Protokoll der Sitzung vom 15.05.2018

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Herr Staatsminister, bitte einen Augenblick.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Was ist mit den Zwischenrufen von der Regierungsbank?)

Ich bitte, daran erinnern zu dürfen, dass bisher den Rednerinnen und Rednern, die hier standen, auch zugehört worden ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Herr Kollege Dürr, wir haben es verstanden. Ich bitte jetzt, auch dem Herrn Staatsminister zuzuhören, wie wir das bisher in diesem Hohen Haus getan haben. – Ich bedanke mich bei Ihnen. Danke schön.

Ich wiederhole, liebe Kolleginnen und Kollegen: Von einer Mitgliedsorganisation Ihres Bündnisses wurden am Donnerstag Flyer verteilt, in denen wörtlich steht: Das Gesetz dient der Vorbereitung einer den Vorgaben einer Geheimen Staatspolizei folgenden Freisler-Justiz. – Das ist doch wirklich unglaublich! Aber keiner von Ihnen distanziert sich von derartigen Entgleisungen, meine Damen und Herren!

(Anhaltender Beifall bei CSU)

Hier wird Angst und Schrecken vor der Polizei verbreitet, und das ist unverantwortlich.

(Unruhe bei der SPD – Hans Herold (CSU): Zuhören!)

Ich werde Ihnen noch ein weiteres Beispiel nennen, denn es verstärkt sich der Eindruck, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt. Auch draußen im Land erlebt man solche merkwürdigen Kundgebungen, und dies in merkwürdigen Kombinationen. In meiner Heimatstadt Erlangen spielte sich am vergangenen Samstag Folgendes ab: An einem Informationsstand, der von der Partei DIE LINKE angemeldet wurde, für dieses Bündnis sprach der Vorsitzende der Linksjugend Solid. Ich zitiere wörtlich.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Ich zitiere also wörtlich: Und jeder, der schon einmal Kontakt hatte mit der Polizei oder einem anderen Repressionsorgan, der weiß, die sind ganz gut darin, sich etwas zu konstruieren, wenn sie es wollen. So ein schwammiger Rechtsbegriff wie eine drohende Gefahr, der öffnet Tür und Tor für Missbrauch. Bei Demonstrationen, auch wie dieser hier, dürfte die Polizei jetzt jederzeit mitfilmen. Früher durfte sie das nur bei Demonstrationen, wo sie von Straftaten ausgegangen ist. Das darf jetzt immer sein. Und sie dürfen die Daten jetzt live in ein System, in ein elektronisches System, einschleusen, bei dem eine Gesichtserkennung mit einer Datenbank verknüpft ist. So können dann angeblich Extremisten oder sogenannte Gefährder ganz schnell erkannt werden und dann Repressionsmaßnahmen zugeführt werden. –

Meine Damen und Herren, nach diesem Auftritt spricht eine örtliche SPD-Politikerin. Ich will jetzt gar keine Namen nennen. Es war eine Kollegin, die ich eigentlich in der Zusammenarbeit sonst sehr schätze. Aber auch da das Gleiche: kein Wort der Distanz, kein Hinweis darauf, dass das grober Unfug ist, was dieser Mensch von Solid erzählt hat.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

Damit sind zurzeit viele unterwegs. Filmaufnahmen von Demonstrationen sind ganz streng reguliert im Versammlungsgesetz. In diesem Polizeiaufgabengesetz gibt es keine einzige Silbe, die an diesen Vorschriften für das Demonstrationsrecht etwas ändert – keine einzige Silbe. Trotzdem werden aus dem Bündnis, dem Sie angehören, ständig solche Behauptungen verbreitet, als ob die Polizei zukünftig bei jeder Gelegenheit filmen dürfte.

(Beifall bei der CSU – Dr. Paul Wengert (SPD): Mannomann! – Florian von Brunn (SPD): Sie laden sogar den Orbán ein!)

Liebe Frau Kollegin Kohnen, liebe Frau Schulze, ich werfe Ihnen persönlich nicht vor, dass Sie lügen. Aber ich werfe Ihnen vor, dass Sie seit Wochen genussvoll dabeistehen, wenn andere Partner Ihres Bündnisses hemmungslos lügen, und nichts dagegen unternehmen.

(Beifall bei der CSU)

Anschließend stellen Sie sich hier hin und beklagen die Verunsicherung, die bei den Menschen draußen zu spüren ist.

