Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CSU-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Freller das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahrscheinlich sehr selten, dass eine Rednerin der SPD und ein Redner der CSU eine Rede mit dem gleichen Satz beginnen. Ich habe genau wie Sie dieses Zitat von Sophie Scholl gefunden, das wahrscheinlich exakt, möglicherweise auf die Stunde genau vor 75 Jahren, von ihr wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung gesagt wurde:
So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorgeschichte der "Weißen Rose" ist genannt worden. Ich will sie an einigen Stellen etwas ergänzen. Vor allem möchte ich noch wiedergeben, damit dies auch im Protokoll eines Parlaments vermerkt ist, was überhaupt in dem Flugblatt stand, das zu ihrer Verhaftung führte. Was hat sie denn in der LMU verteilt, worauf sie dann vom Hausmeister erwischt und zur Rede gestellt und einem Nazi-Ermittler vorgeführt worden ist? Was steht da drin? – Es ist das sechste Flugblatt. Insgesamt waren es sechs Flugblätter, die die "Weiße Rose" verbreitet hat, am Anfang nur in einer kleinen Auflage, adressiert und mit der Post verschickt, später dann in einer großen Auflage. Das letzte Flugblatt, das dann entdeckt wurde bzw. dessen Verfasser ge
fasst wurden, ist in mehreren Tausend Exemplaren an die Bevölkerung und insbesondere an junge Menschen verteilt worden. In diesem Flugblatt steht Folgendes:
Kommilitoninnen! Kommilitonen! Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir weiter einem Dilettanten das Schicksal unserer Armeen anvertrauen? Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten einer Parteiclique den Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr!
Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat. Im Namen der ganzen deutschen Jugend fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weise betrogen hat.
In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen. HJ, SA und SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsjahren unseres Lebens zu uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht. "Weltanschauliche Schulung" hieß die verächtliche Methode, das aufkeimende Selbstdenken und Selbstwerten in einem Nebel leerer Phrasen zu ersticken. Eine Führerauslese, wie sie teuflischer und zugleich bornierter nicht gedacht werden kann, zieht ihre künftigen Parteibonzen auf Ordensburgen zu gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zur blinden, stupiden Führergefolgschaft.
Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es … die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war das Flugblatt, das am Ende zur Hinrichtung von jungen Menschen führte, die in einem Alter zwischen 20 und 25 Jahren waren. Ich nenne außerdem noch Herrn Prof. Huber. Sie mussten ihr Leben lassen, weil sie das sagten, was sie dachten. Sophie Scholl war dabei ganz vorne mit dabei. Sie hatte sogar die Chance, sich herauszureden. Sie wollte aber diese Chance nicht annehmen, sondern hat gesagt, sie stehe dazu.
Über Sophie Scholl ist eine Biografie vom Autor Tim Pröse erschienen. Er beschreibt die Szene, die sich am 22. Februar, nach ihrer Verurteilung zum Tode, abgespielt hat.
Die Eltern hetzten in den Todestrakt des Gefängnisses Stadelheim in München. Nur etwa zehn Minuten blieben Robert und Magdalena Scholl an diesem Nachmittag des 22. Februars 1943 um 16 Uhr. Genau eine Stunde vor der Hinrichtung ihrer Kinder um 17 Uhr. Im Besuchsraum beugte sich der Vater über die Brüstung und umarmte Hans und Sophie: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen", sagte er und weinte …
Am 22. Februar ließen die Gefängniswärter Hans, Sophie und Christoph kurz vor 17 Uhr noch einmal zusammenkommen vor dem Raum, in dem das von einem schwarzen Tuch verhangene Fallbeil stand. Sie rauchten gemeinsam noch eine Zigarette. Sophie ging zuerst. Zwei Schergen des Henkers Reichhart führten sie zur "Fallschwertmaschine". Sechs Sekunden später war sie tot.
Die allerletzte Botschaft, die sie hinterlassen hat, haben weder ihre Gefängniswärter noch die Gestapo entdeckt. Erst Jahrzehnte später war auf der Rückseite der Anklageschrift, die sie bis zuletzt hatte, das von ihr geschriebene Wort "Freiheit" entdeckt worden. –
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein junger Mensch, der nichts anderes wollte als das, was jedem von uns zusteht: Freiheit. Ihr wurde das Leben genommen, wie vielen anderen auch. Aber Sophie Scholl und ihre Freunde hatten etwas getan, von dem wir uns wünschen, dass es mehr getan hätten. Sie haben sich gegen das Terrorregime gewandt. Sie haben sich dagegen aufgelehnt und Widerstand geleistet. Leider haben in Deutschland und teilweise auch im Ausland zu wenige Hitlers verbrecherischen Absichten und damit dem größten Zivilisationsbruch der Menschheit, nämlich der industriellen Tötung von Menschen, die Stirn geboten. Umso mehr gilt den Menschen, die Hitler, seinen Schergen und seiner Politik Widerstand leisteten, höchster Respekt. Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle auch Georg Elser nenne, weil er zwar in anderem Zusammenhang, aber mit dem gleichen Ziel Widerstand geleistet hat und schließlich am 9. April 1945 im KZ Dachau umgebracht wurde.
