Von 24 Abbrechern, die in die Justizvollzugsanstalt Adelsheim zurückverlegt wurden, bewährten sich lediglich 38 %. Das Argument, dass sich die Mehrkosten rechnen würden, ist damit zumindest nicht belegt.
Ich möchte, auch wenn das von den GRÜNEN eben kritisiert worden ist, auch auf die unterschiedlichen Funktionen der Strafe eingehen. Natürlich steht im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Das ergibt sich schon aus § 2 des Jugendgerichtsgesetzes. Aber unbestritten geht es eben auch um die Sühne der Schuld. Hier geht es nicht um Fälle, in denen ein Kaugummi entwendet wurde oder jemand beim Schwarzfahren erwischt wurde. Vielmehr geht es um schwere Straftaten und Täter, bei denen vielfältige Warnungen nicht gefruchtet haben. Kollege Arnold hat darauf hingewiesen. Da stellt sich schon die Frage, ob es sinnvoll ist, gerade bei diesem Hebel anzusetzen und nicht bereits früher.
Ich möchte nun auf die Frage - das ist der fünfte Punkt - zu sprechen kommen, welche Gruppe von Tätern überhaupt geeignet ist. Wenn man die Modellprojekte anschaut, liest man: Jugendliche, bei denen keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr vorliegt, bei denen sich der Verurteilte freiwillig gestellt hat, bei denen die Dauer der Jugendstrafe nicht entgegensteht, bei denen kein Tötungs- oder Sexualdelikt vorliegt - anderenfalls kann man die Gefährdung für die Allgemeinheit nicht akzeptieren -, bei denen keine erhebliche Suchtgefahr besteht und bei denen keine Untersuchungshaft vollzogen wird, keine Auslieferungs- oder Abschiebehaft vorgemerkt ist und keine Gefahr grober Gewalttätigkeit gegenüber Personen besteht.
Da stelle ich schon die Frage: Für wen soll diese gesetzliche Grundlage geschaffen werden? Gibt es da überhaupt noch Anwendungsfälle, bei denen man diese Möglichkeit sinnvoll nutzen kann? Ich habe hier erhebliche Zweifel.
Damit bin ich beim letzten Punkt. Es ist wesentlich sinnvoller, früher anzusetzen. Es ist wesentlich sinnvoller, die Resozialisierung zu fördern. Unser Vollzug gibt dazu die Möglichkeit. Wir haben sowohl den geschlossenen Vollzug als auch den offenen Vollzug. Wir haben vielfältige Möglichkeiten der Vollzugslockerung, und wir haben Sozialtherapieprojekte, die wir nutzen.
Ich meine, dass jeder Cent, den wir in diesem Bereich ausgeben, wesentlich besser angelegt ist als mit der Schaffung einer Vollzugsform, die mehr als 50 Jahre totes Gesetz war und die garantiert auch in den nächsten 50 Jahren totes Gesetz bleiben wird. Was bleibt, ist ein Experiment, das teuer ist und wenig bringen wird.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf betrifft Jugendliche, die schwer straffällig geworden sind. Das kann man daran sehen, dass nur jeder 20. Straftäter überhaupt zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt wird. Für alle anderen gilt das, was die Vorredner schon gesagt haben: Das Jugendstrafrecht hat sich bewährt und kann sehr differenziert auf die unterschiedlichen Typen von Straftätern eingehen. Ist es der junge Mensch, der gerade einmal seine Grenzen auslotet und einmalig straffällig wird und nach einer Strafe dann ganz klar weiß, dass er einen anderen Weg
gehen muss, einen Weg, der von der Gesellschaft akzeptiert wird, oder handelt es sich um jemanden, bei dem sich bereits etwas verfestigt hat, sodass man ihn anders anpacken muss?
Wer zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt wird, hat einiges auf dem Kerbholz. Er hat wirklich schwere Delikte begangen. Wie Herr Kollege Fischer eben richtig gesagt hat, kommt so jemand für all die Projekte, die jetzt angesprochen worden sind, nicht infrage. Er ist kein harmloser Delinquent, der auf einem offenen Hof behandelt werden kann. Er würde in aller Regel flüchten und er wäre sicherlich auch viel zu gefährlich im Hinblick auf andere Jugendliche, die dort sind. Wir finden also, wie Herr Fischer richtig gesagt hat, überhaupt nicht die Täter, die für einen solchen Fall infrage kommen.
