Protokoll der Sitzung vom 15.03.2012

Es gibt jedoch inzwischen auch schon andere Kommunalpolitiker. Beispielsweise hat der Würzburger Stadtrat letzte Woche ein Zehn-Punkte-Programm mit Verbesserungen für die Asylbewerber verabschiedet, in dem es unter anderem darum geht, dass Essenspakete abgeschafft werden. Auch die CSU im Würzburger Stadtrat hat dafür gestimmt. So etwas müssen wir auch einmal im Landtag haben, damit es hier konkret verabschiedet wird.

Wir von den FREIEN WÄHLERN haben einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir wollen, dass Asylanten maximal ein Jahr in der Unterkunft wohnen und sich dann Wohnungen suchen dürfen, und bei denjenigen, die ausziehen dürfen, darf sich dies nicht mehr auf Familien mit Kindern beschränken, sondern es muss sich auch auf andere Personen wie Alleinerziehende, Senioren und andere größere Personengruppen beziehen.

Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist, ist die Begrenzung der Lagerfrist auf ein Jahr. Aber die bayerische Asylpolitik will nach wie vor die Ausreisebereitschaft fördern; so stand es auch immer in den Regelungen. Ich glaube, die Frau Staatsministerin wollte etwas anderes; aber Innenminister Herrmann hat sich durchgesetzt. So stand es in allen Medien, obwohl ein Großteil der Flüchtlinge schon sehr lange in Bayern lebt. Ich hatte eine Schriftliche Anfrage an Frau Haderthauer gestellt. Darin habe ich gefragt: Wie viele Asylbewerber wohnen 5, 10 oder 15 Jahre hier? Konkret in Zahlen: 15 % aller Asylbewerber in Bayern - das sind 1.576 Menschen - leben länger als fünf Jahre in Bayern, und 400 sogar länger als zehn Jahre. Für diese Personen ist die bisherige bayerische Asylpolitik gescheitert, das muss man klar sagen. In diesen Fällen wären unbedingt Integrationsmaßnahmen - an erster Stelle steht dabei der kostenlose Deutschunterricht - notwendig. Ich erinnere auch an den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der sagte, wir brauchen ein Bleiberecht für integrierte Menschen. Kinder, die ihre Heimatsprache schon gar nicht mehr können, sollten hierbleiben dürfen.

Fazit: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung ist für uns enttäuschend, bestenfalls ein laues Lüftchen. Es fehlen praxisnahe, unbürokratische Lösungen. Die Probleme der Flüchtlinge werden nur unzureichend gelöst. Vielleicht werden die Probleme der Koalition gelöst, aber wir sind noch guter Hoffnung, dass sich in Bayern vielleicht doch noch mehr bewegt, als es bisher der Fall ist. Deshalb müssen wir den Gesetzentwurf leider ablehnen. Ich habe jetzt 45 Sekunden überzogen, Entschuldigung!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wunderbar! Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Fahn. - Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Ackermann; ihr folgt Frau Kollegin Brigitte Meyer. Bitte schön, Frau Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Seidenath, da haben Sie aber große Worte bemüht!

(Bernhard Seidenath (CSU): Zu Recht!)

Sie sind mit einem Quantensprung über den Meilenstein gesprungen und als Bettvorleger gelandet.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Nach drei Jahren Debatte über diesen Gesetzentwurf und ein Jahr nach dem - wie ich gehört habe - mühsam ausgehandelten Asylkompromiss kommt heute nun der Änderungsentwurf des Aufnahmegesetzes auf die Tagesordnung.

Schauen wir uns einmal den Stand an. Es gibt im Moment in Bayern 120 Flüchtlingslager für rund 9.000 Flüchtlinge, und die Lager sind voll. Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen können nicht ausziehen, da die Gemeinschaftsunterkünfte sie nicht aufnehmen können. Diese Situation ist hausgemacht; denn der Auszug aus den Gemeinschaftsunterkünften, damit wieder Platz würde, ist praktisch unmöglich, und er würde auch mit dem Änderungsentwurf unmöglich bleiben; denn die vorläufige Neuregelung, die im Vorgriff auf die Gesetzesänderung bereits im April 2011 in Kraft gesetzt wurde, zeigt sehr deutlich das Problem auf: dass nur eine Handvoll Flüchtlinge ausziehen konnten.

Der Gesetzentwurf bringt - das gestehe ich gern zu eine Erleichterung: Das ist die Ausweitung der Residenzpflicht von den Kreisen auf die Bezirke. Das ist für die Flüchtlinge tatsächlich eine Erleichterung, das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Es gibt auch eine Erleichterung für den Auszug von Familien, aber alle

anderen Flüchtlinge müssen sich Einzelfallprüfungen unterziehen. Für Flüchtlinge, die ihre Identität nicht offenlegen bzw. nicht offenlegen können - auch solche gibt es, da sie ihre Papiere aus den Heimatländern nicht bekommen, es sei denn, sie fahren hin, aber dann kommen sie natürlich nicht mehr zurück -, ist es vollkommen unmöglich, auszuziehen.

