Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die meisten von uns im Plenarsaal sind Väter oder Mütter. Die meisten werden sich daran erinnern, wie sie sich auf die Geburt ihrer Kinder vorbereitet haben, wie sie eine Hebamme gesucht und den passenden Ort für die Geburt ausgesucht haben. Irgendwann ging es dann los. Zumindest die Mütter unter uns vertrauten sich der Fürsorge einer Hebamme an.

Aber so einfach ist das heute nicht mehr überall. Die Landkarte der Unterversorgung auf der Webseite der Hebammen zeigt, dass es nicht mehr so einfach ist, eine Hebamme zu finden. Gerade bei der Geburtshilfe und der Wochenbettbetreuung sind Hebammen in manchen Regionen knapp geworden – und das bei gleichzeitig steigenden Geburtenzahlen.

Insofern ist es richtig, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, das Thema heute wieder auf die Tagesordnung gebracht haben, nachdem wir GRÜNEN vor wenigen Wochen einen Antrag auf ein Förderprogramm für Hebammen eingebracht hatten. Ich wünsche mir, dass wir heute im Plenum die Chance nutzen, das Thema unaufgeregt zu diskutieren und uns über Fakten und Lösungswege auszutauschen. Das, was wir bisher gemacht haben, spricht dafür.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Fakt ist, dass uns nicht nur die Beleghebammen, auf die Sie mit der Beantragung der Aktuellen Stunde abzielen, sondern auch angestellte Hebammen fehlen. Das ist insbesondere in den Regionen der Fall, in denen Kreißsäle geschlossen wurden, in denen Hebammen aufgrund der hohen Versicherungsprämien – ab Juli sind es bereits 7.600 Euro – ganz oder teilweise aufgehört haben und in denen sich der Geburtenrückgang erfreulicherweise zu einem kräftigen Geburtenplus gewandelt hat.

Viele kleine Münchnerinnen und Münchner drängen sich, das Licht der Welt zu erblicken. Manchmal tun

dies viele gleichzeitig. Auch in anderen Regionen Bayerns werden viele Kinder mitunter gleichzeitig geboren. Die Aussagen, dass die Zahl der Hebammen, die Zahl der Geburtshilfestationen und die Zahl der Kreißsäle in Bayern im Durchschnitt ausreichend sind, helfen Ben und Mia, Emma und Paul im konkreten Fall überhaupt nicht dabei, gut betreut und stressfrei auf die Welt zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie, liebe Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, sagen, es sei wichtig, die Forderungen der Beleghebammen zu unterstützen. Sie, liebe Kollegen von der CSU, sagen, dass Sie dafür nicht zuständig seien. Was die konkreten Forderungen der Beleghebammen angeht, haben Sie recht. Die Schiedsstelle auf Bundesebene, bei der diese Forderungen verhandelt werden, ist tatsächlich nicht Ihr Gebiet; das hat meine Vorrednerin schon sehr deutlich gesagt. Aber Sie als die Regierung tragende Fraktion sind in der Verantwortung, eine funktionierende Infrastruktur für die Geburtshilfe zu schaffen. Dazu vermisse ich konkrete Vorschläge von CSU, SPD und FREIEN WÄHLERN.

(Beifall bei den GRÜNEN – Kathrin Sonnenholz- ner (SPD): Aber wir sind nicht an der Regierung beteiligt!)

Die GRÜNEN haben als einzige Fraktion konkrete Vorschläge gemacht, die rechtlich möglich sind. Wir haben diese in der vorletzten Ausschusssitzung diskutiert. Außer von den FREIEN WÄHLERN wurden sie aber nicht angenommen. Die Vorschläge hätten dazu geführt, dass sich die Arbeits- und Rahmenbedingungen für Hebammen verbessern. Diese konkreten Vorschläge wurden leider von der Mehrheit abgelehnt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In einem Land, in dem in regelmäßigen Abständen neue Mittelpunkte feierlich eingeweiht werden, wünsche ich mir, dass endlich Geburtshilfe in den Mittelpunkt gestellt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In einem Land, in dem kreative Modelle entwickelt werden, um teure Prestigeobjekte zu finanzieren, wünsche ich mir kreative Ideen, um Plätze für eine entspannte Geburt zu schaffen und zu sichern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen erlebe ich gerade Sie, liebe Kollegen von der CSU, beim entspannten Abwarten. Meine Kollegin hat schon gesagt, dass wir vor fast eineinviertel Jah

ren im Ausschuss gemeinsam unseren GRÜNEN-Antrag beschlossen haben, in dem wir die Staatsregierung aufgefordert haben, sich weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen für eine flächendeckende Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen einzusetzen, Versorgungsengpässe in der Geburtshilfe in Bayern nachhaltig zu vermeiden und schließlich zu berichten.

