Protokoll der Sitzung vom 13.02.2014

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie durch Arbeitsplatzverlagerungen 2.000 Stellen in die Fläche gebracht haben. Sie haben aber nicht erwähnt, dass vor allem viele Lehrer und viele Polizisten aus Oberfranken und Oberbayern in München arbeiten müssen und deswegen von zu Hause wegziehen.

Sie haben das Breitbandprogramm angesprochen, das in Deutschland einmalig ist und für das eineinhalb Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Bei einem Blick auf die fünf Jahre der letzten Legislaturperiode zeigt sich, dass Sie viele Jahre Kofinanzierungsmittel aus Brüssel einfach an uns haben vorbeiziehen lassen. Bayern war das einzige Land in ganz Deutschland, das die Mittel, die zur Verfügung gestanden wären, nicht abgeschöpft hat. Zwar geht es jetzt endlich ein wenig voran, aber das kommt viele Jahre zu spät.

Sie haben gesagt, Bayern wird 2023 barrierefrei sein. Wenn man mit dem Zug unterwegs ist, steht man vor der Frage, wie Sie das angesichts der Bedingungen an unseren Bahnsteigen erreichen wollen. Das gilt besonders dann, wenn man mit der Regionalbahn unterwegs ist, nicht nur mit dem ICE.

Sie haben einmal auf das Landwirtschaftsministerium verwiesen und verkündet, es gibt 60 Millionen für die Dorferneuerung. An den Ämtern für Ländliche Entwicklung gibt es einen Einstellungsstopp. Dort beobachten wir die einmalige Kuriosität, dass mehr Geld zur Verfügung steht, als die Mitarbeiter abarbeiten können und den Kommunen zugutekommen könnte. Sie kommen mit den Maßnahmen nicht hinterher, weil

das Personal abgebaut wird. Mit dem Geld, das bereits zur Verfügung steht, könnten Sie gemeinsam mit den Kommunen viel mehr erreichen.

Die Themen Leerstandsmanagement und leere Dörfer sind überhaupt nicht angesprochen worden. Sie sprechen von der Wohnraumförderung, die um 60 Millionen Euro erhöht wird. Dass Sie aber die GBW-Wohnungen verkauft haben, fehlt gänzlich in Ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Gesundheitspolitik haben Sie durch einen Verweis auf die Landarztstipendien nur gestreift. Diese allein werden sicherlich nicht dazu führen, dass wir flächendeckend mit Hausärzten und Krankenhäusern versorgt sind. Die Themen Notarzt und Rettungsdienst in der Fläche haben auch gänzlich gefehlt.

Das Thema Soziales nimmt in Ihrer Regierungserklärung eine ganze Seite ein. Sie haben herausgestellt, dass 1,4 Milliarden Euro für Betreuungseinrichtungen geflossen sind. Das ist in der Tat sehr viel Geld. Unsere bayerischen Kommunen haben in den letzten fünf Jahren größte Anstrengungen unternommen und Klimmzüge gemacht, um in der Fläche Kinderkrippen zu bauen. Jedoch wird von einer sehr guten Einrichtung wie einer Kinderkrippe allein kein einziges Kind gut betreut. Dafür brauchen wir ausreichend qualifiziertes Personal, das eine Planungsgrundlage benötigt und nicht nur mit befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeitverträgen beschäftigt wird. Man muss dem Personal nach seiner fünfjährigen Ausbildung ein Auskommen und eine Perspektive bieten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

In dieser Hinsicht lässt das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sehr zu wünschen übrig. Die stunden- und kindbezogene Förderung bedeutet gerade in den ländlichen Räumen, wo es in einer Einrichtung wenige Kinder gibt, ein sehr großes Problem. Die Randzeiten werden überhaupt nicht mit berücksichtigt. Wer von Ihnen schon einmal fünf kleine Kinder oder Enkelkinder im Alter von zwei, drei oder vier Jahren gleichzeitig betreut hat, der weiß, was ein Betreuungsschlüssel von 1 : 5 bedeutet, wenn man die Kinder zwischendurch wickeln und füttern muss, wenn ein Kind krank ist und ein Elterngespräch geführt werden muss. Diese Unterstützung reicht bei Weitem nicht aus.

