Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über ÖPP-Projekte, also öffentlich-private Partnerschaften, wurde in den letzten Jahren im Deutschen Bundestag, in der Öffentlichkeit, aber auch im Hohen Hause intensiv, umfangreich und kritisch diskutiert. Wir, die GRÜNEN, haben die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur durch ÖPPProjekte vor allem wegen der massiven Kostenrisiken für den Steuerzahler von Anfang an entschieden abgelehnt.
Der Bundesrechnungshof hat in diversen Berichten, also mehrmals, im Deutschen Bundestag auf die Unwirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten, auf die mangelnde Datengrundlage bei der zugrunde gelegten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, auf die Intransparenz und auf die Kostenrisiken hingewiesen. Der Kollege Glauber hat es ebenfalls schon ausgeführt: Die Rechnungsprüfer des Bundesrechnungshofes haben schon im Jahr 2013 festgestellt, dass bei fünf von sechs untersuchten ÖPP-Projekten insgesamt Kostensteigerungen von zwei Milliarden Euro auf den Steuerzahler und die Steuerzahlerin zugekommen sind.
Anstatt auf die Warnungen der Rechnungsprüfer zu hören und obwohl im Bundesverkehrsministerium die Probleme der privaten Betreiber der A 1 seit Jahren
bekannt waren, hat der aus Bayern stammende CSUAbgeordnete, von dem manche behaupten, er wäre in den letzten vier Jahren Bundesverkehrsminister gewesen, den Banken, Versicherungen und Baukonzernen mit zusätzlichen ÖPP-Projekten im wahrsten Sinne des Wortes Gelddruckmaschinen hingestellt.
Wir, die GRÜNEN, sind der Überzeugung, dass öffentliches Eigentum nicht an Konzerne und Versicherungen verramscht werden darf.
Hinzu kommt die große Intransparenz, die eine kritische Begleitung dieser Projekte durch die Öffentlichkeit und die parlamentarische Kontrolle massiv erschwert. Speziell die Nachforderungen der Betreiber der A 8 werfen auch in Bayern kein gutes Licht auf ÖPP-Projekte. Wir, die GRÜNEN, haben hierzu bereits vor vier Wochen einen Berichtsantrag gestellt. Wir fordern Aufklärung darüber, wie es zu den Nachforderungen kommen konnte und inwieweit in Bayern bei den A-Modellen ähnliche Entwicklungen drohen wie bei den Betreibermodellen der A 1.
Herr Roos, in diesem Punkt bin ich bei Ihnen: Wir brauchen Transparenz. Auch beim ersten Punkt, die Nachforderungen zurückzuweisen, bin ich von Herzen bei Ihnen. Aber genau hier liegt doch das Problem der ÖPP-Projekte; wegen der mangelnden Transparenz und der unzureichenden parlamentarischen Kontrolle können wir momentan nicht sicher sagen, ob die Abweisung vor Gericht Bestand haben wird. Die logische Schlussfolgerung hieraus kann nur sein, dass ÖPPProjekte kein Modell zur Finanzierung staatlicher Aufgaben wie der Infrastruktur sind. Wir werden dem Berichtsantrag und dem Antrag trotzdem zustimmen.
Zur A 94 – dies wurde vorhin angesprochen – fordern wir weiterhin Aufklärung. Eine Anfrage der Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat ergeben, dass im Bundeshaushalt trotz ÖPP für den Abschnitt Kosten eingestellt worden sind. Auch hier kam es zu Kostensteigerungen. Ursprünglich waren 38 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingeplant. Diese Summe hat sich auf 119 Millionen Euro erhöht. Wir möchten wissen, wie es dazu gekommen ist. Wir wollen wissen, ob diese Steigerung etwas mit dem ÖPP-Modell zu tun hat. Wir fordern eine parlamentarische Aufarbeitung dieser Kostensteigerungen.
Zuletzt möchte ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion wenden: Nachdem Sie bei der letzten Bundestagswahl massiv verloren haben, massiv an die FDP verloren haben, sollten Sie endlich auf
den Mittelstand hören. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe spricht sich nämlich schon seit Jahren entschieden gegen ÖPP-Projekte aus, weil davon in der Regel nur Großkonzerne profitieren und der Mittelstand außen vor bleibt. Sie sollten nun endlich einmal auf den Mittelstand hören. Sie sollten die richtigen Schlüsse aus der verlorenen Bundestagswahl ziehen.
Ich fasse zusammen: Die Bereitstellung der Infrastruktur ist eine öffentliche und damit staatliche Aufgabe. Sie muss mit Steuermitteln und Nutzerentgelten auskömmlich finanziert werden. Unsere Bundesfernstraßen gehören dem Zugriff internationaler Finanzjongleure entzogen. Deswegen werden wir beiden Anträgen zustimmen.