Besonders geärgert hat mich aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Herr Streibl wieder einmal Worte in den Mund genommen hat, die überhaupt nicht stimmen. Ich meine die Worte "stupides Wegsperren".
Meine Damen und Herren, gucken Sie sich doch einmal an, was alles in unseren Jugendstrafvollzugsanstalten getan wird. Da wird nicht weggesperrt. Da können junge Menschen ihren Schulabschluss nachholen. Sie können eine Berufsausbildung beginnen und auch abschließen. Es gibt einige, die hervorragend abgeschlossen haben.
Wir haben Therapieangebote und teilweise sogar Frühwarnsysteme, die eine Therapie dort anbieten, wo noch gar nicht so viel passiert ist, aber wo die Lebenssituation und die Art der begangenen Delikte dafür sprechen, dass noch mehr passieren könnte.
Wir haben entsprechende Sozialtherapien. Wir haben 42 Plätze in Ebrach und in Neuburg. Wir werden in Ebrach jetzt weitere 6 aufbauen, und wir werden in Laufen-Lebenau und in Niederschönenfeld jeweils 16 Plätze anbieten. Wir tun hier also auch etwas zur Therapierung.
Ich meine, das ist das Wichtigste; denn die jungen Menschen haben bis dahin oftmals gar keine Ansprache gehabt, die sie dringend brauchen. Unter diesem Aspekt ist wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, sich immer wieder klarzumachen, von welchen jungen Menschen wir sprechen, wenn wir von Rückfallzahlen sprechen. Wir sprechen nicht von dem, der zum ersten Mal straffällig geworden ist und den man relativ einfach resozialisieren kann. Wir sprechen vielmehr in aller Regel von jungen Menschen, die schon eine gehörige kriminelle Karriere
hinter sich haben, die mehrfach straffällig waren, die Intensivtäter sind oder aber so schwere Delikte begangen haben, dass man schlichtweg sagen muss: Man muss anders an sie herangehen.
Ich fasse zusammen: Die Art und Weise, wie wir den Strafvollzug für die jungen Menschen in unseren Jugendstrafvollzugsanstalten konzipiert haben und durchführen, ist der richtige Weg. Wir haben dort genügend Leute dafür.
Wir haben ein Verhältnis von 1 : 2. Auf zwei junge Strafgefangene kommt ein Bediensteter. Das ist eine sehr gute Situation. Wenn es um die Sozialtherapie geht, sind wir in Deutschland schon heute im Spitzenbereich.
Die Bewährung ist ein Thema, an dem wir sicherlich weiterarbeiten müssen. Das gebe ich offen zu. Beim letzten Haushalt sind immerhin 15 Plätze dazugekommen. Da ist sicherlich noch einiges zu tun. Dort ist die Situation recht schwierig. Aber im Großen und Ganzen unterstütze ich, was Kollege Fischer vorhin sehr deutlich gesagt und Kollege Rieger sehr eindringlich herausgestellt hat. Wir sollten an der Konzeption nicht rütteln, sondern diese weiter ausbauen. Damit gehen wir den richtigen Weg, vor allen Dingen dann, wenn es um Intensivtäter oder um Gewalt- oder Sexualstraftäter geht.
Alles in allem glaube ich, dass der vorliegende Gesetzentwurf in die falsche Richtung geht. Ich möchte natürlich den Ausschussberatungen nicht vorgreifen, aber schließlich haben meine Vorredner auch in diese Richtung plädiert. Ich habe daraus geschlossen, dass sie nichts dagegen haben, dass ich Klartext rede.
