Protokoll der Sitzung vom 06.06.2018

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Schneeberger! Heute erleben wir einen historischen Moment in der Geschichte des Freistaates Bayern im Hinblick auf die Beziehungen zu den Sinti und Roma. Ein langer Prozess wird fast abgeschlossen. Ich denke, wir können heute zufrieden damit sein, dass wir im Kreise des gesamten Hohen Hauses eine einheitliche Stellungnahme abgeben und das Verhältnis des Freistaates Bayern, des Landtages, zu den Sinti und Roma auf eine offizielle vertragliche Basis stellen. Darauf bin ich stolz. Ich bedanke mich bei all denjenigen, die daran gearbeitet und eine wunderbare Entwicklung auf den Weg gebracht haben. Mein Vorgänger, Herr Dr. Ludwig Spaenle, hat selbst gesprochen. Er wird in der Kontinuität des neuen Amtes auch weiter wirken. Ich will auch ausdrücklich Karl Freller und die Vertreter der anderen Fraktionen im Bayerischen Landtag nennen.

In Bayern leben heute rund 20.000 Sinti und Roma. Wir haben die Zahl gehört. Es geht um den zweiten großen Genozid des Nationalsozialismus in der Zeit von 1933 bis 1945. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist kein Fliegenschiss.

(Beifall bei der CSU)

In den letzten Tagen haben wir eine unwürdige Debatte erlebt. Eine Partei, die mittlerweile vielen Länderparlamenten und dem Deutschen Bundestag angehört, hat ahistorisch und geschichtsleugnend argumentiert. Es ist schlicht schäbig, wie argumentiert worden ist. Es ist schlimm, wie Geschichte geklittert

und mit den Gefühlen von Minderheiten umgegangen wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schäbig.

(Beifall bei der CSU, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Deshalb ist es heute in der Tat ein historischer Moment, wenn das ganze Hohe Haus in dieser Zusammensetzung ein klares Bekenntnis zu diesem historischen Erbe abgibt. Mit den vertraglichen Beziehungen, die heute schon mehrfach genannt worden sind, wird ein klares Bekenntnis zum Schutz von Sinti und Roma abgegeben. Das ist eine besondere historische Herausforderung und Verantwortung, der wir heute gerecht werden. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das würdige Gedenken an das genozidale Verbrechen der Nationalsozialisten, der besondere Minderheitenschutz, die Aufklärung und Sensibilisierung und der Schutz der Sprache stehen im Mittelpunkt. Eine bisher – haushaltstechnisch gesprochen – freiwillige Leistung wird zur Pflichtaufgabe und vertraglich abgesichert. Das wird in den nächsten Haushalten berücksichtigt werden. Die Evaluierung ist für das Jahr 2022 auf den Weg gebracht. Ich freue mich, dass ich in einer meiner ersten Reden vor diesem Hohen Haus einen solch historischen Vertrag begründen darf. Wir gehen miteinander diesen Weg. Das ist eine Sternstunde des Parlaments. Als Parlament argumentieren wir auf Augenhöhe mit den Sinti und Roma. Wir geben ein Bekenntnis zu unserer historischen Verantwortung ab. Das ist gleichzeitig ein Bekenntnis gegen antihistorisch agierende Parteien.

(Beifall bei der CSU, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Vertrag auf Drucksache 17/20900 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Wissenschaft und Kunst auf der Drucksache 17/21827 zugrunde. Gemäß § 58 der Geschäftsordnung kann die Abstimmung nur über den gesamten Vertrag erfolgen. Der federführende Ausschuss und der endberatende Ausschuss empfehlen Zustimmung. Wer dem Vertrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten Muthmann und Felbinger. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? –

Auch nicht. Dann ist dieser wichtige Vertrag einstimmig von diesem Hohen Haus verabschiedet worden.

