Protokoll der Sitzung vom 14.11.2017

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Das stimmt!)

es handelt sich auch nicht um irgendwelche Eliten, sondern es handelt sich um Juristen und Juristinnen, die aufgrund von Eignung, Leistung und Befähigung an diese Stelle in diesem Pool gekommen sind, aus dem man die absoluten Spitzenstellen besetzt. Was daran intransparent sein soll,

(Franz Schindler (SPD): Das sehen die Richter aber anders!)

entzieht sich nach wie vor meiner Kenntnis. Wir haben das ja schon öfter diskutiert.

(Volkmar Halbleib (SPD): Aber ein bisschen mehr Respekt vor dem Richterverein sollte schon sein!)

Wir begrüßen es deshalb, dass Leistung, Eignung und Befähigung auch in diesem Gesetz im Vordergrund stehen. Wir begrüßen es, dass letztendlich keine Richter-Wahl-Ausschüsse gebildet werden und dass kein völlig entkoppeltes eigenständiges Dienstrecht geschaffen wird, sodass auch in Zukunft die Aufteilung der Fachgerichtsbarkeiten auf die jeweiligen Fachressorts sichergestellt ist.

Wir begrüßen auch, dass eine sehr klare Regelung zum Thema Kopftuch geschaffen wurde. Jeder Bürger und jede Bürgerin muss sich darauf verlassen können, dass Neutralität und Unvoreingenommenheit gewährleistet sind, wenn sie ihre Rechtsangelegenheit einem Richter oder einer Richterin, einem Rechtspfleger oder einer Rechtspflegerin oder auch einem Rechtsreferendar oder einer Rechtsreferendarin anvertrauen.

Wir halten auch die Schaffung eines IT-Rates zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit für absolut wichtig, richtig und erforderlich. Die Vorteile der IT müssen genützt werden können, ohne dass eine Gefahr für die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung besteht. Die Beteiligungsrechte des Richterrats und des Staatsanwaltschaftsrats und ähnlicher Gremien werden in diesem Gesetzentwurf klar geregelt. Dies gilt auch für die Fortbildungspflicht. Wir halten dies für wichtige Entscheidungen für die Zukunft. Künftig wird es hier keine Unübersichtlichkeit mehr, sondern klare Regelungen geben.

Wir halten diesen Gesetzentwurf für eine gute Grundlage zur Diskussion im Ausschuss; denn dort gehört er hin. Sie behaupten, dieser Gesetzentwurf wäre intransparent und die darin enthaltenen Regelungen wären nicht erforderlich. Ich halte das für ungerechtfertigt. Wir freuen uns auf interessante Diskussionen im Ausschuss. Vielleicht können Sie dort einmal erklären, was daran intransparent sein soll, wenn die obersten Stellen mit Spitzenleuten besetzt werden. Wir haben schon oft darüber diskutiert, dass diese Stellen auch ausgeschrieben werden könnten.

Wir halten diesen Gesetzentwurf für eine gute Grundlage, um die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter auch in Zukunft zu garantieren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat auch in der Zukunft zu gewährleisten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Streibl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zunächst möchte ich Ihnen ein Lob dafür aussprechen, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Die letzte Änderung dieses Gesetzes wurde am 11. Januar 1977 vorgenommen. Deshalb muss ich sagen: Es wurde Zeit, dass dieses Thema in Angriff genommen wird.

Ich möchte mich allerdings meinem Kollegen Schindler anschließen: Ein großer Wurf ist dieser Gesetzentwurf nicht. Wir hätten mehr erwarten können. Schön ist, dass hier der Entwurf eines Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes vorgelegt wurde. Staatsanwälte sind ein wichtiges Organ der Rechtspflege. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass auch die freie Advokatur, die Rechtsanwälte, ein sehr wichtiges Organ der Rechtspflege sind.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Jürgen W. Heike (CSU))

Die Staatsanwälte haben aber eine grundsätzlich andere Aufgabe als die Richterschaft. Die Richterschaft ist auch wesentlich breiter aufgestellt; ich nenne nur die Strafjustiz und die Ziviljustiz. Deshalb ist es nicht schlüssig, dass die Staatsanwälte in diesen Gesetzentwurf aufgenommen wurden. Der alleinige Grund dafür könnte der Umstand sein, dass in Bayern ein Laufbahnwechsel möglich ist. Das hätte eine gewisse Logik, die nachvollziehbar ist.