Vielen Dank. – Jetzt hat der Herr Staatssekretär Eck für die Staatsregierung das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es abenteuerlich, wenn man hier zuhört, lieber Herr Kollege Ganserer. In einem Artikel des "Alt-Neuöttinger Anzeigers" von gestern steht:
Das Bundesverkehrsministerium nimmt auf nachfrage (sic) wie folgt Stellung: "Es gibt keine Kostensteigerung/-explosion. Bis dato ist es nach Auskunft der zuständigen bayerischen Straßenbauverwaltung im Rahmen des ÖPP-Projekts A94 zwischen Pastetten und Heldenstein zu keinerlei Mehrkosten für den Bau gekommen."
Ich will das in aller Deutlichkeit sagen, weil viele Aussagen, die hier gemacht werden, schlicht und ergreifend nicht zutreffen.
Ich will ein weiteres Thema ansprechen, weil es hier zum Drama entwickelt wird. Liebe Damen und Herren, man muss sich vor Augen halten: Wir haben Baukosten zwischen 1 Milliarde und 1,5 Milliarden Euro. 2015 betrugen sie 1 Milliarde, 2017 1,5 Milliarden Euro. Im Freistaat Bayern haben wir für den hier relevanten Bereich vier PPP-Projekte. Das heißt, 90 % aller Investitionen in den Bundesautobahnbau, in den Bundesfernstraßenbau werden herkömmlich ausgeschrieben und stehen somit dem Mittelstand vollinhaltlich zur Verfügung. Darauf legen wir allergrößten Wert, weil der Mittelstand letztendlich die Stütze unserer Wirtschaft ist.
Es gibt aber schlicht und ergreifend Situationen, in denen man ein PPP-Projekt durchführt. Ich brauche
das nicht weiter zu unterfüttern; der Kollege Eberhard Rotter hat es deutlich gemacht. Mit einer PPP geht es nämlich schlicht und ergreifend oftmals schneller. So kann ich an dieser Stelle auch einigen Unsinn widerlegen, der ausgesprochen worden ist: Beide Abschnitte der A 8 waren vor dem Termin fertiggestellt, und bei keinem haben wir letztendlich Kostensteigerungen zu verzeichnen. Wenn es irgendwo Gerichtsverfahren gibt, dann ist das, liebe Damen und Herren, auch in der Baubranche eine ganz normale Angelegenheit. Wenn Bausummen mehr als 1 Milliarde betragen und man sich am Ende über 5 Millionen, 8 Millionen oder 30 Millionen gerichtlich auseinandersetzt, ist das zwar nicht schön, aber letztlich ist es normal, dass es Streitigkeiten geben kann. Deshalb bitte ich darum, dass man nicht alle Vorgänge so in den Dreck hineintritt, liebe Damen und Herren.
Wenn ich den Kollegen Ganserer ansprechen darf: Hier von Geldvernichtungsanlagen, von Verramschung und Ähnlichem zu reden, ist ein ganz tiefer Griff unter die Gürtellinie. Bevor Sie diese Worte in den Mund nehmen, müssen Sie wissen, dass vom Bundesministerium jedes Projekt im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit untersucht wird, bevor die Entscheidung fällt, ob das Projekt ein herkömmliches, öffentlich ausgeschriebenes Projekt oder ein PPP-Projekt wird. Diese Frage wird bis ins Detail überlegt und ausgelotet. Wenn am Ende die Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit fällt, sollte man das schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, und man sollte nicht von Verramschung und Ähnlichem sprechen, nur weil man die Möglichkeit nicht befürwortet. Ich will das in aller Deutlichkeit sagen.
Liebe Damen und Herren, hier über Autobahnprojekte zu reden, die nicht im Freistaat Bayern durchgeführt werden, finde ich auch sehr ungewöhnlich. Wir haben keinen Einblick in die Arbeit der dortigen Bauämter. Deshalb will ich auf die vorhin getroffene Aussage zurückkommen, lieber Herr Kollege Glauber. Sie haben eine Bundesfernstraßengesellschaft erwähnt. Dabei handelt es sich zunächst einmal um eine Bundesautobahngesellschaft, nicht um eine Fernstraßengesellschaft. Die Bundesstraßen haben wir nach wie vor in unserer Auftragsverwaltung. Es geht – in Anführungszeichen gesetzt – "nur" um die Autobahnen. Ich sage deutlich: Uns ist zugesichert worden, dass auch die neuen Gesellschaften mit dem Personal, das wir bisher beschäftigt haben, betrieben werden. Die Qualität wird letztendlich vom bisher schon beschäftigten Personal abgeliefert. Deshalb wäre ich sehr vorsichtig, wenn ich aus einer weit entfernten Perspektive andere Bauämter und andere Autobahndirektionen kritisieren würde. Ich würde mich zuvor sehr gründlich kundig machen.
Ich will an dieser Stelle sagen: Wir haben durch PPPProjekte, deren Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist, langfristig Sicherheit. Wir haben damit auch für 30 Jahre Sicherheit hinsichtlich der Betriebskosten, wenn es vertraglich vereinbart ist, mindestens aber für die Laufzeit des Bundesverkehrswegeplanes. Dadurch haben wir letztlich wesentlich mehr Sicherheit, Genauigkeit und Planbarkeit als bei herkömmlichen Projekten.
