Protokoll der Sitzung vom 29.03.2017

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Warum stimmen Sie denn dann nicht zu?)

Da brauchen wir Ihre Vorschläge von heute wirklich nicht, dass wir im Bundesrat für ein zügiges Vorgehen sorgen sollen.

(Ludwig Hartmann (GRÜNE): Dann können Sie zustimmen!)

Das läuft, und das ist auch richtig so. Das Ziel bleibt, und es ist zu befürworten. Da sind sich alle einig: Es muss ein gutes Gesetz werden.

Das muss ich Ihnen sagen, Kollege Hartmann: Auf das Wichtigste sind Sie nicht eingegangen. Wir haben hier nämlich rechtskräftige Urteile deutscher Gerichte. Deshalb muss die Rehabilitierung sehr exakt und vorsichtig geprüft werden. Das ist ein Eingriff in die Gewaltenteilung und in die Rechtssicherheit, also in die zentralen Grundpfeiler unserer Verfassung.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Lauter Ausflüchte!)

Die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags hat auch nichts damit zu tun, dass man Schwulenhasser oder Ähnliches wäre. Nein, wir wollen hier gerne zusammen etwas auf den Weg bringen; aber wir müssen hier ein Gesetz schaffen, das Urteile von ordnungsgemäßen und verfassungsmäßigen Richtern aufhebt. Da kann man nicht so einfach darüber hinweggehen und pauschal sagen, das wird so und so gemacht. Es muss beispielsweise ausdrücklich klargestellt werden, dass es sich bei der Aufhebung um einen singulären Ausnahmefall handelt. Zum Schutz des demokratischen Rechtsstaates muss verhindert werden, dass der Gesetzgeber künftig nach jeder gewandelten moralischen Auffassung durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes in einen nicht gewollten Rehabilitierungsdruck gerät.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich hier vortrage, ist nichts Neues, sondern das hat das Bundesverfassungsgericht schon 1957 – jetzt sind wir bei Ihren Zahlen – festgestellt. Schon damals wurde nämlich darauf hingewiesen, dass der § 175 des Strafgesetzbuches in dieser damaligen Fassung rechtmäßig war und damit auch die Urteile dazu. Das Bundesverfassungsgericht hat – damit kommen wir jetzt in unsere Zeit – im Jahr 2006 entschieden, dass die Urteile, die bundesdeutsche Gerichte auf Grundlage des Grundgesetzes nach 1945 gefällt hatten, nicht aufgehoben werden können. In dieser Entscheidung hat das Bun

desverfassungsgericht ausdrücklich ausgeführt, dass nur solche Urteile aufgehoben werden können, die – jetzt zitiere ich wörtlich, und vielleicht, Kollege Hartmann, ist das ein Punkt, wo man sich mal nachdenklich zurückziehen sollte –, "zur Förderung eines Unrechtsregimes gegen die elementaren Grundgedanken der Gerechtigkeit verstoßen … sowie Urteile von Institutionen, die wie der Volksgerichtshof zwar als Gerichte bezeichnet, aber aufgrund ihrer Stellung und Aufgabe keine Organe einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt waren". – Meine Damen und Herren Kollegen, dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Wir müssen Einzelfallprüfungen machen. Wir werden nicht so ohne Weiteres mit der Gießkanne vorgehen können. Die Einzelfallprüfung bietet die Möglichkeit einer Rehabilitation auf rechtlicher Grundlage. Deswegen sind wir der Ansicht, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Wir würden nämlich die Verfassung verletzen.

(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD))

Im Übrigen werden wir uns auf unseren Antrag stützen, in dem es heißt, dass wir den Gesetzentwurf im Bundesrat konstruktiv begleiten wollen. Das werden wir auch tun.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Heißt das Zustimmung zu dem Gesetzentwurf oder nicht?)

Herr Pfaffmann, was soll das jetzt? Sie reden über einen Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN, der von uns nicht akzeptiert werden kann.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Stimmen Sie in Berlin zu oder nicht?)

Eigentlich habe ich es doch so erklärt, dass man es verstehen kann. Bei Ihnen ist das wahrscheinlich heute etwas danebengegangen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung: Herr Kollege Gehring, bitte.

Herr Kollege Heike, ich habe gehört, dass Sie unserem Dringlichkeitsantrag nicht zustimmen werden. Das hat mich nicht überrascht. Habe ich gerade richtig gehört, dass Sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, an der die CSU beteiligt ist, nicht zustimmen werden?

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Genau das ist die Frage!)

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen: Völlig klar ist, dass es hier nicht darum geht, bei jedem Gesetz, das geändert wird, eine Rehabilitationswelle in Gang zu setzen. Ich möchte aber deutlich machen, dass es sich bei diesem Paragrafen um eine Regelung handelte, die menschenunwürdig war und die elementare Menschenrechte verletzt hat. Das wurde jüngst auch durch verfassungsrechtliche Gutachten bestätigt. Hier haben sich die Rechtsprechung und die Einstellung der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit verändert. Nehmen Sie dies zur Kenntnis.

Bedeuten Ihre Ausführungen, dass Sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zustimmen werden? Wollen Sie den Missbrauch der Menschenrechte vergangener Zeiten weiterhin gutheißen und alles auf sich beruhen lassen?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Petra Guttenberger (CSU): Es gibt ja noch gar keinen abgestimmten Gesetzentwurf der Bundesregierung!)

