Wir wollen Schulen, die an den Bedürfnissen vor Ort ausgerichtet sind, hohe Unterrichtsqualität bieten und dementsprechend qualitativ hochwertige Abschlüsse verleihen.
Deshalb sprechen wir FREIEN WÄHLER uns im Gegensatz zu SPD und GRÜNEN im Grundsatz für ein gegliedertes Schulsystem aus. Herr Güll, Sie haben vorhin gesagt, alle Gewinner der verschiedenen Preise kämen aus Systemen mit längerer gemeinsamer Schulzeit. Für die Sieger trifft das durchaus zu; aber die Zweit- und die Drittplatzierten entstammen dem gegliederten Schulsystem; ich nenne beispielhaft das Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt.
Auch wir FREIE WÄHLER sehen die Notwendigkeit, über eine Weiterentwicklung des bisherigen Systems nachzudenken. Insoweit darf es keine Denkverbote geben. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir es, dass die SPD diesen Gesetzentwurf eingebracht hat.
Wir haben bereits in der Ersten Lesung und während der Beratung im Bildungsausschuss signalisiert, dass wir diesem Ansatz angesichts des dramatischen Schülerrückgangs und der daraus resultierenden Veränderungen im Schulsystem grundsätzlich positiv gegenüberstehen.
Ich betone: Wir FREIEN WÄHLER wollen eine regionale Schulentwicklung. Es versteht sich von selbst, dass solch eine Entwicklung unterschiedliche Schulmodelle zulassen muss. Nur so kann auf die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort reagiert werden. Mit Einheitslösungen aus dem Kultusministerium ist das sicherlich nicht zu bewerkstelligen.
Im Zusammenhang mit einer regional passenden Schulentwicklung hat für uns auch die Gemeinschaftsschule ihren Platz und ihre Berechtigung, und zwar überall dort, wo sie gewünscht wird.
- In dem Gesetzentwurf steht noch mehr drin. - Ich sage es ganz klar: Wir begrüßen die Gemeinschaftsschule als Modell. Wenn die Mehrheit der Schulfamilie es wünscht, die Betroffenen sich auf den Weg machen und Konzepte in diese Richtung ausarbeiten, können wir uns die Gemeinschaftsschule als Modell vorstellen. Insofern unterscheiden wir uns ganz klar von der Position der Regierungskoalition. An deren Vertreter muss die Frage gerichtet werden: Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, dass die Menschen in unserem Land lange nicht so zufrieden mit unserem Bildungssystem sind, wie Sie es immer behaupten? Zahlreiche Schreiben, die Sie genauso wie ich bekommen, und Petitionen sprechen doch eine deutliche Sprache. Diese Menschen haben verstanden. Sie fürchten, dass das bisherige System angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere des demografischen Wandels, in einigen Regionen nicht mehr tragfähig ist. Daher haben wir über neue Konzepte nachzudenken. Wir müssen auch den Willen der Schulfamilie ernst nehmen und neue pädagogische Formen zulassen, wenn das vor Ort gewünscht wird und wenn durchdachte Konzepte vorliegen.
Wir brauchen vor allem für den ländlichen Raum Lösungen, die es den dort lebenden Kindern ermöglichen, in wohnortnahen Schulen hochwertige Bildungsabschlüsse bis hin zum Abitur zu erreichen. Genau in diesem Zusammenhang hat für die FREIEN WÄHLER die Gemeinschaftsschule als Modellschule ihre Berechtigung.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, anstatt sich ernsthaft mit diesem Modell auseinanderzusetzen, wehren Sie schon fast reflexartig jeden Vorschlag diesbezüglich ab. So beißt sich die Katze in den Schwanz, und es passiert nichts im Interesse einer sinnvollen Weiterentwicklung unseres Schulsystems.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass Ihr Konzept auf Dauer nicht funktioniert. Sie werden zum Umdenken gezwungen sein.
In einem Punkt unterscheiden wir uns deutlich von der SPD: Wir wollen die Gemeinschaftsschulen nicht als Regelschule.
Wir sehen es als problematisch an, dass die SPD die Gemeinschaftsschule mit dieser Gesetzesänderung als neue Schulart verankern will. Wir wollen eine Weiterentwicklung mit Augenmaß. Es ist zunächst abzuwarten, wie ein derartiges Modell angenommen wird bzw. wie es sich bewährt. Eine überhastete Einführung, die letztlich noch mehr Chaos in die Schullandschaft bringen würde, lehnen wir ab; sie wäre - insofern sind Sie sicherlich mit mir einer Meinung - absolut kontraproduktiv.
Wir sollten, wie gesagt, abwarten, welchen Erfolg die Schulmodelle zeitigen. Nach der Erprobungsphase müsste eine Evaluation erfolgen, um auf der Basis gesicherter Daten und Erfahrungswerte entscheiden zu können.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Wenn die Staatsregierung Modellversuche nicht zulässt, können wir entsprechende Erkenntnisse nicht gewinnen.
