Landes Rheinland-Pfalz voraus,
eine Normenkontrollentscheidung, und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Sache entschieden, dass wir in Bayern nicht entscheiden können und bei diesem Punkt keine Gesetzgebungskompetenz haben. Ich bin sehr erfreut, dass jetzt eine weitere Gerichtsentscheidung, eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt und dass auf dieser Grundlage weiter gearbeitet werden kann.
Ich bedaure auch - das muss ich ausdrücklich sagen für unsere Fraktion das zögerliche Verhalten auf der Bundesebene. Es ist bedauerlich, dass wir nicht schneller vorankommen, dass man Entscheidungen auch auf internationaler Ebene nicht schneller voranbringt. Das möchte ich für unsere Fraktion heute noch einmal hervorheben.
Nun möchte ich insbesondere auf das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs eingehen. Es ist die von Ihnen erwähnte Entscheidung vom 7. Oktober 2011, mit der der Verfassungsbeschwerde stattgegeben wurde. Damit wurde das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und zurückverwiesen. In diesem Urteil wird darauf hingewiesen, dass es im Tätigkeits- und im eigenen Zuständigkeitsbereich der Gemeinden liegt und die Gemeinden ermächtigt sind, zu entscheiden, wie mit Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit verfahren wird. Genau hierauf hebe ich heute ab.
Es ist wichtig, dass uns das Urteil jetzt vorliegt, wonach die Kommunen über eine Satzungsautonomie verfügen, die eine Regelung in eigener Zuständigkeit ermöglicht.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Artikel 83 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung die Totenbestattung zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden gehört. Somit können auch die Herstellung und Unterhaltung von Bestattungseinrichtungen, insbesondere von Friedhöfen und öffentlichen Einrichtungen, geregelt werden. Ich bin sehr froh, dass das ausdrücklich aufgenommen worden ist und wir jetzt darauf eingehen können.
Ich stimme mit dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN-Fraktion, der gestern im Innenausschuss leider nicht mehr behandelt werden konnte, überein, der unter anderem zum Ziel hat, dass ein Bericht gegeben wird und die Kommunen darüber aufgeklärt werden, dass sie in ihrem eigenen Wirkungskreis selbstständig etwas regeln können.
Auf einen Satz des Dringlichkeitsantrags möchte ich eingehen: "Eine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage zum Tätigwerden ist demnach für die Kommunen nicht erforderlich." Aus diesem Grund halte ich
es nicht für zielführend, den Gesetzentwurf weiterzuverfolgen. Aber ich bitte Sie schon, in anderen Bereichen tätig zu bleiben. Es sollte eine Zertifizierung nicht nur für die Grabsteine, sondern auch in anderen Bereichen stattfinden. Auch auf Bundesebene muss man aktiv bleiben und gegen ausbeuterische Kinderarbeit vorgehen. Alle Fraktionen müssen in der Zukunft gemeinsam daran arbeiten und entsprechende Beschlüsse fassen.
Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, eine weitere Gesetzesänderung vorzunehmen. Die erforderliche Grundlage ist für die Kommunen bereits vorhanden.
Frau Schorer, Ihre Partei hat seit Jahren an den Gesprächen teilgenommen, die zum Ziel hatten, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen. Man war sich einig, dass das Gesetz Sinn macht. Aber jetzt fällt Ihnen plötzlich ein, dass es sich um Aufgaben der Kommunen handelt. Haben Sie das nicht schon vorher gewusst? Ist es denn nicht ein ganz schäbiges Manöver des Rückzugs, das Sie hier aufführen, nachdem Sie jahrelang den Eindruck erweckt haben, dass Sie konform mit den Parteien der GRÜNEN und der SPD gehen und daher den Gesetzentwurf befürworten?
Frau Kollegin Ackermann, das ist eine Unterstellung. Auf diese Art und Weise können wir nicht weiter diskutieren.
- Sie bekommen darauf auch eine Antwort. - Wir sollten über die Dinge weiterhin sachlich diskutieren.
Es haben Entscheidungen von Oberlandesgerichten vorgelegen, die die Dinge auf eine andere Ebene gebracht haben. Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof wird nicht geprüft, was WTO- und EU-Recht ist. Deswegen denke ich, wir sind auf dem richtigen Weg und können so weitermachen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FREIEN WÄHLER haben sich in dieser Frage klar positioniert. Wir wollen keine Grabsteine verwendet wissen, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen;
das ist keine Frage. Wir haben heute zwar keine Abstimmung, aber ich kündige an, dass wir zustimmen werden. Darüber müssen wir keine Diskussion führen.
Das für mich Interessante an dieser Angelegenheit ist die Begründung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs bezüglich der Stellungnahme des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Ursprünglich hieß es, dass die bei den Gemeinden fehlende Ermächtigung dazu führe, dass sie die Dinge nicht in ihren eigenen Satzungen regeln können.
Aber da kommt der Bayerische Verfassungsgerichtshof, um wieder einmal ein Loblied auf die kommunale Selbstverwaltung zu singen. Er war es, der klar festgestellt hat, dass es möglich ist, die Regelungen in den kommunalen Satzungen zu treffen, weil die kommunale Selbstverwaltung diesen Spielraum einschließt. Ich hätte mir vom Verwaltungsgerichtshof die Klarstellung gewünscht, dass die kommunale Selbstverwaltung auch die eigenständige Regelung in einer Satzung beinhaltet. Die Gemeinden müssen selber bestimmen können, ob Steine aus ausbeuterischer Kinderarbeit verwendet werden dürfen.
Wir sind ganz klar der Meinung: Der Bayerische Landtag muss das Bestattungsgesetz entsprechend ändern. Dem werden wir zustimmen.