Protokoll der Sitzung vom 06.06.2018

Ich eröffne die Aussprache und darf hierzu als Erstem Herrn Kollegen von Brunn für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der frühere CSU-Minister Hans Eisenmann sagte bei der Eröffnung des ersten Nationalparks im Bayerischen Wald 1970: Die Eröffnung des Nationalparks in Bayern darf wohl als die Krönung des Europäischen Naturschutzjahres bezeichnet werden. Die Absage an einen dritten Nationalpark durch Ministerpräsident Söder, obwohl sein Vorgänger Seehofer ihn versprochen hat, ist mitnichten eine Krönung. Sie ist ein weiterer Tiefpunkt der Umwelt- und Naturschutzpolitik in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Die CSU-Politik sieht doch heute so aus: Am Sonntag schöne Reden halten, Bayerns Heimat und Natur loben und alle Probleme totschweigen, und am Montag werden dann wieder die Teer- und Betonschleusen aufgemacht, und die Staatsregierung huldigt dem Profit und dem Wachstum auf Kosten der Natur.

(Eberhard Rotter (CSU): Heute ist aber Donnerstag!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten machen das nicht mit. Wir geben das Ziel Nationalpark nicht auf.

(Beifall des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) – Zuruf von der CSU: Ja, schön!)

Ein dritter Nationalpark – das ist es, was auch die deutliche Mehrheit der bayerischen Bevölkerung will. In seiner Regierungserklärung hat der Ministerpräsident versucht, den Menschen in Bayern Sand in die Augen zu streuen.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Schorer (CSU))

Natur und Artenschutz seien ihm ach so wichtig. Dafür will er jetzt

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Naturparks fördern, Artenschutzzentren einrichten und ein begehbares Donau-Aquarium schaffen. Es werden also Gebäude und Einrichtungen geschaffen, die CSU-Minister in Anwesenheit von CSU-Landtagsabgeordneten mit großem Brimborium eröffnen können.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Das ist politische Werbung, PR und etwas Tourismusförderung. Das ist Placebo-Politik.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Unsere Große Anfrage, unsere Interpellation zum Zustand der Natur in Bayern hat aufgezeigt, welche großen Umweltprobleme wir in Bayern nach jahrzehntelanger CSU-Herrschaft tatsächlich haben. Ihr eigenes Biodiversitätsprogramm, ein zahnloser Tiger, belegt, wie viele Tier- und Pflanzenarten in Bayern vom Aussterben bedroht oder gefährdet sind. Natur und Landschaft kommen buchstäblich unter die Räder. Aber die Situation ist noch viel schlimmer, als wir dachten. Das Insektensterben, das natürlich auch in Bayern stattfindet, bedroht neben der Klimaerhitzung in nie gekannter Form unsere Lebensgrundlagen.

Das ändern Sie nicht mit hohlen Phrasen, mit Werbesprüchen und weißer Salbe. Wir wollen einen Nationalpark, um der geschundenen Natur auch in unserem eigenen Interesse wenigstens ein Stück zurückzugeben.

(Lachen bei der CSU)

Herr Söder und Herr Huber wollen dagegen einen sogenannten – Zitat – "landwirtschaftsverträglichen Natur- und Umweltschutz". Das ist kein Witz; in Wahrheit ist es nichts anderes als Interessenpolitik für die Agrarindustrie. Wenn Sie das so in die Tat umsetzen, wie es klingt, dann können Sie Ihr Donau-Aquarium in Nitrat-Aquarium umbenennen und dazu noch einen

schönen gespritzten Mais-Nationalpark in Niederbayern einrichten. Echter Natur- und Artenschutz sieht nämlich anders aus.

Wir haben in Bayern eine internationale Verpflichtung, Laub- und insbesondere Buchenwälder zu schützen,

(Angelika Schorer (CSU): 32!)

Buchenwälder, wie sie zum Beispiel im Steigerwald vorkommen. Oder, um es mit den Worten der ehemaligen Umweltministerin Scharf auszudrücken – ich zitiere –:

Buchenwälder sind in Bayern auf 4,5 Prozent ihres natürlichen Areals zurückgedrängt worden. Bayern hat daher die Aufgabe, für den Schutz dieser Wälder einzutreten.

In alten Buchenwäldern, die nicht mehr bewirtschaftet werden, kommen die besonders stark gefährdeten Urwaldreliktarten vor, darunter Käfer, die auf Alt- und Totholz angewiesen sind. Mindestens 60 % dieser Insektenarten – Stichwort: Insektensterben – stehen auf den roten Listen der bedrohten Arten. Auch viele seltene Fledermausarten nutzen solche Buchenwälder als Lebensraum. Das zeigen aktuelle Forschungen im Buchen-Nationalpark Jasmund in Mecklenburg-Vorpommern.

