Vergleicht man den Freistaat mit einer Kette, dann gibt es unter den Kommunen viele starke, aber leider auch viele schwache Glieder. Da ist es nur logisch, dass auch der Freistaat insgesamt nur so stark sein kann, so viel Muskelkraft und Stärke haben kann, wie es die schwächsten Glieder vorgeben. Da hilft es auch nicht, einmal ein paar politische Wunschvorstellungen in der Verfassung festzuschreiben. Die Förderung des ländlichen Raums oder die Finanzausstattung der Kommunen werden sich durch leere Worthülsen allein nicht verbessern. Um an finanziellen Stellschrauben zu drehen, hat es einer Änderung der Verfassung nicht bedurft. Was wir aber brauchen, und zwar dringend, ist eine bedarfsgerechte Finanzierung, damit sich die strukturellen Defizite nicht länger als Hemmschuh erweisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommunen sind der Eckpfeiler unserer Daseinsvorsorge. Die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger hängt vor allem davon ab, wie gut die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen und erfüllen können. – Verehrter Herr Staatsminister, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden. – Herr Staatsminister, Sie bremsen die Kommunen aus und halten sie am goldenen Zügel. Sie haben in Ihrer Rede mehr Freiheiten angekündigt. Ich frage mich, warum Sie das nicht schon in den letzten Jahren umgesetzt haben. Sie sind schließlich für die Kommunen nicht erst seit gestern verantwortlich.
Kolleginnen und Kollegen, erschwert wird die Situation durch den kommunalen Finanzausgleich, der in seiner jetzigen Form die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen nicht schließen kann. Die Verschuldung nimmt schon heute vielen Kommunen die Luft zum Atmen. Das hat zur Folge, dass die Schulden auch in konjunkturell guten Zeiten explosiv ansteigen. Gleichzeitig bildet sich ein riesiger Investitionsstau. Um ihre Aufgaben erfüllen und ihr Selbstverwaltungsrecht wahrnehmen zu können, brauchen aber alle Kommunen eine solide finanzielle Basis sowie verlässliche Einnahmen. Die GRÜNEN wollen den Anteil der Kommunen am allgemeinen Steuerverbund schrittweise und zügig auf 15 % erhöhen. Hier sind Sie den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände noch kein Jota entgegengekommen. Ich sage Ihnen: Das wäre nur recht und billig.
Zudem setzt das derzeitige Zuschussunwesen oft die falschen Anreize und nimmt den Kommunen viel von ihrer Gestaltungsfreiheit. Wegen der falsch gesetzten Förderkriterien nach dem Motto "größer und breiter muss die Brücke sein" baut so manche Kommune Infrastrukturen an den Bedürfnissen vorbei und bleibt auf den Folgekosten sitzen. Doch damit nicht genug: Ministerpräsident Seehofers Wetterhahnpolitik ist verantwortlich dafür, dass in vielen Kommunen Unsicherheit und Stillstand statt Aufbruch und Zukunftsgewissheit vorherrschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von Anfang an war die Energiewende für Horst Seehofer ein lästiges Stiefkind, um das er sich nur halbherzig gekümmert hat, wie um einen Kuckuck, den ihm andere ins Nest gelegt haben. Entweder aus Unvermögen oder weil ihm gerade einmal ein anderes Vögelchen etwas ins Ohr geflüstert hat, ist der Ministerpräsident drauf und dran, der Energiewende gänzlich den Garaus zu machen.
Für die Kommunen und die Energiegenossenschaften, in denen neben Städten, Landkreisen und Gemeinden viele Bürgerinnen und Bürger die Energiewende längst selbst als dezentrales Projekt in die Hand genommen, geplant und vorangebracht haben, hat dieses Wendemanöver weit mehr als eine fatale Signalwirkung. Statt die Kommunen bei der Planung ihrer Energieprojekte zu unterstützen und endlich die planerischen Weichen zu stellen, hat die Staatsregierung nicht nur kurzerhand das Totenglöckchen für die Windkraft in Bayern geläutet, sie hat auch gleichzeitig den Fortgang der Stromnetzplanungen gekappt. Wie sagte doch einer Ihrer Parteifreunde, der Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger, unlängst: "Ein Moratorium ist die Feigheit, nicht gleich zu sagen, was zu tun ist". Wo Schaidinger recht hat, da hat er recht.