(Beifall bei der CSU)

Das ist in der Tat eine großartige Strategie. Ja, es stimmt, dass viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert sind. Nach meiner Beobachtung stehen dabei vor allem die Themen der drohenden Gefahr und des Gewahrsams im Mittelpunkt. Dazu will ich ein paar kurze Anmerkungen machen.

Der Begriff der drohenden Gefahr ist nach meiner Wahrnehmung in der deutschen Gesetzgebung erstmals im Bundeskriminalamtgesetz von 2008 aufgetaucht, das bekanntlich damals gemeinsam von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag beschlossen worden ist. Damals stand erstmals der Begriff der drohenden Gefahr in einem Bundesgesetz. Das war das BKA-Gesetz aus dem Jahr 2008, das gemeinsam von CDU/CSU und SPD beschlossen worden ist. Darauf bezieht sich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016. Dieses ist bekanntermaßen aufgrund der Klage von früheren FDPKollegen zustande gekommen. Ich will nicht auf das ganze Urteil im Einzelnen eingehen.

Den Begriff der drohenden Gefahr haben wir im vergangenen Jahr erstmals in das PAG aufgenommen. Herr Kollege Kreuzer hat vorhin darauf hingewiesen. Im letzten Jahr schienen SPD und FREIE WÄHLER noch keine so großen Probleme damit gehabt zu haben. Bei dem Gesetz haben Sie sich enthalten. Aber angeblich kann man auch noch klüger werden – nun gut.

Interessant ist, dass die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg Regelungen zur drohenden Gefahr geschaffen hat und plant, diese zu erweitern. Der Begriff der drohenden Gefahr soll auch in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen – Ländern, in denen SPD und GRÜNE Regierungsverantwortung tragen – Eingang in Gesetze gefunden haben. In diesen Ländern haben SPD und GRÜNE Regelungen zur drohenden Gefahr geschaffen und nicht dagegen protestiert. Nein, sie haben sie selbst geschaffen. Meine Damen und Herren, Sie bekämpfen in diesem Haus die Anpassung dieser Gefahrenkategorie, anstatt eine ehrliche und faktenbasierte Debatte zu fördern.

(Beifall bei der CSU)

Wenn jemand sagt, dass die drohende Gefahr inhaltlich völlig unbestimmt sei, missachtet er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dem Urteil vor zwei Jahren seitenweise damit beschäftigt, wie das mit der drohenden Gefahr zu verstehen ist. Das Bundesverfassungsgericht sagt auch ausdrücklich, dass bei der drohenden Verletzung wichtiger Rechtsgüter schon eine Stufe vor der konkreten Gefahr polizeiliche Maßnahmen ange

zeigt sein können. Das Bundesverfassungsgericht hat das ausdrücklich so akzeptiert. Es ist nicht richtig, dass das von vornherein abgelehnt wurde – ganz im Gegenteil. Meine Damen und Herren, ich kann nur an das anknüpfen, was Herr Kollege Kreuzer gesagt hat. Ja, das wäre auch fatal, wenn die Aussage dieses Rechtsstaates lauten würde: Wenn eine Gefahr droht, kann man nichts machen, schauen wir mal weg, das geht uns nichts an. – Kann das ernsthaft die Antwort des Rechtsstaats an seine Bürgerinnen und Bürger sein, wenn eine Gefahr droht? – Das kann ein Landesparlament nicht ernsthaft so sehen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Zurufe von der CSU: Zuhören!)

Die Regelung zum Gewahrsam ist vor einem Jahr beschlossen worden und ist gar nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens. Nach diesem Gesetz, das wir vor einem Jahr hier beschlossen haben, gilt selbstverständlich, dass Freiheitsentziehungen allerspätestens am Tag nach der Festnahme von einem Richter bestätigt werden müssen. Ansonsten muss der Betroffene freigelassen werden. Das gehört ebenfalls zu den unverantwortlichen Aussagen, die in den letzten Wochen rumgegeistert sind: Sie haben den Eindruck erweckt, als gäbe es eine bereits geltende Regelung oder eine neue Regelung, die der Polizei erlaubt, irgendjemanden unbegrenzt einzusperren. – Grober Unfug! Das stand nie zur Debatte. Das ist kein geltendes Recht in Bayern. Das ist natürlich nicht Gegenstand dieses Gesetzentwurfs. Trotzdem wird das draußen immer wieder wohlgefällig kolportiert, nur um dieses Gesetz madig zu machen. Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der CSU)

