Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Angemessene Personalausstattung von Frauenhäusern und Frauennotrufen (Drs. 17/20599)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Verena Osgyan u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Runder Tisch für eine bessere Förderung von Frauenhäusern, Frauennotrufen und Fachberatungsstellen (Drs. 17/20600)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich kann nur sagen: alle Jahre wieder. Im Rahmen der Haushaltsdebatte, wenn es ums Geld geht, müssen wir immer wieder feststellen, dass zu wenig für die Frauenhäuser und die Notrufe eingestellt ist.
Zur Erinnerung: Die CSU hat eine Million eingestellt. Wir haben drei Millionen gefordert. Diese Forderung ist im Haushaltsausschuss bereits abgelehnt worden, übrigens mit dem Argument, dass das Geld gar nicht benötigt werde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu werde ich nachher noch einiges sagen.
Ich möchte nur vorab sagen: Ich bin 15 Jahre hier im Bayerischen Landtag, und im 15. Jahr in Folge muss ich feststellen, dass das Thema Frauenhäuser und Notrufe leider immer noch nicht bei der Mehrheit der CSU angekommen ist.
Ich kenne kein anderes Feld in Bayern, das von der CSU so nachhaltig vernachlässigt wird und bei dem Lösungen immer wieder derart verschoben und verzögert werden,
obwohl längst bekannt ist, dass Frauenhäuser und Notrufe besser staatlich unterstützt werden müssen und dass dringend die Kapazitäten ausgeweitet werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt hierzu ein Gutachten auf EU-Ebene, ein Gutachten auf Bundesebene und ein Gutachten auf Bayernebene, und alle stellen unisono fest: Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Das bayerische Gutachten, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt seit Februar 2016 vor, also schon zwei Jahre. Was hat sich seither getan?
Nahezu nichts. Im Sozialausschuss am 01.02., also in der vergangenen Woche, haben die Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege ihre Situation in den Frauenhäusern und bei den Notrufen dargelegt. Der Handlungsbedarf ist, wie gesagt, längst durch verschiedene Gutachten belegt. Dabei wurde deutlich gemacht, dass es dringend an Personal fehlt. Es fehlt an Personal in den Frauenhäusern, bei den Notrufen, in den Fachberatungsstellen. Fast jede zweite Frau, die sich
in einer Notsituation befindet, muss aufgrund fehlenden Personals abgewiesen werden. Das sind circa 1.500 Frauen im Jahr, viele davon mit Kindern, liebe Kollegen. Das ist wirklich eine Schande.
Wir haben heute extra namentliche Abstimmung beantragt. Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, wenn Sie unseren Antrag erneut ablehnen, wie Sie es bereits im Haushaltsausschuss getan haben,
und damit verantworten müssen, dass wieder nichts passiert und dass weiterhin Frauen, die dringend Hilfe brauchen, keine erhalten.
Unabhängig von einem Gesamtkonzept, liebe Kolleginnen und Kollegen, das von der Arbeitsgruppe, die vom Ministerium eingesetzt wurde, erarbeitet werden soll, muss die Personalsituation in den Frauenhäusern und Notrufen dringend verbessert werden. Wenn diese Situation nicht verändert wird, kann kein Kapazitätsausbau stattfinden. Das muss man ganz deutlich sagen, und das wurde auch im Sozialausschuss deutlich gemacht.
Längst ist bekannt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen neben der Beratung der Frauen auch die Verwaltung und die Geschäftsführung erledigen müssen. Da die dafür nötigen Stunden in der Regel nicht vorgesehen sind, werden meist wichtige Beratungsangebote gekürzt. Ich meine, das ist kein Zustand. Viele Einrichtungen könnten ohne Ehrenamtliche überhaupt nicht existieren. Viele Ehrenamtliche müssen Tag und Nacht Dienst tun, bis sie ausgebrannt sind. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden.
Es kann einfach nicht sein, dass hier im reichen Bayern lebensnotwendige Unterstützungseinrichtungen aufgrund jahrzehntelanger Unterfinanzierung fast ausschließlich auf Spendengelder und Ehrenamtliche angewiesen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen die Finanzierung der Frauenhäuser und Notrufe darlegen. Hier in Bayern bekommt ein Frauenhaus circa 10 % staatliche Förderung; 10 % seines Gesamtetats werden staatlich gefördert. Bei den Notrufen sind es in der Regel noch weniger als 10 %. Die Beratung und Begleitung von Frauen in Notlagen muss endlich auch hier in Bayern gewährleistet sein. Dafür ist eine Sofortmaßnahme erforderlich. Wir brauchen mehr Personal in den Einrichtungen, damit endlich Frauen und deren Kinder besser beraten und begleitet werden
können. Ich meine vor allem Frauen in speziellen Problemlagen, zum Beispiel Frauen mit Behinderung, Frauen mit einer psychischen Erkrankung und geflüchtete Frauen.