Danke sehr, Frau Staatsministerin. Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Stärkung der direkten Demokratie, Volksentscheide über konkrete Einzelfragen einführen (Drs. 16/10550) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Dazu erhält Frau Kollegin Tausendfreund das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wie wandlungsfähig der Ministerpräsident bei seinen politischen Verkündungen ist, je nach dem, aus welcher Richtung der Wind gerade weht. Neuerdings ist er zum großen Vorkämpfer für die direkte Demokratie geworden. Auf der Bundesebene ist er noch nie dadurch aufgefallen, dass er sich für den bundesweiten Volksentscheid eingesetzt hätte. Beim Verfassungstag hier im Hause schwärmte er aber vom kommunalen Bürgerentscheid, wie toll dieser die Demokratie in Bayern vorangebracht habe. Er hat aber verschwiegen, dass der kommunale Bürgerentscheid 1995 nur gegen den erbitterten Widerstand der CSU per Volksentscheid durchgesetzt werden konnte. Er sprach auch über einen Volksentscheid zur dritten Startbahn. Die Kolleginnen und Kollegen der CSU, die auch dort waren, sind in den Sitzen etwas zusammengezuckt und fragten sich wohl, was er da wieder ausbaldowert hat.
Ministerpräsident Seehofer hat nach der Abstimmung über Stuttgart 21 wohl Morgenluft gewittert. Er wird sich in seiner Staatskanzlei gedacht haben: Es wäre doch gelacht, wenn ich meine bayerischen Lieblingsprojekte nicht auch so schön mit einer Volksabstimmung durchsetzten könnte. Diese Idee verkündete er dann auch sofort, ohne aber vorher einen Blick in die Bayerische Verfassung zu werfen; denn weder ist es nach den jetzigen Regelungen in der Verfassung möglich, eine Volksabstimmung über eine Sachfrage wie die dritte Startbahn herbeizuführen - es muss sich immer um ein Gesetz handeln -, noch können der Landtag oder die Staatsregierung dem Volk eine Fragestellung oder ein Gesetz zur Abstimmung vorlegen. Selbst wenn ein Gesetz zur dritten Startbahn, ein Einzelfallgesetz kreiert werden würde, könnte es von der Staatsregierung oder dem Landtag nicht dem Volk vorgelegt werden. Dann bliebe Herrn Seehofer nur der mühsame Weg über eine Volksinitiative. Vielleicht müsste er dann sogar eine Bürgerinitiative gründen; das wäre auch einmal etwas Neues.
Nur bei Verfassungsänderungen und mit Zweidrittelmehrheit des Landtages können dem Volk Entscheidungen vorgelegt werden. So lautet die bisherige Re
gelung. In die Verfassung wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die dritte Startbahn wohl nicht hineinschreiben. Die rechtliche Prüfung, die Ministerpräsident Seehofer nun in Auftrag gegeben hat, wird auch nichts anderes ergeben; sonst läge das Ergebnis schon vor und wäre dessen Vorlage nicht bis nächstes Jahr verschoben worden.
Die Ankündigung des Ministerpräsidenten, Volksentscheide über umstrittene Großprojekte durchführen zu wollen, war wieder einmal Populismus pur, wie ich sagen würde, ein typischer spontaner Seehofer, wie wir ihn schon so häufig kennengelernt haben.
Wir nehmen ihn aber beim Wort und zeigen einen Weg auf, wie wir den Volksentscheid verbessern können. Wir fordern schon lange Verbesserungen des Volksentscheids und mehr Mitbestimmung der Bevölkerung. Wer auch Fragestellungen zu Sachfragen zulassen will, also im Grunde alles, was auch hier im Landtag entschieden werden kann, wer will, dass der Landtag dem Volk Fragestellungen oder Gesetze vorlegen kann, der muss in einem ersten Schritt die Bayerische Verfassung ändern. Die Verbesserung der Instrumente der direkten Demokratie müsste dann aber auch generell gelten, nicht nur dann, wenn es dem Ministerpräsidenten gerade einfällt. Rosinenpickerei darf es nicht geben. Erst in einem zweiten Schritt wäre dann eine Volksabstimmung über die dritte Startbahn oder andere Projekte überhaupt möglich. Da erwarten wir natürlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden - das ist klar.
