Protokoll der Sitzung vom 29.02.2012

(Beifall bei der SPD)

Ein sauer dreinblickender Smiley an der Tür wird die betroffenen Unternehmen eher zum raschen Handeln motivieren als ein Bußgeldbescheid, von dem die Öffentlichkeit nichts weiß.

(Zuruf von der CSU: So ein Schmarrn!)

90 % wollen das Transparenzsystem. 15 von 16 Verbraucherschutzministern wollen es, nur Bayern nicht. Ich fordere Sie auf: Geben Sie Ihren Widerstand auf. Sorgen Sie für eine neue Transparenzkultur. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben einen Anspruch darauf.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. - Als nächste Rednerin steht schon Frau Kollegin Franke bereit. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir danken der SPD für diesen Dringlichkeitsantrag, dem wir selbstverständlich zustimmen werden.

Wir stoßen mit unserem Dringlichkeitsantrag in das gleiche Horn; uns geht es vor allem um die verhee

rende Informationspolitik, die hier betrieben wurde. Sie haben es alle gehört: Zweieinhalb Jahre lang gingen die Kontrolleure bei Müller-Brot aus und ein, haben eklige Zustände festgestellt, haben immer wieder einmal Waren zurückgerufen, haben letztlich sogar Gesundheitsgefährdung festgestellt und die Produktion gestoppt. Der Minister wusste ab Dezember 2010 Bescheid, aber die Verbraucherinnen und Verbraucher haben nichts davon erfahren, weder von den Behörden noch vom Herrn Minister. Letztlich war es die Presse, die durch eigene Recherchen die Vorgänge ans Licht brachte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Die Verbraucherinnen und Verbraucher wurden zweieinhalb Jahre lang hinters Licht geführt. Man hatte kein Interesse daran, die Steuerzahler, die die Kontrollen bezahlt haben, über die Ergebnisse zu informieren. Man verschanzte sich hinter der Gesetzeslage. Auch das noch geltende Verbraucherinformationsgesetz, das jetzt endlich novelliert wurde, hätte eine wesentlich frühere Information der Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch an dieser Stelle geben Sie, die Regierung und die Koalition, immer vor, Sie hätten Angst, Betriebe könnten pleitegehen, Arbeitsplätze könnten gefährdet werden. Genau das haben Sie jetzt erreicht. Mit Ihrer Nichtinformationspolitik halten Sie den Verbraucher für unmündig und bestrafen gleichzeitig alle vorbildlich wirtschaftenden Betriebe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was haben die jahrelangen Kontrollen und Bußgeldbescheide denn genützt? - Müller-Brot ist Ihnen auf der Nase herumgetanzt. Die Information der Öffentlichkeit wäre das Druckmittel gewesen, das wirklich geholfen hätte. Sie hätten damit eine Menge Kontrollen einsparen und die wenigen Lebensmittelkontrolleure zu anderen Betrieben schicken können, die seit Jahren nicht kontrolliert wurden. Eine Kontrolldichte von 1 % bis 2 % bei den Bäckereien ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Wenn man weiß, dass von den kontrollierten Betrieben 10 % gravierende Mängel aufwiesen, dann kann man sich ausrechnen, wie viele mangelhafte Betriebe überhaupt nicht kontrolliert wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Lebensmittelkontrolleure habe gute Arbeit geleistet, da kann man nichts anderes sagen. Sie haben sogar bis zum Anschlag gearbeitet. Aber es sind ein

fach zu wenige, wir haben es gerade von Frau Dittmar gehört: 493 Planstellen, die nur zu 70 % besetzt sind, für 232.000 zu kontrollierende Betriebe.

Aus aktuellem Anlass haben wir unseren Antrag zum Nachtragshaushalt für mehr Personal in diesem Bereich erneut gestellt. Es wäre ein Skandal, wenn Sie diesen Antrag wie in den Jahren zuvor wieder ablehnen würden.

Zurück zur Information: Hätten Sie rechtzeitig informiert, wären womöglich auch die betriebswirtschaftlichen Verfehlungen bei Müller-Brot eher zutage getreten, die nicht nur in diesem Fall mit Hygieneverfehlungen einhergingen. Dann wären die Franchise-Nehmer und Arbeitnehmer jetzt möglicherweise in einer besseren Lage. Auch diese Zusammenhänge haben System. Es gibt mehrere solcher Beispiele, bei denen beides zusammenhängt.