Das Thema Schule haben Sie nur ganz am Rande gestreift. Die Staatsregierung verspricht zwar, wohnortnahe Schulstandorte und wohnortnahe Schulen zu erhalten, aber dafür fehlen die nötigen Lehrerstunden. Es gibt immer mehr Schüler- oder Bustourismus, weil

die Kinder zusammen zu einzelnen Schulstandorten gefahren werden, da die Lehrerstunden nicht ausreichen, um draußen auf dem flachen Land Schulunterricht von 8.00 bis 13.00 Uhr anbieten zu können. Obwohl die Schülerbeförderungsmittel erhöht werden, liegt die Quote immer noch bei 60 %, weil es immer mehr Bustourismus gibt. Die Quote lag schon einmal bei 80 %, und so hoch muss sie auch wieder steigen. Es kann nicht angehen, dass der Staat Lehrerstunden einspart und die Kommunen dies durch Schülerbeförderung und Bustourismus auffangen müssen.

Der Ausbau der Ganztagsschule gelingt nur gemeinsam mit den Kommunen. Die Kommunen stellen sehr viel Geld zur Verfügung, weil die dafür vorgesehenen Lehrerstunden bei Weitem nicht ausreichen.

Die Jugendsozialarbeit an Schulen ist eine sehr gute Einrichtung. Sie wird zum größten Teil von den Kommunen bezahlt. Immer mehr Aufgaben in den Bereichen Soziales und Bildung gehen zulasten der Kommunen. Die staatliche Unterstützung dafür ist viel zu gering.

Sie haben die Daseinsvorsorge angesprochen und mitgeteilt, die Bayerische Staatsregierung werde die Kommunen unterstützen und sämtliche Eingriffe im Hinblick auf die Liberalisierung der Trinkwasserversorgung verhindern. Mein Vorvorredner hat schon einiges dazu ausgeführt. Die Bayerische Staatsregierung hat im Dezember 2012 der Liberalisierung der Trinkwasserversorgung zugestimmt. Das muss hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Auch momentan dürfen die Kommunen bei der Abstimmung über das Freihandelsabkommen nicht mitreden. Die Vertreter sämtlicher relevanter Gruppen und Lobbyverbände sind beteiligt. Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass die Kommunen den wichtigsten Teil im Staatsaufbau ausmachen. Dass die Kommunen nicht am Tisch mitverhandeln dürfen, ist eine Sauerei. Für die Beteiligung der Kommunen muss man sich einsetzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Was das Thema Gentechnik angeht, war der Dienstag für uns ein schwarzer Tag. Zu Hause verkünden Sie: Wir kämpfen gegen die Gentechnik und treten dagegen ein. Wenn es aber darauf ankommt und wir Sie in der Bundesregierung, im Bundesrat und in Brüssel brauchen, werden Sie diesem Versprechen nicht gerecht, enthalten sich und zeigen nicht Flagge. Das ist unfair.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Hört, hört, Schande!)

