Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen und eröffne die 140. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Das ist die letzte Vollsitzung unseres Hauses in dieser Legislaturperiode.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich – er ist anwesend – Herrn Kirchenrat Breit und Herrn Prälat Dr. Wolf sehr herzlich danken, dass wir zu Beginn dieser letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode – wir haben das über die Fraktionen hinweg besprochen – eine ökumenische Andacht miterleben durften. Vielen Dank, Herr Kirchenrat Breit und Herr Prälat Dr. Wolf.
Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde vorab erteilt. Die Regierungserklärung sowie die anschließende Aussprache werden unmittelbar vom Bayerischen Rundfunk übertragen. Auch dafür ein Dankeschön.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben, um eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.
Am 24. September verstarb im Alter von 92 Jahren Herr Martin Geiser. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1962 bis 1978 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Schwaben. Während seiner Abgeordnetentätigkeit war er unter anderem Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, im Ausschuss für Fragen des Beamtenrechts und der Besoldung sowie im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Neben seinem Engagement in der Landespolitik war er über viele Jahre hinweg auch im Stadtrat von Kaufbeuren kommunalpolitisch aktiv, wo er sich erfolgreich und verdienstvoll für die Belange der Bürgerinnen und Bürger vor Ort eingesetzt hat. Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen, und zwar konnte unser Kollege Peter Tomaschko am 22. September einen halbrunden Geburtstag feiern. Ich wünsche ihm im Namen des Hauses alles Gute und vor allen Dingen Gesundheit. Herzlichen Glückwunsch!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein besonderer Tag. Es ist der letzte Sitzungstag in dieser Legislaturperiode. Aber es ist ein Tag in einem besonderen Jahr. Wir begehen "100 Jahre Freistaat Bayern". Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Begriff Freistaat prägt das Bild Bayerns in Deutschland und außerhalb. Er symbolisiert, dass Bayern etwas ganz Besonderes ist. Andere sind Bundesländer, wir sind Freistaat. Darauf sind wir stolz, und wir wollen es auch bleiben.
Bayern ist erfolgreich. Bayern ist ein Lebensgefühl. Wir sind ein Land, das einen besonderen Charakter und viele Charakterköpfe hat. Bayern ist Musterland und Blaupause für andere. Wenn ich mit anderen Ministerpräsidenten rede, dann höre ich immer wieder den gleichen Satz: Wir wollen dahin, wo ihr Bayern schon seid. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein besseres Lob für Bayern gibt es nicht.
Was ist das Besondere an unserem Land? – Bayern besteht aus Herz und Verstand. Bayern ist Rekordhalter und überall an der Tabellenspitze. Bei Wirtschaft und Arbeit ist Bayern Zukunftsland für viele Menschen, nicht nur in Bayern, sondern auch außerhalb. Wir haben in den letzten zehn Jahren über eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben Vollbeschäftigung in fast allen Regionen und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Unser Wachstum ist enorm. In den letzten 20 Jahren ist unsere Wirtschaftskraft um knapp 50 % gestiegen, weit mehr als in jedem anderen Land in Deutschland. Mittlerweile leben über 13 Millionen Menschen in Bayern. Vor 100 Jahren waren es übrigens noch rund 6,2 Millionen. Blicken wir uns ganz objektiv in Deutschland um, stellen wir fest: Keiner ist so erfolgreich wie wir. Ich frage Sie: Ist das Zufall? – Nein, das ist das Ergebnis einer langfristigen, stabilen Politik in Bayern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Bayern ist auch das sicherste Land. Wir haben die wenigsten Straftaten und die höchste Aufklärungsquote. Wir haben die meisten Polizisten und die beste Polizei in ganz Deutschland. Ich sage ganz klar: Chemnitz wäre in Bayern nicht passiert. Das Hamburger G-20-Chaos wäre in Bayern nicht passiert. Silvesternächte wie in Köln wären in Bayern nicht passiert; denn Bayern ist das Land der Sicherheit.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Ist das Zufall? – Nein, das ist das Ergebnis einer langfristigen, stabilen Politik in Bayern.
Bayern ist Bildungsland. Wir bieten der Jugend beste Chancen. Bayerische Schüler sind bei Bildungsvergleichen immer ganz vorne dabei. Kein Flächenland investiert pro Kopf so viel in seine Bildung wie wir. Wir haben Schulen, die ganzheitlich lehren, Universitäten, die international forschen, und Lehrer, die unsere Kinder großartig unterrichten. Ich frage Sie: Ist das Zufall? – Nein, das ist das Ergebnis einer langfristigen, stabilen Politik im Freistaat.