Ich bin fassungslos, wie jemand so an der Diskussion vorbeigehen kann, wie Sie das jetzt tun.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt, dass wir den Antrag der CSU, den wir heute dazugesetzt haben, unterstützen. Darin ist ausgeführt, dass wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur strafrechtlichen Rehabilitierung usw. im Bundesrat konstruktiv begleiten werden. Das werden wir auch tun. Was heißt denn "konstruktiv begleiten"? Sogar Sie müssten verstehen, dass das eine Zustimmung ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Guttenberger? – Bitte schön.

Herr Kollege Heike, ist es richtig, dass es derzeit keinen abgestimmten Entwurf gibt, sondern nur einen Referentenentwurf, der noch in der Diskussion in den zuständigen Gremien, im Ausschuss,

(Thomas Gehring (GRÜNE): Das ist doch gar nicht zulässig!)

in eine Form gebracht werden muss, die dann in einen Gesetzentwurf mündet?

Frau Kollegin, Sie hatten eine Zwischenfrage gestellt.

Ja. Ist das richtig, Herr Kollege?

Zutreffend ist, dass es sich momentan noch um einen Referentenentwurf handelt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zwischenfragen sind immer dann möglich, wenn sie der Redner zulässt.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aber die Rede ist doch beendet!)

Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht. Deshalb heißt es bei uns deutlich, dass wir den Gesetzentwurf im Bundesrat konstruktiv begleiten werden. Diese Vorlage, dieser Referentenentwurf, ist dafür die Grundlage. Warum sollten wir hier über etwas diskutieren, wenn wir in Wirklichkeit etwas anderes wollen? Wir haben heute eine andere Situation. Der § 175 StGB ist abgeschafft. Die Menschen damals waren in einer anderen Situation. Wir müssen deshalb jeden Einzelfall prüfen. Wir haben kein Recht, ein Urteil eines unabhängigen Gerichts der Bundesrepublik Deutschland, das in einer demokratischen Situation von Richtern gefällt wurde, aufzuheben, es sei denn, wir könnten nachweisen, dass es im Einzelfall ein Unrecht gegeben hat.

Ich bitte Sie, lesen Sie einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006. Ich teile Ihnen gerne die Quelle mit. Wenn Sie sich diese Entscheidung durchlesen, werden Sie feststellen, dass wir nicht einfach heute so und morgen so sagen können. Damit würden wir die staatlichen Grundlagen, insbesondere das Prinzip der Gewaltenteilung, zerstören. Das kann doch nicht Ihr Wunsch und Ihre Hoffnung sein.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt spricht Herr Kollege Pfaffmann. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Heike, Sie haben gesagt, Sie seien fassungslos über die Fragen, die hier gestellt werden. Ich bin fassungslos über Ihre Rumeierei zu einer glasklaren Entscheidung in Berlin.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin fassungslos darüber, wie Sie hier versuchen, einem klar formulierten Antrag, der die Zustimmung zu einem Gesetzentwurf fordert, nicht zustimmen zu müssen, weil Sie in Ihren Stimmkreisen sagen wollen:

Nein, da haben wir nicht zugestimmt. Sie wollen Ihr Klientel bedienen.

Was ist das für ein Antrag, den Sie heute hier eingebracht haben? – Sie wollen ein Gesetzesvorhaben konstruktiv begleiten. Lieber Herr Heike, tun Sie das sonst nicht? Das ist wirklich eine Überraschung, dass Sie ein Gesetzesvorhaben konstruktiv begleiten wollen. Herr Heike, herzlichen Glückwunsch zu diesem parlamentarischen Highlight!

Jetzt zu den Bedenken, die Sie hier vortragen: Glauben Sie wirklich, dass die Juristen in Berlin, die diesen Gesetzentwurf formulieren werden, diese Bedenken nicht berücksichtigen werden? Glauben Sie, dass die alle blöd sind? – Nein, Sie drücken sich hier um eine klare Entscheidung für ein Ja oder ein Nein zu diesem Gesetz herum, nichts anderes. Sie versuchen zu verschleiern, dass Sie eigentlich in Berlin zustimmen wollen, aber hier in Bayern doch nicht so ganz, damit man Ihnen nicht zuhause den Vorwurf machen kann, Sie hätten diesem "unseligen Gesetz" zugestimmt. Lieber Herr Heike, das ist der Grund, warum Sie hier so rumeiern.

Sie können die Situation noch heilen. Sagen Sie den Menschen, den Wählerinnen und Wählern, klipp und klar: Jawohl, hier ist Unrecht geschehen. Wir stimmen diesem Gesetz zu. – Das wäre eine klare Sache. Ansonsten bleibt das eine Eierei ohne Ende.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Heike, bitte.

Herr Kollege Pfaffmann, ich bin von Ihnen gewöhnt, dass Sie einem gerne das Wort herumdrehen. Was Sie aber gerade gesagt haben, macht mich nicht fassungslos, sondern schlicht ärgerlich. Keiner hat gesagt, dass wir gegen dieses Gesetz sind.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Also sind Sie dafür!)

Herr Pfaffmann, was soll ich Ihnen noch sagen? Es gibt noch kein Gesetz, sondern nur einen Entwurf. Sie sind eben kein Jurist und haben das wieder einmal nicht verstanden, aber Sie reden darüber. Das kann man langsam nicht mehr hinnehmen.