Das ist ein Vertrauensmissbrauch. Sie machen zwar Versprechungen und zeigen Flagge, aber nur verbal und nur hier im Bayerischen Landtag. Überregional jedoch, wo Sie in der Pflicht stehen, uns zu vertreten, stellen Sie sich Ihrer Verantwortung nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zum Thema Energie wurde gar nichts gesagt. Die Energiewende ist nur gemeinsam mit den Kommunen zu schaffen. Das betonen die FREIEN WÄHLER, seit sie in diesem Landtag vertreten sind. Eine Chance für die Kommunen und eine Chance, regionale Wertschöpfung zu schaffen, gibt es dann, wenn wir die Energieversorgung dezentral gestalten und es uns gelingt, wir mit unseren Kommunen, mit unseren Stadtwerken und mit Bürgergenossenschaften selbst Energie zu erzeugen. Mit der Energieerzeugung wird viel Geld verdient. Wenn diese Aufgabe unsere eigenen Leute übernehmen, bleibt das Geld bei uns. Ich nenne nur eine Zahl aus meinem Landkreis Regensburg. Die Bürgerinnen und Bürger dort geben pro Jahr über 600 Millionen Euro für Energie aus. Selbst wenn wir noch viel an Energie einsparen können, bleiben immer noch ein paar Hundert Millionen Euro. Wenn es uns gelingt, auch nur einen ganz kleinen Anteil davon selbst vor Ort in unserer eigenen Energieerzeugungsgesellschaft zu produzieren, bleibt das Geld in der Region. Das ist das beste Konjunkturprogramm, das man sich vorstellen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Die Bundes- und Staatsregierung ist seit Jahren in der Energiepolitik völlig planlos. Es lässt sich überhaupt keine Linie erkennen. Wir haben vor einigen Jahren teilweise rückwirkende oder plötzliche Änderungen im EEG gehabt. Investoren, die bereitstanden, schon die Verträge unterschrieben hatten und Geld bei uns im Land investieren wollten, ist die Planungsgrundlage entzogen worden. Ein solches Projekt kann nicht innerhalb einiger Wochen oder Monate verwirklicht werden; das dauert teilweise Jahre. In einem Land wie Bayern, in einem Land wie Deutschland keine Planungssicherheit mehr zu haben, ist eine Katastrophe.

Mit Verlaub, Herr Innenminister: Kurz vor der Wahl haben Sie noch die Landratsämter angewiesen, in Sachen Windkraftplanung nichts zu genehmigen. Im vorauseilenden Gehorsam gegenüber einem parteipolitischen Ziel haben Sie ohne irgendeine gesetzliche Grundlage den Landratsämtern gesagt: Das, was vorliegt, entscheiden wir erst einmal nicht, wir warten ab. Gott sei Dank haben sich die bayerischen Landräte und Abteilungen an das Recht gehalten, aber man

kann hier als oberster, für die Kommunen zuständiger Chef nicht so mit unseren Kommunen umgehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Thema Asyl ist überhaupt nicht angesprochen worden. Dieses Thema brennt den Kommunen auf den Nägeln. Während unsere Familien- und Sozialministerin draußen unterwegs ist, sich dem Dialog mit den Kommunen stellt, die Probleme aufnimmt und ernst nimmt, Ideen entwickelt und versucht, das Ganze abzuarbeiten, haben wir in der Regierungserklärung zu dem Thema starke Kommunen und starkes Bayern überhaupt nichts gehört. Die Kommunen werden völlig allein gelassen. Von heute auf morgen steht dort plötzlich ein Bus mit Asylbewerbern vor der Tür, und keiner weiß, wo man die Asylbewerber unterbringen und was man mit ihnen machen soll. Alle Aufgaben werden auf Ehrenamtliche abgewälzt. Man hofft, durch ehrenamtliches Engagement Integration und Unterstützung anbieten zu können. Bei uns im Landkreis stellen die Kommunen, in denen die Asylbewerber untergebracht sind, Mittel aus ihrem eigenen Haushalt zur Verfügung, um hier das Notwendigste tun zu können. Auch das Landratsamt stellt bei uns ein bisschen Geld zur Verfügung, um hier helfen zu können. Vonseiten des Staates gibt es nichts.

Wir brauchen für die Flüchtlingskinder viel mehr Übergangsklassen. Wir brauchen in den Kindergärten mehr Personal, um Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen, integrieren zu können. Es gibt zwar einige Übergangsklassen, wie gesagt, aber es sind zu wenige. Es gibt aber immer noch viele Klassen, die von ein oder zwei Flüchtlingskindern besucht werden, die kein Wort Deutsch sprechen. Hier Unterricht abzuhalten, ist überhaupt nicht möglich, und es ist eine Zumutung für jeden einzelnen Lehrer. Wir müssen froh sein, dass es Lehrer gibt, die sich das überhaupt noch antun und das aushalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Wir haben bei uns im Landkreis eine dezentrale Unterbringung mit fünf oder acht Kindern. Diese Kinder fahren mit dem Linienbus in die nächstgelegene Grundschule. Dort ist eine Übergangsklasse eingerichtet worden. Diese Kinder fahren in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht kennen, im Alter von sechs Jahren im Landkreis umher. Was machen die Eltern? Sie haben natürlich Angst, dass die Kinder überhaupt nicht an der Schule ankommen, und fahren deshalb mit. Sie begleiten sie zur Schule und fahren danach zurück und holen die Kinder mittags wieder ab. Wer bezahlt die Busfahrkarte? - Die Kommune vor Ort bezahlt sie. Hier brauchen wir praxisgerechte und

