Protokoll der Sitzung vom 14.11.2017

Ein weiterer Punkt, der mir Rätsel aufgibt, ist die Lehrerbildung an beruflichen Schulen. Es wird ausgeführt, dass das Lehramt für berufliche Schulen den Schwerpunkt bei einem Unterrichtsfach hat und eine berufliche Fachrichtung vertieft studiert werden soll. Gleich

zeitig sagen Sie aber, dass an der Wirtschaftsschule zum Beispiel auch ein Lehrer unterrichten kann, der für die Sekundarstufe I ausgebildet ist. Was gilt denn jetzt für die beruflichen Schulen?

Das Einzige, das wirklich klar formuliert wird, sind die Kosten. Sie wollen die Ausgaben pauschal verdoppeln, nämlich pro Student von 2.000 Euro auf 4.000 Euro

(Thomas Gehring (GRÜNE): Von 4.000 Euro auf 8.000 Euro!)

Entschuldigung, von 4.000 auf 8.000 Euro –, unabhängig davon, ob die Universitäten diese Ausgaben tatsächlich haben oder nicht. Meine Damen und Herren, wir sprechen hier von einem Volumen, von einer Größenordnung von über einer Viertelmilliarde Euro pro Jahr. Ich denke, es ist schon sehr, sehr sportlich, was Sie hier vorgelegt haben.

Ich freue mich auf die Diskussionen im Bildungsausschuss und bin schon sehr gespannt auf Ihre Antworten zu meinen Fragen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Kollegin Wild von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auf die Lehrkräfte kommt es in der Tat an, sind sie doch die Hauptakteure im schulischen Alltag – neben den Schülerinnen und Schülern. Es ist wirklich an der Zeit, darüber nachzudenken, ob das Instrumentarium, das die Lehrkräfte aller Schularten an den Universitäten und im Referendariat vermittelt bekommen, den Herausforderungen des Schulalltages und den Herausforderungen, die Schülerinnen und Schüler, egal welche Schule sie besuchen, mit sich bringen, gerecht wird. Ich meine, diese Fragestellung mit einem Nein beantworten zu können. Ich sage klipp und klar, dass unsere Lehrkräfte in weiten Teilen nicht den Herausforderungen, denen sie tagtäglich im Klassenzimmer gegenüberstehen, mit dem richtigen Rucksack an Didaktik und Methodik begegnen können.

(Beifall bei der SPD)

Demzufolge betrachten wir den Gesetzentwurf der GRÜNEN als einen sehr wichtigen Entwurf. Wir halten ihn in weiten Teilen auch für einen sehr guten Entwurf. Ja, von einem Lehrer wird sehr viel erwartet. Der Lehrer muss eine gestandene Persönlichkeit sein: Er muss reflektieren können, er muss einen guten und

verantwortungsvollen Umgang mit den Schülerinnen und Schülern pflegen, er muss Feedback geben können, er muss Elterngespräche führen können, er muss die Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen. Er muss auch wissen, wann er jemanden aus dem multiprofessionellen Team einschalten muss.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich kann zwar laut sprechen, aber ich möchte nicht laut sprechen. – In der Tat sind die Herausforderungen größer geworden, aber die Antworten an den Universitäten, wie sie gegeben werden, reichen nicht aus.

Herr Kollege Lederer, ich schätze Sie sehr. Sie sind ein ausgewiesen sachlicher und fachlicher Politiker. Es war aber eigentlich schon klar, wie Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgehen. Ich meine, man muss sich mit den Vorschlägen ernsthaft beschäftigen. Wenn ich mich an die letzte Diskussion erinnere, die wir hier zum Lehramt hatten: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, damals ging es bei Ihnen dabei um die Begrenzung des Zugangs zum Referendariat. Inhaltlich haben Sie sich also in den vergangenen Jahren nicht sehr viel und intensiv mit dieser wichtigen Thematik auseinandergesetzt. Es ist aber höchste Zeit, dass man sich mit der Lehrerausbildung, mit diesem heißen Eisen, beschäftigt und diese Thematik aufgreift.

Die Idee, gleichzeitig mit dem Staatsexamen auch ein Bachelor- und Masterstudium abzuschließen, ist in der Tat keine Revolution. In anderen Bundesländern gibt es das längst – dort ist es gang und gäbe –, und nicht zuletzt hat auch der BLLV eine ähnliche Reform für Bayern gefordert. Damit könnte man den vielen Studierenden für das Lehramt eine weitere Perspektive anbieten, damit sie eben nicht nur ein Staatsexamen vorweisen können und somit außerhalb der schulischen Bildung kaum Anstellungsmöglichkeiten finden. Die jungen Menschen würden dann nicht mit einem für sie wertlosen Staatsexamen auf der Straße sitzen, wenn der sogenannte Schweinezyklus wieder einmal voll durchschlägt.

Ich gebe dem Kollegen auch recht: Es sollte endlich mit der realitätsfernen Aufteilung der Lehramtsstudien nach Schularten Schluss gemacht werden. Wenn zwischen dem Realschullehramt und dem Gymnasiallehramt gerade einmal zwei Module Unterschied sind, wie das aktuell der Fall ist, wieso ist man dann für die kommenden 30 oder 35 Jahre ausschließlich für eine Schulart als Lehrkraft geeignet? – Das ist eine unflexible, eine unnötige Trennung in der Lehrerausbildung, und das muss endlich ein Ende haben. Ein Weg über das Bachelor- und Mastersystem ist dafür eine,

wie ich meine, vielversprechende und aussichtsreiche Lösung.

(Beifall bei der SPD)

Noch eines: Alle Lehrämter sind für uns gleichwertig. Das sollte sich endlich auch in der Eingangsbesoldung und in einer modularisierten Lehrerausbildung niederschlagen; damit könnten die drängenden Themen und Herausforderungen der Schulen besser abgebildet werden. Es geht es um die Heterogenität in den Klassenzimmern, es geht um die Inklusion – der Kollege Gehring hat es angesprochen –, und es geht vor allem um das, was alle Lehrkräfte unisono, egal an welcher Schule, sagen, wenn man sich mit ihnen unterhält: Die größte Herausforderung ist der Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit sozialen, emotionalen Verhaltensauffälligkeiten. Deutsch als Zweitsprache, Digitalisierung – die Bandbreite ist enorm groß.

Ich sage es an dieser Stelle noch einmal deutlich: Herr Kollege Lederer, sie sagen zwar: Ja, wir entwickeln das weiter. Ich stelle aber im Laufe der Jahre fest: Sie betreiben eine Flickschusterei – eine Zusatzqualifikation hier, eine dort, ein Seminar, eine Zertifikation. Unser Ziel muss sein, in Bayern weiterhin beste Bildung anzubieten. Mit einem solchen Fleckenteppich und ohne eine wirklich große Änderung können wir dieses Ziel nicht erreichen, und irgendwann werden wir von den Entwicklungen der Zeit überholt. Unsere Lehrkräfte kommen auf dem letzten Schlauch daher. Sie sind jetzt schon genügend Belastungen ausgesetzt, und wenn wir da nicht endlich ansetzen, geht irgendwann auch dem besten Lehrer mit der besten Absicht einfach einmal die Puste aus.

(Beifall bei der SPD)

Ein ganz wichtiger Punkt ist der von den Pädagogen, von allen Lehrkräften immer wieder geforderte Praxisbezug. Wir brauchen mehr Praxis, wir brauchen Lehrer mit einer guten Persönlichkeit. Nichts ist interessanter und spannender, als sich im Unterricht auszuprobieren, zu merken, wie man ankommt, wenn man ein Feedback gibt oder bekommt. Was auch wichtig ist: Nicht jeder, der Lehramt studiert, ist auch unbedingt als Pädagoge geeignet. Wenn man dann aber Praxisgelegenheiten hat, dann merkt man das vielleicht. Mehr Praxisbezug wäre also eine supergute Sache.

Es geht um unsere Zukunft und die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler. Es geht mir aber vor allem auch um die Zukunft unserer Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen das notwendige Rüstzeug haben. Wir werden wahrscheinlich intensiv und heiß über diesen Gesetzentwurf diskutieren – ich denke, das kann man

heute schon sagen. Es geht aber wirklich auch darum, dass wir die Sache ernst nehmen und nicht einfach abtun: Machen wir eh schon alles besser. – Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang will ich deutlich hervorheben: Wir haben in Bayern gute und engagierte Lehrer. Das sind über 100.000 Lehrer, die sich Tag für Tag für die Erziehung und die Unterrichtung der Schüler einsetzen. Frau Kollegin Wild, insofern sehe ich das etwas anders, als Sie es vorhin geschildert haben. Sie sagen, unsere Lehrer seien auf ihren Beruf nicht gut vorbereitet. Ich glaube, das ist in der Tendenz anders. Sehr viel hängt von der einzelnen Lehrerpersönlichkeit ab.

Trotzdem – das haben alle Redner vor mir erwähnt – gibt es neue Herausforderungen, die eine Anpassung der Lehrerbildung erforderlich machen. Ich nenne die Inklusion, die Digitalisierung, die Medienkompetenz und die didaktischen Herausforderungen. Außerdem gibt es immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund. Seit einigen Jahren läuft der Bologna-Prozess. Das ist, wenn auch nur kurz, bereits erwähnt worden. Wir müssen Antworten darauf finden, wie man auf der einen Seite den Bologna-Prozess umsetzt, auf der anderen Seite jedoch bei einigen Studiengängen in Bayern am Staatsexamen festhält.