(Allgemeiner Beifall)

Ich denke, dass dieser Vertrag des Freistaates Bayern mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma ein wichtiger Beitrag zur Integration und eine wertvolle und wichtige Grundlage für die gemeinsame Zukunft ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen und weiterer Rechtsvorschriften (Drs. 17/20991) - Zweite Lesung

Zu diesem Gesetzentwurf wurde im Ältestenrat vereinbart, auf eine Aussprache zu verzichten. Wir kommen damit gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 17/20991 und die Beschlussempfehlung des endberatenden Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen auf Drucksache 17/22236 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie empfiehlt Zustimmung. Der endberatende Ausschuss stimmt ebenfalls zu. Ergänzend schlägt er vor, in den Paragrafen 1 und 2 die neue Bezeichnung des Staatsministeriums des Innern und für Integration zu übernehmen. In § 4 ist das Datum der letzten Änderung anzupassen sowie die entsprechende Seite des Gesetz- und Verordnungsblattes zu benennen. Als Datum des Inkrafttretens schlägt der Ausschuss den "1. Juli 2018" und in § 5 Absatz 2 als Datum des Außerkrafttretens des Gesetzes über die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung den "30. Juni 2018" vor.

Wer dem Gesetzentwurf mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der CSU, der

SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen und weiterer Rechtsvorschriften".

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Anpassung land- und forstwirtschaftlicher Vorschriften (Drs. 17/20992) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Angelika Schorer, Petra Guttenberger, Tobias Reiß u. a. (CSU) (Drs. 17/22042)

Auch zu diesem Gesetzentwurf wurde im Ältestenrat vereinbart, auf eine Aussprache zu verzichten. Wir kommen damit gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 17/20992, der Änderungsantrag von Abgeordneten der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/22042 sowie die Beschlussempfehlung des endberatenden Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen auf Drucksache 17/22237 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt Zustimmung. Der endberatende Ausschuss stimmt ebenfalls zu, schlägt aber aufgrund des Änderungsantrags vor, in § 5 Nummer 5 Buchstabe b den Satz 1 des Artikels 3 neu zu fassen. Weiter schlägt er vor, in § 7 Absatz 1 als Datum des Inkrafttretens den "1. Juli 2018" und in § 7 Absatz 2 als Datum des Außerkrafttretens den "30. Juni 2018" einzufügen. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 17/22237.

Wer dem Gesetzentwurf mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das

sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Felbinger (fraktionslos). Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Anpassung land- und forstwirtschaftlicher Vorschriften".

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der soeben beschlossenen Fassung hat der Änderungsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/22042 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Ilona Deckwerth u. a. und Fraktion (SPD) für ein Bayerisches Seniorinnen- und Seniorenmitwirkungsgesetz (Drs. 17/19755) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Doris Rauscher von der SPD. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern wird immer älter. Heute leben bereits 2,6 Millionen Menschen im Alter von über 65 Jahren in Bayern. Bereits in zehn Jahren wird diese Altersgruppe auf 4 Millionen Menschen angewachsen sein. Das sind dann rund 30 % der bayerischen Bevölkerung.

Ein längeres Leben ist ein Glücksfall für jeden Einzelnen, aber auch für die ganze Gesellschaft. Schon heute geht es nicht mehr darum, nur zu arbeiten und die letzten Jahre irgendwie herumzubringen, sondern nach der Arbeit kommen heute in der Regel die geschenkten Jahre. Das sind Jahre für Freizeitaktivitäten, für die Unterstützung der Kinder und Enkelkinder und für Dinge, die man schon das ganze Leben lang machen wollte. Es ist aber auch die Zeit, sich in die Gesellschaft einzubringen.

Der demografische Wandel hat schon lange begonnen. Deshalb ist es Zeit, dies nicht nur als Tatsache anzuerkennen, sondern jetzt die richtigen Weichen zu stellen, damit die zusätzlichen Lebensjahre aktive und bewusste Lebensjahre sind.

Bayerische Senioren und Seniorinnen wollen sich einbringen. Sie verfügen über einen unglaublichen Erfah

rungsschatz, großes Wissen und enormes Potenzial. All das sollte nicht mit dem letzten Arbeitstag in der Schublade verschwinden. Sie kennen ihre Wünsche und Ideen am besten und wissen, was sie im Alltag für ein gutes und langes Leben brauchen und sich vorstellen.

Vom Engagement der älteren Generation profitieren wir alle. Gut 40 % der über 65-Jährigen engagieren sich bereits heute in vielfältiger Weise. Diese Zahlen zeigen, wie fit und aktiv heutige Senioren sind. Genau deshalb brauchen wir in Bayern gute und verlässliche Rahmenbedingungen für politische und gesellschaftliche Mitgestaltung.