Ich will noch eines sagen, damit keine Missverständnisse auftreten. Für den Gewahrsam gilt nach wie vor die konkrete Gefahr und nicht die drohende Gefahr. Grob falsch ist auch der Vorwurf, langfristiger Polizeigewahrsam wäre ein Massenphänomen und der Einstieg in einen Polizeistaat. Tatsache ist, dass diese Regel am 1. August letzten Jahres in Kraft getreten ist. Seither sind neun Monate vergangen. In diesen neun Monaten haben genau viermal in Bayern Amtsgerichte von diesem Gewahrsam Gebrauch gemacht, mit jeweils wohlbegründeten Entscheidungen und unterschiedlicher Dauer. Der Zeitraum von drei Monaten ist bisher noch nie ausgeschöpft worden. Verlängert wurde in einem Fall eine elektronische Aufenthaltsüberwachung. Wir sind gerne bereit, über jeden dieser Fälle auch in der Öffentlichkeit zu berichten. Dass der Eindruck erweckt wird, es könne sich um ein Massenphänomen handeln, ist natürlich grober Unfug.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Das gilt auch für die Diskussion über Handgranaten. Ich sage das nur, weil das immer wieder in den Social Media auftaucht. Seit 1978 steht im bayerischen Polizeiaufgabengesetz, dass die Polizei auch Handgranaten und Maschinengewehre hat.

(Zurufe von der SPD: Das ist doch bekannt!)

Wer hat das in den letzten Wochen ständig thematisiert? Wer hat dem tatenlos zugeschaut und sich nicht davon distanziert? – Bei den Leuten ist der Eindruck erweckt worden, als ob in Zukunft jeder Polizeibeamte in Bayern mit einer Handgranate herumlaufen würde. Das ist grober Unfug. Sie machen sich solchen Unfug zunutze für Ihre Propaganda.

(Beifall bei der CSU)

Im Innenausschuss hatten wir eine sehr konstruktive Diskussion über den Einsatz von Bodycams. Ich will im Hinblick auf den Unfug, der in den Social Media rumgeistert, auf etwas hinweisen, damit wir – wie ich hoffe – ein Stück Gemeinsamkeit feststellen können.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wirklich nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass wir bei bestimmten Dingen gut weiterarbeiten können. Ich bekenne offen: Wir sind in vielen Dingen führend, aber beim Thema Bodycam habe ich ausdrücklich gesagt, dass wir zeitlich nicht führend waren. Ich darf darauf hinweisen, dass in Baden-Württemberg, in Bremen, in Hessen, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und im Bund die PreRecording-Funktion für die Bodycams bereits im Gesetz verankert ist. Das ist die Realität. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist höchste Zeit, dass wir das auch in Bayern einführen. Aber nicht den Menschen draußen irgendeine Sorge bereiten!

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen deshalb: Der zur Abstimmung stehende Entwurf stärkt den Schutz der Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Er wird dazu beitragen, den Spitzenplatz Bayerns bei der inneren Sicherheit im Interesse der Menschen in unserem Land zu halten. Das ist kein Selbstzweck, es geht nicht um irgendein Ranking, sondern es geht darum, bestmögliche Sicherheit für die Menschen in unserem Land zu erreichen. Das war bisher der Maß

stab unserer Politik in Bayern, und das wird er auch in Zukunft sein. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Es gibt drei Zwischenbemerkungen. Als Erste hat Frau Kollegin Hiersemann das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Herr Staatsminister, Sie haben von der Kundgebung in Ihrer Heimatstadt am vergangenen Samstag berichtet, die offensichtlich angemeldet war, denn sonst wäre sie vermutlich aufgelöst worden. Der Begriff Kundgebung ist hoch gegriffen. Das wäre Ihnen bewusst, wenn Sie da gewesen wären. Es waren zweieinhalb Handvoll Vertreter der LINKEN.

Sie haben berichtet, dass zwei Mitglieder meiner Partei dort Redebeiträge geleistet haben. Sie sind beide übrigens nicht Mitglieder dieses Hohen Hauses; das nur der Vollständigkeit halber. Wären Sie bitte so freundlich, umfassend zu berichten, dass beide zum PsychKHG gesprochen haben und nicht zum PAG.

(Widerspruch bei der CSU)

Nach Ihrer Darstellung musste man den Eindruck bekommen, beide hätten sich mit noch dazu falschen Aussagen nicht distanziert von falschen Aussagen derer, die diese Kundgebung veranstaltet haben.