Protokoll der Sitzung vom 18.09.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß genauso gut wie Sie, dass Europa sich derzeit in einer ganz schwierigen Situation befindet. Eine europäische Einigung ist ganz bestimmt nicht leicht. Gerade im Moment streiten sich die Mitgliedstaaten ständig über den richtigen Weg, wie wir in Europa weitergehen wollen. Die Lösung kann aber doch nicht sein, dass ich mich auf die Seite derer schlage, die kein großes Interesse an einem Europe United haben. In der momentanen Situation können wir doch nicht daran glauben, dass ein "Bavaria first" oder ein "Germany first" auch nur irgendetwas hilft. Im Jahr 2018 erwarte ich, dass wir, die Proeuropäerinnen und Proeuropäer, zusammenstehen, dass wir Europa nach vorn bringen, dass wir die Menschen unterstützen, die für Europa sind, und zwar in Deutschland wie

auch in anderen Ländern. Ich erwarte, dass wir den Austausch verstärken. Ich erwarte, dass wir Europa demokratischer machen, und ich erwarte, dass wir Europa gerechter und nachhaltiger machen. Wir müssen doch eine positive Idee davon vermitteln, warum Europa großartig ist, dass Europa unsere Zukunft ist.

Das können aber nicht nur wir GRÜNEN machen, das kann auch nicht die SPD alleine machen oder die FREIEN WÄHLER. Dafür brauchen wir alle Demokratinnen und Demokraten. Solche Entscheidungen wie die, die jetzt im Europaparlament gefallen ist, sind grob fahrlässig. Herr Kollege Dorow, Sie brauchen gar nicht den Kopf schütteln und irgendetwas von Respekt sagen oder davon, dass man sich das einmal anschauen müsste. Die Frage ist doch: Was für ein Symbol senden wir aus? – Dazu kann ich nur klar sagen: Wir GRÜNEN stehen an der Seite aller Proeuropäerinnen und Proeuropäer. Wir laden selbst Sie ein, wieder auf diese Seite zu kommen und gemeinsam mit uns für ein vereinigtes Europa zu kämpfen.

(Zurufe von den GRÜNEN: Bravo! – Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, man kann die ganze Debatte auf einen einzigen Satz herunterbrechen: Wir hier in Bayern, wir brauchen Europa, und Europa braucht uns. – Das sollte die Maßgabe sein.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Prof. Dr. Piazolo.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich setze mich persönlich seit mehr als drei Jahrzehnten für Europa ein. Ich habe das beruflich über mehr als zwei Jahrzehnte gemacht. Es liegt mir sehr am Herzen, dass wir zu Europa stehen und dass wir die Rechtsstaatlichkeit einhalten und uns dafür einsetzen. Das ist auch die Position der FREIEN WÄHLER. Wir halten es deshalb für richtig, dass es diese intensiven Diskussionen seit vielen Jahren im Europäischen Parlament gibt. Ich habe es mir angesehen. Seit 2011 wird über Ungarn, aber auch über Polen und über andere Länder im Europäischen Parlament geredet, und zwar intensiv geredet. Es gab sieben Entschließungen zu diesem Thema. Es wurde mehrere Hundert Stunden im Europäischen Parlament zu dieser Thematik geredet. Ich sage ganz deutlich: Dieses Europäische Parlament ist demokratisch legitimiert. Ich vertraue dem Europäischen Parlament, dass es solche Dinge regeln kann.

Ich finde es natürlich sinnvoll, dass wir auch im Landtag dieses Thema aufnehmen. Allerdings stellt sich schon die Frage, ob wir als Bayerischer Landtag drei Wochen vor der Landtagswahl dieses Thema an die Spitze der Debatte setzen. Das frage ich auch die SPD. Gibt es nicht noch andere zusätzliche Themen? – Natürlich ist Europa wichtig, und ich begrüße jedes der Bekenntnisse. Ich habe es auch so aufgefasst, dass alle vier Fraktionen in diesem Landtag zu Europa stehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Diese Frage muss ich hier aber schon stellen. Ich möchte es kurz machen: Wir FREIEN WÄHLER wollen jetzt über kostenfreie Kitas reden, über Familien, über Bildung und Verkehr.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das könnt ihr doch!)

