Eine zweite Frage ist sicherlich auch noch offen: Es ist die Frage, ob eine solche Rettung nachhaltig ist. Sie haben zum wiederholten Male einen Rettungsschirm für erforderlich gehalten oder wollen ihn als solchen bezeichnen. Wir müssen uns an dieser Stelle der zur Verfügung stehenden Instrumentarien bedienen und unsere Sorge um die weitere Entwicklung mit Sympathiebekundungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ausdruck bringen.
Ein zweiter Punkt ist die Transfergesellschaft. In diesem Zusammenhang will ich auf einen Aspekt hinweisen, der in Ihrem Antrag formuliert ist und der es auch schwierig macht, diesem Antrag trotz der grundsätzlich berechtigten Zielsetzung zuzustimmen. In dem Antrag heißt es, dass sich die Staatsregierung für die Gründung einer Transfergesellschaft einsetzen soll, damit auch in Bayern erstens Arbeitsplätze von Frauen und zweitens Einkaufsmöglichkeiten im ländlichen Raum erhalten bleiben. Der Zweck einer Transfergesellschaft ist es sicherlich nicht, Regionalpolitik zu betreiben. Der Zweck einer Transfergesellschaft ist es, den von einer Entlassung Betroffenen einen erleichterten Übergang in andere Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen.
Das wollen wir auch. Das wollen wir vor Ort zusammen mit den Arbeitsämtern erreichen. Wir sprechen auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Zweig. Wir alle haben in unseren Regionen von der Schließung betroffene Menschen, die wir auch kennen. Von einer Transfergesellschaft zu erwarten, dass sie Regionalpolitik betreibt und Einkaufsmöglichkeiten im ländlichen Raum erhält, geht zu weit. Wir kämpfen mit Ihnen gern um gleichwertige Lebensbedingungen und auch um wirtschaftliche Stärke des ländlichen Raums. Die Situation bei Schlecker ist dafür aber sicher nicht geeignet.
Zusammenfassend will ich signalisieren, dass wir, wie ich eingangs gesagt habe, die grundsätzlichen Ziele für richtig halten. Das in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommende Verständnis davon, was der Staat in diesen Fällen alles machen soll, geht uns zu weit. Deswegen müssen wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Dringlichkeitsantrag der SPD auf Einrichtung eines Rettungsschirms für die Beschäftigten von Schlecker durch Transfergesellschaften werden wir unterstützen. Es ist wichtig, dass die Verkäuferinnen der bundesweit wegfallenden 2.400 Filialen für ein halbes bzw. ein Jahr in eine Transfergesellschaft aufgenommen werden, allerdings schon ab 1. April. Das muss sicher sein. Dafür werden wir auch kämpfen. In Bayern werden 278 Standorte geschlossen. Für die Zwischenfinanzierung brauchen wir einen KfW-Kredit. Den will Minister Rösler jetzt nicht geben. Er beruft sich auf die Regeln der Förderbank. Dieses Plazet könnte auch die Bundesregierung geben, sagte dagegen Arbeitsministerin Frau von der Leyen. Daran kann man einmal sehen, mit welch gespaltener Zunge die Bundesregierung wieder redet. Es geht um Frauenarbeitsplätze, und die müssen unbedingt gesichert werden. Wir können es uns überhaupt nicht leisten, sie nicht zu sichern. Wir können sie sichern, indem wir einen Zwischenkredit geben. Nur den brauchen wir. Das andere übernimmt die Bundesagentur für Arbeit.
Die Zeit eilt, Herr Muthmann. Sie sagten gerade, der Antrag wäre verfrüht. Insolvenzgeld für die Beschäftigten kann nur bis Ende März gezahlt werden. Danach könnten sie in eine Transfergesellschaft aufgenommen werden, um die Kündigung abzufedern und sie für andere Berufe zu qualifizieren. Natürlich sind diese Maßnahmen in der Region angesagt, Herr Muthmann; denn dort leben die Frauen. Dort leben oft alleinerziehende Frauen, die zwei Kinder haben. Sie müssen dort wohnen bleiben, weil dort die Mieten niedriger sind. Deswegen dürfen wir die Regionalpolitik nicht vernachlässigen.
