Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

Lassen Sie mich eine der von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, erhobenen Forderungen herausgreifen: die Verkürzung der derzeit jährlichen Überprüfungsfrist für die Fortdauer der Unterbringung. Nach Einschätzung der Praktiker, die sich auf ihre Erfahrung in Fällen der vorläufigen Unterbringung nach § 126 a der Strafprozessordnung gründet, wäre eine Verkürzung der jährlichen Prüfungsfrist möglicherweise sogar kontraproduktiv. Je höher die Frequenz erneuter Begutachtung und Überprüfung sei, umso höher sei die Gefahr, dass der Untergebrachte nicht ausreichend in die Therapiebemühungen einsteigt. Gerade aufgrund der sehr guten Erfahrungen, die mein Haus mit der Beteiligung der Praxis gemacht hat, begrüße ich es ausdrücklich, dass die befassten Ausschüsse morgen eine gemeinsame Expertenanhörung zur Situation und zum Reformbedarf im Maßregelvollzug sowie zu Zwangsmaßnahmen in der stationären Psychiatrie durchführen. Ich möchte dieser Anhörung nicht vorgreifen, sondern nur die aus meiner Sicht wichtigsten Reformansätze nennen.

Erstens. In § 63 des Strafgesetzbuches sollten die zu erwartenden erheblichen Taten näher konkretisiert werden.

Zweitens. Die Dauer der Unterbringung sollte durch ein Regel-Ausnahme-Modell flexibel begrenzt werden.

Drittens. Spätestens nach drei Jahren Unterbringung und nicht wie bisher erst nach fünf Jahren sollten externe Gutachter zwingend mit einbezogen werden.

Hinzu kommen die Überlegungen, die die Kollegin Emilia Müller zu einem bayerischen Maßregelvollzugsgesetz angestellt hat. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse der morgigen Anhörung. Sie wird eine wichtige Ergänzung unserer Praxisumfrage und des Workshops in unserem Haus sein. Wir werden diese Ergebnisse selbstverständlich in die Arbeit der Arbeitsgruppe auf Bundesebene einbringen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die FREIEN WÄHLER, die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt 6 hat sich erledigt, nachdem der Antrag der Abgeordneten Bause, Hartmann, Steinberger und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) "Transatlantisches Freihandelsabkommen darf Umwelt- und Verbraucherschutzstandards der Europäischen Union nicht aufweichen" auf Drucksache 17/778 zwischenzeitlich zurückgezogen wurde.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Gisela Sengl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Filtererlass für große Schweinehaltungsanlagen (Drs. 17/874)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Steinberger.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem gab es hier im Landtag eine Petition aus der Gemeinde Hohenthann gegen eine große Schweinemastanlage. Die Mitglieder des Petitionsausschusses können sich vielleicht noch daran erinnern. Diese Petition war beispielhaft für den Umgang der Behörden mit Anwohnern von solchen Mastanlagen. Die Petition wurde übrigens zurückgewiesen.

Die Belastung der Nachbarn mit Gestank liegt bereits weit über dem gültigen Grenzwert. In diesem Dorf darf kein Wohnhaus mehr gebaut werden, weil die Geruchsbelastung zu hoch ist. Trotzdem wurde ein weiterer Stall mit 2.500 Mastplätzen genehmigt. Das ist leider kein Einzelfall. In der Gemeinde Hohenthann kommen auf 3.500 Einwohner etwa 70.000 Schweinemastplätze. Dass diese Konzentration zu einer massiven Belästigung der Bevölkerung führt, ist eigentlich logisch. Wäsche im Freien zu trocknen, ist quasi unmöglich. Besucher auf der Terrasse zu bewirten, ist immer ein Risiko und nur in Ausnahmefällen möglich. Trotzdem wird der Bau immer weiterer Mastställe beantragt und genehmigt.

Nun heißt es immer, die Behörden könnten nichts dagegen machen, weil die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen. Auch im Petitionsausschuss herrschte durchaus Verständnis für die Situation der Anwohner, aber es wurde gesagt, man könne nichts machen. Das stimmt nicht. Bayern könnte etwas dagegen unternehmen. Bayern könnte einen Abluftfilter für große Schweinemastanlagen anordnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Warum tun wir es nicht? Wir wären auch nicht die Ersten, die dies anordnen. Gerade die Länder Nieder

sachsen und Nordrhein-Westfalen, die sehr stark durch Schweinemastanlagen belastet sind, haben diesen Filtererlass vor einiger Zeit ausgesprochen. Auch Schleswig-Holstein ist auf dem besten Weg dorthin.