Ich bin schon sehr gespannt, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sich zu unserem Gesetzentwurf verhalten werden. Bisher haben Sie ja alle unsere Vorstöße zur Verbesserung des Volksentscheides abgelehnt. Plötzlich fordert Ihr Chef genau diese neuen Instrumente. Vielleicht hoffen Sie ja auch, dass Seehofer morgen schon wieder eine andere Meinung hat, oder? - So ähnlich dürfte es doch sein.
Unser Gesetzentwurf umfasst noch einige weitere Punkte, die wir immer wieder eingebracht haben, zum Beispiel die Senkung der 10-Prozent-Hürde beim Volksbegehren auf fünf Prozent. Nicht enthalten sind Einzelregelungen, die im Landeswahlgesetz geändert sind. Ich möchte darauf eingehen, dass die Eintragungsfrist für das Volksbegehren mit 14 Tagen hinsichtlich der Amtseintragung viel zu kurz ist. Unsere Forderung lautet, diese Frist auf einen Monat zu verlängern. Das ist dann aber zu einem späteren Zeit
Wir haben unseren Vorschlag gemacht. Jetzt ist Ministerpräsident Seehofer am Zug. Er sollte seinen Worten dann auch Taten folgen lassen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Tausendfreund, wenn Sie meinen, Sie würden mit Ihrem Gesetzentwurf einen Weg aufzeigen, der zu einer Veränderung der Volksgesetzgebung in Bayern führen könnte, liegen Sie völlig falsch. Ihr Gesetzentwurf ist schon deshalb abzulehnen, weil er Elemente enthält, die zu einem sogenannten verfassungswidrigen Verfassungsrecht führen würden. Wenn Sie Fragen über budgetrelevante Entscheidungen dem Volksentscheid unterwerfen wollen, greifen Sie in das Budgetrecht und damit in einen Kernbereich des Demokratieprinzips ein. Genauso greifen Sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Art und Weise in das Demokratieprinzip ein, wenn Sie das Quorum für die Unterstützer im Rahmen des Begehrens auf 5 % absenken wollen, ohne dass ein Quorum für den Entscheid selbst eingeführt wird. Hier sind selbst dem Verfassungsgeber Grenzen gezogen, die sich unter anderem aus der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes ergeben. Ihr Gesetzentwurf ist insoweit indiskutabel. Wir werden ihn auch in der weiteren Beratung ablehnen.
Wenn Sie nun meinen, unserem Ministerpräsidenten vorwerfen zu müssen, er würde sein Fähnchen in den Wind hängen,
Meine Damen und Herren, Sie sprechen den Flughafen München an. Das ist ein besonderes, ein singuläres Problem. Es geht auch um ein Gerechtigkeitsproblem, wenn die Münchner Bürger im Rahmen einer Abstimmung über diesen Flughafen abstimmen dürfen, nicht aber jemand, der aus Altötting oder aus Freising oder aber aus der Oberpfalz oder aus anderen Teilen Bayerns kommt. Der Flughafen hat nämlich Ausstrahlungswirkung auf Bayern insgesamt. Diese Abstimmung wird nur deshalb möglich, weil die Lan
deshauptstadt München Anteilseigner dieses Flughafens ist und weil der Münchner Oberbürgermeister landespolitische Ambitionen für seinen Ruhestand plant. Das ist aber für die Bevölkerung nicht einzusehen.
Ich meine, dass es richtig ist, wenn der Ministerpräsident sagt: Für diese besondere Fragestellung, die für die wirtschaftliche Weiterentwicklung Bayerns von zentraler Bedeutung ist, werden wir die Spielräume, die die bestehende Verfassung hergibt, ausloten und überprüfen, ob wir im Hinblick auf die Gerechtigkeit allen bayerischen Bürgern die Möglichkeit geben, mit abzustimmen. Ich glaube, so aussichtslos, wie Sie, Frau Tausendfreund, meinen, ist das nicht. Es gibt durchaus verfassungsrechtliche Ansatzpunkte, die man nun in aller Ruhe und aller Gelassenheit prüfen muss. Sollten wir zu dem Ergebnis kommen, dass es keine Spielräume gibt, dann kann man sich über eine Verfassungsänderung durchaus noch Gedanken machen. So, wie Sie das aber planen, geht es nicht.