Wir GRÜNE müssen feststellen: Die Staatsregierung hat die Energiewende in Bayern praktisch auf Eis gelegt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie sehen einfach nur zu, wie der politische Geisterfahrer Ministerpräsident Horst Seehofer die Energiewende endgültig an die Wand fährt. Damit schwächen Sie die Kommunen, die die Planungen der Energiewende im Gegensatz zu Ihnen bereits mit Energie, Hirnschmalz und oft auch barem Geld vor Ort betrieben haben.
Herr Staatsminister Herrmann, auch bei Ihrer Infrastrukturpolitik ist für die Kommunen nicht alles Gold, was glänzt. Im Gegenteil: Während Sie noch immer glauben, strukturschwache Kommunen durch Straßenneubau- und –ausbauorgien stärken zu können, ist bei der bestehenden Infrastruktur allmählich der Lack ab. Das Motto "Aufbruch Bayern" können Sie beim Unterhalt für den Straßenbestand tatsächlich wörtlich nehmen; denn es bröckelt an allen Ecken und Enden, weil Sie, Herr Staatsminister, für die Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen viel zu wenig Geld in die Hand nehmen.
Im Jahr 2019 wird zudem die Finanzierung durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz endgültig auslaufen. Bringen Sie bis dahin keine sinnvolle Nachfolgeregelung auf den Weg, wird es in vielen Kommunen schnell zum Stillstand kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber der öffentliche Personennahverkehr fristet bei Ihnen schon seit jeher bestenfalls ein Dasein auf dem Nebengleis, wenn nicht gleich auf dem
Abstellgleis. Angesichts des demografischen Wandels ist ein gut ausgebauter ÖPNV Voraussetzung für Mobilität in der Stadt und auf dem Land. Auch hier lassen Sie die Kommunen im Regen stehen. Rund zwei Drittel der GVFG-Mittel fließen aktuell in den Straßenbau, der Rest in den ÖPNV und andere umweltfreundliche Verkehrsarten. Das ist Verkehrspolitik der Vergangenheit. Für die Zukunft taugt das nicht.
Den flächendeckenden Breitbandausbau haben Sie komplett verschlafen. Immerhin hat jetzt Herr Staatsminister Dr. Söder den Breitbandausbau endlich als Staatsaufgabe begriffen. Es bleibt zu hoffen, dass er bei seinem Alter Ego, dem Finanzministerium, ausreichend Geld für die Daseinsvorsorge locker macht und den Kommunen unter die Arme greift.
- Das wäre nicht schlecht. Für eine flächendeckende Versorgung des Freistaats mit einem ausreichend schnellen Breitband sind nämlich rund 20 Milliarden Euro notwendig, Geld, das unsere Kommunen nicht haben.
Kolleginnen und Kollegen, als richtiggehender Schuss in den Ofen erweist sich auch Ihr schnell noch vor der Landtagswahl durchgepeitschtes Landesentwicklungsprogramm. Eine vernünftige Raumplanung braucht gescheite Leitplanken, sonst kann man sie gleich sein lassen.
Ihr LEP setzt jedoch gerade einmal das eine oder andere Leitpföstchen, oder es führt gleich ganz in die Sackgasse. Die dringendsten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte können Sie damit nicht angehen.
