Protokoll der Sitzung vom 17.10.2017

werden wir beispielsweise noch einmal darüber reden müssen, ob wir an die Versorgungsgrade herangehen. Wir müssen uns fragen, ob es richtig ist, dass es überversorgte Gebiete beispielsweise in den Groß

städten gibt und ob wir das weiterhin als möglichen Ansatz akzeptieren wollen.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Absolut!)

Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir in dieser Frage nicht auseinanderliegen. Der einzige, der möglicherweise ein Problem damit hat, ist der Kollege Glauber. Aber da bleibt es bei meiner Beschreibung: oberflächlich und substanzlos.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei den FREIEN WÄHLERN – Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER): Sie brauchen sich hier nicht mehr vorzustellen am Schluss!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CSU-Fraktion gebe ich Herrn Kollegen Jörg das Wort. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Geschätzte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? – Was ist jemandem, der in einem Dorf mit 5.000, 6.000, 7.000 oder 8.000 Einwohnern auf dem Land wohnt, ganz wichtig? – Wenn man dort eine Familie gründet, ist es wichtig, dass es dort einen Kindergarten gibt und dass man dort einkaufen kann. Vielen Menschen ist ganz wichtig, dass sie einen Arzt als Ansprechpartner haben. Das ist in der Regel der Wunscharzt bzw. der Hausarzt, der bei allen Sorgen, die man im medizinischen Bereich hat, weiterhilft.

Deshalb ist es wichtig, dass wir alle Maßnahmen ergreifen – das wollen wir vor allem mit diesem großen Maßnahmenpaket tun –, die es noch eher ermöglichen, junge Mediziner oder Mediziner, die anderswo stecken, aufs Land zu bekommen, vor allem in unterversorgte Bereiche oder in Regionen, die von Unterversorgung bedroht sind.

Natürlich hat das Ministerium hier in den letzten Jahren viel gemacht. Das sage ich, weil die Frage kam, warum wir das gerade jetzt einbringen. Aber das Credo der CSU-Landtagsfraktion war, liebe Frau Staatsministerin, auf freiwillige Maßnahmen zu setzen und honorierend zu arbeiten. Deswegen wurden zum Beispiel die Stipendien aufgelegt. Deswegen gab es beispielsweise Geld, wenn man eine Praxis gründet oder eine Praxis übernimmt. Aber wir haben auch festgestellt, dass die Maßnahmen, die wir in den letzten zwei bis drei Jahren eingeführt haben, alleine nicht reichen. Der Anreiz ist noch nicht so stark, dass die jungen Mediziner hinaus aufs Land gehen.

Was müssen wir jetzt machen? – Ich sage als Wissenschaftspolitiker an unsere Adresse, was wir umsetzen müssen. Erstens müssen wir insgesamt mehr medizinische Studienplätze schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Viele sagen zwar, es reiche, aber es reicht eben nicht. Wir haben zwar viele Studienplätze, aber sie reichen deswegen nicht, weil sich die Lebenssituation der jungen Menschen geändert hat, weil auch junge Frauen Landärztin werden wollen. Aber sie wollen auch eine Familie gründen. Das heißt: Wir brauchen mehr Mediziner.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Früher hat ein Landarzt 14 Stunden pro Tag gekämpft. Eine junge Mutter ist heute zu Recht nicht bereit, sich so einzubringen,

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Oder ein junger Vater!)

oder sie möchte in Teilzeit arbeiten. Deswegen brauchen wir mehr Studienplätze im Fach Medizin. Aber ich sage Ihnen Folgendes: Ich verlange von der und bitte die Opposition, überall dort einzugreifen, wo man Verantwortung trägt. Das kann Bayern nicht alleine. Wir machen keinen heimlichen Länderfinanzausgleich und schaffen hier die Studienplätze, bei dem sich alle anderen in der Bundesrepublik zurücklehnen und ihre Kinder überproportional stark zum Studieren nach Bayern schicken. Das funktioniert nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Bayern geht mit Augsburg – 1.500 Studierende werden dort in der Ausbauphase sein – stark in Vorleistung. Deshalb appelliere ich massiv an die Adresse aller: Setzt euch in jedem Bundesland ein und überzeugt eure Kolleginnen und Kollegen, dass auf der Bundesebene insgesamt mehr passieren muss!

