Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erster hat sich Herr Staatsminister Zeil zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für München laufe ich natürlich hier durch das Haus. Darum bin ich jetzt noch etwas außer Atem, aber für meine Geburtsstadt tue ich alles.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Gelegenheit, gegenüber dem Landtag und der Öffentlichkeit heute zu den Leistungen von Bund und Freistaat für die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs in München Stellung zu nehmen. Das ÖPNV-Angebot in München ist sehr gut und im nationalen und internationalen Vergleich beispielgebend. Die U-Bahn ist das Rückgrat des innerstädtischen Verkehrs. Dabei wird sie allerdings durch die S-Bahnen ergänzt, die außerdem die regionale Verknüpfung mit dem Zentrum übernehmen.

Der Landeshauptstadt gebührt Anerkennung für die hohe Wertschätzung des öffentlichen Verkehrs. Sie konnte sich dabei immer auf die Unterstützung durch Bund und Freistaat verlassen. Alle U-Bahn-Projekte der Landeshauptstadt wurden mit 80 % der Investitionskosten bezuschusst: 60 % übernimmt der Bund, 20 % der Freistaat, und das gilt ausnahmslos. Im Fall der Linie nach Garching wurde vom Freistaat noch ein stattlicher Betrag draufgelegt. Bis einschließlich 2011 waren das insgesamt 3,234 Milliarden Euro.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Zusätzlich hat der Freistaat ohne Beteiligung des Bundes 169 Millionen Euro für die Schienenfahrzeuge der Landeshauptstadt beigesteuert; damit meine ich U-Bahn-Fahrzeuge und Straßenbahnfahrzeuge. In der Summe von 3,2 Milliarden Euro war natürlich der Bundesanteil enthalten. Ich sage das zur Klarstellung.

(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD))

Auch wenn danach nicht gefragt wurde: Allein für die beiden jüngsten Straßenbahntrassen in Schwabing und nach Sankt Emmeram in Oberföhring haben wir zusammen rund 130 Millionen Euro an Zuschüssen gegeben - freiwillig, aber aus Überzeugung vom Nutzen der beiden Projekte.

Die Fraktion der FREIEN WÄHLER will die Diskussion um das Thema "Barrierefreiheit" ergänzen. Ich halte das im Prinzip für richtig. Ich meine allerdings, dass dieses Thema zu wichtig ist, um als Nebenaspekt in dieser aktuellen Diskussion betrachtet zu werden. Ich mache deshalb an dieser Stelle nur eine Bemerkung: Die Barrierefreiheit ist inzwischen bei allen Projekten ein wichtiger Maßstab. Außerdem haben wir viele Projekte gefördert, die speziell die Verbesserung der Barrierefreiheit zum Ziel hatten.

Sie sehen also: Bisher war der Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur immer ein Thema, das alle föderalen Ebenen unseres Landes als jeweils eigenes Thema in eigener Verantwortung gesehen haben.

Bund, Freistaat, Städte und Gemeinden haben Verantwortung und Kosten gemeinsam geschultert. Wir mussten jetzt zur Kenntnis nehmen, dass sich die Landeshauptstadt derzeit auf die formale Zuständigkeitsverteilung zurückzieht und nicht bereit ist, für das Projekt der zweiten Stammstrecke, von dem zuallererst sie profitiert, Verantwortung zu übernehmen,

(Alexander König (CSU): Denen geht es zu gut!)

und das, obwohl die S-Bahn auch rein innerstädtische Nachfrage aufnimmt, die das U-Bahn-System zusätzlich nicht bewältigen könnte. Sie entlastet die U-Bahn unmittelbar und damit auch den Haushalt der Landeshauptstadt.

Wenn es um die Finanzierung geht, meine Damen und Herren, will die Landeshauptstadt überhaupt nichts mehr mit ihrer S-Bahn zu tun haben. Ich halte diese Vorgehensweise nicht nur für unangemessen, sondern auch für sehr durchsichtig. Ich werde die Gespräche mit dem Bund über die Absicherung der Vorfinanzierung mit Hochdruck vorantreiben; denn ich bin entschlossen, mit beharrlicher Sacharbeit alle Chancen zur Realisierung der zweiten Stammstrecke zu wahren, und zwar auf eine Weise, die eben nicht zulasten der Projekte in anderen Regionen unseres Freistaates geht, die genauso Anspruch auf eine gute Infrastruktur haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bin nicht bereit, die Landeshauptstadt München aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Deshalb fordere ich alle auf, auch den Oberbürgermeister, die Türen nicht zuzuschlagen. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen in der Metropolregion wissen, wer sie im Stich lassen will und wer dafür kämpft, den ÖPNV in der Metropolregion attraktiv und zukunftssicher zu gestalten.