Im Gegenteil, Ihnen fehlt es an Visionen und offenbar auch an Ambitionen, sich mit Fragen des demografischen Wandels, der Entwicklung des ländlichen Raums oder des Flächenverbrauchs überhaupt ernsthaft auseinanderzusetzen. Das belegen auch Ihre lustlosen Nachbesserungen. Kritische Punkte wie die Einteilung der Zentralen Orte wurden gleich gänzlich verschoben, weil Sie es sich vor den Wahlen mit den Kommunen nicht verscherzen wollten. Auch dazu würde Schaidingers Satz mit der Feigheit wieder ganz gut passen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Kommunen müssen sich auch fürchten, wenn es um die Vertretung ihrer Interessen in Europa geht. Die kommunale Daseinsvorsorge läuft immer wieder Ge
fahr, vom Sog des Liberalisierungsstrudels erfasst zu werden, erst die Konzessionsrichtlinie, dann das Freihandelsabkommen. Hier präsentiert sich der Freistaat immer wieder gern als der Schutzpatron der kommunalen Daseinsvorsorge. In der Vergangenheit hat sich jedoch immer wieder gezeigt, dass der Einsatz der CSU in Berlin und Brüssel im entscheidenden Moment nur halbherzig ausfällt. Ihr Kollege in der CSU, der Europaabgeordnete Markus Ferber, hält das Freihandelsabkommen für unproblematisch und alle Warnungen gar für Panikmache. Ich sage Ihnen: Solange Sie von der CSU mit gespaltener Zunge sprechen, solange bleibt auch die kommunale Daseinsvorsorge in Gefahr.
Kommen wir zu Ihrer nächsten Baustelle: Die Wohnraumsituation im Freistaat gerät immer mehr aus der Balance. Während das Leben in der Stadt immer beliebter und Wohnraum hier immer knapper wird, kämpfen ländliche Regionen gegen Abwanderung und Wohnungsleerstand. Ihre jahrelangen Versäumnisse, Herr Staatsminister, werden deshalb immer mehr zum Problem der Kommunen. Sie haben das Jahr 2014 zwar zum Jahr des Wohnungsbaus ausgerufen. Ihr Sinneswandel kommt aber für viele Kommunen reichlich spät. Er ist bisher auch nur ein halbherziger Versuch, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich in den Griff zu bekommen. Wie lässt es sich sonst erklären, dass Sie die Laufzeit der Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze mit Ausnahme Münchens auf zweieinhalb Jahre begrenzt haben, was in der Praxis keine Wirkung zeigt? Ein reines Placebo ist diese Maßnahme, sonst gar nichts. Auch das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, das Sie mit und ohne FDP in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt haben, wenn wir GRÜNE es beantragt haben, kommt als Last-Minute-Wahlgeschenk für die Kommunen nach zig Jahren und Tausenden von Umwandlungen zu spät.
Bezahlbarer Wohnraum ist vor allem wegen Ihres hartnäckigen Widerstands verloren gegangen. Gleichzeitig ist die Erhöhung der Mittel zur Wohnraumförderung nur ein Tropfen auf den heißen Stein, während der Bestand an Wohnungen mit Belegungsbindung unterm Strich weiter schmilzt.
Planlos sind Sie auch bei der zweiten Seite der Medaille. Sie können keine Strategien zur Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels für Kommunen in Abwanderungsregionen vorweisen. Wirksame Konzepte zur Stärkung von Zentren und Ortskernen,
Rück- und Umbauten bleiben Sie den betreffenden Kommunen weiterhin schuldig. Vermutlich haben Sie diese Regionen bereits abgeschrieben, wie es auch Ihr Zukunftsrat vor nicht allzu langer Zeit getan hat.
Im Stich lassen Sie die Kommunen auch bei der Bewältigung der explodierenden Sozialausgaben, die immer mehr Kommunen finanziell in die Knie zwingen. Gegenüber anderen Bundesländern brüsten Sie sich regelmäßig damit, dass Bayern ein Land sei, in dem Milch und Honig fließen. Dafür zahlen sollen aber die Kommunen. Deshalb hilft es auch nichts, dass das Konnexitätsprinzip in der Bayerischen Verfassung verankert ist, wenn Sie immerzu nur anschaffen und die Kommunen sich das Geld für sinnvolle, aber auch kostspielige Wünsche regelrecht aus den Rippen schneiden müssen. Kindertagesstättenplätze, Jugendhilfe, Ganztagsbetreuung und Inklusion gibt es auch für sie nun einmal nicht zum Nulltarif.