Die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium haben grünes Licht gegeben und gesagt, jetzt brauche es nur noch den Zwischenkredit. Herr Seidenath, Sie haben gesagt, es würden Steuergelder eingesetzt. Es sind keine Steuergelder. Das Arbeitsministerium bzw. die Bundesagentur für Arbeit hat bereits zugesagt, dass sie absichern, und dafür gibt es Transfergesellschaften, wie zum Beispiel bei Quelle. Wir haben es schon mitgemacht. Von denen werden die Mitarbeiterinnen bezahlt. Die Steuergelder müssen nicht für alle Arbeitsplätze verwendet werden.
Aus Sicht des Bundes ist jedoch das Land BadenWürttemberg dafür zuständig, Schlecker einen Kredit zu organisieren, da das Unternehmen dort seinen Hauptsitz hat. Nach Ansicht des Bundes haben die
Länder Förderinstitute, die Kredite bereitstellen können. Ich bin davon überzeugt, dass sich Wirtschaftsminister Schmid aus Baden-Württemberg und Bundeswirtschaftsminister Rösler unbedingt an einen Tisch setzen müssen. Frau von der Leyen sagte noch letzte Woche, dass Transfergesellschaften für die Schlecker-Verkäuferinnen das Beste seien und sie sich dafür einsetzen werde. So zerrüttet kann das Verhältnis zur FDP doch nicht sein, dass sich Herr Rösler schon wieder einmal durchsetzt und die Probleme auf Baden-Württemberg abschiebt. Plan A muss der Bund sein, Plan B muss das Land sein.
Gerade haben wir von Frau Haderthauer den Sozialbericht gehört. Gerade Frauen brauchen jetzt unsere Solidarität.
Die Frauen verdienen oft nicht dazu, nein, ihre Arbeit ist die einzige Einnahmequelle, und das, wie zum Beispiel bei Schlecker, mit zwanzig Wochenstunden. Schlecker ist der Lackmustest für Frauenarbeitsplätze. Die Frauen haben dafür gekämpft, dass mit Verdi neue Tarifverträge abgeschlossen wurden für die alten Märkte und die neuen Schlecker XL GmbHs. Jetzt werden alle nach dem Einzelhandelstarif von Baden-Württemberg bezahlt. Das ist gut so. Man hat sich geändert. Es wäre wirklich wichtig, dass wir uns für die verbleibenden Frauenarbeitsplätze einsetzen.
In der männerdominierten Autoindustrie, meine Herren, hat man sich vor Aktionismus fast überschlagen, um Opel zu retten.
Hier müssen sich Bund und Land an einen Tisch setzen. Das ist die Quintessenz dieses Dringlichkeitsantrags. Darauf haben wir ein Recht, und darauf haben die Beschäftigten ein Recht. Daran darf die Transfergesellschaft nicht scheitern. Deshalb muss der Ministerpräsident dieses Thema in Bayern zur Chefsache machen, und Frau Angela Merkel auf Bundesebene zur Chefinnensache.
Frau Kollegin Scharfenberg, bleiben Sie bitte am Pult. Herr Kollege Dr. Bertermann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Wirtschaftspolitiker, aber ein Mensch, der mitten im Leben steht. Da es sich um viele Schleckerfilialen handelt, frage ich Sie, Frau Kollegin, ob für die zwei oder drei Mitarbeiter
jeder Filiale das Arbeitslosenproblem vor Ort gelöst werden kann. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die jeweilige Region in der Lage ist, diesen Beschäftigten Arbeitsplätze zu vermitteln?
Wichtig ist, dass wir etwas eröffnen. Es geht um die 278 Standorte in Bayern, für die wir Politikerinnen und Politiker zuständig sind. Die Rahmengesellschaften müssen für die zwei oder drei Arbeitsplätze in den kleinen Ortschaften gerettet werden. Das können wir, wenn wir eine Transfergesellschaft gründen. Diese regionale Arbeit müssen wir leisten.
Man kann schon sagen, dass die Frauen auch anderswo Stellen finden. Wichtig ist aber, dass die Transfergesellschaft dafür sorgt, dass die Frauen weiter vermittelt werden können. Das ist das Wesen einer Transfergesellschaft.
Der nächste Redner ist Herr Kollege Rohde. Danach hat sich Frau Kollegin Weikert gemeldet. Bitte, Herr Kollege Rohde.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Fall Schlecker hat besondere Bedeutung, weil wir das Unternehmen nicht nur aus den jüngeren, sondern auch aus den älteren Schlagzeilen kennen. Das war starker Kapitalismus - Kollegin Weikert hat dies ausgeführt. Wir haben ihn interfraktionell, überparteilich kritisiert, weil man nicht ruhigen Gewissens zusehen konnte, wie mit den Menschen umgegangen wurde. Das ist immer noch so. Deshalb gilt unsere Solidarität den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von Kündigung bedroht sind. Man muss sich genau überlegen, wie den Mitarbeitern am besten geholfen werden kann.
