Fünftens und Letztens. Wenn wir in dieser Legislaturperiode der Deregulierung einen hohen Stellenwert einräumen, dann ist es konsequent, dort zu beginnen, wo die Selbstverwaltung tief verwurzelt ist: bei den Kommunen. Wir wollen den Kommunen mehr Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung geben. Unser Ziel ist: mehr Selbstverwaltung und weniger Normen. Deshalb machen wir den Kommunen über die Paragrafenbremse hinaus das Angebot, dass alle Verordnungen und Richtlinien, die sie für überflüssig oder zu eng halten, auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls vereinfacht oder ganz abgeschafft werden. Vor allen Dingen müssen wir darauf achten, weniger neue Vorschriften zu erlassen; es muss nicht jedes Mal, wenn in Bayern ein Problem drei-oder viermal auftaucht, gleich ein neuer Runderlass von München aus an alle Kommunen gehen.
Wir müssen uns selbst ein Stück weit mehr beschränken, das ist richtig. Wir setzen auf kommunale Selbstverwaltung.
in der Tat liegt viel Arbeit vor uns: für die Staatsregierung, für den Landtag und für die Kommunen. Im Namen der gesamten Staatsregierung wünsche ich allen kommunalen Mandatsträgern, die am 1. Mai ihr Amt antreten, schon heute viel Glück und Erfolg. Wir bieten ihnen eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Behörden des Freistaats zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger an. Ich rufe alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger auf: Machen Sie am 16. März von Ihrem Wahlrecht Gebrauch! Stärken Sie die Kommunen; denn die Kommunen sind die demokratische Basis unseres Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam arbeiten für starke Kommunen in einem starken Bayern mit einer starken Zukunft.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich darf darauf hinweisen, dass im Ältestenrat einmal vereinbart wurde, dass von der Regierungsbank aus kein Beifall zu klatschen ist.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Im Einvernehmen mit den Fraktionen wurde hierzu eine Redezeit von 30 Minuten vereinbart. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Wengert.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Staatsminister Herrmann, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beifall stand in einem reziproken Verhältnis zur Inhaltsschwere der Rede, die wir gerade gehört haben.
(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN – Volkmar Halbleib (SPD): Das kommt bei der CSU öfter vor! – Thomas Kreuzer (CSU): Da müssten Sie noch viel mehr Beifall bekommen, Herr Kollege Wengert!)
Lieber Herr Kollege Herrmann, Sie haben eine Bilanz zur derzeitigen Lage unserer Kommunen gezogen und im Blick zurück auf manche positive Veränderung hingewiesen. Sie sind aber leider nicht über eine Zustandsbeschreibung hinausgekommen und haben
dabei vieles ausgeblendet, was eben auch Fakt ist. Ich sehe es als meine originäre Aufgabe als Sprecher der Opposition an, die andere Seite der Medaille vorzustellen, von der Sie uns gerade nur die glänzende Seite gezeigt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet natürlich nicht, dass ich irgendetwas schlechtreden will, sondern das bedeutet, dass ich darauf hinweisen möchte, wo es den Kommunen schlecht geht,
wo es um die Kommunen schlecht bestellt ist und wo dringender Handlungsbedarf besteht. Dies sollte eigentlich im Sinne von uns allen sein. Es geht darum, die Kommunen zu stärken. Wir sind der Anwalt der Kommunen. Deswegen machen wir als SPD-Fraktion deren Ansprüche geltend.
Ein guter Hausvater und eine gute Hausmutter lieben alle Kinder, aber besonders diejenigen, die in besonderer Weise ihrer Hilfe bedürfen. Von diesen Kindern war in Ihrer Regierungserklärung leider nicht die Rede. Ebenso habe ich in Ihrer Erklärung kreative Ideen, Perspektiven und Visionen des Kommunalministers für die Zukunft unserer Städte, Gemeinde und Landkreise vermisst.
Natürlich gilt auch unser Dank allen Kolleginnen und Kollegen, die draußen im Land ehren- und hauptamtlich Verantwortung für unsere Kommunen tragen, oft genug von Sorgen geplagt werden und mit größtmöglichem Einsatz, ihrer ganzen Kreativität und Fantasie, mit Tatkraft und Energie jeden Tag aufs Neue dafür sorgen, dass sich die Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrem Ort wohlfühlen,
die auch oft genug unberechtigter Kritik und Anfeindungen ausgesetzt sind, weil sie eben zu Recht dafür stehen, dass die Summe der Einzelinteressen noch lange nicht das Gemeinwohl ausmacht.
Ich bedanke mich selbstverständlich auch bei allen Ehrenamtlichen, die den Sauerteig in unseren Kommunen bilden: im Brand- und Katastrophenschutz, in der Lebensrettung, in der Betreuung, in Hospizvereinen. Als Vizepräsident des Bayerischen Roten Kreuzes weiß ich, wovon ich rede und wie wichtig das Ehrenamt in unserem Land ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gemäß Artikel 11 Absatz 4 der Bayerischen Verfassung dient die Selbstverwaltung der Gemeinden dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben. Das mag der eine oder andere fälschlicherweise als Hinweis auf die hierarchische Unterordnung der Gemeinden im Staatsaufbau verstehen. Es heißt aber "Aufbau der Demokratie" und nicht des Staates. Der Herr Ministerpräsident hat in der Kabinettssitzung am 13. Januar dankenswerterweise erklärt, dass es der Staatsregierung wichtig sei, den Kreisen, Städten und Gemeinden stets als Partner auf Augenhöhe zu begegnen. Herr Ministerpräsident, ich habe mich spontan gefragt: Ja wie denn bitte sonst? Als Gemeinde- und Kreisrat, als Bürgermeister und Oberbürgermeister und langjähriges Mitglied des Vorstandes des Bayerischen Städtetages hat sich mir dieser Eindruck – vorsichtig ausgedrückt – jedenfalls nicht gerade aufgedrängt.
