Ein Kraftakt wird es auch sein, die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Bahnknoten München zu finanzieren. Hier ist insbesondere die zweite Stammstrecke zu nennen. Wenn der Bund, was wir bedauern, nicht in der Lage ist, seinen Finanzierungsanteil aus den GVFG-Mitteln bis zum Jahr 2019 sicherzustellen, dann ist es gewiss kein unsittlicher Antrag, dabei auch die Landeshauptstadt München in die Pflicht zu nehmen. Finanzielle Zuschüsse zu derartigen Verkehrsprojekten sind in Baden-Württemberg, im Großraum Stuttgart, im Großraum Mannheim, aber auch in Hessen, beispielsweise in Frankfurt, durchaus üblich.
Der Freistaat Bayern kann seinen hierfür ohnehin sehr hohen Finanzierungsanteil nicht noch weiter erhöhen. Wenn wir auch noch einen Teil der Vorfinanzierung des Bundesanteils übernehmen, dann haben wir unserer Verpflichtung hier weiß Gott Genüge getan.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Dem Freistaat Bayern und seiner Bevölkerung geht es gut. Das ist auf den Fleiß der hier lebenden Menschen und auf tüchtige Unternehmerinnen und Unternehmer zurückzuführen, die mit Mut, Tatkraft und Ideenreichtum ihre überwiegend kleinen und mittelständischen Handwerks- und Industriebetriebe erfolgreich führen.
Mit entscheidend für unsere erfolgreiche Wirtschaft ist natürlich auch der breite Branchenmix, der für eine hohe Krisenresistenz sorgt.
Anteil am Erfolg - das darf natürlich gesagt werden, und zwar nicht nur vor Weihnachten - hat selbstverständlich auch die Politik der Staatsregierung, die seit Jahrzehnten - Herr Kollege Runge, vielen Dank für Ihren Hinweis - die richtigen Weichenstellungen vorgenommen hat. So ist der Freistaat, zumindest was die Landespolitik anlangt, für die künftigen Herausforderungen gut gerüstet.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Minister und einige Redner haben heute dazu aufgefordert, bei den Zahlen zu bleiben. Wie ich heute gemerkt habe, liebt der Minister gute Zitate. Hier hat es ein Feuerwerk an Zahlen unterschiedlichster Art gegeben. Dazu ein Zitat:
Die Wachstumsrate des bayerischen Bruttoinlandsprodukts entsprach im ersten Halbjahr 2011 genau der bundesweiten. Bereits seit 2006 konnte Bayern keine nennenswert überdurchschnittlichen Wachstumsraten mehr erzielen.
Das sagt uns das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung. Dabei sollten wir es belassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die bayerische Wirtschaftsentwicklung ist gut. Gott sei Dank! Aber sie ist natürlich lange nicht so outstanding, wie Sie uns das hier darzustellen versucht haben. Ihr eigenes Landesamt für Statistik beweist uns das.
Ich sage ein Zweites. Sie haben hier heute ein zugegebenermaßen etwas pointiertes Zitat von mir bemüht. Zumindest nonverbal habe ich während Ihrer Ausführungen von Ihrem Marketingchef dafür noch einmal eine Anerkennung bekommen, jedenfalls soweit Sie absolut zutreffend zitiert haben.
Ich glaube, wir können gut damit leben, wenn nach fünf Monaten die SPD das Benchmarking für Ihre Äußerungen stellt. Damit haben wir in der letzten Zeit einiges richtig gemacht.
Ich greife auf, was Sie in dem Zusammenhang in Ihrer neuen Emotionalität ausgerufen haben: Ja, wo leben Sie denn? Ich sage Ihnen, wo ich lebe - daher stammt auch Ihre Staatssekretärin -: im Nürnberger Land. Schauen wir uns die Dinge doch einfach mal an. Wenn Sie meine Worte nicht unlauter zitieren und interpretieren, dann verstehen Sie auch, worum es geht und worum es nach meiner Auffassung bei einer guten Wirtschaftspolitik in der Tat gehen muss.