(Beifall bei der SPD)

Unser Gesetzentwurf, den wir heute in Zweiter Lesung beraten, für mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Senioren bietet genau das. Wer sich politisch engagieren will, soll das machen können, egal, in welcher Kommune Bayerns er lebt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CSU-Fraktion hat sogar eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich "Demographie und Generationengerechtigkeit" nennt, dennoch fehlt es noch immer an festgeschriebenem Recht für echte Mitwirkung der älteren Generation. Die Debatten im Plenum und während der Fachberatung im Ausschuss haben leider gezeigt, Sie haben die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt. Ihrer Meinung nach braucht es solche Möglichkeiten für Seniorinnen und Senioren nicht. Dabei wäre es so fortschrittlich, in Zeiten der Veränderung einer Gesellschaft auf die Zeichen der Zeit zu reagieren und eine Zeitenwende einzuleiten. Ich frage mich: Wollen Sie nicht, oder können Sie die aktuellen Entwicklungen und Handlungsnotwendigkeiten einfach nicht erkennen? Wieso haben Sie solche Angst davor, der älteren Generation eine starke Stimme zu geben und sie mitbestimmen und mitgestalten zu lassen, und zwar in strukturierter Weise? Wieso verweigern Sie sich innovativen Ansätzen und ignorieren die Wünsche der Seniorinnen und Senioren, die ein solches Gesetz befürworten?

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, wirklich gute Argumente für diese Verweigerung habe ich in den Debatten bisher nicht gehört. Von Ihnen kommt nur das Argument, wonach die bestehende Gemeindeordnung ausreiche, um Seniorenvertretungen einzurichten, was man an der guten Aufstellung der Seniorenvertretungen in Bayern sehe. Nur, wo sehen Sie denn die gute Aufstellung für alle Seniorinnen und Senioren in Bayern, wenn nur 285 von 2.031 Gemeinden Seniorenbeiräte haben oder wenn zum Beispiel, um noch eine Zahl zu

nennen, 396 Gemeinden in Bayern keinerlei Form von Seniorenvertretung haben, das heißt, weder einen gewählten Seniorenbeirat noch einen Seniorenbeauftragten? Und da sagen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – vor allem scheitert es an der Mehrheit der CSU –, Sie wollen die Freiwilligkeit fördern. Aber was erzählen Sie denn den Seniorinnen und Senioren, die sich einbringen wollen und es nicht können? Das treffen wir nämlich in vielfältiger Weise in den Kommunen an. Was sollen die machen, wenn die Gemeinden vor Ort beschließen, der Freiwilligkeit keine Möglichkeit zu eröffnen?

Wir als SPD-Landtagsfraktion finden, die Senioren dürfen nicht der Willkür der Kommunen und Amtsträger ausgesetzt werden. Jeder ältere Mensch in Bayern muss das Recht haben, dass seine Wünsche, Interessen und Ideen in seiner Kommune auch wirklich registriert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Realität in Bayern zeigt es doch schon ganz klar: Es geht nur mit einem Gesetz, das die Strukturen schafft. Der Geist wird dann auch der Struktur folgen und jedem älteren Menschen über 60 Jahren die Möglichkeit eröffnen, sich strukturiert und zum Gemeinwohl am Ort politisch engagiert einzubringen.

Die von CSU, FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN in Gefahr gesehene Selbstverwaltung der Kommunen ist mit unserem Entwurf nicht in Bedrängnis. Was wir wollen, ist, dass die Kommunen, die sich bislang nicht engagieren, noch Möglichkeiten schaffen, dies zu tun, damit sich die Generation über 60 engagieren kann, wenn sie das will. Seniorenpolitische Themen müssen künftig eine viel größere Rolle spielen als bisher – nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch bei uns in der Landespolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist wirklich schade, dass die CSU das nicht erkannt hat und verlässliche Strukturen absolut ablehnt mit Gründen wie: zu viel Bürokratie, die bestehenden Altersstrukturen in den Gemeinderäten spiegeln die alternde Gesellschaft doch schon wider, oder die Landesseniorenvertretung macht weiterhin Gremien auf Landesebene hinfällig. Den Fakt, dass eben nicht alle Senioren vertreten sind, ignorieren Sie nach wie vor hartnäckig.