Als Bayer bin ich ein Stück vom Unternehmenssitz in Baden-Württemberg weg. Ich habe eine Frage zu dem, was Kollegin Scharfenberg soeben angedeutet hat, nämlich für wie lange eine Transfergesellschaft im Gespräch wäre. Sie haben von einem halben oder einem Jahr gesprochen. Ich bilde mir ein, in einem
Medienbericht von zwei Monaten gelesen zu haben. Da 70 Millionen Euro im Gespräch sind, habe ich die Frage, wie viele Monate die Überbrückung dauern soll. Sind es zwei Monate, sind es sechs Monate? Mir fehlen die Relationen. Die Gehälter dieser Mitarbeiter sind nicht sehr hoch. Es kann ein langer Zeitraum sein, aber es sind auch 12.000 Mitarbeiter im Gespräch. Diese Frage wollte ich vorab stellen.
Frau Kollegin Weikert, wissen Sie, ob die Kündigungen schon ausgesprochen sind? Ich meine, sie sind noch nicht ausgesprochen, weil noch über den Sozialplan verhandelt wird. Der Sozialplan bedeutet, dass Mitarbeiter eine Abfindung bekommen, dass ältere, langgediente Mitarbeiter im Unternehmen bleiben, jüngere ohne Kinder und unverheiratete Mitarbeiter eher das Unternehmen verlassen müssen. Das ist die Steuerung, wer von den 25.000 Mitarbeitern bei einer Unternehmensfortführung bleiben darf. Hier stellt sich die Frage, in welche Richtung der Sozialplan ausgehandelt wird und wie das in die Transfergesellschaft eingebaut werden wird.
Die Frage ist, wer am meisten von der Transfergesellschaft profitieren würde, wenn es denn eine geben würde. Das ist der Insolvenzverwalter. Er spart sich circa 12.000 Kündigungsprozesse, die möglicherweise als Worst Case auf ihn einstürmen würden. Das sind die Vermieter, weil sie bessergestellt werden, als wenn die Gesellschaft einfach fortgeführt würde, wenn viele Mitarbeiter von dem Unternehmen weg sind; die Lieferanten ebenso wie die Banken und die Kreditgeber.
In einem Medienbericht wird eine interessante Frage aufgeworfen. Frau Weikert, Sie haben ebenfalls die Frage gestellt, wo die eineinhalb Milliarden Euro hingekommen sind. Ich glaube, in der "Wirtschaftswoche" heißt es, vereinfacht ausgedrückt, Papa Schlecker sei pleite, aber die Kinder Schlecker hätten dem Unternehmen die Kredite gegeben. Das heißt, dass auf der Gläubigerseite möglicherweise - das müsste man verifizieren - die Kinder Schlecker mit dreistelligen Millionenbeträgen als Kreditgeber an der Konkursmasse beteiligt werden. Wenn wir die Transfergesellschaft ermöglichen, würden diese Kreditgeber mehr aus der Konkursmasse bekommen, weil die Mitarbeiter dann nicht mehr gleichberechtigt beteiligt sind. Ohne Transfergesellschaft könnten sich die Mitarbeiter in die Reihe der Gläubiger einreihen. Die Masse wird ohne Transfergesellschaft zwischen den Kreditgebern und den Mitarbeitern in einem Verfahren
verteilt. Wenn es eine Transfergesellschaft gibt, werden die anderen und damit auch die Familie Schlecker, die wir jahrelang kritisiert haben, bessergestellt. Diese Möglichkeit müsste man zumindest prüfen.
Als Weiteres stellt sich die Frage, was mit den Mitarbeitern passiert, wenn es keine Transfergesellschaft gibt. Gemäß weiteren Medienberichten sagt Konkurrent Rossmann, er werde 80 bis 100 Filialen inklusive der Mitarbeiter übernehmen. Aldi Süd sagt, sie seien an Mitarbeitern interessiert; denn wer sich bei Schlecker durchgebissen habe, sei für jedes andere Unternehmen eine willkommene Arbeitskraft.