Von den Hightech-Offensiven entfällt auf das Nürnberger Land Folgendes: Das Nürnberger Land hat zwei Elektronenmikroskope erhalten, zu deren Auslastung mittlerweile die baden-württembergische Automobilindustrie beiträgt. Das ist der Anteil des Nürnberger Landes an der Hightech-Offensive. Das Nürnberger Land hat aber auch manch anderes mehr: Maschinenbau bei der Firma Demag in Schwaig; Technische Keramik als Weltmarktführer in Lauf; die Messinghalbzeugproduktion von Diehl in Röthenbach - diese Firma kennen Sie; da waren Sie wegen des Themas Energieverbrauch -; gleich nebendran - da
waren Sie nicht - haben wir noch eine ganz bodenständige, auch "schmutzige" Grafitelektrodenproduktion, jetzt von Indern betrieben, weil sich das deutsche Management vor einigen Jahren nicht mehr als leistungsfähig erwiesen hat. Tief versteckt im Wald haben wir die Metallpigmente der Eckart-Werke, Weltmarktführer und größter Arbeitgeber, Ihnen insofern sicher als Privatbankier bekannt, als die Firma jetzt zum Altana-Konzern gehört. Frau Klatten ist dort die größte Aktionärin. - Solche Perlen finden Sie also im Nürnberger Land.
Wenn Sie auf der nach 30 Jahren immer noch nicht vollständig ausgebauten Staatsstraße weiter nach Neuhaus fahren, finden Sie dort die frühere fränkische Hartpappengesellschaft. Dort werden jetzt für ganz Europa die wunderbaren Schachteln für McDonald’s hergestellt, in denen Ihre Freunde Schuhbeck und Hoeneß ihre Brötchen verkaufen lassen.
All das trägt dazu bei, dass das Nürnberger Land eine Arbeitslosenquote von deutlich unter 3 % hat. Kein einziger dieser Betriebe wäre in Ihrer Hochglanzoptik ein Hightech-Unternehmen. Kein einziger dieser Betriebe hat auch nur einen Cent aus Ihrer Initiative gesehen.
Wir haben Kräfte jenseits der Unternehmen, wo der von Ihnen heute wieder apostrophierte Luft- und Raumfahrtingenieur tätig ist. Auch wo diese Ingenieure nicht arbeiten - vielleicht gerade dort, wo Sie nicht arbeiten -, ist die massenhafte Arbeit bei uns nach wie vor zu Hause. Darauf haben wir hingewiesen.
Wir wollen keine Blaumannromantik, aber wir sagen: Hört auf, das verarbeitende Gewerbe, hört auf damit, die Grundstoffindustrie gering zu achten! Setzt nicht nur auf ein Hightech-Bild! Wir alle erinnern uns an die IT-Blase. Wir alle erinnern uns an den Neuen Markt. Wir wissen doch sehr wohl, was uns in Bayern aus den Krisensituationen herausgebracht hat. Das sind nicht diese Unternehmen.
Ich nenne ein letztes Beispiel, damit Sie das Wort von "Werkbank statt Hochglanz" in der Zukunft etwas ernsthafter betrachten, Herr Minister. Die Arroganz, mit der gesagt wurde, "Die alten Industrien wollen wir nicht mehr", hat dazu geführt, dass wir in Deutschland keine Batterieindustrie mehr haben und deshalb heute bei der Elektromobilität hintendran sind.
Wenn es da Übereinstimmung gibt, dann haben Sie mich verstanden. Sie können neben dem Nürnberger noch viele Energie-Campi auf den Weg bringen. Solange wir keine ordentlichen, leistungsfähigen, kleinen, billigen, leichten Batterien haben, werden wir keine Premiumautos in diesem Bereich produzieren.
Genauso wie wir uns gegen eine einseitige HightechOrientierung wenden, wenden wir uns gegen eine einseitige Exportorientierung. Auch darüber müssen wir noch einmal reden. Die Stärke Bayerns im Export achten wir. Wir sind für sie dankbar.