Wir wollen über die Dinge sprechen, über die wir hier im Landtag entscheiden können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Für diese Dinge sind wir gewählt, und für diese Dinge werden wir in drei Wochen gewählt.

Deshalb halte ich es bewusst kurz und sage: Wir stehen hinter Europa, und wir stehen hinter dem Europäischen Parlament. Wir glauben, dass das Europäische Parlament gute Debatten geführt hat und dass das Europäische Parlament in der Verantwortung steht, die Rechtsstaatlichkeit in Europa hochzuhalten. Wir FREIE WÄHLER sind überzeugte Europäer. Wir werden für ein einheitliches Europa kämpfen. Das ist das Erbe, das wir seit mehreren Jahrzehnten mit uns tragen und das uns bewegt. Da wird es kein Rütteln und Zaudern geben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Staatsminister Eisenreich.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einigen Feststellungen beginnen, damit das keine ewige Debatte zu einem Thema wird, für das wir nicht zuständig sind.

Erstens. Es ist Wahlkampf, und es ist in Ordnung, in Wahlkampfzeiten Wahlkampf zu führen. Das ist okay.

Zweitens. Artikel 2 des EU-Vertrages nennt eine Reihe von Werten, auf denen sich die Europäische Union gründet: die Achtung der Menschenwürde,

Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese europäischen Werte sind verbindlich und für uns nicht verhandelbar. Hier kann es keine Kompromisse geben.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Drittens. Die Bayerische Staatsregierung lehnt eine Renationalisierung ab.

Viertens. Die EU ist ein großartiges Friedens- und Freiheitsprojekt. Wir haben an dieser Stelle schon öfter darüber geredet. Deutschland und der Freistaat Bayern, der tatsächlich auch geografisch der Mittelpunkt der EU ist, im Übrigen auch nach dem Brexit, profitieren in besonderer Weise. Deswegen steht die Bayerische Staatsregierung zur Europäischen Union. Deswegen fand eine der ersten Sitzungen des neuen bayerischen Kabinetts unter Ministerpräsident Markus Söder in Brüssel statt, um dies klarzumachen. Wir wollen Europa mitgestalten, aber wir erlauben uns, auf Fehlentwicklungen und Versäumnisse hinzuweisen, weil wir ein besseres Europa wollen, unter anderem ein Europa der Regionen, in dem der Subsidiaritätsgrundsatz geachtet wird.

(Beifall bei der CSU)

Fünftens, zu der Aussage des Ministerpräsidenten zum Multilateralismus. Dankenswerterweise hat bereits im Juli ein Kollege von der SPD, der Kollege Taşdelen, genau dazu eine Anfrage gestellt, weil er eine Antwort der Bayerischen Staatsregierung wollte. Ich lese die jetzt einfach vor, um die Vorwürfe ausräumen zu können. Ich lese die Antwort der Bayerischen Staatskanzlei wörtlich vor und stelle den Text dann gerne zur Verfügung. Das war eine Anfrage zum Plenum:

(Markus Rinderspacher (SPD): Ich kenne das! Das war sehr unbefriedigend, Herr Staatsminister!)

Bei der Aussage handelte [es] sich um eine Tatsachenfeststellung und Bestandsaufnahme der aktuellen Realität. Bereits seit längerem ist zu beobachten, dass die Kraft internationaler Gremien und Institutionen zur Bewältigung dringender internationaler Herausforderungen nachlässt. Dies hat sich etwa beim Dissens über die Abschlusserklärung des jüngsten G7-Gipfels in Kanada gezeigt.

Jetzt der Satz:

Multilateralismus ist und bleibt daher Wunsch und Ziel der Staatsregierung, entspricht derzeit leider aber nicht immer der Realität.