Wenige Hundert Meter von der Stelle, an der Georg Elser ermordet wurde, steht das heutige Denkmal mit der Aufschrift "Nie wieder". Meine Damen und Herren, das ist ein Auftrag in die Zukunft. Dieses Denkmal
mahnt daran, nicht nur zu erinnern, sondern vor allem in die Zukunft hinein zu handeln. Meine Damen und Herren, unsere Aufgabe ist es, daran mitzuwirken, dass es niemals in der Zukunft wieder Opfer gibt, und dafür zu sorgen, dass es niemals in der Zukunft wieder Täter gibt. Das kann uns nur gelingen, wenn die ganze Nation, wenn eine Völkergemeinschaft in dieser Frage unbeirrbar zusammenhält. Das kann nur gelingen, wenn Eltern schon ihren kleinen Kindern beibringen: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Hätten das alle beherzigt, wäre es nicht zur Katastrophe gekommen. Das kann nur gelingen, wenn an den Schulen genügend Zeit für Herzens- und Charakterbildung und einen fundierten Geschichtsunterricht bleibt. Nur wer die Geschichte kennt, kann aus ihr lernen.
Das kann nur gelingen, wenn Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer nationalen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Veranlagung, ihres Alters oder ihrer Behinderung nicht diskriminiert, sondern aktiv vor Diskriminierung geschützt werden. Das kann nur gelingen, wenn Institutionen und Parteien es nicht dulden, dass sich in ihren Reihen Funktionsträger menschenverachtend äußern oder das Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlin als Schande bezeichnen. Das kann nur gelingen, wenn wir es schaffen, ein Klima der Aufklärung und des Zusammenhalts herzustellen, sodass extremistische Parteien und Organisationen von vorneherein keine Chancen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das Gefühl, dass wir heute in einer großen Einigkeit beisammen sind, zu der uns die Geschwister Scholl zusammengeführt haben. Ich frage mich allerdings, ob diese Einheit in diesem Parlament in einem halben Jahr außerhalb der jetzt vertretenen Parteien noch zu schließen sein wird. Ich weiß es nicht. Sorgen sind berechtigt.
Ich könnte jetzt noch eine Reihe von Punkten ansprechen, mit denen dazu beigetragen werden könnte, jungen Menschen zu helfen, einen Weg zu finden bzw. sie zu motivieren, sich für diese Demokratie zu engagieren. Wir müssen unbedingt auf die nächste Generation eingehen, damit sie erkennt, dass Demokratie nichts Selbstverständliches ist, sondern immer wieder zu verteidigen und zu schützen ist. Die Rechte und die Menschenwürde anderer sind ein so hohes Gut, dass jeder die Pflicht hat, sie zu schützen. Frau Kollegin Kohnen, Sie haben die Stichworte genannt: Extremismusbekämpfung, Handlungskonzept, außerschulische Lern- und Gedenkorte. Ich erwähne ausdrücklich die beiden großen Gedenkstätten, das NSDokuzentrum und die Dokumentation Obersalzberg,
Aus aktuellem Anlass sage ich: Ich finde es gut, dass unser Freistaat Bayern einen Staatsvertrag mit den Sinti und Roma geschlossen hat. Sie sind künftig nicht mehr auf Zufallsmehrheiten angewiesen, wenn es um den Erhalt von Friedhöfen und anderen Einrichtungen ihrer kulturellen Identität geht. Die Sinti und Roma waren nach den Juden die größte Gruppe, die von der Verfolgung im Dritten Reich betroffen war. Dieser Staat wird deshalb dieser Gruppe auf lange Sicht seinen Schutz gewähren.
Meine Damen und Herren, den von Ihnen eingebrachten Antrag kann ich voll und ganz unterschreiben. Lassen wir uns als Parlament von den Worten der "Weißen Rose", von den Inhalten ihrer Flugblätter, aber vor allem von dem unwahrscheinlich tapferen Verhalten einer Sophie Scholl, eines Hans Scholl, eines Christoph Probst und all derer, die danach noch ums Leben kamen oder über Jahre hinweg eingesperrt wurden, für unser politisches Handeln motivieren.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat jetzt Herr Prof. Dr. Bauer das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 22. Februar 1943, also heute vor genau 75 Jahren, wurden Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst ermordet. Ein menschenverachtender Unrechtsstaat und viele willfährige Helferinnen und Helfer haben diese Gräueltat zu verantworten. Gott wird ihr Richter sein. Davon bin ich überzeugt.