Dass sich bayerische Produkte weltweit verkaufen lassen, ist gut. Aber ich zitiere auch hier eine hochrangige und kompetente Stimme der bayerischen Wirtschaft von vor wenigen Tagen. "Herr Beyer, Sie haben völlig recht: Die Stärke Bayerns im Export ist auch eine Unsicherheitsquelle." Wenn die Wirtschaft von Unsicherheitsquellen spricht, dann wissen Sie, was das in diplomatischer Hinsicht heißt.
Denken wir einmal an die letzte Krise von 2009. Da betrug das Wirtschaftswachstum in Bayern minus 3,2 %. Wir gehörten zu den Bundesländern, in denen das Wachstum sofort deutlich herunterging. Aber bereits 2008 - darüber sprechen wir zu wenig - hatten wir nur noch 0,8 % bei einem Bundesdurchschnitt von 2,0 %. Also waren wir auch hier die Ersten, die es in der Krise erwischt hatte.
Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir Bayerns Exportstärke sichern können. Da reicht ein Zehn-PunkteProgramm der Außenwirtschaftspolitik für den bayerischen Mittelstand, wie Sie es letzte Woche auf den Markt geworfen haben, eben nicht aus. Wenn Kongresse, Symposien, Delegationsreisen und der Sympathiebonus für bayerische Traditionen hier als entscheidend verkauft werden, dann muss mehr kommen. Der Mittelstand in Bayern braucht in der globalisierten Wirtschaft eine konkrete, unternehmensnahe Beratung und Begleitung. Er braucht keine Marketingkonzepte, Herr Minister.
Bayerns Wirtschaft braucht vor allem einen stabilen Kurs in der Eurokrise. Da muss ich sagen: Gerade von denen, die hier die Regierungsverantwortung für sich und in Berlin in Anspruch nehmen, kommt überhaupt nichts. In Wirklichkeit ist es so: Die CSU gefällt sich mit einem durchaus populistischen Kurs darin, sich so darzustellen, als sei sie die Kraft, die verhindert, dass andere Haftungsverpflichtungen zulasten Deutschlands und Bayerns übernehmen.
nismen längst abgeschlossen haben, tun Sie so, als bewahrten Sie die bayerische Bevölkerung davor. Bei aller Nüchternheit, die ich mir heute verordnet habe, glaube ich, am heutigen Tage - ich meine da nicht den Rücktritt, sondern eher das Begehren zu der Frage des Euros in den Kreisen der FDP - ist die FDP nicht die Kraft, die seriös über das Thema Euro-Krise reden kann.
Die Staatsregierung ist auch auf dem Auge der Binnenwirtschaft blind. Sie lässt in ihrer Exporteuphorie die inländische Wirtschaftsentwicklung außen vor. Herr Minister, Sie haben keine Zeile zum deutschen Binnenmarkt und auch nicht zum bayerischen Inlandsmarkt gesagt. Ich empfehle Ihnen da als Lektüre den Bericht zur sozialen Lage 2010 aus der eigenen Staatsregierung. Kollegin Haderthauer hat folgende Zahlen offengelegt: Von 1998 bis zum Jahr 2009 hat sich das Bruttoinlandsprodukt in Bayern je Einwohner real um plus 15 % entwickelt, die Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen sind um plus 10 % gestiegen und die Bruttolöhne und -gehälter sind um minus drei Prozent zurückgegangen. Das sind die Zahlen des Bayerischen Sozialministeriums. Herr Minister Zeil, Sie erkaufen die Exportorientierung mit Lohnverzicht und dem Nachlassen der Binnennachfrage. In dem Maße, in dem Sie die Binnennachfrage durch die ungenügende Finanzausstattung der Kommunen reduzieren, schwächen Sie die regionale Wirtschaft. Die Branche, wo wirklich neue Beschäftigung entsteht - auch darauf weist der Bericht Ihrer Kollegin Sozialministerin hin -, ist die Sozial- und Gesundheitswirtschaft als Jobmaschine Bayerns. Das liegt außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereiches,
Angesprochen wurde auch die Infrastruktur. Lieber Kollege Rotter, das mache ich gerne mit Ihnen gemeinsam aus. Der Oberste Rechnungshof spricht von 720 Millionen - das wurde von Innenminister Herrmann bestätigt -, die allein für die Sanierung der Staatsstraßen notwendig wären. Da kann noch lange keine Kür beginnen; denn die Pflicht ist noch längst nicht getan.