Nun heißt es immer, diese Anlagen seien nicht ausgereift. Das stimmt nicht. Diese Anlagen entsprechen durchaus dem Stand der Technik. Inzwischen gibt es elf verschiedene zugelassene Systeme von neun verschiedenen Herstellern. Es ginge also bereits. Übrigens beseitigen diese Filter auch einen Großteil der Keime aus der Abluft. Sie wissen genau, dass es bei uns große Probleme mit multiresistenten Keimen gibt. Sie kommen zum Teil auch aus der Tiermast. Die Anwohner äußern bei uns immer wieder die Sorge, dass sie mit diesen Keimen belastet werden könnten. Auch diesen Ängsten könnten wir mit einem Filtererlass begegnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sicher werden Sie mir jetzt antworten, dass solche Filter auf alle Fälle mit Kosten für die Landwirte verbunden sind. Das ist richtig. Erstens trifft dieser Erlass nur die wirklich großen Betriebe mit über 2.500 Schweinen. Das sind nach meiner Rechnung etwa 5 % der Schweinehalter. 95 % der Betriebe wären von dem Filtererlass gar nicht betroffen. Das sind genau die kleinen und mittleren Betriebe. Wir wollen doch alle die bäuerliche Landwirtschaft mit ihrer kleinstrukturierten Art erhalten. Oder etwa nicht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Herr Ministerpräsident möchte das.

Zweitens haben wir einen Antrag eingebracht, bei der einzelbetrieblichen Förderung genau diese Umweltmaßnahmen in den Förderkatalog aufzunehmen; denn bisher werden einige Maßnahmen gefördert, aber genau das, was wichtig und richtig wäre, kann nicht gefördert werden. Sie haben doch auch sonst kein Problem damit, dass Stallbauten bis zu 35 % gefördert werden. Warum also nicht auch einmal eine Förderung für den Frieden auf den Dörfern? - Stimmen Sie einfach beiden Anträgen zu, und schon wird ein Schuh draus und allen ist geholfen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Es gibt die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz. Diese hat bereits im März 2013 entschieden, dass bei großen Schweinehaltungsanlagen Abluftreinigungsanlagen Stand der Technik sind. Die betroffenen Landwirte werden also früher oder später nachrüsten müssen. Eigentlich ist das nur noch eine Frage der Zeit. Nachzurüsten – das wissen Sie alle –

ist immer teurer, als diese Anlagen gleich beim Bau zu installieren.

Außerdem wird derzeit die EU-Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen novelliert. Deutschland hat, wie Sie vielleicht auch wissen, ein massives Problem mit Ammoniak. Auch dadurch wird es Druck auf die Landwirtschaft geben, weil Ammoniak in erster Linie in der Landwirtschaft freigesetzt wird. Das wird also kommen. Die Frage ist nur, wann. Wir plädieren dafür, das gleich zu klären, dann gibt es Planungssicherheit. Gehen wir einen Schritt voran, schaffen wir Planungssicherheit für die Landwirte und sorgen wir gleichzeitig für den Frieden auf den Dörfern!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Für die CSU-Fraktion: Kollege Ritt. – Bitte sehr.

Herr Präsident, werte Kollegen! Am 20. März 2014 wurde der Antrag der GRÜNEN im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz behandelt. Sowohl der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz als auch der mitberatende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben zu diesem Antrag jeweils Ablehnung empfohlen. Die Gründe dafür möchte ich, wie schon am 20. März 2014, hier nochmals darstellen.

Die Errichtung und der Betrieb von Tierhaltungsanlagen sind nach derzeit geltendem Recht unter dem Aspekt des Immissionsschutzes dann zulässig, wenn nach § 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unter anderem Vorsorge und Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gewährleistet sind. Dies wird im Rahmen der Genehmigungsverfahren regelmäßig geprüft.

(Gisela Sengl (GRÜNE): Aber wie?)

Tierhaltungsanlagen dürfen einerseits wegen Geruchs- und Staubemissionen nur in ausreichendem Abstand zur Wohnbebauung und andererseits wegen schädlicher Ammoniakkonzentrationen und Stickstoffeinträgen nur in ausreichendem Abstand zu empfindlichen Öko-Systemen errichtet werden. Außerdem sind bei Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz als genehmigungspflichtig gelten, die Emissionen durch Maßnahmen nach dem Stand der Technik zu mindern. Der Begriff "Stand der Technik" umfasst aber auch die Wirtschaftlichkeit von durchzuführenden Maßnahmen. Das heißt im Umkehrschluss,

dass sich nicht jedes Unternehmen den Stand der Technik leisten kann. Laut dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, kurz KTBL, einem Verein, der als Ziel den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Praxis verfolgt, belaufen sich die Kosten für die Errichtung und den Betrieb zertifizierter Abluftreinigungsanlagen bei einer Anlagenkapazität von zum Beispiel 30.000 Mastplätzen auf bis zu 12 bzw. 18 Euro je Tierplatz und Jahr. Die Abluftreinigung gehört wegen dieser hohen Kosten nicht zum Stand der Technik für emissionsarme Tierhaltung.