Weiterhin bleibt natürlich der Ermessensspielraum der Ausländerämter erhalten. Sie haben das als Positivum genannt. Ich halte es nicht für sehr positiv; denn wie wir wissen, gibt es durchaus sehr rigide handelnde Ausländerämter, die den Flüchtlingen große Schwierigkeiten machen. Der Auszug ist auch erst vier Jahre nach Abschluss des Asylverfahrens möglich. Das sind vier Jahre zu viel; denn wie bei der Anhörung vor drei Jahren, am 23.04.2009, von Ärzten, Juristen, Pfarrern und Wohlfahrtsverbänden deutlich gemacht wurde, ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften "menschenunwürdig". Ich zitiere das Wort ganz bewusst. Es ist ein Zitat und nicht nur allein meine Meinung, sondern auch die Meinung des EU-Menschenrechtskommissars, der sich Gemeinschaftsunterkünfte angesehen und gesagt hat, die Verhältnisse in den Gemeinschaftsunterkünften seien untragbar. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf bleibt extrem bürokratisch, entmündigend und von Misstrauen geprägt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, es ist vorhin gerade angesprochen worden; allerdings war es noch ein wenig zu einfach:

(Alexander König (CSU): Das sind die ewig Unzufriedenen!)

Wenn jemand ausziehen darf, dann muss er vorher erst eine Wohnung nachweisen. Aber damit nicht genug, er braucht auch noch den Mietvertrag, obwohl teilweise noch in seinen Papieren steht, dass er keine Wohnung bekommen darf. Wenn er den Mietvertrag hat, muss er einen Antrag an den Bezirk richten. Dieser erkundigt sich dann beim Ausländeramt, und erst wenn dieses das Plazet gibt, kann er die Wohnung nehmen, und diese ist in der Zwischenzeit meist schon weg.

Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Dieser sieht den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft spätestens nach einem Jahr vor und befürwortet die dezentrale Wohnsitznahme. Wir meinen, dass so die Integration gelingen kann. Wenn die Menschen mittendrin wohnen, entstehen in der heimischen Bevölkerung weniger Animositäten und Aggressionen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihren Gesetzentwurf lehnen wir als ungeeignet ab. Er bestätigt nur Ihre Absicht, die Rückkehrwilligkeit von Flüchtlingen zu fördern, wie es so zynisch heißt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ackermann. - Letzte Rednerin ist Frau Kollegin Brigitte Meyer. Bitte schön, Frau Kollegin Meyer.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es war in der Tat ein langes Prozedere, das uns viel Kraft, Verhandlungsgeschick und Durchhaltevermögen gekostet hat und das heute endlich zu einem Abschluss gebracht werden soll. Zum 1. April soll die Änderung des Aufnahmegesetzes in Kraft treten, welche den schon 2010 hier im Landtag beschlossenen Asylkompromiss umsetzt. Dann können Familien nach Abschluss des Erstverfahrens sowie alle anderen Personen nach weiteren vier Jahren aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen und eine eigene Wohnung beziehen. Vier Jahre sind in der Tat eine lange Zeit. Aber immerhin haben in Zukunft auch alleinstehende Männer die Möglichkeit, aus diesen Unterkünften auszuziehen.

Ich bin Realistin und Praktikerin genug, um zu wissen, dass es auch dann noch Schwierigkeiten geben wird. Aber ich möchte meine Redezeit in dieser abschließenden Beratung dazu nutzen, den Skeptikern der Verbesserungen ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen und um breite Zustimmung auch bei ihnen zu werben.

Es wird immer wieder behauptet, das Gesetz sei nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben stehe, da die Formulierungen so weit gefasst seien, dass kaum Flüchtlinge ausziehen könnten. Dazu stelle ich fest: Wir schreiben in Artikel 4 Absatz 4 in völliger Abkehr von der bisherigen Rechtslage - das kommt einem Paradigmenwechsel gleich - explizit das Recht zum Auszug für bestimmte Personengruppen fest. Das heißt gerade nicht, dass diesen Menschen der Auszug, wie es in dem im Moment noch gültigen AMS heißt, "in der Regel" gestattet werden soll - das war eine vorgezogene Verordnung -, sondern es gibt jetzt einen Rechtsanspruch. In Absatz 4 heißt es nämlich: "Zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft berechtigt sind …"

Zu den Ausnahmen in Absatz 5: Die Hürde zur Bejahung dieser Ausnahmen wurde - im Vergleich zu dem noch gültigen AMS - deutlich erhöht. Es müssen nun erhebliche Verstöße der auszugsberechtigten Personen vorliegen, nicht jeder Verstoß ist automatisch re

levant. Unter Absatz 5 Nummer 2 sind selbstverständlich nur die Personen gemeint, denen es unter den gegebenen Umständen überhaupt zumutbar ist, an der Identitätsaufklärung oder bei sonstigen Pflichten mitzuwirken. Wenn jemand mit der Passvorlage wieder abgeschoben werden kann, dann ist das ein solcher Fall.

