Protokoll der Sitzung vom 07.02.2018

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, entschuldigen Sie bitte. Ich bitte doch um etwas Ruhe im Saal.

Insofern sollte man so etwas nicht als Unfug bezeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Dass nicht jeder sofort nachvollziehen kann, warum der Richter in dem einen Fall so und in dem anderen Fall so entschieden hat, gilt auch bei zig anderen Sachen in unserem Land. Das kann man also nicht einfach als Humbug bezeichnen.

Aus der unterschiedlichen Rechtslage ergeben sich unterschiedliche Folgerungen für den Familiennachzug. Das ist übrigens auch internationale Rechtslage, weil eben europäisches Recht vorsieht, dass es für die nach der Genfer Flüchtlingskonvention Geschützten Familiennachzug gibt und europäisches Recht dies für die anderen genau nicht vorsieht. Das ist internationale Rechtsordnung. Deshalb sollte man sich mit der Differenzierung schon entsprechend auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verfolgen seitens der Bayerischen Staatsregierung seit jeher eine Politik, die auf eine Begrenzung der Zuwanderung gerichtet ist. Der Familiennachzug wird für diejenigen Menschen garantiert, denen er zum Beispiel im Zusammenhang mit der Genfer Flüchtlingskonvention auch zusteht. Die deutschen Botschaften im Libanon, in Ägypten, in der Türkei usw. bearbeiten noch eine Vielzahl von offenen Anträgen. Ich will auch an dieser Stelle noch ausdrücklich festhalten: Die Diskussion in den letzten Wochen bezog sich ausschließlich auf den Familiennachzug für die subsidiär Geschützten. Für die nach der Genfer Flüchtlingskonvention Geschützten haben die deutschen Botschaften – ich spreche jetzt nur von den fünf Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge – im vergangenen Jahr 60.000 Visa erteilt. Der Familiennachzug findet statt! Es darf bitte nicht der Eindruck erweckt werden, als ob wir darüber reden würden, dass es überhaupt keinen Familiennachzug mehr geben solle. Für die durch die Genfer Flüchtlingskonvention Geschützten steht der Familiennachzug außer Frage. Wir stehen zum internationalen Recht; dieses findet uneingeschränkt Anwendung. Das ist im Koalitionsvertrag zweimal festgehalten. Aber wir sagen auch klar: In dem Bereich, der nicht durch internationale Verpflichtung geregelt ist, ist der Familiennachzug deutlich eingeschränkt worden. Das ist richtig. Daher lautet der Kernsatz im Koalitionsvertrag: Die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft darf nicht überfordert werden.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin froh darüber, dass CDU, CSU und SPD sich in diesem Koalitionsvertrag dazu klar bekennen. Alles andere würde auf Dauer ins Abseits führen. Das wäre weder im Interesse unserer eigenen Bevölkerung noch im Interesse der Flüchtlinge, die wirklich geschützt werden müssen. Zu deren Schutz stehen wir. Das kann auf Dauer nur funktionieren, wenn wir nur die wirklich Schutzbedürftigen aufnehmen und diejenigen, bei denen sich diese Notwendigkeit nicht ergibt, weil deren Anträge abschlägig beschieden worden sind, zurückführen und ansonsten den Flüchtlingszuzug auf das Vertretbare beschränken.

Es ist wichtig, genau zu beobachten, was sich insoweit im Bereich des EU-Rechts tut. Es ist notwendig, die Dublin-Verordnung zu überarbeiten. Aber wir müssen aufpassen, dass nicht durch die Hintertür Änderungen eingeführt werden, die unter dem Strich zu einer massiven zusätzlichen Belastung der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, unserem Land, führen. Diese Position ist in dem Antrag der CSUFraktion zum Ausdruck gebracht worden. Das ist ein Punkt von eminenter Bedeutung.

Schließlich sage ich: Auch wenn es in Deutschland bislang nur Einzelfälle gibt, so müssen wir doch hinsichtlich der Interpretation des Ehebegriffs eine sehr klare Haltung einnehmen. Es ist, denke ich, im gesamten Hohen Haus unumstritten, dass in der deutschen Rechtsordnung der klare Grundsatz gilt: Der Begriff "Ehe" meint ausschließlich die Ehe zwischen zwei Personen. Die Vielehe ist in der deutschen Rechtsordnung ausdrücklich verboten, sie ist unter Strafe gestellt. Wir wollen nicht, dass durch spezielle Interpretationen im Zusammenhang mit Asylanträgen und dem Familiennachzug der klare Ehebegriff in unserem Land durch die Hintertür infrage gestellt wird.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Bei uns gibt es die Ehe nur zwischen zwei Personen, in der Regel zwischen Mann und Frau. Es darf nicht sein, dass über das Asylrecht plötzlich ein Ehebegriff eingeführt wird, der als Zulassung der Ehe mit mehreren Ehepartnern interpretiert werden kann. Das muss bei der Weiterentwicklung unseres Asylrechts klar sein. Wir haben jedenfalls nicht die Absicht, derartige Türen zu öffnen.

Ich bitte, dem Antrag der CSU-Fraktion zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Minister. Frau Kollegin Kamm hat eine Zwischenbemerkung.

Genau. – Zunächst eine Bemerkung: Ich stelle fest, dass die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft nicht überfordert ist, sondern dass wir die Aufgaben bewältigen können.