Denken wir auch daran, dass weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" und Tausende Widerstandskämpfer vor 1943 und nach 1943 ebenso grausam ermordet wurden von einem diktatorischen Regime, welches ein Ziel hatte, nämlich die Ermordung und Hinrichtung Andersdenkender. Die Gräueltaten der NS-Zeit müssen uns allen Auftrag und Verpflichtung sein: Auftrag zu nie wieder Diktatur und nie wieder Krieg. Verpflichtung zu Menschenwürde, Demokratie und Freiheit.
Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist besonders mit einer lebendigen Erinnerungskultur zu leisten. Die Zeitzeugen, die heute noch leben und ihre Erinnerungen weitergeben, werden naturgemäß immer weniger. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, niemals zu vergessen, was damals geschah. Alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern sind aufgerufen, sich aktiv
gegen Diskriminierung von Menschen, gegen Antisemitismus und Rassismus zu wehren. Wir alle müssen unsere demokratischen Grundwerte hoch schätzen und standhaft verteidigen. Menschenwürde, Mitmenschlichkeit, Freiheit und Demokratie sind das Fundament unserer Gesellschaft, sind das Fundament unseres Staates.
Kämpfen wir alle gemeinsam für diese Werte. Denken wir mit Würde und Respekt an Hans und Sophie Scholl, an die Mitglieder der "Weißen Rose", und verneigen wir uns in Demut vor allen Widerstandskämpfern. Ich tue dies an dieser Stelle auch für meinen Vater.
Vielen Dank. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Schulze, bitte. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Herbst 1996 stand ich als Elfjährige in der Aula des Christoph-Probst-Gymnasiums in Gilching und bin mit einer weißen Rose in der Hand wieder nach Hause gegangen. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht mehr ganz genau, was uns an dem Tag alles gesagt wurde. Aber ich kann mich noch sehr gut an das Gefühl erinnern, das ich hatte. Es war ein Gefühl der Verantwortung, dass ich jetzt auf eine Schule gehen darf, die den Namen eines Widerstandskämpfers trägt. Seit ich mich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandergesetzt habe, habe ich mich immer wieder gefragt: Was hätte ich damals gemacht? Wäre ich so mutig wie Christoph Probst und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewesen?
Es gibt ein Zitat von Christoph Probst, das mich immer wieder packt – so geht es Ihnen wahrscheinlich auch – und das ich Ihnen kurz vorlesen möchte:
Einmal muß das Menschliche hoch emporgehalten werden, dann wird es eines Tages wieder zum Durchbruch kommen. Wir müssen dieses Nein riskieren gegen eine Macht, die nicht nur alles Andersdenkende ausrotten will, die sich anmaßend über das Innerste und Heiligste des Menschen stellt. Wir müssen es tun um des Lebens willen, diese Verantwortung kann uns keiner abnehmen.
Jede Generation definiert die Gesellschaft auch mit ihren Worten und ihren Taten. Jede Generation muss erneut für ihr Leben und damit auch für das Leben der
anderen Verantwortung übernehmen. Sie wissen alle genauso gut wie ich, dass jeder Mensch dafür verantwortlich ist, was er tut, aber gleichzeitig auch dafür, was er unterlässt. Deswegen braucht es Mut, um Verantwortung zu übernehmen.
Oft wird dieses große Wort "Zivilcourage" bemüht. Ich möchte das ein bisschen herunterbrechen. Für mich bedeutet das, Mut zu haben, aufzustehen, wenn alle sitzen bleiben; Mut zu haben, etwas zu sagen, wenn die anderen schweigen; Mut zu haben, anders zu sein; Mut zu haben, Partei zu ergreifen, zu seiner eigenen Haltung zu stehen, einen Kompass zu haben, diesem zu folgen und dem Unrecht auf dieser Welt die Stirn zu bieten, sei es im Großen oder im Kleinen. Genau diese Haltung hatten die Mitglieder der "Weißen Rose". Diese Haltung braucht es auch heute von uns allen, nicht nur von den Jungen, sondern von der gesamten Gesellschaft; denn wenn wir uns die Zahlen, die Daten und die Stimmung anschauen, erkennen wir alle, dass es in unserem Land weiterhin Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit gibt. Es gibt Menschen, die unsere Demokratie angreifen, die sich selber aufwerten und andere abwerten, die die Freiheit nur für sich selbst in Anspruch nehmen. Auch diese Leute gibt es noch. Es gibt Menschen, die Vielfalt, Toleranz und Pluralität auf das Schärfste bekämpfen, obwohl es unser schönes Bayern eigentlich ausmacht. Das Schlimme ist, es wird immer mehr. Das sieht man an den Worten, und das sieht man an den Taten.
