Protokoll der Sitzung vom 29.03.2017

Dass Sie nicht die SPD in NRW sind, wissen wir. Dass Sie hoffentlich miteinander reden, davon gehen wir allerdings aus. Fragen Sie doch mal Ihre Kollegen dort, warum die trotz verfassungsrechtlicher Problematik eine Hürde eingeführt haben. Sie wissen doch, dass sich Verfassungsgerichte gegen Hürden bei Kommunalparlamenten ausgesprochen haben, wenn Oberbürgermeister oder Landräte direkt gewählt werden.

Es ist also hoch problematisch, was dort geschieht. Trotzdem tun sie es, weil sie ein Problem mit der Zersplitterung haben. Das heißt, dort gibt es die gleiche Problemlage. Die Reaktion ist allerdings eine andere, nicht d’Hondt, sondern die Einführung einer Hürde.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Hare/Niemeyer auch!)

Ich wiederhole: Das Problem gibt es nicht nur bei uns, aber es wird unterschiedlich reagiert. Wir denken an d’Hondt und wollen das mit Ihnen diskutieren, weil wir die Vor- und Nachteile natürlich ebenfalls sehen.

Danke schön. – Eine weitere Zwischenbemerkung: Herr Kollege Streibl.

Kollege Zellmeier, lassen Sie mich eingangs feststellen, dass die FREIEN WÄHLER in zwei Landesparlamenten vertreten sind und die CSU nach meinem Wissen nur in einem Landtag.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei der SPD)

Es geht um die Forderung, dass die Wahlen allgemein und gleich sein sollen. Es geht also um die Gleichheit, das heißt, dass die Stimme des Wählers überall gleich gewichtet wird.

(Zuruf von der CSU)

D‘Hondt zeigt unserer Meinung nach, dass es da eine Schieflage gibt.

(Weitere Zurufe von der CSU)

Und noch etwas – da wäre ich an Ihrer Stelle einmal still –: Wie macht es denn die CSU hier im Hohen Hause? Welches Zählverfahren verwenden Sie bei der internen Ausschussbesetzung? Ich glaube nicht, dass es da nach d’Hondt geht.

Warum wendet sich der Ministerpräsident so gegen diesen vermeintlichen Fraktionsbeschluss?

(Unruhe bei der CSU)

Vielleicht gibt es bei der CSU ja auch andere Vorstellungen, zum Beispiel die Überlegung, dass man beispielsweise zu Sainte-Laguë/Schepers übergeht. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich habe gehört, dass es dazu einen Parteitagsbeschluss geben soll. Da frage ich, ob sich die CSU-Fraktion hier gegen die CSU als Partei stellt. Ich kann daraus nur schließen, dass sich der Ministerpräsident schützend vor die Partei und gegen die Fraktion stellt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Streibl, wir wenden natürlich das Verfahren an, das im Landtag allgemein angewandt wird. Das tun wir nicht, weil es uns besonders nahe stünde, sondern weil es dem üblichen Prozedere entspricht. Wir haben das SainteLaguë/Schepers nach der Landtagswahl im Jahre 2008 eingeführt und haben es auch nicht verändert. Wir sehen auch keinen Bedarf dafür, das Sitzzuteilungsverfahren jetzt zu verändern, weil aktuell keine Gefahr einer Zersplitterung besteht; denn die Fünfprozenthürde hält ja Kleinstgruppierungen aus dem Parlament heraus. Eine Fünfprozenthürde ist ein wesentlich stärkerer Einschnitt in den Wählerwillen als ein Auszählverfahren nach d’Hondt. Beides zu koppeln, nämlich die Fünfprozenthürde und die Anwendung von d’Hondt bei der Ausschussbesetzung, haben wir nicht ins Auge gefasst; denn wir sehen hier kein Problem in der Anwendung.

Nun noch etwas zu den Parteitagsbeschlüssen. Es gibt zwei Überweisungen des Parteitags an die Landtagsfraktion. Eine stammt aus dem Jahr 2013 mit dem Auftrag, die Wiedereinführung von d’Hondt zu prüfen. In der zweiten Überweisung ein Jahr später gab es dann eine Erweiterung dahin, auch noch SainteLaguë/Schepers zu prüfen. Diese beiden Aufträge sind an die Fraktion überwiesen worden; es gibt keinen Parteitagsbeschluss für das eine oder andere. Es war eine Überweisung an die Fraktion, und die Fraktion hat bei uns mit großer Mehrheit entschieden, d’Hondt wieder ins Verfahren zu bringen.

Im Übrigen gratuliere ich Ihnen dazu, dass Sie in einem weiteren Landesparlament sind. Aber ich glaube nicht, dass das Schule machen wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Bei euch nicht! – Harry Scheuenstuhl (SPD): Für euch gilt das nicht!)