Herr Minister, Sie haben die Amtstracht angesprochen, die Robe der Richter, die eine Symbolik ausdrückt. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Richter neutral erscheint. Das müssen wir nicht unbedingt in ein Gesetz schreiben. Dadurch wird nämlich die Frage in den Raum gestellt, was denn für die Schöffen gelten soll. Dieser Gesetzentwurf gilt für die Berufsrichter, aber nicht für die Schöffen. Des Weiteren, wenn wir bei den Richtern anfangen, religiöse Symbole zu thematisieren, wird der Schritt nicht weit sein, dass auch das Kreuz im Gerichtssaal thematisiert wird, das nach meiner Meinung dort einen ganz spezifischen, wichtigen Platz hat. Wir sollten deshalb diese Diskussion gar nicht aufmachen. Mit diesem Gesetzentwurf haben Sie diese Diskussion aufgemacht; denn in der Folge kann argumentiert werden: Warum das Kreuz im Gerichtssaal, aber nicht das Kopftuch bei der Richterin? Sie müssen sehen, wie Sie hier argumentativ wieder herauskommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Fortbildungen sind sehr wichtig. Deshalb ist es gut, dass sie in diesen Gesetzentwurf aufgenommen wurden. Die Richterschaft steht inzwischen nämlich einer sehr hochspezialisierten Fachanwaltschaft gegenüber, die sich häufig mit der Richterschaft auf Augenhöhe oder darüber hinaus unterhalten kann. Deshalb ist es wichtig, dass die Richterschaft Fortbildungen belegt. Allerdings sollte nicht nur eine Fortbildungspflicht normiert werden, sondern auch ein Fortbildungsanspruch.

Die Richterschaft muss einen Anspruch und ein Recht auf Fortbildung haben. Der Begriff Fortbildung darf dabei nicht nur fachliche Veranstaltungen umfassen, die sehr wichtig sind, sondern auch sozial-ethische Fortbildungen. Außerdem sind Fortbildungen im Hinblick auf die Sprachfähigkeit erforderlich. Die Bürgernähe der Justiz hängt sehr stark davon ab, wie wir mit den rechtsuchenden Bürgern sprechen. Juristen haben leider sehr oft den Hang zu einer elitären Fachsprache, die in der Bürgerschaft nicht mehr verstanden wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aufgabe der Organe der Rechtspflege, speziell der Richterschaft, ist es, ihre Sprache für die Bürger verständlich zu machen und sie wieder in die bürgerliche Sprache zu übersetzen. Eine Entscheidung kann nur dann angenommen werden, wenn sie auch verstanden wird. Deshalb muss auch dies Teil der Fortbildung sein.

Nun zu den Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten. Herr Kollege Schindler hat bereits ausgeführt, dass wir bezüglich der Neutralität der Justiz und der Richterschaft nicht so sehr auf das Kopftuch schauen müssen, sondern auf die Art und Weise, in der die Ämter von Richtern und Generalstaatsanwälten vergeben werden. Dadurch, dass Richterämter und die Ämter der Generalstaatsanwälte von der Staatskanzlei besetzt werden, ist bereits der böse Anschein erweckt, mit dem die Neutralität infrage gestellt werden könnte. Hier müsste angesetzt werden, weniger bei der Robe.

Nun zur IT-Ausstattung und zu den IT-Räten. Das sind wichtige Punkte. Ich habe Respekt davor, dass diese Punkte jetzt in den Gesetzentwurf aufgenommen wurden; denn die Digitalisierung, die elektronische Akte und der elektronische Rechtsverkehr werden die Zukunft in unserer Justiz sein. Dazu ist es erforderlich, das elektronische Equipment in den Gerichten und den Amtsstuben der Richter zur Verfügung zu stellen. Ein Richterrat allein reicht dafür nicht aus. Wir brauchen noch wesentlich mehr Anstrengungen, um den

Schutz der Unabhängigkeit bei der Datenverarbeitung zu gewährleisten. Wir müssen wesentlich tiefer einsteigen, damit diese Unabhängigkeit auch künftig gewahrt bleibt.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Hier können wir noch nachlegen. Dieses Gesetz ist ein Anfang. Wir sollten jedoch noch weitergehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Gote.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, Sie haben diesen Gesetzentwurf als umfassende Neujustierung des Richter- und Staatsanwältegesetzes angekündigt. In der Begründung wird schon ausgeführt, dass einige Punkte, die sich über die Jahre chaotisch entwickelt haben, wieder auf die Füße gestellt werden. Ich muss Ihnen aber das sagen, was schon meine Kolleginnen und Kollegen vorher gesagt haben: Ihnen ist kein großer Wurf gelungen. Wir halten dieses Gesetz insgesamt nicht für zeitgemäß und auch nicht für zukunftsfähig. Ehrlich gesagt ist dieses Gesetz in weiten Teilen auch nicht notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, welche Lösung zukunftsfähig wäre: Besser wäre es, die Zuständigkeiten für alle Gerichte in einem Ministerium zusammenzuführen. Dadurch, dass derzeit verschiedene Ministerien zuständig sind, entstehen immer wieder Schwierigkeiten. Die Art und Weise, in der Besetzungen vorgenommen werden, ist nicht gut für den Ruf der Justiz. Die Zuständigkeiten sind zersplittert. Daran ändern Sie aber nichts. Das wäre aber nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zeitgemäß wäre eine unabhängige und autonome Justiz sowie die Selbstverwaltung der Gerichte, wie sie das Bundesverfassungsgericht auf Bundesebene vormacht. Das wäre eine vorbildliche Sache. In diesem Punkt gibt es bei Ihnen null Fortschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wäre ein erster Schritt, wenigstens vorzusehen, die Richterinnen und Richter an der Personalauswahl zu beteiligen. In diese Richtung sollten wir gehen. Das machen andere Bundesländer auch. Auch da tun Sie nichts. Sie bleiben dabei, dass Präsidialstellen nicht