Herr Lederer, Sie haben recht. Im Hinblick auf die Umsetzung des Bologna-Prozesses ist die Universität bei den Abschlüssen Bachelor und Master am Drücker. Die Universitäten bestimmen über die Art der Ausbildung. Das Staatsexamen ist, wie der Name schon sagt, staatlich ausgerichtet. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass der Staat über die Ausbildung wacht, wenn jemand später im Staatsdienst tätig ist. Wichtig ist aber auch – das ist im GRÜNEN-Entwurf angelegt – ein früher Praxisbezug. Ich sage es ganz offen: In der Lehrerausbildung kommt der Praxisbezug aus meiner Sicht zu spät.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass mehr angehende Lehrer aus der Universität auch an die Schule gehen, als das bisher der Fall ist. Wir müssen außerdem darauf achten, dass Referendare nicht als billige

Lehrkräfte missbraucht werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 17 Unterrichtsstunden sind zu viel. Eine Reduzierung der Unterrichtsstunden fordern wir schon lange.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aus meiner Sicht enthält der Entwurf, über den wir noch intensiv diskutieren werden, sowohl Pro als auch Kontra. Sicherlich ist es schon gut, dass überhaupt ein Entwurf vorliegt. Die CSU hat das noch nicht getan, obwohl sie seit Jahren ankündigt, einen Entwurf für die Lehrerbildung vorzulegen. Ich glaube, früher gab es einmal eine Arbeitsgruppe, die Herr Goppel geleitet hat. Ich weiß jedoch nicht, was aus dieser Arbeitsgruppe geworden ist. Das braucht alles sehr lange.

Sehr gut ist der Ansatz, die Grundfinanzierung an den Universitäten zu erhöhen. Die Grundfinanzierung sollte jedoch nicht nur für die Lehramtsstudiengänge, sondern insgesamt erhöht werden. Mir gefällt am Entwurf ebenfalls, dass die Beschränkung zum Referendariat wieder aufgehoben werden soll. Das ist das Einzige, was die CSU für die Lehrerbildung in den letzten Monaten getan hat. Wir sehen es sehr kritisch – das sage ich ganz offen –, dass die Dauer aller Lehramtsstudiengänge im Entwurf der GRÜNEN auf zehn Semester festgesetzt wird. Das ist im Vergleich zu anderen Studiengängen etwas überdimensioniert. Darüber können wir diskutieren.

Kritisch sehe ich ebenfalls, dass die Fachlichkeit im Lehramtsstudium sehr spät angelegt ist. Wenn man an die Fächer, die man im Abitur vertieft hat, erst wieder im Rahmen des Masterstudiums anknüpft, ist das ein bisschen spät. Die geforderte Mischung aus Einheits- und Stufenlehrern könnte zum Beispiel am Gymnasium zu einer Zweiklassengesellschaft führen. Ich halte es nicht für zielführend, wenn ein Teil der Lehrer nur die Schüler der Oberstufe und ein anderer Teil nur die Schüler der Stufen 5 bis 10 unterrichtet. Diese Differenzierung erfolgt nur nach Alter und nicht nach Schulart. Wir müssen über einiges reden. Dazu zählt auch die Verkürzung des Referendariats.

Alles in allem sage ich: Der Gesetzentwurf liegt vor. Manches gefällt mir nicht. Mir gefällt jedoch, dass wir die Diskussion beginnen. Wir werden darüber diskutieren, was die jungen Lehrer in Zukunft auf ihrem Weg mitbekommen. Da sind wir an Ihrer Seite. Das gilt wahrscheinlich nicht für die anderen Punkte. Insofern freue ich mich auf die hoffentlich sachliche Diskussion bei uns im Bildungsausschuss.

(Margit Wild (SPD): Ganz bestimmt!)

Ganz bestimmt, wenn ich die Kollegin anschaue. Wir werden dieses Gesetz genauer unter die Lupe nehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung und Kultus als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich dagegen nicht. Damit ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über Europaangelegenheiten und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn sich das Plenum wieder beruhigt hat, fahren wir in der Tagesordnung fort. Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Bestellung jeweils eines neuen Mitglieds und stellvertretenden Mitglieds für die EnqueteKommission "Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben" und für den Beirat der Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH

Aufgrund des Ausscheidens von Frau Margarete Bause aus dem Bayerischen Landtag sind Umbesetzungen in den vorgenannten Gremien nötig. Frau Christine Kamm, bisher stellvertretendes Mitglied, soll neues ordentliches Mitglied und Herr Kollege Jürgen Mistol neues stellvertretendes Mitglied in der Enquete-Kommission "Integration in Bayern aktiv gestal