Bayern ist auch das finanziell stärkste Land. Wir machen keine Schulden, wir tilgen sogar alte Verbindlichkeiten. Wir haben genügend auf der hohen Kante, um für alle Herausforderungen gewappnet zu sein. Nur so nebenbei: Wir versorgen nicht nur unser eigenes Land, sondern unterstützen sogar über den Länderfinanzausgleich eine Menge anderer Länder, die sich selbst so nicht finanzieren könnten. Manchmal hätten wir dafür mehr Respekt und Dankbarkeit in Deutschland verdient.
Man könnte die Liste endlos verlängern. Auf jedem Politikfeld überall das gleiche Bild: Bayern ist vorne. Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt eindeutig und belegt: Stabile und langfristige Politik führt zu Wohlstand und Erfolg. Gibt es Gegenbeispiele? – Klar. Unser ehemals stärkster Konkurrent BadenWürttemberg fällt langsam, aber sicher zurück. Während wir beim Wirtschaftswachstum weiter an der Spitze stehen, wird Baden-Württemberg nach jüngsten Berichten sogar von Berlin oder Bremen überholt. In der Bildung rutscht Baden-Württemberg im Fach Deutsch sogar von Platz fünf auf Platz dreizehn und damit in die Nähe der Abstiegsplätze ab. Dieses Beispiel belegt: Ein Regierungswechsel kann sich langfristig zum Nachteil für ein Land entwickeln. Das wollen wir nicht.
Wir sind objektiv stark. Wir sind aber auch ein Land des Lebensgefühls und der Gefühle. Keiner hilft so sehr wie Bayern. Keiner lebt so intensiv wie wir. Bayern ist das Land des Ehrenamtes, der Tradition und der Lebensfreude. Wir sind das Land mit den meisten Feiertagen, den schönsten Festen und dem mit Abstand positivsten Lebensgefühl. Überall in der Welt liebt man die bayerische Lebensart. Dieser Tage kann man es auf dem Oktoberfest erleben. Das Oktoberfest ist das sicherste Fest. Viele Gäste tragen Dirndl und Lederhosen, genießen Schweinsbraten und Bier und möchten zumindest für einige Stunden einmal gerne selbst Bayern sein. – Meine Damen und Herren, das gibt es in keinem anderen Land der Welt.
Das ist nicht nur meine eigene Aussage. Das wird von außen objektiv bestätigt. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" schrieb jüngst: Bayern ist Deutschlands Märchenland, in Bayern ist eben alles besser.
Am letzten Sitzungstag, an dem die Demokratie in Deutschland bewertet wird, sollten wir einmal miteinander versuchen, in diesem Hohen Haus Anstand und Respekt zu zeigen, ein einziges Mal.
Ich lese noch einmal vor, was die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" geschrieben hat: Bayern ist Deutschlands Märchenland, in Bayern ist eben alles besser. Der bayerische Erfolg ist laut der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" eben kein Zufall, sondern – Zitat –: Der bayerische Wohlstand ist staatsgemacht.
Einen besseren Beleg dafür, dass Bayern funktioniert und dass dies die Politik gemacht hat, habe ich noch nirgendwo gelesen. Das sollten wir auch anerkennen.
Damit könnte alles gesagt sein. Müssen wir überhaupt noch über die Zukunft reden? Die Daten stimmen doch. Die Gegenwart funktioniert. – Ich sage Ihnen: mehr denn je. Wir neigen auch in diesem Hohen Haus dazu, über viele Fragen zu streiten, manchmal auch über die kleinen Dinge – diese sind auch wichtig –: ein Funkmast zu wenig, ein Windrad zu viel oder ein Schlagloch, das beseitigt werden muss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das angesichts der Herausforderungen in dieser Zeit aber wirklich das Entscheidende? – Ich sage Ihnen: Es geht um mehr.
Jeder, der glaubt, dass wir einfach nur ein wenig reparieren müssen, der irrt. Jeder, der glaubt, dass es einfach so weiter geht mit der Welt, ist blau- oder grünäugig. Das Leben ist wie ein Laufband. Wer stehen bleibt, der fällt zurück. Nur wer das Tempo hält, der bleibt auf gleichem Niveau.
Unsere Welt dreht sich schneller und, ehrlich gesagt, auch anders als früher. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Welt, in der wir leben, unübersichtlicher und ungemütlicher wird. Internationale Konstellationen verändern sich rasanter und rascher, als wir glauben. Alte Gewissheiten müssen neu sortiert werden. Dass wir Deutsche unter der neuen Präsidentschaft in den USA sogar als wirtschaftliche Gegner eingestuft werden, ist völlig neu. Auch wenn uns Großbritannien manchmal geärgert hat, kann ich mir Europa ohne Großbritannien bis heute noch nicht richtig vorstellen. Meine Damen und Herren, ein ungeordneter Brexit wird Europa nicht nur wirtschaftlich grundlegend verändern. Das ist keine rein wirtschaftliche Frage.