Was gehört noch dazu? – Wir müssen die jungen Menschen, die ein Herz für Medizin und das Medizinstudium haben, auch motivieren, damit sie Lust auf die Allgemeinmedizin bekommen. Hier können wir noch einige Hausaufgaben machen. Wir müssen die Lehrstühle für Allgemeinmedizin stärken. Diese sind noch nicht so gut ausgestattet, dass sie für die Lehre junger Professorinnen und Professoren attraktiv wären. Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel: Seit Monaten eiern wir an der medizinischen Fakultät in Würzburg herum, um den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin zu besetzen. Das hat etwas mit der Ausstattung zu tun. Deswegen bin ich meiner Fraktion von Herzen dankbar, dass wir in punkto Ausstattung der Fakultäten zusammenhalten und diese auch in zukünftigen Haushalten besser berücksichtigen. Das ist ein Schwerpunkt unserer Fraktionsarbeit. Deswegen wird es hier auch weitergehen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden die Stipendienprogramme gemeinschaftlich aufstocken, um noch mehr Anreize zu schaffen.

Was sind denn die richtigen Studierenden? – In meinem normalen Leben bin ich auch Jurist. Die Vergabe von Medizinstudienplätzen muss nun einmal auch justiziabel sein. Der Medizinstudienplatz wird wie kaum ein anderes Themenfeld von Papas, die Juristen sind, juristisch beackert. Wir werden das System nicht komplett umstellen können. Aber mit der Landarztquote wagen wir wirklich etwas Neuartiges. Wir wollen zu 20 % berücksichtigen, wie sich jemand gesellschaftlich einbringt. Wir wollen wissen, ob jemand ehrenamtlich tätig ist bzw. wie er sich sonst in der Gesellschaft einbringt. Wir wollen einen Indikator dafür haben, wie leidenschaftlich sich dieser Student später auch als Landarzt auf dem Land integrieren und einbringen kann. Wir müssen nun schauen, ob das juristisch hält.

Darum gibt es das andere Argument. Warum jetzt? – Jetzt gibt es das Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums, wonach wir so etwas juristisch durchaus wagen können. Das gab es nämlich davor nicht. Deswegen ist auch in meiner Fraktion der Mut gewachsen, das Paket jetzt auf den Weg zu bringen. Herzlichen Dank für das große Engagement aller Gesundheits- und Wissenschaftspolitiker; bitte begleiten Sie uns kreativ. Dank gilt auch den FREIEN WÄHLERN, die tun das bereits. Die GRÜNEN machen das bisweilen auch ein Stück weit. Aber SPDler, helft doch bitte mit und geht noch einmal in euch. – Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt noch die Kollegin Waldmann das Wort. Mit Ihrer Redezeit bin ich auch nicht so kleinlich. Aber trotzdem bitte im Rahmen bleiben.

– Natürlich. Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Einlassung der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN übrigens ganz anders verstanden. Diese haben meiner Meinung nach weniger begeistert geklungen. Die meisten Ihrer Anträge wenden sich an andere Akteure, die etwas tun sollen. Die Anträge wenden sich an den Bund, die Unis, die Kassen, die Ärztekammer usw. Da fragt man sich schon, warum Sie nicht das Telefon in die Hand nehmen und die Bitte an die Ärztekammer richten. Gehen Sie auf die Empfänge. Das tun Sie ja eigentlich auch. Sprechen Sie dort mit den Akteuren. Warum tragen Sie uns das hier vor? – Das hat natürlich damit zu tun, dass Sie eine gewisse Aufmerksam

keit erreichen wollen. Daher kommen vielleicht auch diese Reaktionen.

