Protokoll der Sitzung vom 17.10.2017

Danke schön, Herr Dr. Goppel. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Zacharias. Bitte schön.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Prekariat Lehrbeauftragte – nennen wir das Kind doch einmal beim Namen. Herr Goppel, Sie haben das eben so schön ausgeführt und

von 1974 gesprochen. Da war ich zwar schon geboren, aber noch sehr lütt, wie man in meiner Herkunftssprache sagen würde, also klein und unwissend. In den Siebzigerjahren haben Sie also schon festgestellt: Wir brauchen Frauen und Männer an Universitäten, die den Professorinnen und Professoren zuarbeiten, sie also in Teilen unterstützen.

Die Idee war richtig, hierfür Frauen und Männer heranzuziehen, die übrigens höchst qualifiziert sind. Dieser Idee folgen wir bis heute, und sie ist immer noch richtig. Nur hat die Sache einen Haken: Lieber Kollege Piazolo, die SPD-Landtagsfraktion hat schon so viele Anträge zur Situation des Prekariats und zum Skandal der Lehrbeauftragten in Bayern eingebracht, dass ich eigentlich das Thema gar nicht mehr hören kann. Aber es geht um Menschen, um Frauen und Männer, die von dieser Tätigkeit nicht einmal leben können. Ich will schon feststellen, dass sich von 2003 bis zu diesem oder bis zum letzten Jahr die Summe der Lehrbeauftragten, die in prekären Verhältnissen leben, von 6.500 auf ungefähr 12.400 erhöht hat. Sie erteilen nur zwei oder vier Semesterwochenstunden, zum Teil aber auch deutlich mehr Unterricht, und sie müssen vor allem von ihrem Job leben; denn es handelt sich um keinen planbaren Job, der von 8 Uhr bis 12 Uhr ausgeübt wird.

Herr Kollege Jörg, wir wissen aus der Anhörung – da warst du dabei –, dass uns Lehrbeauftragte bestätigt haben, dass es sehr wohl Frauen und Männer gebe, die von dem Job lebten.

(Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU))

Sie arbeiten eben nicht von 8 Uhr bis 12 Uhr, sondern erteilen hier und dort mal eine Stunde sowie am Nachmittag von 17 bis 18 Uhr noch eine Stunde. Sie bekommen übrigens immer noch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld und kein Geld, wenn die Stunde nicht zustande kommt.

Nehmen wir einmal an: Eine Pianistin soll die Stunde von 11 bis 12 Uhr halten, und der Studierende kommt nicht – aus welchen Gründen auch immer. Der oder die Lehrbeauftragte bekommt das Geld nicht ausbezahlt, weil die Stunde ausgefallen ist. Das müssen wir uns einmal vorstellen! Bekommt man in der freien Wirtschaft oder im normalen Arbeitsleben die Stunde nur deshalb nicht bezahlt, weil das Gegenüber nicht gekommen ist? Da möchte ich sehen, wie der Mittelstand reagiert.

Wir leisten uns hier Frauen und Männer, die nicht gut bezahlt werden und die keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bekommen, die keine Vor- und Nachbereitungszeit bezahlt bekommen, und obendrauf "be

lohnen" wir sie noch, indem sie noch nicht mal Mitspracherechte haben. Sie dürfen in den Gremien der Hochschulen und Universitäten nicht mitsprechen. Kolleginnen und Kollegen, ist das unsere Idee von autonomen Hochschulen?

Herr Goppel, ich bin eine große Freundin der Hochschulautonomie. Das wissen Sie. Aber wir müssen alle in allen Gremien mitsprechen lassen, damit man seine eigenen Interessen verfolgen kann. Bei Ihnen in der CSU gilt zurzeit auch sehr intensiv, dass man in allen Gremien mitsprechen darf.

Die Lehrbeauftragten sind explizit ausgeschlossen. Wenn ich dann sehe, Kollege Jörg, dass beim Sprachzentrum an der Universität Würzburg

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

71 % der Lehre von Lehrbeauftragten übernommen wird, also nicht von Professorinnen oder Professoren, die ein deutlich höheres finanzielles Deputat haben, ist das skandalös.

In einem Punkt, Herr Kollege, sind wir uns einig: Auch die Universitäten und Hochschulen haben eine Verantwortung. Wenn man zum Beispiel 100 Stunden zu vergeben habe, kann man sie auch auf 10 anstatt auf 80 Personen verteilen und nicht alle mit kleinen Häppchen versorgen. Wir haben eine beidseitige Verantwortung. Aber der Freistaat hat die Verantwortung, dass kein Mann und keine Frau, der oder die so gut ausgebildet ist, im Prekariat leben muss. Dafür sind wir zuständig, und das müssen wir bejahen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Danke schön, Frau Kollegin Zacharias. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Osgyan. Bitte schön, Frau Osgyan.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen natürlich den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER; denn es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass 12.500 Lehrbeauftragte in Bayern die Möglichkeit bekommen, ihre Interessen innerhalb der Hochschulpolitik, im Personalrat und in der akademischen Selbstverwaltung zu vertreten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Das muss sich endlich ändern. Wir hoffen auf gute Diskussionen dazu und letztlich auch auf Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. Aber wie wir in der Debatte schon eindeutig gemerkt haben, ist das Problem viel

größer und viel breiter. Lehrbeauftragte sind insgesamt in einer sehr prekären Situation.

Wir GRÜNE – auch andere Fraktionen waren tätig – haben durchaus einige Antragspakete in petto, die wir im Wissenschaftsausschuss beraten werden. Wir hoffen, dass sich endlich parteiübergreifend eine Lösung für das Problem abzeichnet, das wir seit Jahren kennen.