Dann eine Frage: Sie haben am Anfang gesagt, subsidiär geschützte Flüchtlinge seien nur auf Zeit geschützt. Was glauben Sie: Wie lange wird es dauern, dass subsidiäre Flüchtlinge, beispielsweise aus Aleppo oder – jetzt – aus Afrin, geschützt werden müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gehört zum Wesen dieser Rechtsgestaltung, dass dieser Zeitraum nicht in Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren definiert ist, sondern von der Entwicklung in dem Herkunftsland abhängt. Wenn der Bürgerkrieg in dem Land, aus dem jemand geflohen ist, morgen beendet ist, dann ist es in der Regel zumutbar, zurückzukehren. Wenn der Bürgerkrieg fortdauert oder gar noch schlimmer wird, dann ist es nicht zumutbar, zurückzukehren. Genau das muss beobachtet

werden. Davon hängt ab, ob jemand zurückkehren kann oder nicht.

Ich bitte noch einmal um Verständnis: Wir haben eine solche Entwicklung in Europa vor knapp 20 Jahren beobachten können. Infolge des schrecklichen Bürgerkriegs im damaligen Jugoslawien flohen Hunderttausende nach Deutschland. Für viele dieser Flüchtlinge – nach Schätzungen: für mindestens zwei Drittel – war es übrigens nicht Ergebnis einer rechtlichen Zwangssituation, sondern selbstverständlicher eigener Wille, nach Ende des Bürgerkriegs in ihre Heimat zurückzukehren. Das ist die ganz normale Situation bei einem so schrecklichen Ereignis. Wir wollen alles dafür tun – auch das steht im Koalitionsvertrag –, dass solche Situationen möglichst von vornherein unterbunden werden. Das heißt, wir wollen Bürgerkriegen und anderen Fluchtursachen, zum Beispiel in Afrika, entgegenwirken – und, und, und. Aber wenn ein solches Ereignis vorbei ist, muss der Flüchtling in seine Heimat zurückkehren. Das ist das ganz Normale, Frau Kollegin. Genau darauf stellen wir ab. Wir hoffen – darauf wollen wir durch eine kluge Außen- und Entwicklungshilfepolitik hinwirken –, dass die schrecklichen Entwicklungen in Syrien, im Irak und in anderen Ländern möglichst bald ihr Ende finden. Dann wollen wir den Menschen helfen, in ihre Heimat zurückzukehren. Das ist Sinn einer vernünftigen Flüchtlingspolitik. Nach Ende des Bürgerkriegs in Jugoslawien hat dies funktioniert.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Nur auf dieser Grundlage wird die Bereitschaft der Menschen in Deutschland aufrechterhalten, auch beim nächsten Mal, wenn, was wir alle nicht hoffen, irgendwo auf der Welt wieder eine solche Krise auftritt, zu helfen. Es ist aber unser Ziel – das wollen übrigens die meisten Menschen –, dass die Geflüchteten langfristig in ihre Heimat zurückkehren können.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf der Drucksache 17/20579 betreffend "Familiennachzug weiterhin aussetzen! Keine Verschärfung der ungleichen Lastenverteilung innerhalb der EU bei der Überarbeitung der Dublin-III-Verordnung!" Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion und die FREIEN WÄHLER.

(Zurufe von der CSU: Teile der FREIEN WÄH- LER!)

Teile der FREIEN WÄHLER; danke schön. – Gegenstimmen! – Die SPD-Fraktion, Teile der FREIEN WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Kollege Muthmann (fraktionslos).

(Zurufe von der CSU: Nein, nein, nein!)

Bitte?

(Zuruf von der SPD: Nur Herr Muthmann!)

Herr Muthmann.

(Zuruf von der SPD: Herr Muthmann ist nicht mehr Mitglied der Fraktion der FREIEN WÄH- LER!)

Also: Herr Muthmann (fraktionslos) und keine Teile der FREIEN WÄHLER.

(Heiterkeit)

Dann darf ich um die Stimmenthaltungen bitten.

(Unruhe)

Stimmenthaltungen, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt. – Angenommen! Sie bringen mich ganz durcheinander.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/20597 betreffend "Das Recht auf Familie darf nicht zum Gnadenrecht verkommen" – das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – CSU-Fraktion, SPDFraktion, FREIE WÄHLER und Kollege Muthmann (fraktionslos). Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 17/20598 betreffend "Für eine ausgewogene Regelung des Familiennachzugs". Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Gegenstimmen! – CSU-Fraktion, die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Muthmann (fraktionslos). Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Nun gebe ich Ihnen noch bekannt, dass zu dem Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Dr. Strohmayr, Ruth Müller und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Personalsituation in Frauenhäusern und Notrufe verbessern", Drucksache 17/20580, namentliche Abstimmung beantragt wurde.

Nun komme ich zurück zu Tagesordnungspunkt 2 und rufe die Listennummer 13 der nicht einzeln zu beratenden Anträge auf:

Antrag der Abgeordneten Annette Karl, Natascha Kohnen, Andreas Lotte u. a. (SPD) Sonderprogramm Premiumoffensive Tourismus für kleine Betriebe ab 5 Betten öffnen (Drs. 17/18357)

Ich eröffne die Abstimmung. Fünf Minuten. – Noch eine Minute!

(Namentliche Abstimmung von 15.29 bis 15.34 Uhr)

Die Abstimmung ist geschlossen. Wir lassen außerhalb des Plenarsaals auszählen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, wieder Platz zu nehmen. Wir möchten in der Tagesordnung fortfahren. – Bitte nehmen Sie doch wieder Platz.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Simone Strohmayr, Ruth Müller u. a. und Fraktion (SPD) Personalsituation in Frauenhäusern und Notrufe verbessern (Drs. 17/20580)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Angemessene Personalausstattung von Frauenhäusern und Frauennotrufen (Drs. 17/20599)