Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

(Beifall bei den GRÜNEN – Helga Schmitt-Bus- singer (SPD): So ein Unsinn! – Bernhard Roos (SPD): Uli, Du bist auch noch jung!)

Ich bin auch noch jung, das wollte ich auch bemerken. Zumindest fühle ich mich jung. – Ich kann diese Frage beantworten. Ich weiß nicht, wo immer diese Skepsis herkommt. Die SPD-Fraktion lehnt Gentechnik im Bereich der Lebensmittel ab, fertig.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Ganz eindeutig!)

Das sage ich gerne noch zwanzigmal. Es ist einfach so. Auf die Frage, warum sich da manche Kollegen im EU-Parlament anders verhalten, hätte ich gemeinsam mit Ihnen gern eine Antwort. Wir hier lehnen sie ab, um das deutlich zu sagen. Aber wir sind halt auch nicht für das Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament verantwortlich, wie auch immer es zustande gekommen ist. Ich kritisiere das. Wie auch immer es zustande gekommen ist – ich weiß, worauf Sie anspielen -, es findet nicht unsere Zustimmung, um das ganz eindeutig zu sagen.

Im Übrigen würde ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, wenn ich recherchieren würde, zu dem einen oder anderen Thema bestimmt ein unter

schiedliches Abstimmungsverhalten der GRÜNEN im bayerischen Parlament und im Europäischen Parlament finden. Da können Sie sicher sein.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Müller.

: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident! Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP genannt, erregt gerade große Aufmerksamkeit in unserer Bevölkerung. Ich glaube, niemand ist aktuell so massiv betroffen wie ich persönlich. Ich bin täglich unterwegs, nehme an Podiumsdiskussionen teil und wundere mich heute doch über den Antrag der CSU, unserer Regierungspartei. Denn aktuell ist es so, liebe Kollegin Sengl: In Diskussionsrunden glänzen die CSU und die FDP immer durch Abwesenheit. Anwesend sind die SPD, die GRÜNEN, die LINKEN und die unterschiedlichsten Parteien, nur nicht unsere Regierungspartei. Das finde ich sehr schade

(Thomas Gehring (GRÜNE): Schwach!)

- oder schwach. Aus meiner Sicht ist das nur traurig, weil die Bevölkerung zu Recht Sorgen hat, was das Freihandelsabkommen betrifft. Es geht um unsere Daseinsvorsorge, es geht um unsere Sozialstandards, um unsere Umweltstandards und um unsere Verbraucherschutzstandards. Ich bin sehr froh, dass die Medien das Thema inzwischen aufgegriffen haben und es positiv begleiten.

Die Positionen der FREIEN WÄHLER sind bekannt. Heute liegt ja nicht unser erster Antrag vor. Wir haben mehrfach einen Stopp der laufenden Verhandlungen gefordert. Wir wollen Transparenz. Wir wollen Klarheit. Wir wollen die Öffentlichkeit informieren, und wir wollen, dass der Ausschuss der Regionen und nicht nur die NGOs wesentlich besser eingebunden wird. Das ist uns wirklich sehr wichtig, weil der Ausschuss der Regionen im Europäischen Parlament aus unserer Sicht eine Schlüsselfunktion hat.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich hoffe, dass die heutige Positionierung der Regierungspartei zu diesem Antrag nicht nur Wahlkampfgetöse vor der Europawahl am 25. Mai ist. Ich weiß nämlich, dass uns das Thema noch länger begleiten wird. Es darf nicht in die Mottenkiste der vergessenen und eingestaubten CSU-Wahlkampfversprechen wandern. Dazu ist es zu wichtig. - Herr Ministerpräsident, Sie sagen, Sie hören auf das Volk. Darum fordere ich Sie auf: Nehmen Sie bitte unseren Antrag mit an! Es ist nämlich Wille des Volkes, dass wir hier eine Mit

sprache bekommen und unsere Sorgen ernst genommen werden.

Frau Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin BrendelFischer?

Ich möchte zuerst fertig sprechen. Hinterher beantworte ich Ihre Frage. - Die CSU tut sich aktuell sehr schwer, im laufenden Europawahlkampf eine Position zum TTIP zu beziehen und gleichzeitig die Interessen der Lobbyisten und der Großindustrie zu vertreten. Ich habe große Zweifel, dass das Handwerk und der Mittelstand von dem Abkommen profitieren.