Wir FREIEN WÄHLER sehen im vorliegenden Gesetzentwurf noch einige Unklarheiten, die vor einer möglichen Einführung der Gemeinschaftsschule ausgeräumt werden müssen. So ist nicht klar ersichtlich, wie die Leistungsbeurteilungen erfolgen sollen: Gibt es noch Noten im derzeit üblichen Stil? Gibt es nur Wortgutachten? Nächster Punkt: Welche Behörde ist für die Schulaufsicht zuständig? Schließlich vermissen wir einen Hinweis darauf, welche Kosten Sie pro Schüler einer Gemeinschaftsschule veranschlagen. Auch über den Schulträger ist in Artikel 9 a Absatz 4 keine eindeutige Meinung herauszulesen.
Ich denke, eines ist klar: Zum Nulltarif ist eine Gemeinschaftsschule nicht zu haben. In Zeiten sinkender Schülerzahlen müssen wir überlegen, ob es wirklich zielführend ist, im bestehenden Schulsystem eine weitere Regelschule zu etablieren; denn die Einreicher des Gesetzentwurfs betonen selbst, dass die Gemeinschaftsschule die bestehenden Schulformen nicht ersetzen, sondern allenfalls ein zusätzliches Angebot innerhalb der bayerischen Schullandschaft darstellen soll.
Dennoch sage ich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das gilt sicherlich auch für die Gemeinschaftsschule. Es ist durchaus möglich, die von mir angesprochenen Unklarheiten auszuräumen; aber das muss im Vorfeld geschehen.
Was wir nicht wollen, ist eine überhastete Einführung wie beim G 8 mit Pleiten, Pech und Pannen und jeder Menge unnötigem Chaos, das sich bis heute hinzieht und nach Verbesserungen ruft. Das läge weder im In
Deshalb brauchen wir Modellversuche. Hier schließt sich der Kreis. Ich möchte noch einmal an die Damen und Herren der Regierungskoalition und der Staatsregierung appellieren: Lassen Sie die Gemeinschaftsschule endlich als Modellversuch zu! Lassen Sie uns endlich Erfahrungen mit diesen Modellen sammeln! Lassen Sie es zum Praxistest kommen! Machen Sie endlich eine Bildungspolitik im Interesse der Schülerinnen und Schüler, der betroffenen Eltern und der Lehrkräfte vor Ort.
Danke, Herr Felbinger. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bitte ich Herrn Gehring an das Mikrofon. Bevor Herr Gehring das Wort ergreift, gebe ich bekannt, dass vonseiten der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt worden ist.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN begrüßen diesen Weg der SPD, der hier vor allem durch ihren bildungspolitischen Sprecher Martin Güll vertreten wird. Es ist ein pragmatischer Weg mit dem Ziel der Ermöglichung neuer Schulmodelle vor Ort und längeren gemeinsamen Lernens. Wir GRÜNEN beschreiten diesen Weg schon lange und freuen uns, dass wir ihn nun gemeinsam mit der SPD weitergehen. In der Bildungspolitik braucht es viel Gemeinsamkeit, um neue Wege gehen zu können.
Zu den FREIEN WÄHLERN: Lieber Kollege Felbinger, ich weiß, dass Sie ein sportlicher Mensch sind; aber dass Sie so ein guter Pirouettendreher sind, ist mir neu.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Verbesserung unserer Schulen, um gutes Lernen und gute pädagogische Weiterentwicklung. Das muss im Mittelpunkt unserer Diskussionen stehen. Die Frage der Schulstruktur kann aber nicht außen vor bleiben. Die Schulstruktur müssen wir im Sinne einer dienenden Rolle diskutieren. Dient die Schulstruktur besserem Lernen? Unterstützt sie besseres Lernen, oder behindert sie besseres Lernen? Diese Frage müssen wir so diskutieren.
Wenn wir vom Lernen ausgehen, von der Entwicklung, von den pädagogischen Diskussionen, dann stellen wir fest, dass es eine Veränderung in der Pädagogik gibt: Weg von einem scholastischen Lernbegriff vom Lehrenden zum Lernenden hin, gedacht als eine Einweg-Kommunikation hin zu einer Bewegung, wo der Lernende in den Mittelpunkt gestellt wird, wo das selbständige, aktive Lernen im Mittelpunkt stehen muss. Wir gehen davon aus, dass Menschen unterschiedlich lernen, unterschiedliche Lerntempi brauchen, unterschiedliche Lernzeiten haben. Wir wissen das alle selber. Wir haben alle wohl unterschiedlich viele Fahrstunden für die Führerscheinprüfung gebraucht, weil wir einfach alle unterschiedlich sind. Die Frage ist also: Unterstützt die gegenwärtige Schulstruktur des gegliederten Schulwesens das individuelle Lernen oder behindert sie es?