Sie haben sich gefragt, warum Ihre Vorschläge teilweise hier und teilweise draußen von den Akteuren als oberflächlich und substanzlos gescholten wurden. Ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Wir wollen es etwas genauer wissen. Sie fordern Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den Universitäten. Das ist im Prinzip richtig. Wir wollen aber wissen, wie die Förderung genau aussieht. Wir wollen wissen, ob dann an den Universitäten andere Lehrstühle gekappt werden müssen. Wir wollen wissen, ob die Universitäten Geld bekommen und wie viel. Wir wollen wissen, wie das im Einzelnen aussieht und wie es mit der Erhöhung des Stipendiums für angehende Landärztinnen und Landärzte aussieht. Wir möchten die Frage der Finanzierung geklärt haben. Im Moment steht in den Anträgen nur "im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel." Dem können wir nicht zustimmen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Werden die Mittel nicht deutlich aufgestockt, dann reichen diese bestenfalls dafür aus, weniger Studenten mehr Geld zu geben. Wir wollen das genauer wissen. Wir wollen aber auch wissen, wie Sie sich das vom Konzept her vorstellen. Warum ist das Stipendium nur für Studienanfänger gedacht? Warum sollen nicht bereits Studierende ein derartiges Stipendium erhalten?

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Was passiert, wenn sich die Lebensplanung einer Medizinstudentin bzw. eines Medizinstudenten, die bzw. der im Alter von 18 oder 19 Jahren ein Stipendium bezieht und sich ein Leben als Landarzt vorstellen konnte, ändert? Müssen diejenigen dann eine Strafe bezahlen? Haben die dann Schulden? – Diese Fragen sind ungeklärt. Deswegen können wir dem Paket so noch nicht zustimmen. Was heißt "Entschlackung der Facharztausbildung" genau? – Nach Ihrer Meinung ist das ein großer Wurf, und Sie haben damit ihr letztes Pulver verschossen. Wir aber wünschen uns schon mehr Sorgfalt. Wir wollen wissen, was Sie genau damit meinen. Wir können nicht zustimmen, wenn da noch steht "im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel." Das ist an einigen Stellen Quatsch. Ich habe das bereits am Beispiel der Lehrstühle und der Stipendien ausgeführt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sagen Sie uns doch bitte wenigstens, was Sie sich zu fordern trauen wollen. Geben Sie uns bitte zumindest einen solchen Hinweis. Wir wollen wissen, in welche Richtung die Reise geht. So ist uns das zu unkonkret. Das müssen Sie uns zugestehen. Wirklich elaboriert

und sorgfältig ausgearbeitet sind diese Anträge weder konzeptionell noch finanziell. Aus unserer Sicht sind diese Anträge nicht beschlussfähig.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Jetzt hat Frau Staatsministerin Melanie Huml um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst bin ich meiner Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie unsere und meine Arbeit unterstützt und sich Gedanken darüber macht, wie mehr Ärzte für die ländlichen Regionen Bayerns gewonnen werden können.

(Beifall bei der CSU)

Das Thema treibt mich selbstverständlich um. Das Thema treibt die anderen Fraktionen auch um. Wir wollen, dass es in einem Flächenstaat wie Bayern eine ausreichende Versorgung mit Ärzten gibt. Es treibt uns um, dass die Menschen älter werden, im Alter eine verstärkte ärztliche Versorgung benötigen und häufiger einen Arzt aufsuchen müssen. Es treibt uns um, dass in Bayern jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt ist. In den letzten Jahren haben wir in diesem Bereich schon einiges auf den Weg gebracht. Mit dem heutigen Antragspaket, das insgesamt 27 Anträge beinhaltet, wird noch einmal vieles unterstrichen, unterstützt und weiterentwickelt. Natürlich sind auch neue Akzente dabei. Wir gehen mutig in eine Richtung und schauen, ob nicht auch neue Akzente sinnvoll wären.

Was haben wir bereits umgesetzt? – An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass seit 2012 auch unser Förderprogramm dazu gehört. In den Doppelhaushalt 2017/18 haben wir wieder Mittel für das Förderprogramm eingestellt. Damit konnten wir 299 Hausärzte für den ländlichen Raum gewinnen und unterstützen. Das sind 299 Hausärzte für die Versorgung der Menschen. Darunter sind 22 Fachärzte und 50 Psychotherapeuten. Das ist schon einmal ein richtig gutes Ergebnis!

(Beifall bei der CSU)

Momentan erhalten 117 Studierende ein Stipendium von uns. Sie hatten gerade nachgefragt, wie es im Moment aussieht. Bisher beträgt das Stipendium 300 Euro. Wir wollen diese Summe aber auf 600 Euro aufstocken. Das steht auch in einem der Anträge. Wir haben festgestellt, dass noch mehr Anreize gut wären. Für Studierende sind 600 Euro in der Tasche

viel Geld. Wir haben uns selbstverständlich auch überlegt, welche Konsequenzen es gibt, wenn jemand die Bedingungen nicht erfüllen kann. Wir sind nicht blauäugig in das Programm gestartet. Das gibt es ja schon. Was wir für die 300 Euro im Programm haben, wird entsprechend auf die 600 Euro ausgedehnt.

Dieses Programm ist für mich auch so wichtig, weil wir die Medizinstudenten frühzeitig dafür gewinnen müssen, sich für den ländlichen Raum zu interessieren. Ich bin sehr froh, dass sich nicht nur die Gesundheitspolitiker, sondern auch die Wissenschaftspolitiker mit dem Thema beschäftigen. Wir müssen den Medizinstudenten bereits im ersten Semester Anreize geben, um sich später in den ländlichen Regionen Bayerns für die medizinische Versorgung einzusetzen. Dafür brauchen wir die Hochschulen. Diese müssen unterstützen. Wir können diese Sache nicht erst bei den fertig ausgebildeten Ärzten über das Gesundheitsministerium umsetzen. Wir brauchen die Hochschulen. Danke, dass die gesamte Fraktion das Paket unterstützt! Ein Dank gilt auch dem Wissenschaftsministerium, das ebenfalls mit im Boot ist.

(Beifall bei der CSU)

Warum ist das so wichtig? – Ende März haben wir mit den Gesundheits- und Wissenschaftsministern den "Masterplan Medizinstudium 2020" auf Bundesebene verabschiedet. Dort gibt es vieles, was in den Anträgen vertieft behandelt wird. Ich denke an die Landarztquote. Dazu darf ich Ihnen eines sagen: Wir haben jahrelang überlegt, ob die Landarztquote möglich ist. Ich bin Emmi Zeulner, einer Kollegin aus Bayern, sehr dankbar, dass sie eine verfassungsrechtliche Prüfung dieser Frage angestoßen hat. Das Bundesgesundheitsministerium ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Landarztquote verfassungsmäßig in Ordnung ist. Dann konnten wir unseren Weg beschreiten. Das ist doch gut! Ich habe an Gesundheitsministerkonferenzen teilgenommen, auf denen die Kollegen erst einmal gesagt haben: Bayern, gebt doch bitte diesen Wunsch auf! Braucht ihr das denn?

Jetzt, nachdem wir unseren Vorschlag eingebracht und umgesetzt haben, stehen die ursprünglichen Kritiker bei uns Schlange und fragen nach, wie wir es umsetzen. Die Kollegen aus anderen Ländern hätten ein solches Modell nämlich bei sich auch gern realisiert.

Wir senden den Studierenden ein Signal, indem wir ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich für eine spätere, mindestens achtjährige Tätigkeit als Landarzt in Bayern zu verpflichten. Im Gegenzug für diese Verpflichtung gewähren wir im Vorfeld, das heißt beim Zugang zum Studium, gewisse Erleichterungen.

Ich sage Ihnen auch: Wir sind so selbstbewusst, dass wir davon ausgehen, dass es den künftigen Ärzten, wenn sie erst einmal auf dem Land in Bayern tätig sind, dort so gut gefällt, dass sie dableiben und weiterhin im Land als Arzt tätig sind. Das ist Sinn und Zweck der Landarztquote. Danke, dass wir dafür Ihre Unterstützung haben.

(Beifall bei der CSU)