"Bayern Barrierefrei 2023", dieses Programm haben Sie, Frau Staatsministerin Haderthauer, noch als Sozialministerin ausgerufen. Ministerpräsident Seehofer hat dieses Motto in seiner Regierungserklärung am Anfang der Legislaturperiode wiederholt. So etwas kann man leicht verkünden, wenn es andere, nämlich die Kommunen, bezahlen müssen. Zwei Drittel der Investitionen – so schätzt man über den Daumen gepeilt – werden auf die Kommunen zukommen, wenn sie dieses Projekt realisieren sollen.
Genauso wenig können die Kommunen auf Sie zählen, wenn es darum geht, die Schule im Dorf zu lassen. Auch Ihre viel gepriesene Mittelschule kann das Schulsterben über kurz oder lang nicht aufhalten. Die Kommunen wissen sehr wohl, dass die Gestaltung einer regionalen Bildungslandschaft ein wichtiger Standortfaktor ist. Doch statt den Kommunen mit einer Öffnungsklausel endlich die Möglichkeit zu geben, die Schullandschaft vor Ort selbst zu prägen, geben Sie den Zeigestock weiterhin nicht aus der Hand. "Setzen, sechs" heißt es auch beim Ausbau der Ganztagsangebote. Selbst die Ihnen sonst so zugeneigte Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft stellt Ihnen ein bildungspolitisches Armutszeugnis aus. Viel zu lange wollten Sie den Ausbau der Ganztagsangebote verhindern und aussitzen. Das Ergebnis ist ein Ganztagsangebot, das sich in unübersichtlichen Parallelstrukturen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und unterschiedlichen Finanzierungsmodalitäten verzettelt. Hier heißt es ganz klar: Nachsitzen!
Die Hände gebunden sind den Kommunen auch bei der Eindämmung der Spielhallenflut. In Bayern hat sich die Zahl der Spielhallen oder der Geldspielgeräte
in Spielhallen zwischen 2006 und 2012 knapp verdoppelt. Es liegt auf der Hand, dass ein leicht verfügbares Angebot an Glücksspiel auch die Schwelle für Konsumenten absenkt. Statt der Spielhallenflut einen wirksamen Riegel vorzuschieben, haben Sie viel zu spät ein Gesetz verabschiedet, das letztendlich nicht mehr als ein Placebo ist und der Glücksspielsucht keinerlei Einhalt gebieten kann. Das sage ich Ihnen als Kommunalpolitiker. Das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, ist nicht praxistauglich. Den Kommunen ist damit kein bisschen geholfen. Die Spielhallen schießen weiter wie Pilze aus dem Boden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Staatsminister, ich stimme absolut mit Ihnen darin überein, dass wir starke Kommunen brauchen. Nur mit starken Kommunen kann auch der Freistaat stark sein. Dafür müssen Sie die Kommunen aber auch endlich stark machen.
Handlungsfähige, entscheidungskompetente und finanziell gut ausgestattete Kommunen sind die Voraussetzung für eine gute Politik in Bayern und für die Menschen vor Ort. Damit das gelingen kann, müssen Sie die Kommunen endlich vom Zügel lassen und ihnen die nötigen Freiräume geben. Geben Sie den Rahmen vor und drücken Sie den Kommunen Pinsel und Farbe in die Hand; und, Herr Staatsminister, malen Sie um Himmels willen nicht alles rosarot.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss und fordere mehr Macht für die Kommunen und weniger Bemutterung, Aufdringlichkeit und Beaufsichtigung durch die Staatsregierung. Das ist das Konzept der GRÜNEN für ein starkes Bayern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen heute nichts rosarot malen, wir wollen aber auch nichts schwarz malen, Herr Kollege Mistol.
Bis Oktober 2013 hatte ich selbst die Verantwortung für eine dieser starken Kommunen, wie wir heute von