Zum Abschluss möchte ich sagen: Der Schutz von Frauen vor Gewalt ist ein Grundrecht, das auch in Bayern umgehend umgesetzt werden muss. Der Staat ist hierzu verpflichtet.
Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich jetzt Frau Kollegin Gottstein das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich müsste ich jetzt nur sagen: Jedes Wort, das Frau Dr. Strohmayr, die Simone, gesagt hat, war richtig und stimmt. Da ist überhaupt nichts wegzudiskutieren. Ich kann es nur wiederholen, wenngleich der Sachverhalt dadurch nicht besser wird. Aber es ist natürlich so: Der Antrag ist goldrichtig.
Auch wir haben einen Antrag gestellt, der diese Forderung enthält, weil im Haus anscheinend nur diese Sprache verstanden wird. Deswegen finde ich es richtig, dass namentlich abgestimmt wird, weil anscheinend auch nur diese Sprache verstanden wird. Es ist wirklich so: Wenn wir uns unsere Haushaltsanträge und Anträge zum Nachtragshaushalt anschauen, ist festzustellen, dass immer wieder Beträge für die Frauenhäuser beantragt werden, aber nichts passiert. Wir reden hier nicht von großen Beträgen, zum Beispiel von Investitionen in Straßen und andere Dinge, sondern von überschaubaren Beträgen.
In meiner Region mit etwa 500.000 Einwohnern haben wir mit Mühe und Not von 16 Plätzen in Frauenhäusern auf 21 oder 22 Plätze – ich weiß es jetzt nicht genau – aufgestockt. Auf jeden Fall handelt es sich um eine minimale Aufstockung angesichts einer Bevölkerung von einer halben Million, wovon ungefähr die Hälfte Frauen sind.
Das Schlimme ist: Der Herr Kollege Fahn hat für seine Region eine Reihe von Anfragen gestellt, um zu erfahren, wie viele Plätze existieren, wie viele Frauen aufgenommen und abgewiesen worden sind. Das Ministerium schreibt ganz klar: Das könne es nicht sagen; denn die Erfassung sei zu umständlich. Wir haben also nicht einmal einen Überblick. Das heißt, Sie lehnen das Begehren ab, ohne zu wissen, was Sie ablehnen. Das ist eigentlich eine Frechheit.
Ich habe übrigens für meine Region die gleiche Anfrage gestellt, wie viele Plätze und Abweisungen es gibt, habe aber sofort dazugeschrieben: Nachdem ich bereits vom Kollegen Fahn weiß, dass das Ministerium überhaupt keine Ahnung hat, wie viele Frauen nicht aufgenommen werden können, bitte ich zumindest um eine Antwort, wie man diese Wissenslücke schließen will; ferner, ob man es für völlig unwichtig hält, dass man überhaupt nicht sagen kann, wie viele Frauen aufgenommen werden wollten, aber abgewiesen werden mussten. Nicht einmal diese Mühe macht man sich, um das zu erfahren. Das ist für mich bodenlos, weil es zeigt, wie wenig ernst man dieses Thema nimmt.
Da sitzen doch genügend Wirtschaftler. Allein wenn Sie das Thema volkswirtschaftlich betrachten, völlig ungeachtet humanitärer Fragen usw.: Jede Frau und vor allem deren Kinder, die nicht in Frauenhäusern untergebracht werden können, um dadurch in ihrem weiteren Leben eine gewisse Stabilität zu bekommen, sind weiterhin gefährdet. Dass das eine Menge kostet, wissen wir alle, weil man dann entsprechend nachsorgen muss, also Schulpsychologen, Beratungslehrer und im schlimmsten Falle Polizei und Justiz braucht. Das alles kostet uns viel Geld. Wie gesagt, rein volkswirtschaftlich gesehen sind es die größten Fehler, die man machen kann, wenn man auf dieser Stufe nicht eingreift.
Mir kommt es manchmal so vor, als würden hier Gelder auch deswegen nicht zur Verfügung gestellt oder das Thema nicht ernst genommen, weil man Angst hat; denn dieses Anliegen ist ein Tabuthema. Früher hat man immer gesagt, Gewalt komme nur in bestimmten Familien vor. Inzwischen weiß man: Dieses Thema betrifft alle sozialen Schichten. Häusliche Gewalt gibt es in Akademikerfamilien bis hin zu – in Anführungszeichen – "Unterschichtfamilien". Häusliche Gewalt kommt also überall vor. Es scheint, als hätten die Herren – das muss man leider oft fraktionsübergreifend sagen – Angst, sich diesem Thema zu widmen. Ich weiß es nicht.
