Protokoll der Sitzung vom 25.10.2017

(Unterbrechung von 13.48 bis 13.50 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die Sitzung wieder auf. Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu dem zum Gesetzentwurf der Staatsregierung eingereichten Änderungsantrag der Abgeordneten Deckwerth, Rauscher, Pfaffmann und anderer und Fraktion (SPD) , Drucksache 17/17703, bekannt und bitte, die Plätze einzuneh

men. Mit Ja haben 64 gestimmt, mit Nein haben 84 gestimmt. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Zustimmung. Der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung dem Gesetzentwurf ebenfalls zu. Ich verweise hierzu auf die Drucksache 17/18659. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Muthmann (fraktionslos). Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Dann ist es so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abgeordnete Muthmann (fraktionslos). Gegenstimmen? – Bitte nehmen Sie die Plätze ein, sonst kann das nicht sicher festgestellt werden. – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes".

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 2)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 2)

Wer mit der Übernahme des jeweils maßgeblichen Ausschussvotums entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich sehe bei der CSU nur zögerliche Zustimmung. –

(Volkmar Halbleib (SPD): Die sind noch beim geordneten Übergang, Herr Präsident! – Heiterkeit bei der SPD)

Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Starke Oberstufe - starkes Gymnasium: Leistungskurs einführen! (Drs. 17/18703)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war während der Pfingstferien im Jahr 2013. Damals schrieb ich die Grundkonzeption unseres Volksbegehrens zum neunjährigen Gymnasium. Ich hatte mir lange Gedanken darüber gemacht, was man dort zur Oberstufe hineinschreiben sollte. Ich sage ganz offen, dass ich mir damals nicht ganz sicher gewesen bin, in welche Richtung es bei einem neuen neunjährigen Gymnasium in Bayern gehen sollte. Jeder, der heute diese zehn Seiten durchliest, wird dazu auch nichts finden. Wir haben es dann offengelassen. Ich weiß nicht einmal, ob das die eigene Fraktion überhaupt bemerkt hat.

Das ist aber ein wichtiges Thema. Schließlich bildet die Oberstufe die Schwelle zum Erwachsenwerden. Es geht hier auch um die von den Schülern gewollte Selbstbestimmtheit. Deshalb habe ich in den letzten viereinhalb bis fünf Jahren beinahe jede Schülergruppe gefragt, wie sie sich eigentlich Oberstufe vorstelle. Das Interessante ist, dass bei den meisten der Wunsch nach einem Neigungsfach kam. Man wolle mehr wählen können. Ich habe auch bei den Lehrern und bei jedem Sommerfest des Philologenverbandes viel herumgefragt. Immer wieder kam die Aussage: Die Leistungskurse, die Leistungskurse – die sind doch etwas gewesen!

Wir FREIE WÄHLER glauben deshalb, dass Leistungskurse etwas Sinnvolles sind. Für den Lehrer be

steht hier der fachliche Anspruch, und für die Schüler ist es ein Neigungsfach. Das ist das Fach, das die Schüler wählen wollen, ihr Lieblingsfach, in dem sie etwas mehr machen wollen. Wir FREIE WÄHLER sagen deshalb: Dann machen wir das doch! Dann machen wir das und bieten in der Oberstufe künftig wieder mindestens einen Leistungskurs an.

Ich glaube und ich bin sicher, das hat viele Vorteile. Zum einen bauen wir dabei die Fachlichkeit aus. Ein Fach wird vertieft. Hier können nicht nur die Grundlagen gelegt, sondern vielleicht auch die Geheimnisse eines solchen Faches erforscht werden. Das ist der Wunsch der Lehrer. Zum anderen steigern wir die Flexibilität bei den Schulen. Wir machen ein Wahlangebot und setzen Schwerpunkte. Wir steigern die Exzellenz bei einzelnen Gymnasien. Das ist eine Chance für die Schulen.

Was mir aber am wichtigsten ist: Wir nehmen die Neigungen von Schülern auf und verstärken sie. Wir fördern Talente, wir wecken Freude, und wir erweitern die Kompetenzen der Schüler. Das ist der Vorteil für die Schüler. Meines Erachtens erhöhen wir damit zu guter Letzt auch die Studierfähigkeit. Diese liegt uns im Hochschulausschuss am Herzen. Wir senken vielleicht die Abbruchquoten, wir erhöhen das Fachwissen, und wir schaffen einen leichteren Übergang vom Gymnasium an die Hochschule. Das wäre ein Vorteil für die Hochschulen.

Wir schaffen mit diesem System also eine Win-winwin-win-Situation. Vier Gewinner: die Schulen, die Hochschulen, die Lehrer und nicht zuletzt die Schüler! Mehr kann man durch eine solche Oberstufe eigentlich nicht erreichen.

Nach der Vorstellung der FREIEN WÄHLER ist diese Oberstufe ein umfassendes Vorteilsmodell. Zum einen erhalten wir Bewährtes, zum anderen wollen wir Neues gestalten. Was kann eine Gruppierung, die in der Mitte der bayerischen Gesellschaft verankert ist, Besseres zum Ziel haben?