Aber was ist seitdem passiert? – Die Berichte über Frauen, die kurzfristig einen Platz zum Gebären suchen müssen, häufen sich in der Presse. Die Landkarte der Unterversorgung füllt sich. Die Hebammen, die aufgrund der Haftpflichtthematik ausgestiegen sind, kommen nicht wieder in die Geburtshilfe zurück.

Die Staatsregierung hat jetzt erst eine Studie angefordert, die Auskunft über die aktuelle Situation der Geburtshilfe geben soll. Der Termin, zu dem die Ergebnisse dieser Studie vorliegen sollen, ist März 2018, ein halbes Jahr vor den nächsten Wahlen. Bis dahin werden Sie herausgefunden haben, dass dort, wo Kreißsäle geschlossen wurden, und dass dort, wo die Bevölkerung wächst, auch Hebammen fehlen. Aber das wissen wir doch schon jetzt!

Wenn wir erst Ende März nächsten Jahres die Zahlen zur Verfügung haben werden, passiert bis zu den Wahlen erst einmal gar nichts. Sie können ankündigen, was Sie tun werden. Sie können schöne Sätze ins Wahlprogramm schreiben. Aber bis dahin werden noch mehr Hebammen in den Kreißsälen sowie an den Wochenbetten fehlen und noch mehr Kreißsäle geschlossen worden sein.

Frau Kollegin, beachten Sie bitte die Uhr.

Ja. – Bis dahin werden nicht noch mehr Geburtshäuser und Hebammenpraxen entstanden sein.

Deswegen sage ich: Der Rettungswagen für die Geburtshilfe fährt nicht los, und so können wir nicht helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Seidenath.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was können wir mit dieser Aktuellen Stunde "Beleghebammen unterstützen – Geburtshilfe in Bayern flächendeckend sichern" heute anfangen?

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Nichts!)

Zunächst können wir unsere Wertschätzung und unseren Dank für die Hebammen zum Ausdruck bringen. Das haben die Rednerinnen vor mir bereits getan. In der Tat ist auch für die CSU-Fraktion – Frau Dr. Eiling-Hütig hat darauf hingewiesen – die flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe und geburtshilflichen Leistungen durch Hebammen enorm wichtig. Sie war es ja, die dieses Thema im ersten Dringlichkeitsantrag dieser Wahlperiode formuliert hat. Das geschah gleich zu Beginn dieser Wahlperiode, Anfang Dezember 2013.

Warum sind Hebammen so wichtig? – Sie sind so wichtig, weil sie eine Betreuung der Frauen und Familien während der Vorsorge, während der Geburt und der Nachsorge gewährleisten. Sie tun dies in einer für junge Familien extrem sensiblen und vulnerablen Phase. Diese brauchen eine gleichbleibende und verlässliche Ansprechperson. Deswegen sind Hebammen unerlässlich für einen guten Start der Kinder in ein optimales Leben. Gleichzeitig sind Hebammen wertvolle Frühwarnsysteme und können am Anfang einer Präventionskette ganz im Interesse der Neugeborenen stehen. All das leisten die Hebammen in unserem Land in vorbildlicher Weise. Hierfür sind wir ihnen sehr dankbar. Wir bringen diese Wertschätzung von Herzen gern zum Ausdruck.

(Beifall bei der CSU)

Was können wir mit dieser Aktuellen Stunde noch anstellen, außer diese Wertschätzung und diesen Dank zum Ausdruck zu bringen? – Wir können eine Bitte formulieren. Wir können, wenn Sie so wollen, lieber Herr Dr. Vetter, einen Appell formulieren an die Schiedsstelle nach § 134a Absatz 4 SGB V. Etwas anderes können wir heute nicht tun.

