Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

(Beifall bei der CSU)

Bayerns Frauen und Männer haben Bayern zu dem gemacht, was es heute ist: ein starkes, ein wunderbares Land, ein wunderschönes Fleckchen Erde.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Unsere Heimat lebt vom starken Charakter und vom unbändigen Fleiß ihrer Menschen. Aber gerade diese Menschen dürfen erwarten, dass eine Regierungserklärung auch Probleme aufzeigt und Herausforderungen skizziert. Eine gute Regierungserklärung zeigt Lösungsmöglichkeiten und Wege auf. Die Menschen im Land erwarten Ernsthaftigkeit und Differenziertheit in der politischen Bewertung und keine abgehobene Politreklame in eigener Sache.

(Beifall bei der SPD)

Die Problemthemen in Bayern, Herr Ministerpräsident, haben Sie heute ganz gezielt und bewusst ausgeklammert. Sie haben sogar das Kunststück fertiggebracht, in einer Regierungserklärung zur Finanzpolitik im Freistaat Bayern auf 16 Seiten Redemanuskript kein einziges Mal das Wort "Landesbank" zu verwenden. Das wird wohl Gründe haben.

(Beifall bei der SPD)

Diese Klippe so weiträumig zu umschiffen, ist schon eine Kunst.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Sie reden von unbegrenzten Chancen, schönen die unbegrenzten Risiken, die zum Beispiel noch immer bei der Landesbank schlummern. Die klammern Sie völlig aus. Sie werden gestatten, dass ich darauf zurückkomme.

Ich weiß auch nicht, ob das Bild des Landes der unbegrenzten Chancen tatsächlich überall greift, Herr Ministerpräsident. Sie verschweigen, dass die Chancen von vielen Menschen im Freistaat Bayern durchaus begrenzt sind, weil der eigenen Hände Arbeit nicht zum Leben reicht.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

- Sie können gerne lachen, Herr Kollege Weidenbusch.

Mehr als 100.000 Menschen in Bayern arbeiten den ganzen Monat über hart, um am Ende des Monats aufs Amt zum Aufstocken gehen zu müssen, weil CSU und FDP etwas Wesentliches zum Menschsein verweigern: Den Mindestlohn, den mehr als 80 % der bayerischen Bevölkerung fordern, wird es nur mit der SPD in Regierungsverantwortung geben.

(Beifall bei der SPD - Harald Güller (SPD): Das ist dem Kollegen Weidenbusch völlig egal!)

Haben mehr als 200.000 Leiharbeiter in Bayern tatsächlich unbegrenzte Chancen, wie Sie es formulieren? Sie haben bessere Chancen nur dann, wenn ihnen CSU und FDP Equal Pay - gleichen Lohn für gleiche Arbeit - nicht mehr verweigern.

(Beifall bei der SPD)

Haben knapp 12 % der bayerischen Bevölkerung, die an oder unterhalb der Armutsgrenze leben - Zahlen von Frau Haderthauer! -, tatsächlich unbegrenzte Chancen?

Haben mehr als 200.000 Alleinerziehende und viele, viele Familien in Bayern unbegrenzte Chancen in einem Bundesland, in dem Familie und Beruf vielerorts sehr viel schwerer zu vereinbaren sind als in anderen Bundesländern?

Warum? Weil öffentliche Kinderbetreuung und Ganztagsschulangebote in Bayern weitaus schlechter ausgebaut sind als in fast allen anderen Bundesländern. Nur fünf Prozent aller Schüler und Schülerinnen in Bayern kommen in den Genuss eines Ganztagsschulangebots. Bayern ist damit ein Schlusslicht im Bundesländervergleich.

(Beifall bei der SPD - Zurufe und Widerspruch von der CSU)

Wo bitte sind die unbegrenzten Chancen für viele hoch talentierte Jugendliche in Bayern, die sich ihr Studium in Bayern nicht selbst finanzieren können, weil hier die Bildungschancen wie in keinem anderen Bundesland vom Geldbeutel der Eltern abhängen?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Deshalb wird eine sozialdemokratisch geführte Staatsregierung die Studiengebühren abschaffen; denn sie steht für mehr Chancen- und für mehr Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): 2030!)

Ihre Regierungserklärung - Herr Ministerpräsident, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen - war zudem gespickt mit Halb- und Unwahrheiten. Es war ein Sammelsurium an Behauptungen. Sie schmücken sich in vielen Bereichen schlichtweg mit fremden Federn. In einer Sache allerdings bleiben Sie sich treu: Sie haben wieder allerhand angekündigt. Aber es ist zu vermuten, dass Sie fast nichts davon halten werden.