Der Landtag hat sich in letzter Zeit schon mehrfach klar positioniert. Er hat den Anträgen 17/108, 17/119, 17/125 und 17/400 einstimmig zugestimmt und hat damit eine klare rote Linie gezogen. Diese rote Linie wollen wir alle nicht überschreiten. Ich weiß daher nicht, was der Antrag der Regierungspartei darüber hinaus bewirken soll. Für mich persönlich ist er viel zu schwammig; eigentlich könnte man sich nur der Stimme enthalten. Aber weil er uns nicht weit genug geht, werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Gerade im Bereich des Investorenschutzes widersprechen Sie dem Antrag auf Drucksache 17/400. Dort haben wir nämlich klar und deutlich definiert, dass Bayern daran festhält, dass die Souveränität der nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und deren Rechtsordnungen nicht durch "Investor-StaatStreitschlichtungsmechanismen" unterlaufen werden darf. Genau das ist nämlich der Punkt. Wir werden also diesem Antrag nicht zustimmen. - Wir befürworten natürlich den Antrag der GRÜNEN und werden ihn mittragen, weil wir ihn für richtig halten. Der Antrag der SPD ist so etwas wie eine aufgewärmte Suppe. Er enthält nichts Neues; aber man kann ihn mittragen, und wir stimmen ihm zu.

Nun zu dem weiter reichenden Antrag von uns FREIEN WÄHLERN. Wir wollen einen Neustart der Verhandlungen. Wir sind Pragmatiker und gehen davon aus, dass das Freihandelsabkommen in Kraft treten wird. Dann werden die Mitgliedstaaten mit in die Pflicht genommen. Genau das fordern wir in unserem Antrag. Wir wollen ein klares Bekenntnis der Regierungspartei, ob sie, wenn es im Bundesrat und im Bundestag zu den Abstimmungen kommen wird, mithelfen wird, die anderen Länder davon zu überzeugen, dass das Freihandelsabkommen abgelehnt wird, wenn die roten Linien überschritten werden, oder ob

sie dem Abkommen im Bundestag und im Bundesrat zustimmen wird.

Deswegen stellen wir unseren Antrag zur Abstimmung. Wir wissen, dass er weitreichend ist, und der Zeitpunkt ist heute genauso richtig wie in den kommenden Monaten, weil die rote Grenzlinie der Daseinsvorsorge sowie der Sozial- und Umweltstandards gezeichnet ist. Sie liegt jetzt schon vor. Wir wissen, worum es geht. Deswegen bitte ich Sie alle, Ihr Abstimmungsverhalten zu überdenken und unserem Antrag zuzustimmen.

Jetzt die Kollegin Brendel-Fischer.

Frau Müller, mir hat sich während Ihres Vortrags eine Frage gestellt: Wie wollen Sie mit Ihrer Haltung im Europäischen Parlament, so Sie da einziehen, sich sachlogisch der Fraktion der Liberalen anschließen?

Ich werde mich der Europäischen Demokratischen Partei anschließen. Das habe ich öffentlich schon mehrfach gesagt.

(Jürgen W. Heike (CSU): Warten Sie ab! Sie sind ja noch nicht gewählt!)

- Genau. Sie ist ja davon ausgegangen, dass ich es werde. Wenn ich es nicht werde, bleibe ich gern im Bayerischen Landtag und kämpfe für die Interessen unserer Bürger.

Herzlichen Dank. Jetzt bitte ich die Kollegin Rosi Steinberger ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CSU, der uns heute vorliegt, könnte unter der Überschrift laufen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn die CSU-Fraktion betont in der einleitenden Passage, wie wichtig sie es findet, dass das Abkommen zustande kommt. Man bekommt fast den Eindruck, die exportorientierte bayerische Wirtschaft wäre in großer Gefahr, wenn das Abkommen scheitert. Aber die zentralen Inhalte des Abkommens will die CSU auch wieder nicht. Das passt nicht zusammen. Das ist unlogisch, das ist inkonsequent.

Wir sehen das etwas realistischer. Zum einen floriert der Handel zwischen Bayern und den USA auch ohne

TTIP bereits jetzt hervorragend. Zum anderen sind die Erwartungen an Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze wirklich bescheiden. Wir haben heute schon von einem Wirtschaftswachstum von 0,5 % in zehn Jahren gehört; das sind offizielle Zahlen. Das ist eigentlich gar nichts. Natürlich wäre es für die Automobilindustrie praktischer, wenn sie etwas weniger Prüfverfahren absolvieren müsste. Brauchen wir dafür aber wirklich ein Freihandelsabkommen, so wie es jetzt verhandelt wird? - Wir meinen: Nein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die Zölle, die gerne als Argument angeführt werden, sind mit einer Höhe von etwa 4 % kein wirkliches Handelshemmnis. Beim TTIP geht es auch nicht in erster Linie um die Zölle, sondern um die nichttarifären Handelshemmnisse. Es geht also um die Angleichung von Standards und um die gegenseitige Anerkennung von Zulassungsverfahren, zum Beispiel bei der Gentechnik, und um höhere Gewinne, die sich die großen multinationalen Konzerne von diesem Freihandelsabkommen versprechen.

Die Risiken, die die CSU-Fraktion und auch alle anderen Fraktionen benennen, sehen wir genauso kritisch. Auch wir wollen keine Absenkung der Verbraucherstandards. Auch wir wollen größere Transparenz bei den Verhandlungen und eine stärkere Beteiligung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, übrigens auch der NGOs, Frau Müller, die nämlich auch nicht beteiligt sind.

