Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge haben wir von der SPD, aber auch die FREIEN WÄHLER und die GRÜNEN, mit Dringlichkeitsanträgen belegt. Dieses Thema ist kein Thema, das den Freistaat Bayern plötzlich und unvorhergesehen überrascht. Es ist ein Thema, das sich bereits in den Jahren 2012/2013, als die Flüchtlingszahlen noch nicht so hoch waren wie in den Jahren 2015/2016, angekündigt hat. Wir haben lange Zeit – ich kann mich noch gut daran erinnern – beklagt,
dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu langsam arbeitet. Auch die FREIEN WÄHLER haben immer moniert, dass hier viel zu wenig vorangeht. Jetzt geht es schneller voran. Die Folge davon ist, dass mehr Anerkennungen ausgesprochen werden. Folglich gelangen auch mehr Menschen, die bei uns in Bayern Schutz und Hilfe gesucht haben, vom Status des Flüchtlings in den Status der Anerkennung. Damit haben diese Menschen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland. Das ist der Hintergrund dieses Themas, den wohl keiner bestreiten wird.
Wenn wir jetzt über Integration reden, dann heißen die drei wichtigsten Themen in dieser Reihenfolge: Bildung, Arbeit und Wohnen. Diese Themen müssen bei der Integration zuallererst angegangen werden: Bildung, Arbeit und Wohnen. "Wohnen" kommt ein bisschen später, aber es kommt, und es ist nicht plötzlich über uns hereingebrochen.
Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls unstrittig ist, dass besonders in den bayerischen Ballungszentren viel zu wenig bezahlbarer Wohnraum – ich sage ganz bewusst "bezahlbar" – existiert. Frau Staatsministerin Müller, gerade auch von Ihnen wurde immer wieder deutlich gemacht, dass sowohl die Unterbringung von Asylbewerbern als auch die daran anschließenden Integrationsmaßnahmen gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellen.
Herr Kollege Hanisch, ich gebe Ihnen hier völlig recht. Sie haben das mehrmals betont. Ich möchte das auch für die SPD nochmals deutlich zum Ausdruck bringen.
Frau Staatsministerin, deshalb kann es doch wohl nicht sein, dass Sie sich dieses Problems und der Verantwortung dafür einfach durch einen Brief an die Städte und Gemeinden entledigen.
Ich habe den Landrat von Fürstenfeldbruck Thomas Karmasin in der Enquete-Kommission etwas näher kennengelernt und freue mich darauf, da die EnqueteKommission noch etwas andauern wird, ihn noch näher kennenzulernen. Selbst Thomas Karmasin, der ganz sicher nicht im Verdacht steht, CSU- oder staatsregierungsfern zu sein, hat im Namen der oberbayerischen Landkreise kurz und bündig erklärt: Wir sind für Fragen des Wohnungsbaus gar nicht zuständig. – Die Landkreise könnten dieses Problem vor Ort gar nicht lösen, weil sie kaum über Handlungsmöglichkeiten verfügen. Es geht ja wohl gar nicht, dass sich der Staat hier aus der Verantwortung stiehlt.
Unsere gemeinsame Grundlinie muss sein: Anerkannte Flüchtlinge sind Gemeindebürger, leben vor Ort in der Gemeinschaft, wurden dort integriert und brauchen dort Wohnraum.
Also sind auch die Gemeinden und Städte dafür zuständig. Nochmal: Das kann es wohl nicht sein. Sie entziehen sich völlig Ihrer Verantwortung. Ich frage mich dann, wozu überhaupt Ministerien und eine Staatsregierung nötig sind, wenn die Gemeinden und Städte bei so wichtigen Aufgaben am Schluss doch wieder alleingelassen werden und alleine für die Lösungen zuständig sein sollen.
Kolleginnen und Kollegen, die SPD ist sich mit vielen, fast allen bayerischen Bürgermeistern und Landräten einig, dass es angesichts des faktischen Mangels an bezahlbarem Wohnraum zu keiner Konkurrenzsituation zwischen denjenigen, die hier sind und schon lange nach bezahlbarem Wohnraum suchen, und den Neuankömmlingen, den anerkannten Asylbewerbern, kommen darf. Ich denke, darüber sind wir uns gerade mit den Bürgermeistern und Landräten einig. Ich wage beinahe zu behaupten, dass diese Einigkeit parteiübergreifend ist.