(Thomas Gehring (GRÜNE): 10 Cent für ein Schnitzel!)

Bei Einsatz der Verfahren schreibt ein durchschnittlich erfolgreicher Schweinemäster Verluste. Das heißt, der erzielbare Gewinn wird mehr oder weniger von den Fixkosten aufgezehrt. Ein akzeptables Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen ist nicht gegeben. Die Empirie widerlegt die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag aufgeführte Begründung, wonach der Einsatz von Abluftreinigungsanlagen als wirtschaftlich vertretbar und nicht unverhältnismäßig anzusehen ist. Infolgedessen wären die Landwirte gezwungen, entweder durch mehrere getrennte Anlagen unter den von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderten Schwellenwerten zu bleiben oder die Verluste durch noch größere Tierbestände aufzufangen. Dies führt wiederum zu einem Strukturwandel hin zu Groß- und Größtbetrieben und einer weiteren Zersiedelung der Landschaft. Eine generell verpflichtende Einführung der Abluftreinigung in der von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN verlangten Form hat Einfluss auf die Betriebsstruktur hin zu größeren Einheiten und ist damit nur in viehstarken Gegenden, zum Beispiel der Region Weser-Ems, effektiv, zielführend und sinnstiftend.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Haben Sie schon etwas zum Gestank gesagt?)

- Ich bin auf dem Land aufgewachsen, Herr Kollege. Für die typischen kleinen und mittleren Familienbetriebe in unserer bayerischen Heimat würde das den finanziellen Ruin bedeuten. Dr. Stefan Neser vom Arbeitsbereich Umwelttechnik der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising führt alternativ die Frage der zukünftigen Nutzung sogenannter Außenklimaställe mit freier Lüftung auf. Zwar ist die Zahl der frei gelüfteten Ställe in der Schweinehaltung als sehr gering zu bezeichnen, jedoch wären derartige Anlagen, zumindest als Anlagen nach dem BundesImmissionsschutzgesetz unter Umständen nicht mehr genehmigungsfähig, da die Anwendung der Abluftreinigung an frei gelüfteten Ställen technisch nicht mög

lich ist. Zudem werden in der öffentlichen Wahrnehmung frei gelüftete Ställe in Verbindung mit Ausläufen oft positiv bewertet.

Aus meinen Ausführungen können Sie deutlich erkennen, dass der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei den landwirtschaftlichen Gegebenheiten unseres Heimatlandes Bayern strukturell und wirtschaftlich nicht zielführend ist, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern. Im Gegenteil: Für die betroffenen Landwirte kann er sich zu einem gewaltigen finanziellen und damit verbunden zu einem existenzbedrohenden Problem entwickeln. In der vorliegenden Fassung kann dem Antrag nicht zugestimmt werden. Der Antrag ist abzulehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ritt. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Sengl.

Existenzbedrohend sind eigentlich nur die schlechten Preise. Ich kann es nur immer wieder sagen: Für Landwirte wäre das Wichtigste, dass sie angemessene Preise für die Produkte bekommen, die sie erzeugen, und dass das Fleisch nicht zu Billigpreisen verschleudert wird.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wir wissen, wohin das führt. Der Fleischkonsum ist zu hoch. Wir müssen Futtermittel importieren. Inzwischen sind 90% der Futtermittel gentechnisch verändert. Angeblich bekommt man gar nichts anderes mehr. Die Fleischindustrie, die wir heute haben, reicht leider auch schon bis Bayern. Es ist eine Illusion, der alle gerne anhängen, dass bei uns in Bayern alles in Ordnung ist. Das ist es leider nicht. Hohenthann liegt in Bayern. Bei 3.500 Einwohnern gibt es dort 65.000 Schweine; das möchte ich noch sagen.

Wir müssen für bessere Preise kämpfen und sollten nicht gegen solche Anträge stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Frau Kollegin, wir erreichen mit Ihrem Antrag nur eines, nämlich dass die Preise noch niedriger und die Gewinne für die Landwirte noch geringer werden. Das wird dann wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausgeglichen, indem die Viehbestände größer werden. Ihr Antrag fördert diese Auswirkungen. In den Ställen sind dann nicht mehr 1.500 oder 2.000 Schweine, sondern 5.000 oder

10.000. Mir hat letzte Woche ein Freund aus den fünf neuen Ländern berichtet. Er beliefert mit Mastfutter und ist mit 66.000 Schweinen einer der größten in Deutschland. Er kann es sich leisten, eine derartige Technik zu installieren.