Noch eine Bemerkung zu Herrn Pfaffmann, der vorher gesagt hat, dass wir die öffentliche Daseinsvorsorge definieren müssen. Wir hatten im Landtag ein Gespräch mit Herrn Schlegelmilch von der EU-Kommission. Ich habe ihn danach gefragt. Seine Antwort war: Was wir unter Daseinsvorsorge verstehen, definieren wir selbst, und das sagen wir heute nicht; wir müssen ja Verhandlungsmasse haben. So sehen also im Endeffekt die Verhandlungen in Brüssel aus. Wenn Sie von der CSU glauben, Sie könnten durch einen Antrag eine Absenkung der Verbraucherschutzstandards verhindern, dann ist dies wirklich blauäugig und überhaupt nicht realistisch; denn das Ziel der Verhandlungen ist eine Angleichung der Standards. Niemand braucht zu glauben, dass am Ende die höheren Standards für alle bindend sind – nein, die niedrigeren Standards werden für alle gelten. Genau das wollen wir doch verhindern.

Für besonders gefährlich halten wir die geplanten Regelungen zum Investitionsschutz. Konzerne sollen die Möglichkeit erhalten, gegen Staaten zu klagen, und das nicht vor nationalen Gerichten, sondern vor Schiedsgerichten, unter Umständen in Hinterzimmern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Demokratie wird hier massiv gefährdet und auf Dauer völlig ausgehebelt. Sie von der CSU benennen diese Schiedsgerichte auch, Sie lehnen sie aber nicht einmal ab, sondern Sie wünschen sich nur, dass diese Schiedsgerichte folgenlos bleiben. Das ist wirklich naiv.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen beim TTIP nur wenig Licht, aber sehr viel Schatten. Gerade was Verbraucherschutz, Naturschutz, Landwirtschaft und Daseinsvorsorge angeht, sind die Risiken immens. Als die großen Gewinner dieses Abkommen sehen wir die multinationalen Konzerne und die global agierenden Anwaltskanzleien. Es ist doch egal, wo die Konzerne ihren Sitz haben: in Amerika, in Kanada oder sonst wo - die Verlierer werden überall die Verbraucher sein. Auch die kommunale Selbstverwaltung wird auf der Verliererseite sein, ebenso die nationalen Parlamente; denn die Parlamente müssen sich in Zukunft überlegen, ob sie eine Gesetzesänderung durchbringen wollen. Sie müssen vorher überlegen, ob sie nicht anschließend verklagt werden, weil sie dadurch Investitionen behindern oder einschränken.

Kurz und gut: Der Antrag der CSU-Fraktion springt eigentlich nur auf die öffentliche Empörung auf, ist aber nicht gut gemacht; er ist inkonsequent. Deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir lehnen auch den Antrag der SPD-Fraktion ab, weil er eigentlich genau in die gleiche Richtung zielt. Es werden immer nur rote Linien genannt. Beim TTIP brauchen wir aber eine klare Kante. Wir müssen nicht nur rote Linie definieren. Was ist denn los, wenn die roten Linien überschritten werden? Wenn sie überschritten werden, muss man dieses Abkommen ablehnen. Das ist unsere Linie. - Wir fordern, dass das Freihandelsabkommen, so wie es jetzt geplant ist, soweit wir dies überhaupt wissen, abgelehnt wird. Sie von der CSU dagegen wollen die Verhandlungen offenbar unbeirrt weiterführen. Wie gesagt: Deshalb stimmen wir dem Antrag der CSU nicht zu und bitten um die Zustimmung zum weitergehenden Antrag unserer Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. Ich bitte nun Frau Staatsministerin Dr. Merk ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung steht für verlässliche Wirtschafts

politik. Deshalb sind wir für TTIP. Ich nenne – und das nicht abschließend – dafür drei Gründe, weil die positiven Gründe für das Freihandelsabkommens in der Öffentlichkeit leider viel zu selten genannt werden.

Erstens geht es natürlich sehr wohl um den Abbau von Zöllen. Die Zölle zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sind zwar schon jetzt nicht extrem hoch. Zwischen diesen beiden Ländern geht aber ein sehr hoher Umsatz über den großen Teich. Dabei addieren sich die Zölle natürlich. Deswegen sind diese Kosten keineswegs gering. Wir haben heute schon gehört, dass die Automobilhersteller eine Milliarde Euro an Zöllen pro Jahr bezahlen. Man kann sich vorstellen, dieses Geld auch in bessere Dinge zu investieren.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Welche?)

Zum Zweiten sind wir für TTIP, weil wir uns dadurch einen Abbau bestehender Hemmnisse für den Handel versprechen. Ohne die beiderseits hohen Schutzniveaus abzusenken, entfallen erhebliche Kosten für Doppelprüfungen und Zulassungen. Herr Pfaffmann, Sie sagen, dass in Amerika neue Produkte einfach so, ohne Zulassungsverfahren auf den Markt gebracht werden können. Das ist schlichtweg nicht richtig. Die FDA verlangt selbstverständlich Zulassungsverfahren für neue Produkte.