Damit Sie sich nicht weiter auf Abwägungs- und Ermessensspielräume hinausreden können, brauchen wir endlich einen Paradigmenwechsel im Gesetzesrahmen. Dafür reicht auch das novellierte Verbraucherinformationsgesetz nicht aus, das in § 40 des Lebensmittelgesetzbuches aus dem "Soll" ein "Muss" machte; denn der Grundsatz der Abwägung bleibt immer noch erhalten, auch wenn ab September bei Gesundheitsgefährdung informiert werden muss. Das Verbraucherinformationsgesetz - VIG - ermöglicht es zwar den Verbrauchern, nachzufragen, um Informationen über den Hygienezustand eines Betriebs zu erhalten, aber dieses Instrument eignet sich nicht für eine spontane Auskunft. Eine kurzfristige Information, zum Beispiel wenn ich abends ein Restaurant besuchen will, ist nicht möglich. Da muss ich schon zwei Monate vorausplanen; denn so lange dauert normalerweise die Auskunft. Ich muss mich über Behördenadressen schlau machen und muss mit Kosten rechnen. Das ist kein geeignetes Instrument, um den Verbrauchern die nötigen Informationen zu geben. Wir wollen, dass die Ergebnisse aller Kontrollen endlich bekannt gemacht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Steuerzahler zahlen die Kontrollen, also möchten sie auch die Ergebnisse sehen, und sie haben ein Anrecht darauf. Auch für die Unternehmen ist das gerechter: Es werden nicht ein paar wenige herausgepickt und drangsaliert, sondern dann erfahren alle die gleiche Behandlung. Alle Ergebnisse, außer bei Nachbesserungen - darauf komme ich gleich noch zu sprechen -, werden automatisch veröffentlicht, ohne dass die Verbraucher aktiv nachfragen müssen. Die Verbraucherschutzminister aller Bundesländer haben schon im letzten Mai dafür gestimmt, die Ergebnisse

der Lebensmittelkontrollen transparent zu machen. Nur ein Bundesland hat dagegen gestimmt, das war natürlich Bayern.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Na servus!)

Das war ein Schlag ins Gesicht des mündigen Verbrauchers. Sie sprechen immer von der Marktmacht des Verbrauchers und der Verbraucherin. Wo ist denn diese Macht, wenn er oder sie keine Informationen bekommt? - Setzen Sie sich endlich auf Bundesebene und bei der installierten ressortübergreifenden Arbeitsgruppe dafür ein, dass die Kontrollergebnisse routinemäßig veröffentlicht werden. Setzen Sie sich auch dafür ein, dass jeder Betrieb das Recht auf Nachbesserung bekommt, falls ein schlechtes Kontrollergebnis zutage kommt. In diesem Falle muss möglichst eine zweite, dann gebührenpflichtige Kontrolle möglich sein; denn auch uns liegt das Wohl der Unternehmen am Herzen. Wir wollen nicht, dass ein Betrieb unverschuldet an den Pranger gestellt wird. Unternehmensinteressen und Verbraucherschutz sind kein Gegensatz, sondern gehen in einer guten Verbraucherschutz- und Wirtschaftspolitik zusammen. Wenn Sie nicht informieren, schützen Sie damit nur die schlampigen Betriebe. Die sauberen, die sich Mühe geben und geschultes, teures Personal einsetzen, sind die gelackmeierten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das muss sich ändern. Das wollen wir ändern. Stimmen Sie bitte endlich für unseren Vorschlag, damit wir einen echten Verbraucherschutz in Bayern bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich gebe hiermit bekannt, dass die FDP zum Dringlichkeitsantrag 16/11631 der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat.

(Harald Güller (SPD): Weil sie ihn so gut finden!)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Frau Stewens ist schon da. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über die Dringlichkeitsanträge der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die soeben auch begründet worden sind. Ich möchte vorweg noch etwas Grundsätzliches sagen: Die Stoßrichtung der beiden Dringlichkeitsanträge geht gegen die Bayerische Staatsregierung, die Lebensmittelkontrolleure und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ich persönlich bin der festen Über

zeugung, dass letztlich der Unternehmer verantwortlich ist, also die drei Geschäftsführer von Müller-Brot. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss sich einmal genau anschauen, was da in den letzten Jahren passiert ist. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde von 2.000 auf gut 1.000 gedrückt, und das bei einer Produktionskapazität von 1 Million Brezen, 1 Million Brötchen und 70.000 Broten. Hinzu kommt noch die Tiefkühlkost. Und das bei einer Gesamtfläche von 55.000 qm auf unterschiedlichen Ebenen mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden waren.