(Beifall bei der SPD)

Noch im Jahre 2010 haben Sie gesagt, die Wehrpflicht sei ein Markenzeichen der CSU, das die CSU nie und nimmer aufgeben werde. Wenige Wochen später haben Sie die Wehrpflicht de facto abgeschafft.

Noch im Jahre 2011, also vor einem Jahr, haben Sie hier im Hohen Hause ausgeführt, die Atomkraft sei die Energie der Zukunft. Eine Begrenzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke sei unverantwortlich. "Atomkraft ist nötig, Atomkraft ist alternativlos", so lautete Ihr Credo.

Ich will Ihnen die eine oder andere Kehrtwende nicht übel nehmen, Herr Ministerpräsident. Denn manchmal rollen Ihre Purzelbäume durchaus in die richtige Richtung. Aber eines darf man am Ende Ihrer Rede schon fragen: Werden Ihre heutigen Botschaften wieder die geringen Halbwertzeiten haben wie diejenigen der Regierungserklärungen der vergangenen Jahre?

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU)

Das Jahr 2012 hat die CSU so begonnen, wie sie das Jahr 2011 beendet hat. Es wurde in der CSU bis zum heutigen Tage über fast nichts anderes gesprochen als über Personalien: Gauweiler, Stoiber, zu Guttenberg. Und dann durften wir diese spektakuläre Pres

sekonferenz vor einigen Tagen in der Nymphenburger Straße erleben: Horst Seehofer selbst ist der Pressesprecher von Freiherr Karl Theodor zu Guttenberg

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

und verkündet die Nachricht, dass der Freiherr in einem Gespräch in ausgesprochen menschlicher und freundschaftlicher Atmosphäre seinen festen Willen und seine volle Motivation betont hat, zur Bundestagswahl 2013 nicht zu kandidieren.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Und dann gab es eine Nachricht, die fast noch mehr erstaunt hat. Der Illusionskünstler aus Ingolstadt überrascht die CSU-Fraktion, sein Kabinett und den Koalitionspartner mit einer Zirkuskapriole, die die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" dazu veranlasste, Seehofers Endzeitprogramm als "fiskalisches Utopia" zu brandmarken.

(Widerspruch bei der CSU)

Zitat FAZ vom 22. Januar: "Wohin die Reise gehen soll, weiß keiner in der Partei, am wenigsten ihr Vorsitzender."

Und nun zur Sache. Die Erwartungen der bayerischen Öffentlichkeit zur Regierungserklärung heute waren so hoch wie nie in den Jahren zuvor. Wir hätten nach den vollmundigen Ankündigungen, die CSU werde den Freistaat bis zum Jahre 2030 entschulden, gerne wenigstens ein paar Eckpunkte dieses ehrgeizigen Planes vernommen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wie soll das denn gehen?)

Sie, Herr Ministerpräsident, haben heute die unbegrenzte Chance verstreichen lassen, Ihre MarketingKampagne mit harten Fakten zu unterfüttern.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wenn er es denn hätte tun können!)

So bleibt der Eindruck: Es kommt dem CSU-Chef beim Schuldenabbau nur auf die schnelle und billige Wahlkampfschlagzeile an.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Hatte Herr Seehofer noch in Wildbad Kreuth ein Gesamtskonzept in kurzer Zeit in Aussicht gestellt, müssen wir nun bis zu den Haushaltsberatungen 2013/2014 warten. Kein Wort heute, wo er kürzen will. Bei den Polizisten?

(Reserl Sem (CSU): Da bestimmt nicht!)

Bei den Lehrern? Bei den Hochschulen? Gibt es noch weniger Geld für die Regionen? Müssen die Kommunen herhalten? Staatsstraßenbau ade! Trifft das Streichkonzert das ohnehin magere, zu spät kommende Programm zur Begleitung des demografischen Wandels? Wird etwa wieder beim Blindengeld gespart und gekürzt, so wie es bei Edmund Stoiber im Jahr 2004 der Fall war? Müssen sich die sehbehinderten Menschen in unserem Land tatsächlich darauf einstellen, bei der Streichorgie der CSU wieder an vorderster Stelle zu stehen?

(Beifall bei der SPD - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Und da sind vielleicht auch noch die Altenpflegeschulen zu erwähnen! - Georg Schmid (CSU): Jetzt hören Sie doch auf, den Teufel an die Wand zu malen. Darin seid Ihr stark!)

Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe Differenziertheit eingefordert, Herr Ministerpräsident. Die Finanzdaten des Freistaates Bayern sind im Ländervergleich durchaus erfreulich. Das kann man anerkennen.

(Zurufe von der CSU)