Protokoll der Sitzung vom 30.01.2018

Ich bin einmal gespannt, was Sie sagen, wenn Sie jetzt die folgende Jahreszahl hören: Bis 1961 waren ledige Mütter bzw. Alleinerziehende nicht sorgeberechtigt. Das Amt übernahm die Vormundschaft. Diesen Geist, den man manchmal auch heute noch spüren kann, müssen wir endlich restlos entsorgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alleinerziehende mit ihren Kindern sind genauso eine vollwertige Familie wie die Modelle Vater-Mutter-Kind, Vater-Vater-Kind oder Mutter-Mutter-Kind. Sie verdienen Anerkennung und Respekt, und sie haben das gleiche Recht auf gute Chancen. Enthalten wir ihnen diese Chancen nicht länger vor.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat für die CSU der Kollege Thomas Huber das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich begrüßen wir es seitens der CSU-Fraktion, dass wir uns in dieser Aktuellen Stunde einmal ganz besonders mit den Alleinerziehenden beschäftigen – die durchaus unsere Wertschätzung erfahren –, da sie eine große Gruppe in unserem Land ausmachen.

Liebe Frau Kollegin Schulze, in Bayern – ich operiere mit bayerischen Zahlen – gibt es circa 220.000 Alleinerziehendenhaushalte, in denen rund 303.000 Kinder leben. Es ist bekannt, dass Alleinerziehende oft eine doppelte Belastung zu tragen haben: Da ist zum einen natürlich die Erziehung ihrer Kinder, zum anderen müssen sie auch im Beruf ihren Mann, sehr häufig aber auch ihre Frau stehen.

Das alles geschieht häufig zwar mit familiärer Unterstützung oder mit Unterstützung aus dem Freundeskreis, aber ohne einen Partner oder eine Partnerin, der oder die ein zweites Einkommen beisteuern kann. Das führt gerade in unseren Ballungszentren dazu, dass viele Alleinerziehende Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen.

Frau Schulze, Sie nannten die Zahlen für ganz Deutschland, ich hingegen nehme die bayerischen Zahlen und setze sie ins Verhältnis zu den gesamtdeutschen Zahlen. Die Armutsgefährdungsquote Alleinerziehender liegt in Bayern bei 36,7 %,

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist viel!)

in Deutschland hingegen bei sage und schreibe 43,6 %. Vergleicht man diese Werte mit der allgemei

nen Armutsgefährdungsquote, die in Bayern bei 12,1 % und in Deutschland bei 15,7 % liegt, dann sieht man sofort, dass Alleinerziehende unsere besondere Unterstützung brauchen.

Liebe Antragsteller, liebe Kollegin Schulze, ich hätte mir schon gewünscht, dazu heute von Ihnen etwas mehr an konkreten und auch umsetzbaren Vorschlägen sowie auf Bayern bezogenen Zahlen zu hören und zu erfahren, an welchen Stellschrauben wir in Bayern konkret drehen müssen, um die Alleinerziehenden noch besser zu unterstützen. Stattdessen fordern Sie, auch in Ihrem Dringlichkeitsantrag vom November, nichts weniger als einen kompletten Systemwechsel, den wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, um den Alleinerziehenden in Bayern rasch und effizient zu helfen, möchte ich mich lieber auf konkrete Maßnahmen konzentrieren, die wir in Bayern ergreifen können. Nachdem aber viele dieser Leistungen auch Bundesleistungen sind, setzen wir uns auf Bundesebene für Verbesserungen ein – jetzt auch ganz aktuell bei den Verhandlungen mit der SPD. Dabei müssen wir an mehreren Bereichen ansetzen und haben dies auch schon getan: erstens, finanziell, insbesondere wenn die Kinder kleiner sind. Zweitens, beim Thema Wohnen: Es muss mehr Wohnungen geben, die für Alleinerziehende erschwinglich sind. Liebe Kollegin Schulze, die Wohnungen, von denen Sie vorher gesprochen haben – die gibt es auch noch! Drittens, bei der Kinderbetreuung: Wir brauchen eine verlässliche Kinderbetreuung. Viertens, in der Arbeitswelt:

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Hier sind zunächst vor allem auch die Arbeitgeber gefragt, attraktive, familienfreundliche Rahmenbedingungen zu setzen. Fünftens müssen wir auch an die Altersvorsorge denken.

Ich sage etwas zum ersten Punkt, zur finanziellen Unterstützung von Alleinerziehenden: Wir haben gerade in den letzten Jahren viele Leistungen ausgebaut, bei denen wir besonderes Augenmerk auf die Alleinerziehenden gelegt haben. Ich nenne hier den Unterhaltsvorschuss, für den wir, die CSU, in Berlin intensiv gekämpft haben und der auf unser Betreiben deutlich ausgeweitet wurde.

(Widerspruch bei der SPD – Horst Arnold (SPD): Ne, ne! Jetzt fangen wir nicht an zu lügen! Geht’s noch?)

Damit helfen wir alleinerziehenden Müttern und Vätern in schwierigen Zeiten schnell und effektiv.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich nenne unser bayerisches Landeserziehungsgeld – eine eigene Leistung des Freistaats Bayern –, das sich an das Elterngeld anschließt und einkommensabhängig gewährt wird. Weitere Beispiele sind Kindergeld und Kinderfreibetrag. Wir setzen uns für eine Erhöhung des Kindergelds ein. Davon profitieren Alleinerziehende direkt. Geringverdienende Familien profitieren zusätzlich zum Kindergeld auch vom Kinderzuschlag in Höhe von maximal 170 Euro pro Monat. Die CSU setzt sich für die Erhöhung des Kinderzuschlags, und zwar insbesondere für Alleinerziehende, ein.

Meine Damen und Herren, der Anspruch von uns, der CSU, ist – das ist auch ein zentraler Punkt des 10Punkte-Programms unseres designierten Ministerpräsidenten Markus Söder –: Der Staat muss den Eltern für die ersten zehn Jahre des Kindes eine verlässliche Perspektive bieten. Betreuung muss so organisiert sein, dass für junge Familien und Alleinerziehende keine Brüche oder finanziellen Überforderungen entstehen.

Unser Staatsminister Markus Söder plädiert deshalb für einen Dreiklang aus Ausbau der Betreuungsplätze, einer Offensive zur Gewinnung von Erziehern sowie einer Gebührenentlastung. Das wird meines Erachtens auch Alleinerziehenden eine bessere Unterstützung bieten. Kollege Vogel wird im Bereich der Kinderbetreuung noch näher darauf eingehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergessen wir nicht das Thema Mieten und Wohnkosten, das sich wirklich zu einer sozialen Frage entwickelt hat. Ich kann als jemand, der aus dem Ballungsraum im Landkreis Ebersberg kommt, feststellen, dass es Familien und vor allem Alleinerziehende immer schwerer haben, bezahlbaren Wohnraum in unserer Region zu finden bzw. ihre Mieten bezahlen zu können.

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Roos (SPD))

Ja, lieber Kollege, daran ist zu einem großen Teil die enorme Steigerungsrate bei den Mieten gerade hier im Ballungsraum München schuld. Da schauen wir schon auch einmal in die Landeshauptstadt, was der frühere Oberbürgermeister von der SPD hier getan oder, besser gesagt, nicht getan hat!

Bayern hat bereits eine umfangreiche Wohnraumförderung und möchte noch mehr tun. Wir werden deshalb für den Nachtragshaushalt nochmals fast 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wir haben

eine Ballungsrauminitiative erarbeitet, in der wir konkrete Lösungsvorschläge machen, um die Ballungsräume zu entlasten. Wir setzen uns auf Bundesebene für eine Anpassung des Wohngeldes ein. Staatsminister Markus Söder setzt sich in seinem 10-Punkte-Programm für Bayern für eine Unterstützung bei der Schaffung von Wohneigentum für Familien ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte diesen Weg für richtig und auch notwendig; denn die Bildung von Wohneigentum ist die stabilste und beste Absicherung gegen Altersarmut.

(Zurufe der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE) und Florian von Brunn (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch darauf achten, dass Alleinerziehende nicht in die Altersarmut abrutschen. Wir müssen deswegen auch die Altersvorsorge von Alleinerziehenden stärker im Blick haben. Alleinerziehend zu sein, darf nicht Altersarmut bedeuten.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Bedeutet es aber!)

Wir wollen dagegen kämpfen. Wir haben auf Bundesebene in einem ersten Schritt die Mütterrente I durchgesetzt, um die Altersarmut von Müttern zu bekämpfen. Damit sollen Erziehungsleistungen gezielt besser gewürdigt werden. Wir wollen diesen Weg mit der Mütterrente II weitergehen.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir konnten in den Sondierungen mit Ihnen die Mütterrente zumindest für Mütter und Väter mit drei oder mehr Kindern – ich sage jetzt mal – unterbringen.

(Beifall bei der CSU)

Leider hat sich die SPD hier nicht weiterbewegt, um diese Möglichkeit auch für das erste und zweite Kind zu schaffen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Steuerfinanziert!)

Ich sage nur: schade, wirklich schade!

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie zahlen doch keinen Cent dazu! Warum zahlen Sie keinen Cent? Und ich auch nicht!)

Herr Kollege, denn genau hier würde man auch alleinerziehenden Frauen gezielt bei der Altersvorsorge helfen. Hier zählt nicht das Argument der Steuerfinanzierung. Wollen wir das Geld in die Hand nehmen und alleinerziehenden Frauen helfen oder nicht? Das frage ich jetzt einmal die SPD.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Wir wollen darüber hinaus verhindern, dass die Alleinerziehenden in der Teilzeitfalle stecken bleiben. Wir treten daher für den Anspruch auf befristete Teilzeit ein. Dann können die Menschen wieder zurück in die Vollzeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen auch einen positiven Aspekt nicht ganz außer Acht lassen: Ich bin für die Zukunft optimistisch, da wir in allen Landesteilen Bayerns einen überaus positiven Trend bei Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen verzeichnen können. Ich habe das letztes Jahr an dieser Stelle schon gesagt. Das kann sich in der Zukunft positiv auf die Beschäftigung und damit auch auf den Lebensstandard von Alleinerziehenden auswirken.

Ich habe sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene viele Aufgaben genannt, um die wir uns bereits kümmern – und weiter kümmern müssen. Uns ist besonders wichtig: erstens, gute, passgenaue finanzielle Unterstützungsleistungen. Zweitens, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine familienfreundliche Arbeitswelt. Drittens, verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote, auch in Rand- und Ferienzeiten. Viertens, natürlich Ganztagsbetreuungsangebote für Schulkinder in der Grundschule.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Warum haben Sie dann unseren Antrag abgelehnt?)

Das Ziel von uns, der CSU, ist es, allen Menschen in Bayern, vor allem Familien und Alleinerziehenden, ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit gewähren zu können.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Rauscher von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alleinerziehende leisten Großartiges, ja! Dafür sollten sie vonseiten der Staatsregierung und auch von der Gesellschaft gewürdigt und nicht permanent abgestraft werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)