Im Landkreis Erlangen-Höchstadt mit nur zwei Prozent Arbeitslosigkeit sagen die Einzelhändler, dass sie keine Leute bekämen. Es heißt, dass es für die Mitarbeiter von Schlecker Arbeitsplätze in anderen Unternehmen gibt. Die Bundesagentur für Arbeit hat auf die Frage nach den offenen Stellen im Einzelhandel geantwortet, dass der Zugang in einem Monat 1.600 Stellen und der Abgang in einem Monat 1.600 Stellen ausmache, die nur der untere Rand seien, weil viel über Zeitarbeit laufe. Das ist nicht zu begrüßen. Man stellt aber fest, dass es so ist. Wenn man die 1.600 Stellen den 2.000 von Kündigung Betroffenen von etwa 6.000 Arbeitnehmern bei Schlecker in Bayern in 276 Filialen gegenüberstellt, ist davon auszugehen, dass in zwei bis drei Monaten jeder dieser Mitarbeiter an einem anderen Arbeitsplatz und nicht mehr in diesem Unternehmen ist. Deshalb ist die Frage zu stellen, ob es gerechtfertigt ist, das Risiko für die Steuerzahler einzugehen und Steuergelder einzusetzen. Außerdem wird in den Markt eingegriffen. Die Konkurrenten haben Nachteile, weil der Konkurrent Schlecker weiterhin besteht.
Es gibt genügend Mitbewerber. Wir schaffen kein Monopol nach dem Motto, dass der letzte Verbliebene alle Mitarbeiter bekommt. Nein, es gibt dm, Aldi und viele Märkte und lokale Einzelhändler. Diese Gefahr besteht nicht. Die Gesellschaft, die nach dem Konkurs verbleibt und für die ein Fortführungskonzept gesucht wird, braucht nicht unbedingt einen KfW-Kredit. Es könnte auch ein anderer Kredit sein. Es könnte ein Investor aus dem Inland oder dem Ausland sein. Es muss nicht der Steuerzahler sein. Wenn ich an Opel erinnern darf: Am Ende hat General Motors gesagt: Na gut, es geht auch ohne!
Also auch da kann man mit Krediten möglicherweise das falsche Signal setzen. Und ich darf auch an das Beispiel Quelle hier in Bayern erinnern, bei dem unser
es wurde Zeit gewonnen. Aber wir haben bei Quelle auch einen anderen Effekt gesehen: Wenn der Ruf erst ruiniert ist, dann wird es schwierig. Die Leute haben nicht mehr bestellt, deswegen ist der Umsatz bei Quelle eingebrochen, und deswegen war nichts mehr zu retten. Es gibt schon einige Berichte, dass die Lieferanten nicht mehr an Schlecker liefern. Das heißt, die Regale sind halb leer. Wenn die Lieferanten jetzt da schon zurückhaltend sind, dann werden die Kunden noch zurückhaltender, und es geht sehr schnell abwärts.
Also ich denke, wir sollten uns da als Staat sehr zurückhalten. Die Mitarbeiterinnen haben in den anderen Unternehmen bessere, zukunftsträchtige Chancen und werden auch dort in der Fläche sein. Wo nur ein Markt ist, wird in Zukunft ein anderer Markt neu entstehen, weil die Bevölkerung versorgt werden will. Das wird auch ein Konkurrent erkennen. Deswegen ist im Gespräch, dass einige Märkte übernommen werden.
Das Mindeste, was man der Firma Schlecker, dem Insolvenzverwalter ab April empfehlen kann: schnellstens den Namen zu ändern, weil dieser Name wirklich in Verruf gebracht wurde mit den Arbeitsverträgen und dem Umgang mit den Mitarbeitern usw. Da muss eine völlig neue Unternehmenskultur her, wenn noch etwas zu retten ist.
Ich denke, die Argumente in der Abwägung sind eigentlich klar auf unserer Seite. Die Transfergesellschaft würde die bisherigen Gläubiger besserstellen und damit auch die Familie Schlecker, die eben dann vermutlich über die Kinder noch Geld in dem Unternehmen hat, und das kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen sorgsam mit unseren Steuergeldern umgehen.
Deswegen plädiere ich dafür, den Antrag der SPD abzulehnen. Wir haben natürlich völliges Verständnis für die Situation der Mitarbeiter. Es ist eine schwierige Übergangsphase. Die Bundesagentur für Arbeit wird bestmöglich helfen, die Damen, die es ja in der Mehrzahl sind, in neue Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Aber gerade in Bayern haben wir beste Chancen, das auch zu schaffen, weil wir eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit haben - dank unserer Wirtschaftspolitik.