Ich nehme auch Ihre Äußerungen, Herr Goppel, so wahr, dass Sie bereit sind, zumindest was die Bezahlung und einige andere Dinge betrifft, mit uns zusammen voranzugehen.

Ich möchte das Ganze noch einmal klarstellen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Lehraufträge sind im Prinzip ein gutes Instrument, um Erfahrungen aus der Praxis an die Hochschulen zu holen. So ist es auch laut Hochschulpersonalgesetz gedacht. Lehrbeauftragte sollen im Nebenberuf an den Hochschulen Unterricht in den selten nachgefragten Fächern oder ergänzenden Unterricht erteilen und nicht die Regellehre übernehmen.

Gesetze sind einzuhalten. Da kann man sich nicht mit Verweis auf die Hochschulautonomie herausreden; denn die Vorgaben sind eigentlich ganz klar. Aber wenn wir uns die Zahlen ansehen, hat sich eindeutig gezeigt, dass sich die Lage gedreht hat. Lehrbeauftragte übernehmen zunehmend Daueraufgaben, für die es keine Dauerstellen gibt. Vielerorts würde die Lehre ohne diese Billiglehrkräfte völlig zusammenbrechen. Wir wissen mittlerweile ganz genau, wo wie viele Lehrbeauftragte tätig sind. Das sind in einzelnen Einrichtungen über 80 %.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Da kann man nicht von einem ergänzenden Charakter reden.

Entschuldigung, Frau Osgyan. Könnten alle Anwesenden bitte etwas ruhiger sein?

(Beifall der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Wenn Sie Diskussionsbedarf haben, was ich durchaus verstehe, gehen Sie bitte nach draußen, wenn das Gespräch länger dauert. Die Grundlautstärke ist zu hoch auf allen Seiten. Bitte seien Sie etwas ruhiger. – Danke schön.

(Beifall der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Wir haben auch schon gehört, dass den Leuten von ihren Lehraufträgen in der Regel ein Hungerlohn bleibt; denn Vor- und Nachbereitungszeiten, Korrekturen und viele andere Aufgaben werden nicht vergütet. Viele wichtige Dinge werden letztlich unbezahlt abgearbeitet. Dafür gibt es eigentlich nur ein Wort – das hat mit Mindestlohn nichts zu tun –, nämlich gar kein Lohn. Dabei handelt es sich letztlich um moderne Sklaverei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lehraufträge dürfen nicht in moderne Sklaverei ausarten. Akademische Lehre soll primär durch reguläre Beschäftigte abgehalten werden. Wir brauchen für die Daueraufgaben deshalb eine genügende Anzahl von Dauerstellen. Alles andere wäre ein Missbrauch des Hochschulrechts, den wir nicht weiter dulden können, und das hat wirklich nichts mit Hochschulautonomie zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beim legitimen Einsatz von Lehrbeauftragten sind eine ordentliche Vergütung und geregelte Vertragsverhältnisse natürlich Pflicht. Die Vor- und Nachbereitungszeiten müssen einkalkuliert werden. Außerdem brauchen wir eine Vergütung auf dem Niveau der Vergütung von Lehrkräften für besondere Aufgaben. Zur Situation der Lehrbeauftragten hat es im Ausschuss bereits ein Fachgespräch gegeben. Die zutage getretenen Ergebnisse waren teilweise mehr als bedrückend.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Lehrbeauftragte schildern, dass sie keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten in reguläre Beschäftigungsverhältnisse haben. Die Lehraufträge, die teilweise seit 20 Jahren laufen, werden nämlich nicht als Berufserfahrung anerkannt. Das ist ein Teufelskreis. Dieser lässt sich beseitigen. Auch hier müssen wir tätig werden.

Wenn ich stattdessen lese, was die Staatsregierung in diesem Bereich offensichtlich anleiert, dann kann es einem nur schlecht werden. In der "Süddeutschen Zeitung" war zu lesen, dass Lehrbeauftragte an den Hochschulen nun Formulare unterschreiben müssen, wonach sie nicht vom Lehrauftrag lebten und diesen nur nebenberuflich ausübten. Dies bedeutet letztendlich, dass die Lehrbeauftragten jahrelang an der kurzen Leine gehalten werden, aber das Problem jetzt auf dem Rücken der Lehrbeauftragten ausgetragen wird, in "Friss-oder-stirb"-Manier. Die Lehrbeauftrag

ten sind wirtschaftlich von den Lehraufträgen abhängig, aber dürfen diese künftig nicht mehr ausüben. So werden wir dem Problem nicht Herr. So geht man nicht mit Menschen um.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir reden nämlich von Menschen, die durchaus "etwas Ordentliches gelernt haben", um es mit den Worten von Herrn Tauber auszudrücken. Die Lehrbeauftragten haben teilweise mehrere Studiengänge abgeschlossen oder promoviert. Sie müssen oft drei oder mehr Lehraufträge annehmen, um über die Runden zu kommen. Die Lehrbeauftragten in den künstlerischen Fächern sind häufig Menschen, die aus einer intrinsischen Motivation heraus zur Selbstausbeutung neigen, weil sie gerne mit jungen Menschen arbeiten. Es ist einfach nur schäbig, dass der Freistaat diese Situation ausnutzt. Ich finde es nur folgerichtig, dass die Lehrbeauftragten der Musikhochschulen demnächst streiken und vor den Landtag ziehen. Ich bin sehr gespannt, was Sie ihnen dann erzählen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das Problem lässt sich nämlich angehen. Das hat rein gar nichts mit Hochschulautonomie zu tun. Wir müssen vor allem die Hochschulen auskömmlich finanzieren, damit sie in der Lage sind, ihre Beschäftigten anständig zu bezahlen und anzustellen. Das werden wir, die GRÜNEN, auch weiter anmahnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Osgyan. – Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über eine Europaangelegenheit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.