Protokoll der Sitzung vom 18.09.2018

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Sie in der Staatsregierung und in der CSU und auch Sie persönlich, Herr Dr. Söder, hatten nie ein Interesse, die GBW-Wohnungen in staatliche Hand zu übernehmen.

(Alexander König (CSU): Das ist überhaupt nicht wahr!)

Ihnen fehlten nicht die rechtlichen Möglichkeiten, sondern Ihnen fehlte der politische Wille zum Kauf der Wohnungen. Hören Sie endlich auf, anderen die Schuld für Ihre katastrophalen Fehlentscheidungen zu geben und nutzen Sie die heutige Debatte, sich zumindest heute bei den Mieterinnen und Mietern und bei der bayerischen Öffentlichkeit für diese Fehlentscheidungen zu entschuldigen!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Staatsregierung hat eine Übernahme der

GBW AG und der Wohnungen immer abgelehnt. Sie hat auch gegenüber der EU-Kommission zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens irgendwie – schriftlich, telefonisch oder mündlich – zum Ausdruck gebracht, dass der Freistaat Bayern die GBW-Wohnungen erwerben will. Das ist unstrittig.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Nein!)

Aus allen Vermerken und allen Zeugeneinvernahmen, insbesondere der Zeugen aus dem Finanzministerium, wird klar: Der Staatsregierung waren die Renditeerwartungen zu niedrig. Finanzminister Söder sollte nicht finanzpolitischer Ansprechpartner für Mieterinnen und Mieter sein. Man war der Meinung, Private sollten sich um den Wohnungsbau kümmern, wenn dies die Kommunen nicht tun würden. Ihre Zauberworte unter der damaligen schwarz-gelben Landesregierung hießen "Privatisierung" und "schlanker Staat". Der damalige Wirtschaftsminister Zeil hat im Untersuchungsausschuss eindeutig bestätigt, dass es eine politische Entscheidung war, die GBW nicht zu erwerben. Zitat:

Es war ja letztlich natürlich auch eine ordnungspolitische Frage, ob jetzt der Freistaat da hineinsteigen soll, und die haben die Koalitionsfraktionen und die Staatsregierung so beantwortet, wie sie sie beantwortet haben.

Alle Vermerke für Herrn Söder aus seinem damaligen Finanzministerium zeigen, dass Sie und die Staatsregierung die Übernahme der GBW gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser, und zwar ganz jenseits des Beihilfeverfahrens und der EU. Der Kollege Pschierer, heute Wirtschaftsminister, damals Staatssekretär in Ihrem Finanzministerium, Herr Dr. Söder, hat das am 2. Februar 2012 deutlich vor Abschluss des Beihilfeverfahrens, deutlich vor dem Beihilfebescheid und lange vor der Beihilfeentscheidung hier im Plenum von diesem Rednerpult aus ausgeführt. Eine Kostprobe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kollege Pschierer, wörtlich zitiert:

Schauen Sie mal

in unsere Richtung –

in die Bayerische Verfassung, schauen Sie mal in das Haushaltsrecht. Wir können und dürfen das gar nicht. … Zum Thema Verbieten: Als Erstes verbietet das Haushaltsrecht des Freistaats Bayern einen Kauf. Wenn der Zweck auch durch andere Mittel erfüllt werden kann, dürfen wir nicht kaufen … Auch Ihnen sollte der Begriff "Subsidiarität" etwas sagen. Der Freistaat Bayern

so Kollege Pschierer –

hat nicht die Aufgabe, Mietwohnungen zu erwerben und zu verwalten. Überlegen Sie sich das einmal: Der bayerische Finanzminister ist Vermieter für 33.000 Wohnungen. Das ist Aufgabe städtischer Wohnungsbaugenossenschaften oder der Privatwirtschaft. … Auch wenn Sie es nicht gerne

hören wollen: Es wäre völlig verrückt, wenn der Freistaat Bayern 33.000 Wohnungen kauft.

So Ihr Staatssekretär, Herr Dr. Söder, weil Sie nicht da sein konnten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER – Markus Rinderspacher (SPD): Hört, hört!)