Wir sind auf einem guten Weg. Bei einem Anteil der PPP-Projekte von 10 % ist die Situation ausgezeichnet. Deshalb bitte ich sehr herzlich darum, diesen Antrag, der erstens zum vollkommen falschen Zeitpunkt kommt und zweitens Falsches enthält, abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.
Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/18464 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – SPD und CSU. Kollege Muthmann, Gegenstimme? – Gegenstimme des Kollegen Muthmann (fraktionslos). Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion auf Drucksache 17/18482 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Kollege Muthmann? – Gegenstimme des Kollegen Muthmann (fraktions- los). Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag ebenfalls abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rückstände von Fipronil in Lebensmitteln offenlegen (Drs. 17/18465)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. und Fraktion (SPD) Verbraucherschutz ernst nehmen und Transparenz herstellen: Kontrollen auf Fipronil in bayerischen Legehennenbetrieben und bei verarbeiteten Produkten aus Bayern (Drs. 17/18483)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf als Erster für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Steinberger das Wort erteilen. Sie ist schon bereit. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sind unsere Lebensmittel sicher? Seit Jahren beantworten Sie von der CSU und Ihre Ministerin diese Frage immer wieder mit demselben Mantra: Ja, natürlich, so sicher wie in keinem anderen Bundesland.
Worum geht es denn? – Schon seit Monaten wird in Eiern das Insektengift Fipronil gefunden. Bereits im August hatten wir gefordert, dieses Gift nicht nur in frischen Eiern zu suchen, sondern auch in Produkten mit verarbeiteten Eiern. Der Präsident des LGL hat das damals nicht wirklich ernst genommen, und die Ministerin hat geschwiegen. Bloß keine Aufregung vor der Bundestagswahl, bloß kein Skandal, lautete wohl die Devise. Und was erleben wir jetzt? – Fipronil in verarbeiteten Lebensmitteln im ganzen Land, von München bis Brüssel. Wenn sich am Nachmittag das Kaffeekränzchen zum Kuchen trifft und auch ein Gläschen Eierlikör gereicht wird, sitzt ein Gast am Tisch, den keiner eingeladen hat, und der heißt Fipronil.
Es ist schon richtig, dass hier erhebliche kriminelle Energie am Werk war. Dagegen kann man sich auch nicht zu 100 % absichern. Aber schauen wir uns einmal das Ausmaß des Skandals an. In Holland sind derzeit 180 Betriebe gesperrt. Da fragen wir uns: Ist das vielleicht nur die Spitze des Eisbergs? Die Verbraucherinnen und Verbraucher können mit Fug und Recht von den Behörden verlangen, dass sie über alle Gefahren so schnell wie möglich informiert werden und dass alle belasteten Lebensmittel so schnell wie möglich vom Markt genommen werden. Bei diesem verbotenen Mittel muss unserer Ansicht nach null Toleranz gelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die CSU-Regierung und die zuständigen Behörden können die Verbraucherinnen und Verbraucher dabei nicht hoffen. Von denen werden sie einfach im Stich gelassen. Mich macht es richtig wütend, dass es bei diesem Lebensmittelskandal wieder so läuft wie bei allen anderen Skandalen zuvor. Erst wird in den zuständigen Ministerien rumgeeiert – verzeihen Sie den Ausdruck –, abgewiegelt und verharmlost. Schließlich kommen immer mehr Details ans Licht, übrigens bevorzugt durch die Medien und nicht durch die Behörden. Das ist doch der wahre Skandal.
Welche Aktivitäten hat die Bayerische Staatsregierung unternommen, um die Bevölkerung zu informieren? Schließlich ist der Verbraucherschutz Ländersache. Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer macht dies vorbildlich. Ich komme jedoch zurück zu Bayern. Auf der Internetseite des LGL wurden lange Listen von Printnummern veröffentlicht. Die kennen Sie vielleicht. Das sind die kleingedruckten Nummern auf den Hühnereiern, die man sich ganz genau ansehen muss. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten mit dieser Liste einkaufen gehen, um sicherzugehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann doch nun wirklich nicht alles sein.
Schaut man sich die Internetseite des LGL einmal an, muss man feststellen, dass die Liste der untersuchten Lebensmittel seit Monaten unverändert ist. Gab es wirklich seit August nichts Neues? – Es wäre schlimm, wenn es tatsächlich so wäre. Aus diesem Grund wollen wir eine genaue Auskunft über alle Aktivitäten der Staatsregierung zur Aufklärung der Bevölkerung. Wir wollen ein effektives Kontrollprogramm, und zwar besonders bei verarbeiteten Lebensmitteln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bekannt, dass die großen Legehennenställe massive Probleme mit der Hygiene haben, beispielsweise durch den Befall mit Milben. Gerade die großen Ställe übergeben die Reinigung an Fremdfirmen. Von deren Methoden und Mitteln wissen die Behörden bei uns meistens nichts. Deshalb wollen wir, dass die großen Legehennenbetriebe in Bayern ihre Reinigungspläne offenlegen. Es reicht nicht, die Betreiber zu kontrollieren und zu prüfen, welche Mittel gerade zufällig in der Putzkammer stehen. Diese Sauerei im Hühnerstall muss aufhören.