Von 4.992 Brücken in staatlicher Baulast sind 1.343 oder 27 % dringend sanierungsbedürftig. Allein dafür braucht man kurzfristig 300 Millionen Euro. Mittelfristig werden es 800 Millionen sein. Im Doppelhaushalt sind
dafür lediglich 30 Millionen Euro ausgewiesen. Das gefährdet die Verkehrssicherheit gleichermaßen wie die Bauwirtschaft, die all diese Maßnahmen nicht ausführen kann.
Ein Wort nun zum Arbeitsmarkt. Es wird immer wieder auf die gestiegenen Beschäftigungszahlen hingewiesen. Ich bitte, auch hier die nüchternen Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. Von 2000 bis 2010 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 4,7 % gestiegen. Nicht gesagt wurde aber, dass sich allein von 2009 auf 2010 immerhin 44,4 % der Beschäftigungszuwächse nur noch in der Leiharbeit vollziehen.
Der Anteil der atypischen Beschäftigung ist von 2000 bis 2010 von 24 % auf 35 % gestiegen. Das sind alles Zahlen aus dem neuesten Sozialbericht des Jahres 2011. Ich danke der Kollegin Weikert, die diese Zahlen aufbereitet hat.
Die Teilzeitarbeit ist von 2000 bis 2010 von 14 % auf 19 % gestiegen, die befristeten Beschäftigungsverhältnisse von unter 200.000 auf über 320.000. Die Betriebe ohne Tarifbindung mit nun 36 % lagen zuvor bei 29 %. All das sind nüchterne Zahlen der Bayerischen Staatsregierung, die uns eines nahelegen: Die gute wirtschaftliche Stellung Bayerns ist auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erkämpft worden. Daran ist nichts zu rütteln. Wir sagen das so deutlich, wie es ist.
Ganz zum Schluss ein Wort zum Thema Infrastruktur. Jetzt zitiere ich, was Herr Göttler aus Ihrem Hause vor Kurzem im Münchner Merkur dazu gesagt hat: Die zweite Stammstrecke kommt nicht vor Ende 2019; die Anbindung des Flughafens vom Osten her ist auf absehbare Zeit überhaupt nicht zu sehen, weil die Strecke München - Mühldorf - Freilassing nicht zweigleisig ausgebaut und nicht elektrifiziert wird.
Meine Damen und Herren, dazu in allerletzter gebotener Kürze Folgendes: In Berlin gibt es einen CSUler als Bundesverkehrsminister. Sie schaffen es nicht nur nicht, eine stinknormale S-Bahn-Netz-Erweiterung in Nürnberg zu organisieren, Sie versagen auch beim Thema Metropolregion München und bewirken damit einen Verkehrskollaps im Hinblick auf das Thema Stammstrecke.
- Moment, Kollege Rotter; das machen wir gleich, ich freue mich darauf. Ich sage Ihnen jetzt nur eines: Es ist interessant, dass heute bereits dreimal betont wurde, der Freistaat Bayern dürfe die Bahnhöfe nicht barrierefrei ausbauen. Das ist in Zeiten der UN-Behindertenrechtskonvention im Übrigen schon rechtlich falsch.
Bei jedem Handlauf sagen Sie uns, Herr Minister, Berlin sei zuständig. Aber bei der zweiten Stammstrecke wollen Sie die Stadt München zu einer rechtswidrigen Mitfinanzierung zwingen. Das ist ein hochinteressanter Ansatz.