Die Pflichtfächer sollen bleiben, und bleiben soll auch das Abitur in den Kernfächern. Wir wollen aber die Kombinationsmöglichkeit mit Wahlfächern. Wir wollen die Neigungen der Schüler ausbauen. Weiterhin wollen wir den Klassenverband, den wir nicht, wie früher in der Kollegstufe, auflösen wollen. Die Gestaltungsfreiheit wird aber durch einen Leistungskurs erhöht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe in diesem System, wobei wir über die Details natürlich gerne noch reden können, große Vorteile sowohl für die Schule, die Hochschule und die Lehrer als auch für die Schüler. Der Schüler steht bei uns im Mittelpunkt. Der Schüler möchte Neigungsfächer, er möch

te Leistungskurse. Wir hätten bei diesem Modell in der Oberstufe mehr Zeit und wollen diese nützen. Wir bekommen bessere Leistungen, und wir bekommen mehr Freiheit. Etwas Besseres kann es nicht geben. Für uns ist deshalb klar: Dieses Modell, das wir FREIE WÄHLER entwickelt haben und vorantreiben wollen, verwirklicht eine starke Oberstufe in einem starken Gymnasium in einem starken Bayern. Das ist unser Ziel als FREIE WÄHLER. Dafür werden wir uns einsetzen. Dafür werden wir werben. – Ich hoffe, dass wir dafür auch Zustimmung bekommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Lederer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Piazolo, ich stimme Ihnen zu: Dieses Thema ist wichtig. – Genau deshalb verstehe ich nicht, dass Sie dieses wichtige Thema heute per Dringlichkeitsantrag ins Plenum bringen.

(Beifall bei der CSU – Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Warum nicht?)

Ich bin der Meinung, dass dieses Thema sehr breit diskutiert werden sollte. Ich sehe auch keinen Grund, warum man nicht eine Woche oder zwei Wochen warten konnte, um das Thema im Bildungsausschuss intensiv und breit zu diskutieren.

(Dr. Otto Hünnerkopf (CSU): Genau so ist es!)

Aber vielleicht gibt uns das heute die Gelegenheit, auf die Historie des Ganzen einzugehen.

Das Fünf-Fächer-Abitur wurde damals nicht nach Beschluss zu einem Dringlichkeitsantrag eingeführt, sondern sehr viele Menschen haben sich sehr intensiv damit beschäftigt.

(Karl Freller (CSU): Sehr richtig!)

Eine Bildungskommission wurde ins Leben gerufen, in der neben Schülern und Lehrern, die Sie bereits angesprochen haben, auch Schulleiter, Eltern sowie Vertreter von Hochschulen und Wissenschaft mit am Tisch saßen. Sie waren nach eingehenden Überlegungen der Meinung, dass man die Stärkung der allgemeinen Studierfähigkeit eher als die Fachlichkeit und die individuelle Wahlfreiheit in den Mittelpunkt stellen sollte; denn man wollte die Grundlagenfächer stärken und deswegen in Deutsch, in Mathematik und

in Fremdsprachen eine schriftliche Abiturprüfung haben.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das wollen wir weiterhin!)

2006 wurde die entsprechende Reform dazu durchgeführt. Seit dieser Zeit wird die Frage "Leistungskurs: ja oder nein?" immer wieder diskutiert. Die Frage lautet: Wie geht man mit diesem Thema um?

Dazu hat die Bayerische Staatsregierung einen ganz klaren Fahrplan. Nachdem das Gesetz demnächst beschlossen und festgelegt sein wird, wie die bayerischen Gymnasien mit Blick auf die Stundenzahl und auf die Schuljahre ausgestattet sind, wird zuerst eine Stundentafel festgelegt, auf der dann der Lehrplan aufgebaut wird. Angedacht ist – so wurde es auch kommuniziert –, dass bis Mitte oder Ende nächsten Jahres die Stundentafel für die Unterstufe und für die Mittelstufe steht. Darauf kann der Lehrplan aufgebaut werden. Bis Mitte oder Ende 2019 soll die Oberstufe konzipiert werden.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Aber ihr müsst doch wissen, was ihr wollt!)

Dabei muss ich sagen: Das ist voraussichtlich so der Fall. Warum?

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazo- lo (FREIE WÄHLER))

Das ist der Fall, weil sich die KMK-Verhandlungen derzeit mit der Oberstufe beschäftigen. Wie Sie wissen, existieren in Deutschland unterschiedliche Vorgaben für das Abitur. Einige Länder haben das VierFächer-Abitur mit Grund- und Leistungskursen. Andere Länder haben das Fünf-Fächer-Abitur mit einer breiten Allgemeinbildung. In der KMK stellen sich diese Fragen: Will man auf eine dieser beiden Möglichkeiten mehr Wert legen? Soll der Trend in eine einzige Richtung gehen, oder soll man diese beiden Systeme irgendwie zusammenführen? – Solange das noch nicht geklärt ist, ist es wenig sinnvoll, dass wir in Bayern eine Entscheidung treffen, die davon völlig losgelöst ist.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazo- lo (FREIE WÄHLER))

Ich warne davor, eine Entscheidung unabhängig von den KMK-Diskussionen zu treffen. Vielmehr sollte zu gegebener Zeit eine Entscheidung im Einklang mit der KMK getroffen werden.

Das bisherige Verfahren beim bayerischen Gymnasium, den Dialog mit Sachverständigen aus den Ver

bänden zu suchen, hat sich meines Erachtens bestens bewährt. Wir haben eine sehr hohe Akzeptanz. Dieser Weg des Dialogs mit den Fachverbänden sollte weitergeführt werden; denn aus meiner Sicht gilt auch hierbei: Qualität geht vor Schnelligkeit.