Kolleginnen und Kollegen und Frau Ministerin, gezielt an Sie: Es kann nicht sein, dass Sie in Ihren Briefen, Anordnungen und Anweisungen die anerkannten Asylbewerber dazu auffordern, die Gemeinschaftsunterkünfte zu verlassen und sich zeitnah eine Wohnung zu suchen. Es kann doch nicht sein, dass diese Menschen in die Obdachlosigkeit entlassen werden. Ich glaube und hoffe, dass wir uns auch darüber in diesem Haus schnell einig sind. Das kann nicht das Ziel einer sozialpolitischen Vorstellung des Landes Bayern sein.
Es gibt drei Dringlichkeitsanträge, die im Prinzip in die gleiche Richtung gehen. Dennoch legt unser Dringlichkeitsantrag den Fokus darauf, dass Sie im Ministerium sich nicht der Verantwortung entziehen, sondern stattdessen gemeinsam mit den betroffenen Städten und Gemeinden nach Lösungen suchen. Es gibt eine ganze Reihe von Lösungsmöglichkeiten; in dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN werden einige skizziert. Dass das die einzigen oder die allein seligmachenden Lösungen sind, wollen wir gar nicht behaupten. Das müsste man sich im Detail ansehen. Jetzt geht es darum, sich zusammenzusetzen und für dieses Thema gemeinsam nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Anschließend geht es darum, die Unterstützung des Freistaats Bayern auf diesem Weg zuzusichern und auch tatsächlich zu gewährleisten. Darum geht es.
Frau Ministerin Müller, es gibt ein paar extrem ärgerliche Dinge. In den Jahren 2013/2014, als die Zugangszahlen noch weit unter denen der Jahre 2015/16 lagen, haben Sie das Projekt "Fit for Move" als Modellprojekt aufgelegt. Sie haben es 2015/2016 ausgeweitet, unter anderem auf die Stadt Nürnberg. Ich habe dieses Projekt, weil die AWO Träger war, mitbegleitet. Dieses Projekt konnte natürlich nicht alle Probleme lösen, aber es war doch ein Hilfsmittel. Ich kann überhaupt nicht verstehen: Ich hatte eine Anfrage an Sie gestellt. In einem Brief vom November 2016 haben Sie dieses Projekt gelobt, aber zwei Wochen später teilten Sie mit, was schon längst beschlossen war: dass das Projekt Ende 2016 auslaufen werde. Das sind die Ungereimtheiten in Ihrem Ministerium.
Ich möchte einmal kurz über den Inhalt dieses Projektes "Fit for Move" sprechen. Es hat zunächst einmal eine Institution geschaffen und finanziert, die sich um den Umzug von Fehlbelegern in Flüchtlingsheimen in Wohnungen kümmerte, die auf dem öffentlichen Wohnungsmarkt angemietet wurden. Zu diesem Zweck gab es über spezielle Träger Verbindungsleute vor Ort. Dieses Projekt haben Sie 2016 ohne Nachfolgemodell auslaufen lassen. Sie lassen die Kommunen auch hier im Stich. Das ist mein Fazit: Sie stehlen sich aus der Verantwortung. Der SPD-Antrag appelliert nicht nur an Sie, sondern er fordert Sie dazu auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen und gemeinsam mit den Städten und Gemeinden nach Lösungen zu suchen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In allen kreisfreien Städten und in allen Landkreisen Bayerns gibt es Flüchtlinge, denen der Schutzstatus zugesprochen worden ist, aber denen es bislang nicht gelungen ist, eine eigene Wohnung zu finden, um aus der Gemeinschaftsunterkunft endlich ausziehen zu können. Nichts lieber täten sie als dieses.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, das Wort "Fehlbeleger" ist ein höchst unpassendes Wort für diese Menschen.
Normalerweise ist ein "Fehlbeleger" jemand, der gut verdient, aber dennoch eine preisgünstige Sozialwohnung in Anspruch nimmt. Aber hier handelt es sich um Menschen, denen bisher durch unzureichende Rahmenbedingungen nicht die Möglichkeit gegeben worden ist, sich aus einer Situation, aus der sie sich gern befreien wollen, auch zu befreien.