Dabei stehen unsere Kommunen vor gewaltigen Herausforderungen, etwa Herausforderungen des demografischen Wandels, der Sicherung der örtlichen Versorgung, der Daseinsvorsorge und der Energiewende, bei der Ihnen, Herr Staatsminister, Ihr Ministerpräsident mit seiner windigen 10-H-Formel dicke Prügel zwischen die Beine geworfen hat,
übrigens ohne vorher mit den Kommunen zu reden, die die Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger sind. Herr Kollege Kreuzer, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
So viel zur Augenhöhe und der von Ihnen neuerdings beschworenen Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern. Erst in einigen Jahren wird man das ganze Ausmaß des Desasters sehen, das damit angerichtet wurde.
Artikel 11 Absatz 4 sagt nicht weniger, als dass die Gemeinden das Fundament unserer Demokratie sind. Dieses Fundament ist aber brüchig geworden; es hat tiefe Risse bekommen. Im wörtlichen Sinn zeigt sich dies vielerorts am Verfall der kommunalen Infrastruktur. Nach Berechnungen der KfW hat sich bei den deutschen Kommunen ein Investitionsrückstau von rund 130 Milliarden Euro mit Schwerpunkt im Bereich Straßen- und Verkehrsinfrastruktur aufgebaut, leider eben auch in Bayern. Das Deutsche Institut für Urbanistik kommt, ab 2006 bis 2020 gerechnet, zu einem Investitionsbedarf von über 700 Milliarden Euro. Sagen Sie jetzt bitte nicht: Dies gilt nur für den Rest der Welt, aber nicht für Bayern. Das wäre eine fatale
Fehleinschätzung. Auch in Bayern wurde über viele Jahre zu oft nur geflickt und improvisiert, weil für grundlegende Sanierungen kein Geld vorhanden war und ist. Kein früherer Bürgermeister oder Landrat unter Ihnen wird dies leugnen.
Längst werden die Defizite in unserer kommunalen Infrastruktur nicht mehr nur als Belastung für die Wirtschaft wahrgenommen, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität empfunden. Dass es in anderen Ländern schlechter ist, Herr Staatsminister, wird diese Bürgerinnen und Bürger kaum trösten. Die von Ihnen genannte Investitionsquote von knapp 22 % ist ein Durchschnittswert. Wenn der eine bei 10 Grad minus friert, hilft es ihm nichts, wenn ein paar hundert Kilometer entfernt der andere bei 30 Grad in der Sonne liegt und der Meteorologe ihm unter Hinweis auf die Durchschnittstemperatur von 10 Grad plus sagt, er solle sich bitte nicht so anstellen.
Die Forderung etwa des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, den Solidaritätszuschlag zu einem Investitionsfonds für alle benachteiligten Städte und Gemeinden weiterzuentwickeln, kommt nicht von ungefähr.
Aber nicht nur der gewaltige Investitionsstau im kommunalen Bereich – schätzungsweise acht bis zehn Milliarden Euro in Bayern – sollte zu weiteren Anstrengungen motivieren, sondern auch die teilweise sehr hohe Verschuldung unserer Kommunen; die Landkreise beziehe ich insoweit ausdrücklich ein.
Es hilft den Betroffenen wirklich nicht weiter, Herr Staatsminister, wenn Bayern im Durchschnitt die zweitniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller westlichen Flächenländer aufweist. Rechnen Sie einmal die Landeshauptstadt München und die Speckgürtelgemeinden in Bayern heraus oder nehmen Sie den Durchschnitt von Unterfranken oder Oberfranken; dann kommen völlig andere Zahlen heraus.
Derzeit investieren die Kommunen nicht einmal 50 % der Summe, die sie für soziale Leistungen – im Jahr 2013 waren das rund 46 Milliarden Euro – aufwenden müssen. Angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen von den Kommunen getätigt werden, ist das durchaus besorgniserregend. Nur aufgrund der Konjunkturpakete konnten die kommunalen Investitionen von 2009 bis 2011 gegenüber den Vorjahren deutlich erhöht werden. Mit dem Auslaufen dieser Programme setzte sofort wieder ein ge
genläufiger Trend ein. "Die kommunalen Investitionen, ein wichtiger Impulsgeber für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland, kommen nach wie vor nicht richtig in Tritt", so der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner letzten Jahresbilanz.
Ein Hoffnungsschimmer ist das Bekenntnis der Großen Koalition zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit und der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Kommunen.
All das, was in den Koalitionsvertrag zugunsten der Kommunen aufgenommen worden ist – ich verweise auf das Bundesteilhabegesetz sowie die von unserem Landesvorsitzenden Florian Pronold maßgeblich ausverhandelte Erhöhung der Bundesmittel für Städtebauförderung von 100 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro jährlich; ich wiederhole: von 100 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro –,