doch, dass die Bemühungen schon sehr alt sind und niemand diesen Weg gehen wollte. Das kann man heute noch nachlesen. An dieser Stelle geht es nicht um Geld für eine Sehbehinderung. Vielmehr soll das Geld die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
Wir können uns kaum vorstellen, wie es ist, blind oder taubblind zu sein. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Mein Großneffe war hochgradig sehbehindert. Später hat er eine Berufsausbildung am Landratsamt absolviert. Alle Hilfsmittel, die er zur Bewältigung des Alltags und für das Lesen benötigt hat, wurden von der Familie selbst bezahlt. Vieles hat auch der Betrieb ermöglicht. Waren Sie schon einmal in einer Einrichtung für Taubblinde? – Dort geht alles über das Fühlen und über Hilfsmittel. Jeder Mensch in diesem Land – das haben Sie zugesagt – hat das Recht, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Dazu zählen auch Schulbesuche und Kulturangebote. Dies verursacht einen großen Lebensmehraufwand. Die Teilhabe war bis zu diesem Gesetz nicht gewährleistet.
Frau Kollegin Deckwerth hat die Zahlen bereits genannt. Wir haben das ebenfalls durchgerechnet. Wird das Pflegegeld nicht auf das Blindengeld angerechnet, entstünden Mehrkosten in Höhe von 3,4 Millionen Euro. Die Zahlen der betroffenen Menschen sind jedoch rückläufig, weil unsere Medizin besser wird. Der größte Teil ist über 60 Jahre alt. Außerdem gibt es eine starke Gruppe im Alter von 30 bis 45 Jahren.
Jetzt ist es soweit, dass dieses Gesetz erlassen wird. Deshalb darf es keine Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld geben. Eines möchte ich Ihnen noch mitgeben. Der Bayerische Landtag ist kein gutes Vorbild für das Ermöglichen der Teilhabe blinder Menschen am gesellschaftlichen Leben. Das Blindenleitsystem im Neubau endet an der Wand. Das ist ein absolut faszinierendes Leitsystem.
Wir haben diese Entscheidung lange vor uns hergeschoben. Viele Länder sind uns weit voraus. Das können die Kolleginnen und Kollegen des Europaausschusses bestätigen. Herr Unterländer, Brasilien ist für mich sicher kein Musterland. Dort werden jedoch Lese- und Schreibgeräte für Blinde staatlich entwickelt und staatlich gebaut, um sie an blinde Kinder oder Kinder mit einer Teilerblindung bis zum Amazonas auszuliefern. Wir in Bayern, der Vorstufe zum Paradies, sind garantiert nicht die Besten. Dieser Weg war steinig und schwer.
Wir werden dem Änderungsantrag der SPD zustimmen. In den letzten Jahren haben wir immer wieder Anträge zu diesem Thema eingebracht. Jeder, der daran zweifelt, sollte vor Ort mit den Menschen reden. Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund stellt Geräte zur Verfügung, mit denen man einen Tag eine hochgradige Sehbehinderung simulieren kann. Auch eine Simulation der Taubblindheit ist beängstigend. Fangen Sie jedoch zunächst mit der Sehbehinderung an. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck. Wir müssen etwas ändern.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Celina von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Kennen Sie den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier"? Es ist eine amerikanische Filmkomödie aus dem Jahr 1993 mit Bill Murray, der in einer Zeitschleife festsitzt und immer wieder denselben Tag erlebt. Manchmal fühle ich mich bei dem Thema Blindengeldgesetz wie in einer Zeitschleife.
Immer wieder haben wir es mit diesem Thema zu tun. Es ist so wichtig, dass wir das entsprechende Gesetz schon vor Jahren hätten verabschieden sollen.
In den vergangenen Jahren habe ich im Plenum circa 50-mal geredet – zu keinem Thema öfter als zum Blindengeld. Allein dazu habe ich sechsmal gesprochen, beginnend am 4. November 2014. Gemessen daran, dass ich für Sozialpolitik, gesundheitspolitische Themen, Arbeitsmarktpolitik und Jugendpolitik zuständig bin, nimmt das Thema Blindengeld einen riesigen Anteil an meinen Reden ein. Ich wünsche mir, dass es heute das letzte Mal ist – es sei denn, Sie, liebe Kollegen von der CSU, greifen unsere Änderungsvorschläge in einigen Monaten doch noch auf, und es besteht die Chance, das Gesetz dahin gehend – leicht – zu verändern. Dann, aber nur dann rede ich gern noch einmal zu diesem Thema.
Heute gilt: Endlich kann verabschiedet werden, was Sie von der CSU schon im Jahr 2012 versprochen haben.
Irgendwie verstehe ich, warum Politiker im Durchschnitt relativ alt sind: Wenn wir auf alles so lange warten müssen wie auf die Verbesserung der finan
ziellen Situation für hochgradig Sehbehinderte, dann muss man in diesem Beruf ja alt und grau werden, um irgendwann die Früchte seiner Arbeit einfahren zu können.
Liebe Kollegen von der SPD, Sie – und wir – haben schon vor Jahren entsprechende Gesetzentwürfe eingereicht; heute fahren wir die Ernte ein.
Die CSU mag nun am Steuer sitzen. Aber wir haben jahrelang den Treibstoff für das Vorankommen bei diesem Thema geliefert.
Liebe Kollegen von der CSU, Ihnen möchte ich noch einmal sagen: Durch Ihre jahrelange Verzögerung und Taktiererei haben Sie nicht nur unsere grünen Gesetzentwürfe und sonstigen Vorschläge blockiert, sondern Sie haben den Menschen mit sehr starker Sehbehinderung jahrelang eine Leistung verweigert, die Sie lange versprochen hatten.
Damit sind konkret die Menschen gemeint, die ein Restsehvermögen von nur noch 5 % haben und längst nicht alles sehen können, auch wenn sie es nahe vor ihren Augen haben. Diese Menschen können zum Teil nur im seitlichen Blickfeld etwas erkennen. Wenn Kontraste fehlen, hilft es ihnen nichts, wenn sie etwas vor Augen haben. Menschen mit einem winzigen Restsehvermögen führen ein Leben, das viel näher am Leben eines blinden Menschen als am Leben eines Sehenden ist. Es ist schofelig, dass Sie von der CSU – zumal in Zeiten hoher Finanzkraft – das von der SPD und uns alle zwei Jahre beantragte Teilblindengeld für diese Menschen verweigert haben.
Am Schluss ein Ausblick auf die Zukunft: Liebe Kollegen von der CSU, Sie lehnen es ab, die Anrechnungsbeträge bei den Pflegeleistungen dahin gehend zu verändern, dass pflegebedürftige Menschen tatsächlich einen nennenswerten Teil des Teilblindengeldes für ihren behinderungsbedingten Mehraufwand behalten können. Im Zweifelsfall bleiben ihnen nur 20 Euro. Das ist zu wenig. Das muss auch Ihnen klar sein.
Herr Unterländer, bei dem Sockelbetrag und den Anrechnungsregelungen wird es zu Veränderungen kommen. Es wird vielleicht wieder fünf Jahre dauern, aber wir werden wieder im Plenum darüber reden. Das kann ich Ihnen heute schon garantieren.
Danke schön. – Jetzt hat Herr Staatssekretär Hintersberger das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist heute ein guter Tag. Ich darf dieses Zitat des Kollegen Unterländer aufgreifen. Die "Ernte" – wenn Sie es denn so bezeichnen wollen, liebe Kollegin – fährt nicht irgendjemand hier ein. Die Ernte fahren die Menschen ein, für die wir alle das zusätzliche Blindengeld beschließen. Den schwer sehbehinderten Menschen kommt der Mehrwert dieses Gesetzes zugute.
Meine Damen und Herren, Bayern ist das erste Bundesland, das bereits 1949 – damals natürlich auch vor dem Hintergrund der hohen Anzahl an Kriegsversehrten – ein einkommens- und vermögensunabhängiges Blindengeld als reine Landesleistung eingeführt hat. Bayern war somit Vorreiter und ist nach wie vor Vorbild, wenn es um die Unterstützung blinder Menschen geht.
Ein weiterer wichtiger Eckstein unserer bayerischen Politik für sehbehinderte Menschen war die Verdoppelung des Blindengeldes für taubblinde Menschen zum 1. Januar 2013.
Mit einem Blindengeld von derzeit 590 Euro und einem Taubblindengeld von 1.180 Euro pro Monat steht Bayern bundesweit mit an der Spitze der Landesleistungen für blinde und taubblinde Menschen. Allein im vergangenen Jahr wurden über 80 Millionen Euro Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz ausgezahlt. So konnten rund 13.500 blinde bzw. taubblinde Menschen finanziell unterstützt werden. Dies ist gut so, weil diese Menschen einen besonders hohen Mehraufwand haben, zum Beispiel für eine spezielle Assistenz. Die blindheitsbedingten Einschränkungen bzw. Defizite wollen wir so weit ausgleichen, dass auch diese Menschen am gesellschaftlichen Leben selbstständig teilhaben können.
In einem weiteren Schritt wollen wir jetzt – daher ist es mir wichtig, diesen Bogen weit zu spannen – die besondere Situation von hochgradig sehbehinderten und taubsehbehinderten Menschen verbessern. Die Definition haben Sie gehört; Sie finden sie auch im
Gesetzestext. Auch diese Menschen brauchen finanzielle Unterstützung. Wir wollen daher ein Sehbehindertengeld für von hochgradiger Sehbehinderung betroffene Menschen in Höhe von 30 % des Blindengeldes für blinde Menschen sowie für Menschen mit Taubsehbehinderung ein Taubsehbehindertengeld in doppelter Höhe, das heißt mindestens 352 Euro pro Monat, einführen. Diese Leistungen werden wie das Blindengeld alters-, einkommens- und vermögensunabhängig gewährt.
Zur Finanzierung der neuen Leistungen ist der Haushaltsansatz 2018 für das Blindengeld bereits um 12 Millionen Euro erhöht worden. Bei der Festlegung des Rahmens bzw. der Höhe der neuen Leistungen haben wir uns auch sehr eng mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund abgestimmt. Ich darf den Landesgeschäftsführer Herrn Erzgraber begrüßen, der heute anwesend ist. Danke für diese engen, konstruktiven Gespräche!
Die Anträge auf Herabsetzung der Anrechnungssätze von Pflegegeld und auf Erhöhung des Sockelbetrages lehnen wir aus Gründen der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Doppelzahlungen ab.
Die sogenannten Sockelzahlungen sind kein eigenständiger Aspekt, sondern dienen dazu, Negativzahlungen zu vermeiden.
Liebe Frau Deckwerth, ich darf es wiederholen: Blindheit ist kein Grund für Pflegegeld. Daher ist unser Gesetzentwurf auch systematisch richtig. Der gesamte Bereich des Pflegegeldes muss in die Betrachtung einbezogen werden. Eine Verringerung der Anrechnungssätze von Pflegegeld allein für hochgradig sehbehinderte und für taubsehbehinderte Menschen würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung gegenüber blinden oder taubblinden Menschen führen. Wenn Pflegegeld gezahlt wird – diese Feststellung gilt unabhängig von einer Behinderung oder einem genauen Krankheitsbild –, dann verbindet der Gesetzgeber damit auch die Absicht, das Ziel eines gelingenden Alltags zu erreichen. Dieses Ziel verfolgt auch das Blindengeld. Eine Streichung der Anrechnung von Pflegegeld würde mithin eine Doppelzahlung darstellen. Eine Doppelzahlung ist auch von dieser Systematik her von unserer Seite abzulehnen. Ich bitte um Ihre Unterstützung für diesen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes für die Menschen, die von hochgradiger Sehbehinderung betroffen sind.
Danke schön, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/17055, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 17/17305 und 17/17703 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration auf Drucksache 17/18659 zugrunde. Vorweg ist über die vom federführenden Ausschuss zur Ablehnung empfohlenen Änderungsanträge der Fraktionen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD abzustimmen. Zum Antrag der SPD-Fraktion ist namentliche Abstimmung beantragt worden.
Ich lasse zunächst in einfacher Form über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag auf Drucksache 17/17305 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Muthmann (fraktionslos). Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Es folgt nun die Abstimmung über den Änderungsantrag von Abgeordneten der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/17703, und zwar in namentlicher Form. Für die Stimmabgabe sind Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaals und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abstimmungszeit ist um. Ich unterbreche die Sitzung, bis das Ergebnis der Abstimmung vorliegt, weil erst dann über den Gesetzentwurf abgestimmt werden kann.