Kollege Eisenreich, Sie haben es vorhin deutlich geschildert. Nach der Klasse 4 mit der Klasse 5 kommt der Bruch. Genau da sind offenbar Unterschiedlichkeiten des gemeinsamen Lernens nicht mehr möglich, was noch in der Grundschule möglich war. Dieser Bruch, der Übertritt nach der Klasse 4, wird von den Menschen tatsächlich als großes Problem, als großer Bruch empfunden: von den Lehrern und Lehrerinnen an den Grundschulen, von den Schülerinnen und Schülern und von den Eltern. Auch Sie selber wissen, dass es ein Problem ist. Deswegen treffen Sie alle möglichen Maßnahmen, um das ein bisschen zu kaschieren. Wir stellen einfach fest, Schülerinnen und Schüler, Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit lassen sich nicht über einen Kamm scheren, und sie lassen sich auch nicht über drei Kämme scheren. Deswegen brauchen wir die Diskussion darüber, wie wir eine Schulstruktur schaffen, die viel mehr Unterschiedlichkeit zulässt.
Wir haben eben drei unterschiedliche Schultypen. Aber die Menschen sind wesentlich unterschiedlicher als eine Dreiheit. Wir diskutieren über Heterogenität als Chance. Wir diskutieren über Inklusion. Lieber Kollege Eisenreich, wir diskutieren das mit großem Respekt voreinander und haben einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Wir stellen fest, dass in Grundschulen neue Wege gegangen werden. Wir alle wissen aber nicht, wie es nach Klasse 4 weitergeht, ob dann gute, funktionierende Klassengemeinschaften mit Schülerinnen und Schülern, die behindert sind, und Schülerinnen und Schülern, die nicht behindert sind, die jetzt in einer Schulprofil-Schule sind, auseinandergerissen werden und was dann mit den Kindern sein wird, die eine Behinderung haben. Gehen sie dann alle doch auf eine Förderschule oder alle auf eine Mittelschule? Wir stellen fest, wir bekom
men mit dem gegliederten Schulsystem ein Problem. Es unterstützt eben nicht das Denken, dass Heterogenität eine Chance für besseres Lernen der Schülerinnen und Schüler ist.
Wir haben in Bayern viel zu oft die Diskussion, ob ein Schüler zur Schule passt, ob es der richtige Schüler für die jeweilige Schule ist. Wir kennen alle die Diskussion mit vielen Lehrerinnen und Lehrern, die sich darüber beklagen, dass sie lauter falsche Schüler haben, die eigentlich nicht auf ihre Schule gehören. Ich halte diese Diskussion für absurd. Sie zeigt, wo der Mangel ist. Wir brauchen eine Schule, die für die Schülerinnen und Schüler richtig ist. Wir müssen das Verhältnis umdrehen und überlegen: Wie können wir die Schule entsprechend gestalten?
Die Schulstruktur hat auch eine dienende und unterstützende Funktion beim demografischen Wandel. Der Rückgang der Schülerzahl und das Übertrittsverhalten sind bekannt, vor allem in bestimmten Gebieten. Wir haben die Situation, dass in vielen Regionen und Gemeinden Bayerns, wo es weniger Kinder gibt, zwei Drittel bis drei Viertel der Kinder mit dem Schulbus aus dem Dorf herausfahren müssen, an einer Schule vorbei, die halb leer steht und Mittelschule heißt. Alle wissen, dass die Mittelschule nicht mehr lange als Standort erhalten bleiben kann und für drei Viertel der Kinder nicht der richtige Schulort ist. Wir wissen alle, dass die Schule ein wichtiger Standortfaktor für eine Kommune ist. Sie ist Voraussetzung dafür, dass sich junge Familien dort ansiedeln und niederlassen. Die Frage ist, ob wir an dem dreigliedrigen Schulsystem festhalten mit der Konsequenz, dass wir die Schulstandorte in den Kommunen aufgeben müssen, oder ob wir Strukturen schaffen, die diese Schulstandorte weiterhin unterstützen.
Kein Grund ist für mich, dass wir in dieser Frage eine ideologische Debatte führen. Die ideologische Debatte wird zumindest seitens unseres Kultusministers geführt. Wenn ich immer wieder den polemischen, diffamierenden Begriff "Einheitsschule" höre, so muss ich sagen: Das ist wirklich unerträglich.
Da muss ich unter historisch denkenden Menschen schon fragen, auf welchen Begriff von "Einheitsschule" Sie eigentlich rekurrieren. Meinen Sie den Begriff der "Einheitsschule" der demokratisch-freiheitlichen