Merken Sie etwas? – Von einem Verbot durch die EU ist überhaupt nicht die Rede. Diese Ausführungen hat Staatssekretär Pschierer drei Tage nach Ihrer Aussage, Herr Dr. Söder, gemacht, dass die EU einen Kauf angeblich verbiete. Ihre Aussage war damals Fake News.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Pschierers Aussage hier im Plenum war entlarvend ehrlich. Es wäre völlig verrückt – Zitat –, wenn der Freistaat Bayern 33.000 Wohnungen kauft. Das war Ihre Handlungsmaxime. Da ging es nicht um die EUKommission und deren Vorgaben. Sie wollten keine Verantwortung für die Mieterinnen und Mieter übernehmen. Das steht fest.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN – Zuruf des Ab- geordneten Alexander König (CSU))

Das zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Beihilfeverfahren von der ersten Umstrukturierungsliste an, wo die Staatsregierung ohne Not zugestimmt hat, dass die GBW AG auf die Liste kommt. Dazu gehört auch schon, dass die GBW AG 2007 mit Zustimmung der Staatsregierung, mit Zustimmung des zuständigen CSU-Finanzministers auf die Verkaufsliste der BayernLB gesetzt worden ist und ein Verkaufsverfahren eingeleitet wurde. Das gehört doch dazu. 2009 hat man wohl die Chance gesehen, den Plan von 2007 umzusetzen und dann dafür der EU die Schuld in die Schuhe zu schieben. Das Beihilfeverfahren – das darf an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden; darauf muss man immer hinweisen – ist nur deshalb notwendig geworden, weil Sie Ihrer Verantwortung für die Bank nicht gerecht geworden sind. Aber wir können feststellen, dass die EU-Kommission von Ihnen aus München, von der CSU-Fraktion, nur die Botschaft bekommen hat: Um Gottes Willen, wir wollen keine Verantwortung für die Mieterinnen und Mieter übernehmen. – Das ist die Wahrheit dieses Untersuchungsausschusses.

(Beifall bei der SPD – Alexander König (CSU): Herr Kollege Halbleib, das habe ich doch vorhin vorgelesen!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gab keine ernsthaften Initiativen der Staatsregierung, insbesondere keinen persönlichen Einsatz des damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer oder auch von dessen Finanzminister, dem jetzigen Ministerpräsidenten Dr. Söder, die GBW in staatlicher Hand zu halten. Sie haben auch während des Beihilfeverfahrens keinen der Vorschläge, wie man die GBW in staatlicher Hand halten könnte, verfolgt; man kann auch sagen, Sie haben solche Vorschläge im Sande verlaufen lassen. Das gilt zum einen für den Vorschlag der Bank, die GBW-Wohnungen als Beihilferückzahlung in Form des Sachwertes zu übernehmen. Das wurde nicht weiterverfolgt und ist im Sande verlaufen. Das gilt für die Initiativen Ihrer eigenen Bundestagsabgeordneten. Ich nenne den Herrn Bundestagsvizepräsidenten Singhammer. Auch die haben Sie nicht aufgegriffen. Anders als Sie, Herr Söder, hat sich Kollege Singhammer immerhin an Kommissar Almunia gewandt, um eine Lösung zu finden. Sie hingegen – auch das hat der Untersuchungsausschuss gezeigt – hielten das nicht für nötig, weil das – so Ihre Begründung – nichts bringe. Auch der jetzige Bundesinnenminister und damalige Ministerpräsident Seehofer hat sich erst nach dem Verkauf der GBW AG erstmals mit Kommissar Almunia getroffen. Da war natürlich alles bereits zu spät. Bei sonstigen Initiativen des Ministerpräsidenten in einem wichtigen wohnungs- und sozialpolitischen Kernbereich haben wir komplette Fehlanzeige, und zwar über drei Jahre hinweg. Ministerpräsident Seehofer hat auf meine Fragen nach einem Telefonat, einem Treffen oder einem Schreiben an die EU-Kommission in Sachen GBW AG gesagt, er könne sich an keine einzige Initiative erinnern.