Manche von ihnen hatten bislang schlicht und einfach keine Chance, einen Sprachkurs, einen Integrationskurs oder Berufsqualifikationsmaßnahmen zu besuchen. Da fällt natürlich die Arbeitssuche und die Wohnungssuche doppelt schwer. Andere scheiterten an dem total angespannten Wohnungsmarkt in verschiedenen Gebieten.
Das ist doppelt fatal, sowohl für die Flüchtlinge als auch für uns; denn ohne einen einfachen, aber eigenen Wohnraum gelingt die Integration in Arbeit und Beruf zumeist nicht, bleiben die Integrationschancen ungenutzt. Ohne ausreichende Wohnraumversorgung schaffen wir soziale Probleme, die später nur schwer oder gar nicht mehr zu korrigieren sind bzw. ausgeglichen werden können.
Stellen Sie sich doch bitte mal folgende Situation vor: Eine Familie mit zwei Schulkindern lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft. Die Kinder müssen ihre Hausaufgaben vielleicht im Pfarrheim nebenan machen. Ein normales Lernen, ein normales Arbeiten und ein normales Leben, bei dem vielleicht das Kind einen Mitschüler aus seiner Klasse mal nach Hause einladen kann, sind nicht möglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an der Zeit, gemeinsam zu handeln und dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen und Integration gelingen kann. Frau Ministerin, die Wohnraumversorgungsprobleme anerkannter Flüchtlinge können nicht mit einem Appell an die kommunalen Spitzenverbände gelöst werden. Die Spitzenverbände können keinen Wohnraum schaffen, und die Kommunen brauchen mehr Unterstützung, als sie derzeit bekommen.
Ein Beispiel: Ich war im Ankunftszentrum Bamberg. Dort kommen die Flüchtlinge mittlerweile direkt von der Grenze hin. Sie haben bisher keinen Ehrenamtlichen gesehen, keinen Integrationskurs und keinen Sprachkurs besucht, aber gleichwohl einen Schutzstatus zugesprochen bekommen. Ich habe gefragt, was mit diesen Flüchtlingen weiter passiert. Die Antwort der Regierung von Oberfranken war: Die können jetzt ausziehen und sich eine Wohnung suchen.
Jetzt stellen Sie sich das bitte einmal vor. Hier werden die Flüchtlinge und auch die Kommunen alleingelassen. Eine Stadt wie Bamberg, die eine so große Ankunftseinrichtung hat, ist nicht in der Lage, für all diese Menschen Wohnungen zu suchen.
Herr Hanisch hat schon ausreichend dargelegt, wie unterschiedlich die Kommunen – je nachdem, ob sie sich bereit erklärt haben, bei der Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften mitzuwirken oder nicht – von dieser Aufgabe betroffen sind. Wir haben hier eine Gemeinschaftsaufgabe und keine Aufgabe der Kommunen, die sich damals bereit erklärt hatten, hier Gemeinschaftsunterkünfte zu schaffen.
Ein "Weiter so!", Frau Ministerin, mindert die Chancen auf Integration und schafft zudem Sprengstoff für unseren sozialen Frieden. Wir sagen: gemeinsam – Stadt, Land und die Ehrenamtlichen, die nach wie vor dabei sind. Ich habe kürzlich eine Ehrenamtliche kennenlernen dürfen, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt im Landkreis Fürstenfeldbruck doch glatt 36 Wohnungen für Flüchtlinge gefunden hat. Respekt, was dort geleistet wird!
Auch die Programme, die den Baubereich betreffen – – Es ist dringend erforderlich, dass die Landesmittel für Wohnraumförderung deutlich erhöht werden.
Wir wollen verhindern, dass verschiedene Flüchtlingsgruppen und Einheimische, die auch auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen sind, gegeneinander ausgespielt werden. Das muss verhindert werden. Wir brauchen dringend eine deutliche Aufstockung der Mittel für die soziale Wohnraumförderung. Der Bund hat die Mittel erhöht, Bayern hat sie abgesenkt.
Wir haben jetzt die Situation, dass in den letzten 30 Jahren in Bayern noch nie so wenig Mittel für soziale Wohnraumförderung ausgegeben worden sind wie jetzt, obwohl es derzeit dringend notwendig wäre.