Deshalb gilt es auch im Jahre 2018, dagegen aufzustehen und diese Haltungen zurückzukämpfen; denn wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputtmachen. Wir sind mit denen solidarisch, die angegriffen, bedroht, beleidigt und abgewertet werden. Wir verteidigen die Vielfalt in unserem Land. Wir ziehen eben keinen Schlussstrich unter die Erinnerungen an die Gräueltaten der NS-Diktatur. Wir zeigen klare Kante gegen die Verfassungsfeinde und verteidigen unsere Demokratie jeden Tag, im Großen und im Kleinen. Dabei sind uns die Mitglieder der "Weißen Rose" ein Vorbild. Es ist also unser aller Aufgabe, das Erbe von Christoph Probst, von Sophie Scholl, von Hans Scholl, von Alexander Schmorell, von Willi Graf und von Kurt Huber weiterzutragen und mit Leben zu füllen.
Heute vor 75 Jahren starben Christoph Probst, Hans Scholl und Sophie Scholl unter dem Fallbeil in München-Stadelheim. Aber ihre Taten, ihre Menschlichkeit und ihre Worte leben weiter. Wir werden euch nie vergessen und sagen für eure Zivilcourage und euren Mut in der dunkelsten Stunde unserer Geschichte Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Staatsregierung darf ich jetzt Herrn Staatsminister Dr. Spaenle das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! "Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht." Das ist ein Satz, den Sophie Scholl im Zuge der Vernehmungen gesagt hat. Dieser Satz dokumentiert wohl etwas vom Innersten, was diese Gruppe junger Menschen, Kurt Huber und manch anderen bewegt hat, übrigens nicht nur am Standort München, sondern auch am Standort Hamburg, wohin es auch Verbindungen persönlicher Art gab.
Es muss im Sommer 1982 gewesen sein. Damals ging ich in der LMU das Treppenhaus zum Lichthof hinauf, als mir ein junger Mann in SA-Uniform entgegenkam und mich grüßte. Mich hat der Schlag getroffen. Es waren die Dreharbeiten zu einem Film über Sophie Scholl von Michael Verhoeven. Diese Begegnung fand im dem Haus statt, in dem vor 75 Jahren junge Menschen Flugblätter, von denen ein Exemplar der Herr Kollege Freller zitiert hat, hinterlegt und in den Lichthof geworfen haben. In der umliegenden Maxvorstadt sind an den Außenwänden mancher Häuser mit Kreide Botschaften hinterlassen worden. Was wir heute erleben, ist so etwas wie die Konzentration auf das Innerste des Erbes, das für die zweite Demokratie auf bayerischem und deutschem Boden das Nie-wieder bedeutet.
Es hat auch zu manchem Streit um die Einordnung des Widerstandes nach dem Krieg geführt, dass Menschen zu diesem Zeitpunkt aufgestanden waren und das andere Deutschland repräsentiert hatten. Was wir heute aus dem Mund der Kolleginnen und Kollegen, die gesprochen haben, hören konnten, gibt Anlass zu Mut und zur Überzeugung, eine wehrhafte Demokratie entwickelt zu haben – und diese auch weitertragen zu können. Es macht auch Mut, das jungen Menschen weitergegeben zu haben und dieses im Zusammenwirken des Freistaats Bayern mit dem Staat Israel zu tun.
Vor wenigen Wochen ist etwas relativ unbemerkt zu Ende gegangen, was ein kleines Wunder war: Zum ersten Mal wurde in Israel eine Ausstellung über eine Gruppe des deutschen Widerstandes gezeigt. Diese Ausstellung über die "Weiße Rose" wurde von 2015 bis zum November 2017 nördlich von Haifa in Zusammenarbeit mit dem Trägerverein, dem Ghetto Fighters' House, gezeigt. Auch das gibt Hoffnung und ist Auftrag.
Ich glaube, es ist ein ganz zentrales Gut, dass wir uns diesem Auftrag über alle Parteigrenzen hinweg und jenseits allen politischen Wettbewerbs stellen. Wie Sie nehme auch ich wahr, dass politische Ausgrenzung, dass das Gegeneinander-Ausspielen, dass das Schüren und politische Instrumentalisieren vorhandener Ängste und Unsicherheiten das politische Geschehen in unserem Land wieder stärker zu prägen beginnen. Auch hier gelten das "Nie-wieder" und das Widerstehen. Das ist etwas, was in dieser Stunde des Erinnerns gemeinsamer Auftrag ist und was Mut macht.