(Heiterkeit bei der SPD – Markus Rinderspacher (SPD): Hört, hört!)

Zitat aus dem Protokoll:

Also, ich kann mich jetzt nicht an eine solche Initiative erinnern, schon gar nicht persönlich.

Das müsste Ihnen in der CSU die Schamröte ins Gesicht treiben. Es geht um rund 80.000 Mieter in Bayern, und es gibt keinen Einsatz Ihres Ministerpräsidenten und keinen adäquaten Einsatz Ihres heutigen Ministerpräsidenten Söder. Wenn es aber um CSUSymbolpolitik wie die Pkw-Maut geht, dann stehen Sie in Brüssel andauernd auf der Matte. Wenn es darum geht, Ihren Kumpel Viktor Orbán zu unterstützen, dann ziehen Sie alle Register, aber nicht, wenn es um 80.000 Mieterinnen und Mieter in diesem Freistaat geht. Das kann doch nicht wahr sein!

(Markus Rinderspacher (SPD): Hört, hört! – Beifall bei der SPD, Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN)

Auch für eine Übernahme der GBW durch die Kommunen haben Sie sich nicht mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit eingesetzt. Ende November 2011 gab es ein mit der Generaldirektion thematisiertes exklusives Verfahren. Sie haben das leider – das war auch der Gegenstand im Untersuchungsausschuss und dann das Ergebnis – auf politischer Ebene nicht mehr weiterverfolgt. Es gab keine ausdrückliche politische Initiative von Ihnen, obwohl sie dringend notwendig und geboten gewesen wäre. Aufgrund der politisch mit Ihnen abgestimmten Rahmenbedingungen des Ausschreibungsverfahrens waren die Kommunen im Bieterverfahren von Anfang an benachteiligt. Sie hatten überhaupt nicht die Möglichkeit, wie ein Privatinvestor zu agieren. Eine kommunalfreundliche, mieterfreundliche und sachgerechte Gestaltung des Bieterverfahrens, beispielsweise durch Festsetzung eines vernünftigen Mieterschutzstandards – hier war nicht die EU-Kommission das Problem, sondern die Bank und natürlich auch die Staatsregierung –, erfolgte nicht. Es ist letztlich nicht überraschend, dass das Kommunalkonsortium nicht zum Zuge kam.

Denn einen weiteren erheblichen Nachteil im Vergleich zu einem privaten Investor muss man auch thematisieren: Kommunen können keine Gesellschaften zum Zweck des Steuersparens gründen. Kommunen dürfen Gesellschaften nur gründen, wenn es dafür einen legitimen Zweck gibt – anders als bei dem Konsortium um die Betriebs AG, die dagegen umfangreiche Steuersparmodelle nutzte, unter anderem auch durch ein Geflecht aus Firmen in Luxemburg, das es ermöglicht, Gewinne, die in Deutschland und Bayern erwirtschaftet werden, zu niedrigerer Besteuerung nach Luxemburg zu bringen. Diese Steuerersparnisse konnten die Kommunen natürlich nicht einpreisen. Ebenso wenig konnten sie aufgrund ihres sozialen und öffentlichen Auftrages ständige Mietsteigerungen und gewinnbringende Verkäufe wie die PATRIZIA und die Konsorten um die PATRIZIA preisbildend berücksichtigen.

Es gehört auch zum Skandal, Herr Ministerpräsident, dass der Unterschied zwischen dem Angebot der PATRIZIA und dem kommunalen Angebot nicht nur durch die Mieterinnen und Mieter über einen nicht vorhandenen Mieterschutz bezahlt wurde, sondern auch durch die bayerischen und deutschen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Es ist der Skandal im Skandal, dass über Steuerersparnisse unter Federführung und Aufsicht des Finanzministers ein Verkauf durchgesetzt wurde, der über Steuersparmodelle letztendlich nicht nur die Mieterinnen und Mieter, sondern

auch die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen schädigt.