Dem Nachweis für das Vorliegen eines Ausnahmegrundes nach Absatz 5 hat nunmehr die Behörde zu führen. Lässt sich nicht sicher feststellen, ob eine Person vorwerfbar nicht hinreichend an der Aufklärung ihrer Identität mitgewirkt hat, so ist Absatz 5 nicht anzuwenden.

Abschließend eine Anmerkung zu dem größten Missverständnis: Selbst wenn die Behörde das Vorliegen eines Ausnahmegrundes nach Absatz 5 bejaht, ergibt sich daraus noch kein Automatismus in dem Sinne, dass ein Auszug nicht mehr infrage kommt. Dann steigt die Behörde in die Einzelfallprüfung ein. In die Ermessensausübung sind sämtliche Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel das Wohl der Familie und die konkreten Wohnverhältnisse in der Gemeinschaftsunterkunft. Bei Letzterem geht es insbesondere darum, ob die Leitlinien des Ministeriums zu Art, Größe und Ausstattung erfüllt werden oder nicht. Erst am Ende dieser Prüfung ergeht die Entscheidung. Ablehnungen müssen zukünftig wirklich begründet sein. Das ist eine erhebliche Änderung.

Wie Sie alle wissen, ist diese Gesetzesänderung das Ergebnis eines langen Kompromissweges. Es ist klar, dass die FDP-Landtagsfraktion gern mehr erreicht hätte. Doch wie das Wort "Kompromiss" schon ausdrückt: Es ist eine Einigung. Beide Seiten mussten Zugeständnisse machen. Ohne Zugeständnisse an unseren Koalitionspartner gäbe es bis heute nicht die Möglichkeit der privaten Wohnsitznahme.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen jetzt die Mithilfe aller, damit das Gesetz tatsächlich draußen mit Leben erfüllt werden kann.

An dieser Stelle möchte ich den Wohlfahrtsverbänden und allen Menschen, die sich in den Einrichtungen engagieren - manchmal weit über die Grenzen ihrer Kraft hinaus -, ein herzliches Dankeschön sagen. Damit die Asylberatungsstellen vor Ort die notwendige Beratung und Unterstützung besser leisten können, haben wir Liberale uns dafür eingesetzt, dass die Mittel hierfür im Rahmen des Nachtragshaushalts um 1,2 Millionen Euro aufgestockt werden. Wir sind sehr dankbar dafür, dass das geglückt ist.

(Beifall bei der FDP)

Auch wenn es noch viele Möglichkeiten für Verbesserungen im Bereich der Asylpolitik in unserem Bayernland gibt, bin ich doch über das Erreichte froh. Ich werbe wirklich eindringlich auch bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, um Unterstützung. Überlegen Sie es sich noch einmal! Die Alternative für die Menschen draußen in den Einrichtungen wäre im Moment, dass alles so bleibt, wie es ist. Das können Sie nicht ernsthaft wollen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Meyer. - Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/10612 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses auf Drucksache 16/11817 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das mit den Stimmen von CSU und FDP gegen die Stimmen von SPD, FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN so beschlossen.

Ein Antrag auf Dritte Lesung ist nicht gestellt worden. Deswegen führen wir sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, dass sie in einfacher Form durchgeführt wird. - Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich jetzt vom Platz zu erheben. Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion. Wer dagegen stimmt, den bitte ich nunmehr, sich vom Platz zu erheben. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist das Gesetz so angenommen.

(Beifall bei der FDP)

Es trägt den Titel: "Gesetz zur Änderung des Aufnahmegesetzes".

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum Zweiten Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (Drs. 16/11089) - Zweite Lesung

Eine Aussprache hierzu findet nicht statt. Wir kommen sofort zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der

Staatsvertrag auf Drucksache 16/11089 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses auf Drucksache 16/11814 zugrunde. Gemäß § 58 der Geschäftsordnung kann die Abstimmung nur über den gesamten Staatsvertrag erfolgen. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung. Wer dem Staatsvertrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CSU, der FDP, der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Gegenstimmen? - Gegenstimmen sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Keine. Dem Staatsvertrag ist damit zugestimmt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 a auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften (Drs. 16/11627) - Erste Lesung

Dieser Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den federführenden Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport überwiesen werden. Gibt es hinsichtlich des Zuweisungsvorschlags Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall.