Protokoll der Sitzung vom 07.02.2018

Mir sind bei diesem Gesetzesentwurf aber besonders die neuen polizeilichen Befugnisse sehr wichtig. Wir setzen mit ihnen die Erfolgsgeschichte der robusten bayerischen Sicherheitsarchitektur konsequent fort. Ich verweise dabei zum Beispiel auf den Begriff der drohenden Gefahr, den wir bereits im letzten Jahr gesetzlich normiert haben; denn der Rechtsstaat darf nicht warten, bis Rechtsgüter der Menschen verletzt wurden, bis schwerste Straftaten – Stichwort Terroranschläge – eingetreten sind, sondern er muss rechtlich dazu in der Lage sein, dies im Vorfeld zu verhindern. Ich verweise auf die zukünftige Möglichkeit eines präventiven DNA-Abgleichs. Ich verweise auf die Regelungen zur Sicherstellung unbarer Vermögenswerte, Stichwort Bitcoins. Ich verweise auf die explizite gesetzliche Regelung für den Einsatz von Bodycams. Schließlich verweise ich auf die konkrete Regelung zum Einsatz von Drohnen.

Darüber hinaus wird nunmehr eine Vielzahl von Befugnissen konkret geregelt. Das sorgt für Rechtssicherheit des polizeilichen Handels und verbessert nachhaltig die Schlagkraft unserer Polizei. Der Gesetzentwurf stellt also neue Befugnisse und rechtsstaatliche Kontrollen in ein praxisgerechtes Verhältnis zueinander. Aus meiner Sicht handelt es sich daher

um einen Meilenstein polizeirechtlicher Gesetzgebung.

Wir werden das umfangreiche Gesetz natürlich im Innenausschuss intensiv diskutieren. Gestern haben wir bereits eine Expertenanhörung gemeinsam mit dem Rechtsausschuss beschlossen, die wir durchführen werden. Am Ende werden wir über die Details diskutieren und möglicherweise die eine oder andere Ergänzung vornehmen. Wir werden jedenfalls eine dem Thema angemessene Diskussion führen.

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Berlin wurde vereinbart, ein neues Muster-PAG auf den Weg zu bringen. Wenn dieses Muster-PAG dem künftigen bayerischen PAG entsprechen würde und die anderen Länder diese Regelungen auch noch übernehmen würden, dann wären wir sicherheitspolitisch in ganz Deutschland ein sehr gutes Stück vorangekommen. In Bayern gehen wir diesbezüglich voran, weil wir es können, und vor allem, weil wir es politisch wollen, zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger; denn Freiheit braucht Sicherheit!

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Gottstein von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den letzten Worten des Kollegen Dr. Florian Herrmann anschließen. Wenn es zu einer Koalition kommt, werden Sie an dieser Koalitionsregierung beteiligt sein, und dann werden wir Sie an Ihren Worten messen. Wenn Sie also sagen, das wird das große Vorbild für ein Muster-Polizeiaufgabengesetz werden, dann werden wir mal schauen.

Zunächst zur Ersten Lesung heute:

(Zuruf von der CSU: Wir sind nicht im Bundes- tag!)

Na ja, aber wenn ich in der Koalition bin – – Wir werden sehen, was dann im Prinzip übrig bleibt!

Wir haben einen Gesetzentwurf vor uns liegen, der sehr umfangreich ist. Gott sei Dank wurde jetzt eine Expertenanhörung angekündigt. Ich denke, die ist sehr notwendig. Wir haben – das haben wir inzwischen bei vielen Diskussionen festgestellt – durch Expertenanhörungen einen Erkenntnisgewinn. Ich denke, hier wird noch manches sehr ausführlich diskutiert werden.

Zunächst geht es darum, dass wir uns mit diesem Gesetz an die europäischen Datenschutzvorgaben anpassen. Es geht auch um Vorschriften, die uns durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgegeben werden. Es geht aber auch ganz klar um zahlreiche Ergänzungen bei den polizeilichen Befugnisnormen. Das sind sogar jede Menge, sonst wäre es nicht ein so großer Katalog geworden. Einiges muss man kritisch hinterfragen, auch wenn eines ganz klar ist: Wir FREIEN WÄHLER begrüßen grundsätzlich alle Bestrebungen, die eine effiziente und erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Polizei fördern und verbessern. Es ist unumstritten: Wir haben zu tun mit Terrorismus, Extremismus, akuten Bedrohungslagen wie Wohnungseinbruchskriminalität, Drogenkriminalität und mit vielem mehr. Hier müssen die Befugnisse der Polizei selbstverständlich optimiert werden. Wir müssen dabei aber aufpassen, dass keine Überfrachtung polizeilicher Aufgaben stattfindet, zumal im Kontext der Tatsache, dass wir noch immer einen Personalmangel bei der Polizei haben. Den können wir nicht wegdiskutieren, auch wenn es Bemühungen gibt, ihn zu beseitigen. Wir reden von einem akuten Personalmangel bei der Polizei, der die nächsten zwei bis drei Jahre noch nicht aufgehoben ist. Das muss man natürlich in einem Zusammenhang sehen.