Wir brauchen mehr Fantasiereichtum und mehr Möglichkeiten zur Umnutzung des leerstehenden Gebäudebestands. Staatliche Liegenschaften müssen zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums zur Verfügung gestellt werden. Wir haben zum Beispiel Grundstücke, eine Straßenmeisterei, die als GU genutzt werden sollte, aber nicht genutzt wurde. Aus irgendwelchen Gründen kann diese Straßenmeisterei für ein Wohnungsprogramm jetzt nicht zur Verfügung gestellt werden. Das verstehe ich nicht.
Wir brauchen kommunale Aktivitäten zur Lösung der Wohnraumprobleme, mehr Migrationsberatung, mehr Unterstützung von Wohnungslotsen und Wohnbüros,
die auch Mieter und Vermieter beraten können. Wir brauchen die Unterstützung der Wohnungsbörsen in den Kommunen und der Integrationslotsen.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schreyer von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern mit dem anfangen, was wir, glaube ich, alle sehen. Der eine Punkt ist der, dass Integration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, und der zweite Punkt ist, dass wir Wohnen als zentrales Element für Integration sehen. Wir wissen auch, dass alle politischen Ebenen sehr viel leisten müssen, damit die Integration gelingen kann. Wohnraum ist ein Bestandteil davon.
Wichtig erscheint mir, darauf hinzuweisen, dass die Ministerin mehrere Gespräche – bei einem durfte ich vor Kurzem dabei sein – mit den kommunalen Spitzenverbänden und anderen Vertretern, die an diesen Themen dran sind – auch Bauwerbern –, geführt hat. In der Runde hat sie sehr klar formuliert hat, dass wir an der Stelle weiterkommen müssen. Sie hat viele Möglichkeiten aufgezeigt, bei denen man noch ein Stück besser werden kann.
Klar ist aber auch – das haben die Kollegen sehr schön formuliert –, dass, wenn viele Menschen zu uns kommen, wir das Problem haben, dass wir viel Wohnraum brauchen. Das ist aber der Logik geschuldet. Das würde eine Begrenzungsdebatte direkt anschließen, auf die ich jetzt aber aus Zeitgründen verzichten möchte. Ich will nur sagen, dass das die zweite Seite der Medaille ist.
Im Jahr 2016 gab es circa 10.000 Fehlbeleger. Frau Kamm hat recht, dieses Wort ist unglücklich, aber mir fällt auf die Schnelle auch kein besseres Wort ein, deshalb werde ich es jetzt weiter verwenden. Jetzt sind es 33.000 Fehlbeleger. Daraus kann man natürlich die Steigerung definieren. Man kann aber auch sehen, dass Frau Staatsministerin offensichtlich nicht nach draußen weiter verteilt und gesagt hat, dass Fehlbeleger rausgehen müssen, sondern sie hat sehr wohl die Not der Kommunen gesehen und gesagt: Deswegen lasse ich sie ein Stück weit drinnen, damit Freistaat und Kommunen die Möglichkeit haben, diese Wohnraumfrage Hand in Hand anzugehen. Ich bitte auch zu registrieren, dass die Ministerin hierbei einen sehr großen Schritt gegangen ist.
Die Wahrheit ist aber auch, dass man dann, wenn am Hauptbahnhof wieder 10.000 Flüchtlinge stehen werden, irgendwann auf das Problem stoßen wird, die Flüchtlinge nicht unterbringen zu können. Dann werden sie darauf reagieren müssen. Daher hat natürlich die Frage, wie viele Menschen wann zu uns kommen, damit direkt zu tun.
Gott sei Dank gibt es sehr, sehr viele Kommunen, die sich hier, zum Beispiel durch Integrationsleistungen, hervorragend einbringen. Nach meiner Kenntnis haben aber 400 Kommunen keinen einzigen Flüchtling aufgenommen. Daher müssen wir miteinander überlegen, wie wir diese Kommunen stärker motivieren können; denn es kann nicht sein, dass sich ein Teil der Kommunen über Jahre der Verantwortung stellt, aber ein Teil abtaucht. Ich weiß nicht, wie man den Druck erhöhen kann. Wir müssen miteinander Lösungen finden, um diese Menschen angemessen unterzubringen.