Vielen Dank, Herr Kollege Zellmeier. – Jetzt fahre ich in den Wortmeldungen fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Kollege Mistol Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich ein Routinevorgang, dass man nach jeder Kommunalwahl dem Landtag einen Erfahrungsbericht vorlegt und dann Anpassungen im Wahlrecht vornimmt. Herr Kollege Zellmeier, wenn ich von der CSU-Fraktion "Experiment gescheitert" höre, frage ich mich schon, warum das nicht schon in dem Bericht der Staatsregierung gestanden hat, den wir im Landtag vor zwei Jahren bekommen haben. Darin stand nichts dazu. In der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs hat die CSU-Fraktion in dieser Hinsicht kein Jota erzählt. Sie haben sozusagen ganz zum Schluss, auf den letzten Drücker, noch einen Änderungsantrag eingebracht. Wenn Sie von Anfang an "Experiment gescheitert" gesagt hätten! Aber mittlerweile ist die Kommunalwahl drei Jahre her. Deshalb ist das, was Sie uns auftischen wollen, wirklich wenig glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Zellmeier, Sie reden von einem Thema, das für Stimmungsmache nicht geeignet ist. Da redet wirklich der Richtige.

(Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit bei Abge- ordneten der SPD)

Dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ausgerechnet das dröge Thema Kommunalwahlrecht benutzen, um Ihre fraktionsinternen Machtspiele auszutragen, und ein regelrechtes Schmierentheater zulasten der kommunalen Demokratie aufführen, hat mich sehr befremdet.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrem kurzfristigen Vorstoß, zum Sitzverteilungsverfahren d’Hondt zurückzukehren, haben Sie offensichtlich nicht nur die Opposition, sondern auch die Staatsregierung, allen voran Ministerpräsident Seehofer, überrumpelt. Vielleicht ist es auch umgekehrt: Seehofer hat Sie auflaufen lassen. Sie werden selber beantworten können, wie herum es tatsächlich geschehen ist. Fakt ist, dass d’Hondt 2010 abgeschafft worden ist, weil es erwiese

nermaßen die großen Fraktionen bevorzugt und die kleinen tendenziell schwächt. Dass Ihnen der Systemwechsel damals schon lästig war, kann man im Plenarprotokoll nachlesen. Der Redner der CSU-Fraktion hat in der Zweiten Lesung zu dem Gesetzentwurf, glaube ich, drei Sätze gesagt. Darauf kann man sich so seinen Reim machen.

(Ingrid Heckner (CSU): Aber dann sind wir wenigstens konsequent!)

Jetzt schieben Sie vor, Sie wollten ein Erstarken der populistischen Parteien und eine Zersplitterung kommunaler Gremien verhindern. Auch das ist nicht glaubwürdig, Herr Kollege Zellmeier. Tatsächlich zeigen Sie mit dem Änderungsantrag, den Sie eingebracht haben, Ihr wahres und altes Gesicht: das einer Arroganz der Macht, die ihre absolute Mehrheit schamlos ausnutzt, um die politische Konkurrenz kleinzuhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Sie hätten vorletzte Woche im Innenausschuss Ihr Vorhaben durchpeitschen können. Auf eine Machtprobe haben Sie es aber offensichtlich nicht ankommen lassen wollen. Wir GRÜNE haben Ihnen mit unserem Antrag, eine Anhörung durchzuführen, offenbar einen sehr großen Gefallen getan.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Leider, leider!)

Sie haben heute den Wunsch nach einer Anhörung gelobt. Sie hätten selber auf die Idee kommen können. Wenn Ihnen eine Anhörung so wichtig ist, hätten Sie selber den Antrag auf eine Anhörung einbringen können. Ich stelle fest: Sie haben es nicht getan.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Wir gönnen euch den Erfolg!)

Dass es bei Ihnen intern im Gebälk knirscht, zeigt sich nicht nur bei diesem wirklich trockenen Thema. Das zeigt sich auch deutlich bei anderen Fragen. Ich nenne nur als Beispiele die Themen G 8/G 9, Riedberger Horn und dritter Nationalpark.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Aber bei uns ist noch niemand ausgetreten, Herr Kollege!)

Kolleginnen und Kollegen, der GRÜNEN-Landtagsfraktion geht es bei dieser Frage nicht um das politische Kalkül. Uns geht es auch nicht darum, irgendwelche Machtspielchen innerhalb der CSU-Fraktion aufzulösen. Uns geht es um die Sache. Wir wollen, dass auch künftig bei Kommunalwahlen kleine Partei

en und Wählergruppen nicht benachteiligt werden; denn Pluralität ist ein Ausdruck einer starken Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, den Anträgen der FREIEN WÄHLER und der SPD werden wir zustimmen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Denn allein aus mathematischer Sicht wäre die Rückkehr zu d’Hondt ein Fehler. Das haben zahlreiche Mathematiker in Mails, die wahrscheinlich alle bekommen haben, schon dargelegt. Ich möchte nur eine Äußerung des Ausschussvorsitzenden Florian Herrmann anführen: Es geht nicht um Politik, sondern um Mathematik; wir wollen, dass der Wählerwille wieder gerecht abgebildet wird. – Weder mir als Nichtmathematiker noch offensichtlich den Mathematikern erschließt sich diese Aussage. Aber vielleicht lassen Sie sich ja im Rahmen der Anhörung noch eines Besseren belehren. Vielleicht sind Sie lernbereit, was Mathematik angeht.

(Josef Zellmeier (CSU): Politik ist mehr als Mathematik, Herr Kollege!)

Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach, ob Ihr Änderungsantrag so klug war.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Für beide Anträge wurde namentliche Abstimmung beantragt.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/16136 namentlich abstimmen. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Ich eröffne die Abstimmung. Fünf Minuten, bitte.

(Namentliche Abstimmung von 15.26 bis 15.31 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Wir geben dann das Ergebnis bekannt.