Man muss noch einen anderen Zusammenhang sehen: Wenn man mehr Daten erheben darf – auch wenn das in vielen Teilen sinnvoll ist –, wird die polizeiliche Ermittlungsarbeit dadurch nicht immer einfacher. Vor vielen Daten sieht man manchmal den Wald nicht mehr. Bei vielen Daten muss man deshalb fragen: Was braucht die Polizei? – Zu viele Daten führen eher zu einer Überfrachtung und stehen manchmal sogar im Widerspruch zu datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Erweiterung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen, die Sicherung von DNA-Spuren, Einführung einer polizeilichen Meldeanordnung, Entbehrlichkeit rechtlichen Gehörs – also mit Richter – aufgrund bestimmter Umstände des Betroffenen, Durchsuchung von weitergehenden Speichermedien, offene Bild- und Tonaufnahmen, Postsicherstellung auch bei Kontaktpersonen, Speicherungen, Veränderungen, Nutzung von Daten, Kennzeichenerkennungssysteme – das alles klingt sehr gut. Es muss aber – so meine ich – sehr wohl mit konstruktiver Kritik begleitet werden. Das betrifft auch den Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme. Sehr vieles davon ist ohne Frage wünschenswert, und das Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung ist in all diesen Punkten sehr ernst zu nehmen. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit vor Ort muss aber gut funktionieren können. Bei den vielen Aufgaben, die in diesem Katalog stehen, darf man Folgendes nicht aus den Augen verlieren: Nicht alles,

was heute technisch machbar ist, macht Sinn. Was technisch möglich ist, muss dann aber auch für den Einsatz geschult werden. Hier stoßen wir auf immer größere Defizite. Der beste Taser, die beste Waffe nützt nichts, wenn man kaum mehr dazu kommt, die eigenen Leute daran zu schulen. Anfragen an die Staatsregierung belegen: Hier haben wir einen Schulungsbedarf, der teilweise nicht mehr gedeckt werden kann.

Nach wie vor ist die Präsenz der Polizei vor Ort entscheidend. Wir brauchen Qualität der Polizei, wir brauchen aber auch Quantität der Polizei. Das heißt, man braucht viele und bestausgebildete Polizisten. Hier sind viele Zusatzaufgaben sinnvoll. Wie gesagt, wir warten auf die Expertenanhörung und werden uns dann zu manchen Dingen konstruktiv, aber auch kritisch äußern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat nun Frau Kollegin Schulze vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! "Auf ein Neues!", würde ich sagen. Immer wenn die CSU Änderungen in der Innenpolitik vorbringt, werde ich erst einmal hellhörig. Ihnen gelingt der Spagat zwischen Schutz der Grundrechte auf der einen und der sinnvollen Unterstützung unserer Polizei auf der anderen Seite nicht immer optimal, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Ich möchte an den Juli 2017 erinnern, als durch Sie im Bayerischen Landtag das sogenannte Präventivhaftgesetz durchgedrückt wurde. Wir GRÜNEN waren die einzige Fraktion, die dagegen gestimmt hat, weil wir das Gesetz für verfassungswidrig erachten. Mit dem Gesetz werden zum einen Bürgerrechte eingeschränkt, zum anderen bekommt die Polizei weniger sinnvolle Maßnahmen an die Hand. Ich nenne als Stichwort nur die elektronische Fußfessel für Gefährder oder die Einführung des Begriffs der sogenannten drohenden Gefahr, die bis heute keiner richtig definieren kann.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Doch, natürlich!)

Hier haben wir die Novelle zum Polizeiaufgabengesetz vor uns liegen. Ich kündige Ihnen jetzt schon an: Wir GRÜNEN werden die Debatte sehr kritisch begleiten. Mit großer Sorge sehen wir, dass die polizeilichen Eingriffsbefugnisse noch einmal massiv ausgedehnt werden, unter anderem auch aufbauend auf dem Begriff der drohenden Gefahr. Außerdem überschreitet dieses Gesetz in vielen Punkten alle Stopp-Schilder der Verfassung. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass

es die Expertenanhörung geben wird. Ich glaube, das ist der richtige Ort, um gewisse inhaltliche Punkte genauer zu definieren.

Für uns GRÜNE ist klar: Wir möchten, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben können. Dazu müssen wir unsere Gesetze konsequent anwenden. Wir müssen die Polizei personell und ressourcenmäßig gut ausstatten, und vor allem braucht die Polizei Zeit für Weiter-, Aus- und Fortbildung, anstatt ständig neue Waffen und neue Befugnisse zu bekommen die vielleicht sogar verfassungswidrig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie schon angesprochen: Diese Gesetzesnovelle umfasst drei große Punkte, sie steht auf drei Säulen: einmal die Umsetzung der EU-Richtlinie für den Datenschutz bei Polizei und Justiz. Wir werden natürlich darauf achten, dass nicht nur die europäischen Mindeststandards umgesetzt werden.