(Beifall bei der SPD)

Da werden wir auch weiter nicht lockerlassen. Das wird restlos aufgeklärt, und da sind wir auch noch nicht am Ende, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend: Der Freistaat Bayern hätte selbstverständlich die GBW erwerben können. Es gab, anders als von Ihnen behauptet – und das wissen Sie auch –, weder ein direktes noch ein indirektes Verbot. Sie haben am 30. Januar 2012, lange vor Abschluss des Beihilfeverfahrens, die Unwahrheit gesagt. Die Aussage damals, dass die EU-Kommission einen Kauf durch den Freistaat Bayern verbietet, ist blanker Unsinn. Wir wussten das immer, und Sie wussten das auch. Aber Sie haben in der Öffentlichkeit immer das Gegenteil behauptet. Und jetzt ist mir klar – und auch dem Untersuchungsausschuss müsste es klar gewesen sein –, dass Sie wissentlich die Unwahrheit gesagt haben. Es gibt selbstverständlich kein Verbot der EU-Kommission, dass der Freistaat Bayern die GBW und die GBW-Wohnungen erwirbt. Das ist ein politisches Märchen, um vom eigenen Versagen abzulenken, und es wurde aufgedeckt.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt unstrittig für die lange Zeit vor dem Beihilfebeschluss. Es gilt aber eben auch für die Zeit nach dem Beihilfebeschluss, und das ist wichtig. Allein wenn man den Beschluss liest, findet man: Von einem Verbot ist keine Rede. Im Übrigen, Herr König, haben die eigenen Leute des Finanzministers die von Ihnen zitierte Fußnote in den Bescheid hineinformuliert, sodass die EU-Kommission sogar noch relativierend umformulieren musste. Das zeigt gerade, dass der Erwerb nicht verboten war. Wenn ein Beweis noch notwendig gewesen wäre,

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

hätte schon die Tatsache genügt, dass der eigene Rechtsberater des Finanzministers, des heutigen Ministerpräsidenten glasklar zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Erwerb der GBW-Wohnungen durch den Freistaat Bayern auch noch nach dem Beihilfebescheid möglich gewesen wäre. Das war Ihr eigener Rechtsberater. Das war weder die Opposition oder sonst jemand, sondern Ihr eigener Rechtsberater hat das zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei der SPD)

Und dieses Memorandum lag auch vor. Herr Söder hat behauptet, dass er es nicht kennt. Das soll glauben, wer will. Für uns steht fest, dass Sie in der Öffentlichkeit genau das Gegenteil von dem gesagt haben, was Ihre eigenen Rechtsberater erklären. Prof. Koenig, ein Experte im europäischen Wettbewerbsrecht, hat das ebenfalls bestätigt, aber in Übereinstimmung mit dem Rechtsberater der Staatsregierung. Wenn Sie ohne Rücksicht auf Verluste so wie heute auch wieder wider besseres Gewissen das Gegenteil behaupten, ist das schier unglaublich. Hören Sie doch bitte endlich auf mit dem Märchen, die EU habe Ihnen irgendetwas verboten. Sie bewegen sich damit nach wie vor auf Donald Trump‘schem Niveau. Hören Sie damit auf, damit die Europafeindlichkeit zu befördern.

(Thomas Kreuzer (CSU): Wie war es in BadenWürttemberg?)

Sie befördern doch die Europafeindlichkeit in typischem CSU-Muster,

(Thomas Kreuzer (CSU): Was sagt Nils Schmid dazu?)

wenn Sie entgegen allen Fakten die EU für die eigenen politischen Fehlentscheidungen verantwortlich machen.

(Beifall bei der SPD)

In ihrem Abschlussbericht widmet die CSU einen ganzen Abschnitt der EU mit nichts anderem als europafeindlichen Angriffen auf die EU-Kommission. Sie fördern damit die Politikverdrossenheit in diesem Land und zündeln gegen Europa. Einen Ministerpräsidenten, der falsche Politik macht und mit dem Finger auf andere zeigt, brauchen wir in Bayern definitiv nicht.