tatkräftige Unterstützung für die Kommunen, die sich dieser Verantwortung stellen, und für die Menschen, die ehrenamtlich tätig sind und sich einbringen. Aber hier ist der Staat gefragt, seine Kommunen zu unterstützen. Wir brauchen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr Mitarbeiter, die sich schneller und besser um die Asylverfahren kümmern. Wir müssen schauen, dass die Betroffenen schneller eine Arbeitserlaubnis bekommen, um sich hier integrieren und mitmachen können.

Eine erfolgreiche Asylpolitik ist wichtig für das Miteinander bei uns in den Kommunen. Das gehört einfach dazu, wenn man in Bayern über Kommunen, ein starkes Bayern und über starke Kommunalpolitik spricht.

Auch zum Bundesleistungsgesetz wurde in der Regierungserklärung nichts gesagt. Es gibt eine riesige finanzielle Belastung für unsere Kommunen und Bezirke. Das Problem besteht darin, dass es nicht in jedem Bundesland Bezirke gibt. Sie sind eine Besonderheit in Bayern. Wir finden viel zu wenig Berücksichtigung auf Bundesebene, wenn es um die Neuerungen im Bundesleistungsgesetz geht. Auch hier sind die Kommunen nicht beteiligt und können nicht mit entscheiden. Hier brauchen die Kommunen eine starke Staatsregierung, die sich dafür einsetzt, dass die nötigen Mittel bereitgestellt werden, um die ständig zunehmenden Aufgaben erledigen zu können.

Zum Thema Infrastruktur wird nachher mein Kollege noch etwas sagen.

Herr Innenminister, Sie haben gesagt, es liegt viel Arbeit vor uns. In der Tat, es liegt viel Arbeit vor uns. Wir unterstützen Sie gerne.

(Barbara Stamm (CSU): Das ist doch prima!)

Ich habe an dieser Stelle noch einen Tipp: Machen Sie es manchmal wie Ihr Ministerpräsident. Gehen Sie einfach raus, reden Sie mit den Leuten, hören Sie zu.

(Barbara Stamm (CSU): Der ist so viel unterwegs!)

Bei dem, was ich heute gehört habe, habe ich nicht das Gefühl, dass er viel draußen unterwegs ist.

(Barbara Stamm (CSU): Frau Kollegin! – Unruhe bei der CSU)

Gehen Sie hinaus in die Kommunen, nicht nur, um Reden zu halten, sondern um zuzuhören und sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Wir haben viel vor uns. Es reicht nicht aus, nur einen paradiesischen Zu

standsbericht zu geben. Wir haben viel vor uns. Packen Sie es an! Wir sind an Ihrer Seite.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schweiger. – Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Mistol.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, wenn man Sie so hat reden hören, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere Kommunen in Bayern vor Kraft und Stärke kaum laufen können, so stark wie Sie unsere Städte, Landkreise und Gemeinden dargestellt haben. Dabei sehen unsere Kommunen längst nicht alle so aus wie das Michelin-Männchen, das während Ihrer Regierungserklärung vor meinem geistigen Auge vorbeigezogen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Kette ist bekanntlich nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Überträgt man diese alte Binsenweisheit auf Bayern, so wäre es derzeit um die Zukunft des Freistaats bei Weitem nicht so rosig bestellt, wie Sie, Herr Staatsminister, es angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen in den leuchtendsten weiß-blauen Farben ausgemalt haben. Im Gegenteil: Die kommunale Familie in Bayern entwickelt sich immer mehr zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Da haben manche Städte und Gemeinden, ob große oder kleine, richtiggehend Anzeichen von Magersucht. Das, Herr Staatsminister und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)