Ich möchte etwas sehr deutlich klarstellen: Die Lebensmittelkontrolleure, die vor Ort einen ausgesprochen schwierigen und verantwortungsvollen Job ausüben, haben ihre Arbeit dort ausgesprochen gut verrichtet. Sie haben nun einmal das verfassungsmäßig festgelegte Abwägungsgebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie mir, auch wenn wir die Gesetze in den unterschiedlichsten Bereichen noch ein Stück weit enger und bürokratischer fassen würden, könnten wir den Menschen die Verantwortung und das Abwägungsgebot nicht ersparen. Hier befinden sich die SPD und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wirklich auf dem Holzweg.

(Beifall bei der CSU)

Jeder Einzelne, der vor Ort Verantwortung hat, muss abwägen, was in seiner Situation richtig ist. Ich möchte aber auch ganz klar sagen, dass wir selbstverständlich auch die Ängste der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst nehmen müssen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Kamm?

Im Moment nicht. Das können wir hinterher machen.

Wir müssen die Ängste der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst nehmen.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Wir haben die gesetzliche Grundlage, dass bei einer Gesundheitsgefährdung eingeschritten werden muss, nicht bei Ekel. Wir wissen aber auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn es ihnen auf bayerisch gesagt "graust", so ein Zeug auch nicht essen wollen.

(Alexander König (CSU): Sie haben zu Recht einen höheren Anspruch!)

Deshalb haben die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch auf Information und darauf, dass unsere Lebensmittel hygienisch einwandfrei verarbeitet werden. Das ist überhaupt keine Frage. Frau Kollegin Franke, Sie haben vorhin gesagt, dass die Lebensmittel zum Teil gesundheitsgefährdend gewesen seien. Die mikrobiologischen Untersuchungen, die das LGL vorgenommen hat, haben keine Befunde in den Brezen, Semmeln und Broten ergeben. Deshalb fordere ich Sie auf: Informieren Sie die Öffentlichkeit bitte sachlich und richtig.

(Beifall bei der CSU)

Die Lebensmittelkontrolleure und die Spezialeinheit des LGL müssen sich natürlich nach den bestehenden Gesetzen richten, nicht nach den zukünftigen Gesetzen. Wir leben in Bayern, nicht in einer Bananenrepublik. Wir halten uns an Recht und Gesetz. Unsere Beamten haben sich ebenfalls an Recht und Gesetz zu halten. Das haben sie im Falle Müller-Brot auch getan. Deswegen halte ich diese Schuldzuweisungen schlicht und einfach für falsch. Das möchte ich ganz klar sagen. Richtig ist, hier ist sehr engmaschig kontrolliert worden. In drei Jahren haben 21 Kontrollen stattgefunden. Siebenmal war die Spezialeinheit dabei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie fordern immer Personalmehrungen. An Personalmangel hat es in diesem Fall nicht gelegen.

In diesem Fall gab es eine engmaschige Kontrolle. Vor dem Hintergrund des Abwägungsgebotes, also der Frage, was hier verhältnismäßig ist, wurden in diesen drei Jahren viele Produktionsanlagen stillgelegt. Schon Ende des Jahres 2009 hat man festgestellt, dass die Produktion wieder sauber ist und deshalb quasi den Persilschein ausgestellt. Im Laufe des Jahres 2010/2011 hat man jedoch festgestellt, dass immer wieder Teile des Produktionsprozesses verschmutzt und verdreckt waren. Zu Beginn des Jahres 2012 hat man dann im Mehl Mäusekot gefunden. Daraufhin wurde die Produktion komplett stillgelegt, weil eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr auszuschließen war. Insofern wurde hier exakt richtig gehandelt. Das wollte ich hier grundsätzlich zur Sachdarstellung sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN möchte ich sagen, dass ich persönlich schon der Überzeugung bin, dass dieser Antrag mit § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs erledigt ist; denn hiernach muss zwingend gehandelt und informiert werden. Sicherlich gibt es hier auch Beurteilungsspielräume. Ich habe schon vorhin gesagt, dass den Verantwortlichen vor Ort Beurteilungsspielräume eingeräumt werden sollten. Trotzdem muss bei gravierenden Verstößen bei

einem Ordnungsgeld von 300 € zwingend veröffentlicht werden. Bei Müller-Brot wurden Ordnungsstrafen von circa 19.000 € verhängt. Daran können Sie sehen, dass die Schwellen sehr niedrig gelegt worden sind, um dem Hygiene-Bedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher entgegenzukommen. Der Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist deshalb zum großen Teil durch die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes abgearbeitet, das zum 1. September dieses Jahres in Kraft treten soll.

Nun zum Dringlichkeitsantrag der SPD "Lehren aus Müller-Brot - Neuorganisation der Lebensmittelkontrolle". Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern war das erste Land in Deutschland, in dem die Produktion einer Großbäckerei tatsächlich stillgelegt worden ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)