In bewirtschafteten Wäldern werden die Bäume nicht alt genug. Sie erfüllen diese Anforderungen nicht. Der Schutz solcher seltenen und gefährdeten Arten erfordert große Flächen. Trittsteine und Mini-Waldreservate reichen dafür nicht. Auch das zeigen die Studien aus Jasmund. Man kann es einfach so ausdrücken: Wer ernsthaft Fußball spielen will, der braucht einen Fußballplatz und keinen Vorgarten. Deshalb bleiben wir dabei und geben nicht auf: Bayern braucht einen dritten Nationalpark – am besten dort, wo alte Buchenwälder vorhanden sind, zum Beispiel im Steigerwald. Sie müssen geschützt werden, und der Nationalpark muss dort eingerichtet werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Für die CSU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dr. Hünnerkopf das Wort.

(Zurufe von der CSU: Otto! Otto!)

Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer einen Antrag mit "Kein Wort

bruch der Staatsregierung!..." betitelt, der legt es nicht auf Konsens an, sondern der will zum x-ten Mal Klamauk machen

(Beifall bei der CSU – Ingrid Heckner (CSU): Sehr gut! – Florian von Brunn (SPD): Wenn Sie Natur als Klamauk bezeichnen! Wir wollen auch unterstützen!)

und das Thema immer wieder hochkochen, aber nicht konstruktiv zu einem Ergebnis kommen.

(Zuruf von der SPD: Ernsthaftigkeit!)

Ernsthaftigkeit: Wir sitzen um halb eins hier und besprechen ein Thema zum zehnten oder zwanzigsten Mal vollumfänglich mit den gleichen Argumenten. Das ist für mich auch Zeitraub.

(Beifall bei der SPD)

Die Argumente sind ausgetauscht, zum letzten Mal im Umweltausschuss am 15. März. Damals haben wir den Antrag abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Das war vor der Regierungs- erklärung! – Ingrid Heckner (CSU): Das ist schon lange her!)

Seitdem hat sich nichts geändert. Wir sind der Auffassung, 10.000 Hektar Nationalpark haben ihren Wert; das will ich nicht abstreiten. Aber wir wollen den Nationalpark nicht, weil wir in der Fläche eine sinnvollere Naturschutzpolitik sehen als fokussiert auf 10.000 Hektar.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht, dass die Naturparks – 19 haben wir jetzt, das ist über ein Drittel, fast 40 % der Fläche Bayerns – Einrichtungen sind, die auch von der Fläche her einen hohen ökologischen Wert haben. Hier anzusetzen und verstärkt etwas zu tun, halten wir für sinnvoller, als den Fokus – ich sage es nochmals – auf 10.000 Hektar zu legen. Insofern lehnen wir den Antrag ohne große weitere Begründung ab. Ich kann nichts Neues sagen. Ich habe auch vom Kollegen von Brunn nichts Neues gehört. Insofern können wir uns die Zeit sparen.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Flori- an Streibl (FREIE WÄHLER))

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER erteile ich jetzt Herrn

Kollegen Aiwanger das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Meine Damen und Herren von Regierung und Opposition! Es ist jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen, auf den ich seit einigen Jahren gehofft habe: dass sich endlich die Realität durchsetzt. Wir haben als FREIE WÄHLER Ihren Ministerratsbeschluss von damals von Anfang an angegriffen, in dem Sie formuliert haben: Bayern strebt einen dritten Nationalpark an. Dann begann die Runde durch den Freistaat. In mindestens sieben Gebieten haben Sie die Menschen verunsichert und zu massiver Konfrontation geführt, was zu der grotesken Situation geführt hat, dass die eigene Staatsministerin zu Hause für den Nationalpark geworben und der CSU-Abgeordnete vor Ort die Traktor-Demo dagegen angeführt hat. Sie haben also beide Seiten zugleich besetzt.

Jetzt, nach ein, zwei Jahren, stellen Sie fest, dass Sie nirgends ein Gebiet von 10.000 Hektar finden. Deshalb der Appell an Sie, Kollege von Brunn: Ihre Vorstellungen, dass sich dort die Fledermäuse usw. dann besonders ausbreiten könnten, mögen ja fachlich richtig sein, Sie blenden dabei aber aus, dass es eben Eigentumsverhältnisse und Menschen vor Ort und Kommunalpolitiker gibt,

(Florian von Brunn (SPD): Bayerische Staatsforsten!)

die sagen: Mit uns nicht; wir wollen das nicht, weil wir Einschränkungen befürchten und dergleichen mehr, weil wir Wälder in dieser Größenordnung nicht aus der Bewirtschaftung nehmen wollen.

(Florian von Brunn (SPD): Aber nicht die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung!)