(Alexander König (CSU): Da wäre ich mir nicht so sicher!)

Wenn es der Mehrheit im Stadtrat der Landeshauptstadt tatsächlich um die zweite Stammstrecke ginge, dann wäre doch nicht ein so völlig übereilter Beschluss gegen die Vorfinanzierung gefasst worden, deren Ausgestaltung überhaupt noch nicht feststeht. Es ist ein Unding, wenn das Ergebnis der Verhandlungen mit der Bundesregierung über die verbindliche Rückzahlung der Vorfinanzierung nicht einmal abgewartet wird. Dieser Umgang ist aus der Sicht des Freistaates inakzeptabel; denn wir tragen die Verantwortung für das ganze Land. Der Freistaat und auch die Regionen, die bisher nicht nur bei der Infrastruktur, sondern auch bei der Kultur und vielen anderen Dingen bereit waren, die Belange der Landeshauptstadt

München zu berücksichtigen und mitzufinanzieren, haben jetzt den gleichen Anspruch auf Solidarität und eine konstruktive Zusammenarbeit der Landeshauptstadt München.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Das ist der Weg, den die Staatsregierung in dieser Sache weitergehen will.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Jörg Rohde (FDP): Und das ist gut so!)

Für die CSU bitte ich Herrn Huber ans Mikrofon.

Frau Präsidentin! Zunächst einmal herzlichen Dank für die Nachsicht, die Sie wegen der paar Minuten mit uns hatten. Ich danke außerdem dem Wirtschaftsminister für die sehr aufschlussreichen Zahlen, die wir gerade bekommen haben. Ich bitte Sie dennoch, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen; denn ich meine, diese Zahlen müssen dokumentiert werden. Im Übrigen sind wir auch bereit, dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER zuzustimmen, damit das Hohe Haus diese Zahlen schwarz auf weiß hat.

Der Herr Wirtschaftsminister hat schon den Hintergrund beleuchtet. Bedeutsam ist zunächst einmal, wie es um das partnerschaftliche Verhältnis beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Landeshauptstadt München steht. Zunächst einmal können alle - der Bund, das Land und natürlich auch die Stadt - sehr stolz darauf sein, dass München mutmaßlich das attraktivste Nahverkehrssystem in ganz Deutschland hat. Allein in der S-Bahn sind pro Tag 800.000 Leute unterwegs. Hinzu kommen die Fahrgäste von UBahn, Bus und Tram. Insgesamt besteht hier ein gut funktionierendes Netz, das wir weiter ausbauen wollen, und zwar gemeinsam.

Nun möchte ich ein Zitat verlesen, das mich veranlasst hat, diesen Dringlichkeitsantrag zu formulieren. In einer Veröffentlichung der Landeshauptstadt München heißt es unter dem Namen von Oberbürgermeister Christian Ude, ich zitiere wörtlich:

Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Landeshauptstadt hat sich also verkehrs- und umweltpolitisch gelohnt! Allein in meiner Amtszeit ist das Netz der städtischen U-Bahn um 55 % verlängert worden und die Zahl der Bahnhöfe um 41 % gestiegen. Die Vergleichszahlen des Freistaats Bayern nehmen sich dagegen kümmerlich aus: Streckennetz und Bahnhofszahl wurden in diesem Zeitraum nicht einmal um 2 % gesteigert.

Ende des Zitats. Meine Damen und Herren, was ist daran falsch? Zunächst tut der Oberbürgermeister so, als hätte er die U-Bahn allein finanziert, ohne Bund und Land. Das ist Falschmünzerei.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bund und Land haben in der Regel 80 %, in manchen Fällen sogar 90 % dieser Baumaßnahmen finanziert. Ich nenne als Beispiel den Bau der Strecke zur Messe. Die Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 wurden zu 85 bis 90 % von Bund und Land finanziert. Herr Ude schmückt sich mit völlig falschen Federn, schamlos, wie er ist und wie wir ihn seit langer Zeit kennen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Und er lächelt noch dabei!)

Das Ganze wäre eigentlich wurscht. Das ist Propaganda, und Herr Ude sagt viel, wenn der Tag lang ist. Entscheidend ist aber, dass er dieses Argument auch einführt, um gegen eine Beteiligung der Stadt bei der Vorfinanzierung der zweiten Stammstrecke zu reden.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): So ein Unsinn!)