Das nehme ich nicht zurück. Diese Zurückweisung nehme ich nicht an. Ich kann es mir nicht anders erklären. Ich bin in so vielen Gremien tätig. Das beginnt mit dem Kinderschutz, dem Frauenmissbrauch und reicht bis zur Vergewaltigung in der Ehe bis hin zur häuslichen Gewalt. Das sind bei uns immer noch Tabuthemen. Hier geht es eigentlich nur darum, erst einmal Geld in die Hand zu nehmen, um diese Frauen zu versorgen. Solange dies nicht passiert, werden wir
nicht nachlassen. Da haben Sie, Simone, unsere Unterstützung. Es ist für unsere Gesellschaft eine Schande.
Danke schön. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Osgyan. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Thema Frauenhäuser und Frauennotrufe im Landtag zwar noch keine 15 Jahre, aber immerhin viereinhalb Jahre verfolgt. Die Bilanz ist tatsächlich: einen Schritt vor, einen halben Schritt zurück, manchmal zwei Schritte zurück, mal einen vor. Es ist also wirklich ein Trauerspiel.
Erst letzte Woche haben wir im Sozialausschuss einen neuen Bericht der Staatsregierung zur Weiterentwicklung des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen und Kinder angehört. Wir mussten feststellen: Es wurde zwar einiges zum Zeitplan gesagt, aber nichts zu Inhalten. Es werden weder ein konkretes Ergebnis noch Handlungsempfehlungen genannt. So geht es schon die ganze Zeit.
Blicken wir an den Anfang der Legislatur zurück, stellen wir fest: Es hieß immer, wir haben zwar jede Menge Meldungen von Frauenhäusern vorliegen, dass sie Frauen abweisen müssen. Aber um zu sagen, was konkret zu tun ist, müssen wir erst einmal den Bedarf erheben. Dann wurde endlich eine Studie zur Bedarfserhebung in Auftrag gegeben. Diese Studie war dann ewig lange unter Verschluss. Wir hatten dann darauf gedrängt, dass sie dem Landtag zugeleitet wird. Daraufhin hieß es, es würden Sofortmaßnahmen eingeleitet und eine Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Gesamtkonzepts gebildet. Jetzt, zwei Jahre später, ist das erschreckende Ergebnis – wir haben es heute bereits gehört: Eigentlich hat sich seit 2014 nichts geändert; jede zweite Frau muss abgewiesen werden. Aktuellere Zahlen wurden uns nicht vorgelegt. Die Zahlen gibt es aber; denn alle Frauenhäuser und Frauennotrufe haben sie in ihren Jahresberichten. Man müsste sie nur zusammentragen. Das ist für die Art, wie hier gearbeitet wurde, symptomatisch. Nach zwei Jahren des Tagens ist aus dem Bericht im Sozialausschuss von vergangener Woche im Prinzip kein wirklicher Fortschritt erkennbar. Vielleicht gibt es ihn, ich weiß es nicht. Inhaltlich haben wir dazu nichts gesagt bekommen.
Der Zeitplan, von dem die Rede war, sagt aus, dass das Gesamtkonzept irgendwann kurz vor der Landtagswahl vorgelegt wird. Das heißt, faktisch gibt es bis dahin keinen einzigen neuen Frauenhausplatz. Es wird auch nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt,
sondern man hat erstmal Handlungsempfehlungen. Das heißt, es werden noch Jahre ins Land gehen, bis ausreichend Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und Kinder endlich umgesetzt werden. Das können wir uns nicht mehr länger leisten.
Eines hat mich gefreut: Die Debatte im Sozialausschuss hat gezeigt, dass alle Fraktionen der Meinung sind, dass wir dort ansetzen müssen, wo wir schon jetzt Aussagen treffen können, nämlich bei den Sofortmaßnahmen. Die Studie hat bereits im Jahr 2016 relativ klar gezeigt, was an dieser Stelle zu tun ist.
Wir erkennen an, dass ein Gesamtkonzept erstellt werden muss und dass dies in dem einen oder anderen Fall nicht einfach ist. Allerdings ist bereits seit zwei Jahren von Sofortmaßnahmen die Rede, aber es ist wenig passiert. Es gab lediglich moderate Erhöhungen im Haushalt, die aber weit hinter dem zurückblieben, was schon klar als Bedarf auf dem Tisch lag. Wir GRÜNE haben deshalb in den Haushaltsberatungen zwei Millionen Euro gefordert und sind damit unter dem Ansatz der SPD geblieben. Das ist freilich die Summe, die bereits im Jahr 2016 in der Studie genannt wurde. Uns ist völlig klar, dass wir über diese Summe hinausgehen müssen, sobald wir wissen, wie wir dieses System zukunftsfähig machen können.