Ich schließe mich gern den Ausführungen der Kollegin Sonnenholzner an. Ich muss einen kurzen Ausflug in die Juristerei machen und die Rechtssituation betrachten, damit man das versteht. Auf Bundesebene gibt es die Selbstverwaltung. Wir mischen uns gerade sozusagen in Tarifverhandlungen ein, weil die Versorgung mit Hebammenhilfe durch die gesetzliche Krankenversicherung nach dem Bundesrecht durch Verträge gemäß § 134a SGB V geregelt wird.

Wenn es da nicht zu einer Einigung kommt – so weit war es jetzt –, wird eine Schiedsstelle nach § 134a Absatz 4 SGB V angerufen. Da müssen die gesetzliche Krankenversicherung und die Hebammenverbände miteinander ringen und eine gute Lösung finden. Die Politik, der Landtag und die Ministerien sind dabei komplett draußen. Deswegen können wir uns nach

dieser Aktuellen Stunde hinstellen und sagen: Liebe Schiedsstelle, denk daran, wie wichtig es ist,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das wäre schon mal was! – Dr. Karl Vetter (FREIE WÄH- LER): Wir stehen dahinter!)

und mache das.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Tun Sie das!)

Super. Das machen wir gerne, und das habe ich hiermit auch getan.

Wir können sagen: Einigt euch, auch im Interesse der Leute. Denn wenn ihr euch nicht einigt, wird die Schiedsstelle etwas festsetzen, was nicht anfechtbar ist und was dann sofort gilt. – Es wäre besser gewesen, sich davor selbst zu einigen. Das war nicht möglich. Also muss die Schiedsstelle das hinterher erledigen.

Das erinnert mich an den schönen Film von Monty Python "Das Leben des Brian", in dem es heißt: "Das erfordert eine sofortige Diskussion." – Diese führen wir jetzt. Das heißt: Wir erleben heute nichts anderes als eine Schaufensterveranstaltung, als eine Politshow, als eine Augenwischerei. Ich gehe sogar so weit wie die Kollegin Sonnenholzner, die sagt: Das schürt sogar Ängste bei jungen Familien, dass bei uns im Land irgendetwas bei der Hebammenversorgung im Argen liegen könnte.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist schon so! Das braucht man nicht schönzureden!)

So ist es eben nicht. Das wird schon klar, wenn man sich die Zahlen anschaut.

Mit politischer Gestaltung, meine Damen und Herren, hat das, was wir in dieser Aktuellen Stunde machen, nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Schönreden ist das!)

Politische Gestaltung wäre Folgendes – das haben wir in den letzten Jahren erledigt –: die Einführung der Sicherstellungszuschläge für die Hebammen, die Durchsetzung des Regressverzichts zumindest für die normale Fahrlässigkeit sowie das besondere Achten auf die Höhe der Haftpflichtprämien ab 2018. Vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die jetzt dann veröffentlicht werden wird. All diese Maßnahmen gehören zur politischen Gestaltung. Es ist keine Lösung, alle Hebammen ins Angestelltenverhältnis zu

übernehmen. Dieser nun auszuhandelnde Vertrag würde dann zwar nicht gelten. Das wollen aber weder die Hebammen noch die Krankenhäuser. Das ist keine Lösung. Deswegen wollen wir auf unserem Weg weitergehen.

Meine Damen und Herren, es wurden bereits die Vorschläge dargestellt, die auf dem Tisch liegen. Zum Teil gibt es Erhöhungen in der Vergütung um 20 bis 30 %. Aber den Hebammen geht es nicht um die Höhe der Vergütung, sondern um die organisatorischen Regelungen, wie viele Schwangere von den Hebammen zur gleichen Zeit betreut werden können: eine – dafür gibt es höhere Prämien – oder zwei. Die Hebammen echauffieren sich darüber, dass sie dann keine dritte oder vierte Schwangere betreuen können. Das muss vor Ort geregelt werden. Darüber muss sich die Schiedsstelle einigen. Aber an der Höhe der Vergütung scheiden sich die Geister nicht.

Herr Kollege, beachten Sie bitte die Uhr.

– Ich beachte die Uhr und sage:

Na ja, das nützt nichts!