Was die Anpassung des Polizeiaufgabengesetzes an die Neuordnung des BKA-Gesetzes angeht, so werden wir die kritischen Punkte, die wir schon auf Bundesebene vorgebracht haben, auch hier im Bayerischen Landtag einfordern, damit sie abgestellt werden. Ich möchte daran erinnern: Nur aufgrund der Klage, an der unter anderem die GRÜNEN beteiligt waren, ist es überhaupt erst zu den Veränderungen des BKA-Gesetzes gekommen. Wir haben also schon damals die Fahne der Bürgerrechte hochgehalten, und das werden wir auch hier, im Bayerischen Landtag, tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt möchte ich exemplarisch noch auf zwei Punkte eingehen, die der bayerischen Polizei weitere Befugnisse auf Landesebene geben. Das eine ist die sogenannte intelligente Videoüberwachung. Die möchten Sie jetzt einsetzen, und das finde ich, ehrlich gesagt, schon ein starkes Stück. Erst neulich haben wir im Innenausschuss genau über dieses Thema geredet. Wir haben gesagt, dafür brauchen wir erst einmal einen Bericht, erst dann können wir inhaltlich darüber entscheiden, ob diese sogenannte intelligente Videoüberwachung auch wirklich so intelligent ist oder ob sie vielleicht einfach nur eine Massenüberwachung ist. Ich zitiere hier kurz den Datenschutzbeauftragten. Prof. Petri sagte ganz klar – ich zitiere –:

Jeder, der sich in einem überwachten Bereich befindet, muss damit rechnen, umfassend in seinen Bewegungsabläufen erfasst zu werden. Damit können Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden, deren Informationswert weit über die bloße Videoaufzeichnung hinausgeht.

Ehrlich gesagt, Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus muss ich auch Zweifel an der Praxistauglichkeit der sogenannten intelligenten Videoüberwachung anmerken. Es gab eine Studie am Mainzer Hauptbahnhof. Dabei kam heraus – halten Sie sich fest! –, dass bei Tageslicht eine Erkennungsleistung von 60 % erreicht wurde. Zu den Abend- und Nachtzeiten, als weniger Licht zur Verfügung stand, lag die Trefferquote bei gerade einmal 10 bis 20 %. Sorry, das finde ich nicht gerade überzeugend, um zu sagen: Yeah, eine intelligente Videoüberwachung ist genau das, was wir in Bayern brauchen.

Wir haben auch ein Problem mit der Erweiterung der DNA-Untersuchungen. Wir sagen ganz klar, dass es hier um einen sehr stark geschützten Bereich der Persönlichkeitsrechte geht. Nicht nur soll das Geschlecht erkannt werden, sondern auch die Augenfarbe oder die Haarfarbe. Das sind aber Dinge, bei denen nicht nur Herr Petri, sondern auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Stopp-Signale senden und sagen: Man muss gut überlegen, ob man solche massiven Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte überhaupt möchte.

Damit komme ich zum Fazit. Mit uns haben Sie einen kritischen Begleiter bei diesem Gesetz an Ihrer Seite. Wir möchten die Datensouveränität für alle. Wir möchten unsere Sicherheitsbehörden gut unterstützen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Dafür brauchen sie vor allem Personal, Zeit und die richtigen Ressourcen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Florian Herrmann (CSU))

Ja, dann müssen wir die Gesetze einmal konsequent anwenden. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass wir in Deutschland und in Bayern nicht zu wenige Gesetze haben, sondern dass wir die bestehenden konsequent anwenden müssen. Das ist einer der Hauptpunkte. Genau darum geht es.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich freue mich auf die weitere Debatte im Ausschuss und bei der Expertenanhörung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Aus

schuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist es so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass zur Listennummer 13 der nicht einzeln zu beratenden Anträge – das ist der Antrag der Abgeordneten Karl, Kohnen, Lotte und anderer betreffend "Sonderprogramm Premiumoffensive Tourismus für kleine Betriebe ab 5 Betten öffnen" – auf der Drucksache 17/18357 von der CSU gesondert namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1 e:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Zuständigkeitsgesetzes (Drs. 17/20426) - Erste Lesung

Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Aussprache zu verzichten. Wir kommen damit gleich zur Verweisung in den federführenden Ausschuss. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Da sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 2 mit Ausnahme der gerade eben genannten Nummer 13 der Anlage, über die erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Ablauf der 15 Minuten Wartezeit abzustimmen ist.

Abstimmung über Verfassungsstreitigkeiten und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Medien hat bei der Listennummer 13, Antrag auf Drucksache 17/18357, die Ablehnung empfohlen. Das wollte ich Ihnen nur noch kurz mitteilen, bevor wir zu dieser Abstimmung kommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Liste. Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)