Über den Kontinent weht ein Wind der politischen Veränderung. Überall in Europa, nicht nur im kleinen Kosmos Bayern, werden etablierte Parteien durch populistische oder populäre Bewegungen ersetzt. Ich persönlich sage ganz offen, dass ich mit dem Begriff "Bewegung" ohnehin historisch-semantisch fremdle. Auch in Deutschland spüren wir diesen Wind, der selbst vor Bayern nicht haltmacht. Alle Volksparteien stehen vor einer neuen Herausforderung. Radikale Bewegungen entstehen, Ränder werden stärker, das Parteiensystem zersplittert und zerfasert. Die digitale Demokratie verändert den Charakter der Politik rasant. In den Filterblasen und Echokammern des Internets werden Einzelinteressen immer radikaler befeuert. Ich sage Ihnen eines: Der Moment des Ausgleichs, der zum Wesen der Demokratie gehört, verkümmert zusehends. Jeder schaut nur noch auf sich und sein maximales Eigeninteresse. Meine tiefe Überzeugung ist: Volksparteien werden dringender denn je gebraucht. Nur sie sind im Endeffekt Garant für Stabilität. Es braucht eine Kraft, die ausgleicht und das große Ganze sieht, nicht "ego first", sondern Gemeinwohl, Ausgleich und Kompromiss. Meine Damen und Herren, das bietet Bayern mehr als jedes andere Land in Deutschland.
Im Gegensatz zum streitbaren Eigeninteresse gehört zum Gemeinwohl auch die Identität. Wenn wir ehrlich sind, bedeutet Globalisierung nämlich auch Egalisierung. Irgendwie wird alles gleich und seelenlos. Diesen Verlust an Identität, den man an den Fußgängerzonen fast aller Metropolen erkennen kann, wollen wir
in Bayern nicht. Unser Ziel und unsere Grundvision ist, ein Land zu bleiben, das trotz Veränderungen seine Seele und seine kulturelle Identität behält. Wir möchten daher einen neuen Heimatbegriff prägen. Wir wollen modern und weltoffen sein, aber gleichzeitig bayerisch bleiben. Bayern muss in einem immer stärker werdenden Orkan der Veränderung das ruhende Auge sein, in dem man Schutz, Halt und Zukunft zugleich findet. Dies ist die Aufgabe und das Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Bayern.
Wir bauen Brücken. Wir gehen die Herausforderungen der Zeit konstruktiv statt destruktiv an. Wir sind optimistisch statt fatalistisch, entschlossen statt planlos.
Wir brauchen ein Kursbuch für die Zukunft. Während andere Regierungen sich blockieren und lähmen, machen wir Zukunft. Wir zeigen jede Woche, dass der Freistaat Bayern handlungsfähig ist. Wir legen jede Woche politische Konzepte zur Lösung von Problemen vor. Das ist übrigens der grundlegende Unterschied, der Bayern derzeit in der Politik prägt. Wir haben bayerische und keine Berliner Verhältnisse im Freistaat.
Leben und leben lassen ist unser Credo. Darin unterscheiden wir uns übrigens von Ideologen und Populisten. Die Ideologen versuchen ständig, die Welt nach ihrem eigenen Weltbild zu formen, und zwingen die Menschen mit Verboten und Sanktionen dazu, genau dieses Weltbild anzunehmen. Die Populisten beschreiben indes nur Probleme, bieten aber keine Lösungen an; sie säen Verunsicherung und destabilisieren die Demokratie.
Erstens. Wir bauen Brücken für ein menschliches Bayern. Mehr Menschlichkeit in Bayern heißt, wirklichen und sozialen Halt in den Lebensphasen zu geben, in denen es besonders auf Hilfe ankommt. Wir zeigen in unserem Land Respekt vor der älteren Generation und wollen, dass die Menschen in Würde daheim alt werden können. Bayern geht bei der Pflege seinen eigenen Weg. Natürlich bauen wir die Pflegeplätze aus. Natürlich stellen wir viele neue Pflegekräfte ein. Wir wollen sogar einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz schaffen. Diese Pflegeplatzgarantie sichert überall in Bayern, in Stadt und Land, Hilfe. Das wird nicht über Nacht gehen, aber das ist unser klares Ziel.