ausgeschrieben werden. Deren Besetzung geschieht nahezu in Selbstherrlichkeit vom Ministerium. Das haben wir erst kürzlich in diesem Haus und im Ausschuss diskutiert. Bayern kann froh sein, dass es zu Deutschland gehört und Deutschland schon in der Europäischen Union ist. In Polen sollen die Richterinnen und Richter zukünftig von der Exekutive ernannt werden. Wenn ich mir anschaue, wie die Europäische Union darauf reagiert, dann käme Bayern mit diesem Gesetz nicht einmal mehr in die EU. So sieht es aus. Daraus wird klar, dass das nicht zukunftsfähig und nicht zeitgemäß ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Überflüssig ist der Teil des Gesetzes, der sich auf die Kleiderordnung bezieht. Sie tun so, als müsste ein riesiges Problem gelöst werden, welches täglich in den bayerischen Gerichten auftritt. Das ist überhaupt nicht der Fall. Sie betreiben wieder einmal nur Symbolpolitik. Das wird schon daran deutlich, dass Sie und die Rednerin der CSU nicht über religiöse Symbole gesprochen haben, sondern nur über das Kopftuch. Hier haben Sie sich selbst entlarvt. Es geht Ihnen im Grunde nicht darum, die Neutralität zu stärken, wie der Kollege Streibl sagt, sondern darum, wieder einmal einen Punkt gegen Muslime zu setzen. Das ist überflüssig und nicht notwendig. Das ist alles andere als das, was angesagt wäre, wenn ich mir den gesellschaftlichen Zusammenhalt anschaue. Sie müssen sich schon über die Konsequenzen des Gesetzes Gedanken machen. Das Gesetz könnte dazu führen, dass Menschen, die sich bestimmten Religionen wie dem Islam, dem Judentum oder dem Sikhismus zugehörig fühlen, nicht mehr in die Justiz gehen bzw. kein Richteramt mehr bekleiden wollen, da sie denken, dort ohnehin keine Chance zu haben. Ich erwarte in der Debatte eine Antwort von Ihnen. Diese Konsequenz wollen wir alle nicht. Wir wollen doch auch, dass unsere Justiz die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite widerspiegelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Die Begründung zu diesem Punkt ist unglaublich ausführlich, sehr klug und differenziert. Das habe ich wohlwollend wahrgenommen. Dies zeigt jedoch auch, dass Sie sich bewusst sind, sich auf sehr, sehr dünnem Eis zu bewegen.

In diesem Zusammenhang müssen natürlich auch die Kreuze in den Gerichtssälen angesprochen werden. Diesen Punkt hat der Kollege Streibl schon angesprochen. Das werden wir sicherlich im Ausschuss und auch in der Zweiten Lesung ausführlicher tun müssen. Ich weise darauf hin, dass es zu Kreuzen im Gerichts

saal kein Gesetz gibt. In vielen bayerischen Gerichtssälen gibt es überhaupt kein Kreuz an der Wand. Das ist im Grunde eine Debatte, die symbolisch geführt wird. Insgesamt ist es gut, wenn unsere Justiz neutral ist und bleibt. Wenn wir gemeinsam einen Schritt weiter kämen, wäre das sicherlich gut. Aber mit diesem Gesetz kommen wir keinen Schritt weiter. Deshalb sehen wir das ganze Gesetz sehr kritisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Die Aussprache ist damit geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 e auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes "Auf die Lehrkräfte kommt es an" (Drs. 17/18840) - Erste Lesung

Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit beträgt die Redezeit für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zehn Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist der Kollege Gehring.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als jemand, der Lehramt Geschichte studiert hat, blicke ich gerne zurück. Ein Blick in die bayerische Geschichte und in die getrennte Lehrerbildung lohnt sich. Ich habe ein schönes Zitat der damaligen bayerischen Regierung mitgebracht:

Da viele Lehrer mehr Kenntnisse besitzen, als sie zur Ausübung ihres Berufes bedürfen, ist der Lehrstoff an den Lehrerseminaren zu verringern, damit die bisher gepflegte Bildung des Verstandes nicht künftighin Wissensdünkel, Anmaßung und Ungehorsam erzeuge und die Lehrer der patriotischen Haltung beraube.

Dieses Zitat stammt aus dem Lehrerbildungsnormativ von 1857.