Herr Ude sagt: Für die U-Bahn bin ich zuständig. Ich mache das tadellos, in eigener Zuständigkeit und mit eigenem Geld. Für die S-Bahn ist jedoch das Land zuständig. Seht einmal zu, wie ihr das Zeug finanziert. Wissen Sie, da wird es jetzt hinterfotzig und gemein. 80 bis 90 % der städtischen Verkehrsmaßnahmen werden von Bund und Land finanziert. Herr Ude erweckt den Eindruck, er finanziere das allein. Meine Damen und Herren, dies zerstört das partnerschaftliche Denken.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wenn wir ein Miteinander wollen, dann hat die Landeshauptstadt München eine Mitverantwortung, dafür zu sorgen, dass die zweite Stammstrecke finanziert werden kann; denn wir finanzieren nicht nur die Infrastruktur für die U-Bahn und die Straßenbahn, sondern übrigens auch die U-Bahn-Wägen.

Bei der S-Bahn, sagt Herr Ude, sei er überhaupt nicht dabei, auch nicht mit einer Vorfinanzierung. Ich halte das, was der Münchner Oberbürgermeister macht, für vordergründig und verantwortungslos. In anderen Ländern Deutschlands ist es durchaus üblich, dass sich die jeweiligen Gemeinden an der Finanzierung des Nahverkehrssystems S-Bahn beteiligen.

(Alexander König (CSU): Können wir diese Zahlen auch einmal anfordern?)

Ich nenne den Bahnhof Stuttgart 21. Daran ist die Stadt Stuttgart mit 238 Millionen Euro beteiligt, und zwar bei der Endfinanzierung, nicht der Zwischenfinanzierung. Den City-Tunnel in Leipzig finanzieren sowohl das Land als auch die Stadt Leipzig mit, und zwar in der Endfinanzierung, wo man allgemein sagt, dass das ein verlorener Zuschuss sei. Im Land Hessen sind die Gemeinden generell mit 12,5 % an der Finanzierung beteiligt.

(Alexander König (CSU): Da machen wir doch was falsch!)

Wir erwarten von der Landeshauptstadt München, dass sie den Betrag, den die Kommunen in Hessen voll finanzieren müssen, wenigstens leihweise für einige Jahre zur Verfügung stellt. Der Oberbürgermeister von München kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. In diesem Dringlichkeitsantrag wird deutlich, dass es überzeugende Gründe dafür gibt, dass sich die Landeshauptstadt München zumindest bei der Vorfinanzierung der zweiten Stammstrecke einbringen sollte.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Nicht nur an der Vorfinanzierung, sondern überhaupt an der Finanzierung!)

Als Nächster hat sich Herr Professor Dr. Piazolo zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte diesen Dringlichkeitsantrag und auch diese Begründung für grotesk. Wir haben vor zwei Tagen die Meldung erhalten, dass in München 3.000 Leute entlassen werden sollen. Wir haben GBW-Wohnungen der Landesbank, wo Menschen und ihre Mieten gefährdet sind. Außerdem haben wir das Beihilfeverfahren bei der Landesbank. Das dringlichste Problem in dieser Situation ist für die Regierungsparteien jetzt aber die Frage, wer die UBahn finanziert hat und inwieweit sich Bund und Land daran beteiligt haben. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Alexander König (CSU): Sie haben schon gelesen, dass die anderen Themen auch noch kommen? Keine Aufregung!)

Ich halte das für grotesk.

(Alexander König (CSU): Sagen Sie etwas dazu, wenn wir schon bei dem Thema sind!)

- Ich werde etwas dazu sagen.

Ich sage es in einem Bild: Herr Zeil, Sie bemühen sich zwar um München, Sie laufen, aber Sie kommen zu spät. Ähnlich ist es bei der dritten Startbahn und bei der zweiten Stammstrecke. Sie werden auch hier zu spät kommen. Bei der zweiten Stammstrecke wird es nicht funktionieren. Herr Zeil, Sie erzählen uns seit zweieinhalb Jahren, dass die Finanzierung stehe. Es steht aber gar nichts. Wir wollen jetzt keine Sandkastenspiele machen und sagen: Ich habe dir das Förmchen geliehen, deshalb musst du mir das Förmchen leihen. So geht es doch nicht.

Wir können doch nicht sagen: Weil der Staat Kommunen unterstützt, müssen die Kommunen plötzlich einspringen, wenn der Staat für ein Projekt kein Geld hat. In diesem Fall müssten die Kommunen für jede Staatsstraße zahlen. Diese Argumentation erschließt sich mir nicht.