Es war eine Bestandsaufnahme, keine politische Zielbestimmung. Ich hoffe, dass mit dieser Erklärung, die schon im Juli schriftlich abgegeben worden ist, diese Vorwürfe entkräftet sind.

Sechstens. Die Abstimmung in der EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments war freigegeben, wie der Kollege Dorow richtig angemerkt hat.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wegen Fidesz!)

Wenn ich ganz am Rande darauf hinweisen darf: Auch zwei Sozialdemokraten haben dieser Einleitung des Verfahrens nicht zugestimmt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sozialisten aus Rumänien! Bei denen sind wir genauso kritisch!)

Das nur mal am Rande. Es ist nur eine Feststellung. Damit kann jetzt jeder machen, was er möchte. Ich sage das nur, damit man diesem Thema etwas breiteren Raum gibt.

Jetzt komme ich zu der Bewertung. Wenn das Europäische Parlament der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung dieser Werte besteht, die ich vorher genannt habe, dann gilt es selbstverständlich, diese Bedenken zu prüfen und auszuräumen. Das ist übrigens auch im Interesse des betroffenen Mitgliedstaats bzw., nachdem es zwei sind, der betreffenden Mitgliedstaaten. Ob die Vorwürfe des Berichts an das Europäische Parlament im Falle Ungarns zutreffen oder nicht, kann und sollte vom Bayerischen Landtag zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Es ist – ich möchte das klarstellen – ein Antrag auf Feststellung. Es ist nicht die Feststellung. Es ist ein Antrag.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wie verhält sich die CSU in der Bundesregierung, Herr Minister? – Thomas Kreuzer (CSU): Erst mal prüfen, Herr Rinderspacher!)

Es ist daher zu prüfen. Es ist die Aufgabe des Verfahrens nach Artikel 7, die Sachlage entsprechend zu prüfen. In diesem Rahmen wird auch mit Ungarn gesprochen, nicht über Ungarn. Das ist auch richtig so. Wir sollten uns als Parlament hüten, hier über andere Staaten zu Gericht zu sitzen, wenn ich das anmerken darf.

(Markus Rinderspacher (SPD): Aber bei der Türkei fällt Ihnen das nicht so schwer!)

Ein respektvoller Umgang miteinander, ein respektvoller Umgang mit Nachbarn, ein respektvoller Umgang mit Partnern in der Europäischen Union ohne politische Belehrungen sollte gerade für Bayern und Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein. Das würde ich dringend erbitten. Auch mit Blick auf das bevorstehende Europäische Jahr – nächstes Jahr sind Europawahlen – kann ich nur davor warnen, die Welt in gute Europäer und in schlechte Europäer einzuteilen. Wer das macht, betreibt die Spaltung Europas. Genau das brauchen wir nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Die Nationalisten betreiben die Spaltung Europas!)

Im Gegenteil – und darin sehen auch wir als Bayerische Staatsregierung für den Freistaat Bayern unsere besondere Pflicht – ist es gerade jetzt unsere Aufgabe, Brücken zu bauen, und genau das möchten wir tun.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung der Kollegin Kamm.

Um Europa gut nach vorne zu bringen, müssen wir auch Minderheitenrechte achten.

Das habe ich gemacht.

Da würde mich interessieren: Was haben Sie, nachdem Sie in so engen Beziehungen zu Orbán und zur ungarischen Regierung stehen, in den letzten Jahren in Bezug auf die Achtung von Minderheitenrechten und Menschenrechten getan? Ungarn steht wie kein anderes Land in Europa für massiven Antisemitismus und für massiven Antiziganismus. Es ist wirklich schlimm, was mit den Menschen dort passiert, deren Rechte immer weiter abgebaut werden.

(Zuruf von der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Natürlich stimmt das! Schaut euch die Soros-Kampagne an!)

Es gehört zur Einigung Europas, dass man alle Menschen in Europa eint und nicht zulässt, dass ein Land Minderheiten derart ausgrenzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)