Das zentrale Ziel muss des Weiteren die Weiterentwicklung des qualitativ hochwertigen und über die Landesgrenzen hinaus anerkannten bayerischen Gymnasiums sein. Das bedeutet Sachorientierung anstelle von unüberlegten Schnellschüssen auf Kosten der Schülerinnen und Schüler und der Schulfamilie insgesamt. Wenn Sie Zweifel daran haben, empfehle ich die Lektüre der Anhörung vom 05.06.2014,
die in eindrucksvoller Weise bewiesen hat – und zwar vonseiten der Bildungspolitik wie vonseiten der Schulpraktiker –, dass die aktuelle Debatte darüber völlig verkürzt ist und dass das angebliche Zeitproblem von G 8 oder G 9 nicht das Zentrum der Diskussion sein soll.
Deswegen lautet die Bitte, die nicht nur von einer Schülerin, von einem Schüler oder von einem Experten kommt: Lasst uns an den Schulen in Ruhe arbeiten. Wir sind alle gut beraten, wenn wir darauf eingehen, hohe Qualität anzubieten - und das in Ruhe und nicht mit unüberlegten Schnellschüssen. Schon gar nicht sollte das mit Vorfestlegungen in Richtung des alten G 9 erfolgen, erst recht nicht mit organisatorisch nicht umsetzbaren Dingen wie einer Parallelführung von G 8 und G 9 an bayerischen Schulen.
Danke schön, Kollege Professor Waschler. Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Kollegen Güll für die SPD. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man, wie ich gerade, aus einem wohltuend ruhigen, sachlichen Werkstattgespräch kommt und sich dann wieder diese Showbühne hier vergegenwärtigt, dann muss man ganz ehrlich sagen: Das Thema, das uns heute wieder umtreibt, das uns die letzten Wochen und Monate umgetrieben hat und - da bin ich sicher - auch noch die nächsten Monate umtreiben wird, würde es verdienen, in aller Ruhe und Sachlichkeit behandelt zu werden. Es gilt nämlich, eine Lösung für ein Problem zu finden, das uns schon seit zehn Jahren beschäftigt.
Es ist unstrittig in diesem Hause, dass wir hier eine Lösung brauchen. Gerade im Bildungsbereich hat man oft zehn Experten und zehn Meinungen. Beim Gymnasium gibt es sogar zehn Experten und 25 Meinungen. Deshalb sollten wir uns vielleicht noch einmal auf einige Eckpunkte besinnen. Wenn ich mich nicht irre, dann haben sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren dermaßen starke gesellschaftliche Veränderungen gezeigt, dass wir gar nicht umhinkommen, noch einmal in Ruhe darauf zu schauen, wie
Eines ist in diesem Hause jedoch auch klar: Die einzige Ressource, die wir in Bayern und in ganz Deutschland wirklich haben, sind unsere Menschen. Sie müssen eine entsprechende Bildungsgrundlage bekommen. Deshalb setzen wir alle hier im Hause auf das Thema Bildung. Wir müssen aber auch alles daransetzen, die Schulen und die Bildungseinrichtungen so aufzustellen, dass sie diesem hohen Anspruch gerecht werden.
Wir beschäftigen uns jetzt gerade nicht mit der Mittelschule oder mit der Realschule, sondern müssen uns mit dem Gymnasium befassen, weil es eben nicht so aufgestellt ist, wie wir alle uns das wünschen. Das hat nichts mit Ruhe zu tun, sondern mit der Frage: Ist die Entwicklung, die Ministerpräsident Stoiber damals angestrebt hat, richtig verlaufen oder nicht? Wenn es damals einen Kardinalfehler gegeben hat, dann den, dass man der Schulzeitverkürzung kein Konzept zugrunde gelegt hat.
Das sage ich deshalb, weil es im Grunde nicht um die Frage geht, ob man das Gymnasium auf acht oder neun Jahre begrenzen sollte, sondern man muss wissen, wie man das Gymnasium ausstattet und wie man es plant, wenn man es in acht oder neun Jahren macht.
Deshalb müssen wir in der Diskussion – das gilt für gestern, heute und morgen – die Kernfrage noch beantworten: Was ist eigentlich das Ziel dieser Schulform Gymnasium, die wir als die neue Hauptschule Bayerns bezeichnen müssen, weil mittlerweile 40 % eines Jahrgangs dorthin gehen?
Es geht nicht darum, ob damit eine andere Schulform abgewertet wird oder nicht, sondern darum, dass wir uns mit dieser Realität auseinandersetzen müssen. Hierüber, glaube ich, besteht Einigkeit in diesem Hause. Die Schulform Gymnasium, die unbestritten ist – das sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich –, muss das Ziel haben, nicht nur eine Zugangsberechtigung für die Hochschule zu schaffen - das machen andere Bildungswege auch -, sondern auch – der Kollege Felbinger hat es gerade gesagt – Studierfähigkeit zu erzeugen. Diese Studierfähigkeit – das sagen uns die Experten – hat etwas damit zu tun, wie nachhaltig man in dieser Schulform lernen kann. Es geht nicht darum, Wissen anzuhäufen; diese Zeiten sind vorbei. Es geht darum, Wissen zu vernetzen und Schülerinnen und Schüler mit Kompetenzen zu versehen, um
die gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir in dieser Gesellschaft stehen, bewältigen zu können.
Deshalb ringen wir um Bildungszeit. Bildungszeit ist ein Parameter dafür, diese Ziele zu erreichen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man schränkt den Inhalt ein, um das Ganze in einer kürzeren Zeit zu bewältigen. Ich sehe im Moment keinerlei Bestrebungen, auch nicht bei den Verbänden usw., einmal fundamental nachzudenken, ob man das inhaltlich anders gestalten kann. Dazu ist die Fächerdominanz in Bayern viel zu groß.
Deshalb sage ich: Lasst uns darüber nachdenken, wie wir den Rahmen, den wir haben, ausfüllen können. Diesen Rahmen bestimmen nicht wir hier, sondern bestimmt beispielsweise die Kultusministerkonferenz mit den genannten 265 Stunden. Eines wird hier unbestritten deutlich: Nachdem der Rahmen der Kultusministerkonferenz so ist, wie er ist, gibt es offensichtlich gar keine andere Lösung, als die Lernzeit wieder zu erhöhen; denn die Verdichtung der Bildung in der Mittelstufe, in der Entwicklungszeit der Pubertät hat in den letzten vier Jahren offensichtlich nicht funktioniert.
Diese Überlegung muss uns leiten. Wenn die Verdichtung der Bildung zu einer Unzeit der Grund dafür ist, dass wir unsere Bildungsziele nicht erreichen, müssen wir uns überlegen, wie wir Zeit für Bildung erhöhen können.
Darum kommen wir letztlich nicht herum. Das ist die Erkenntnis der SPD-Fraktion. Die Schülerschaft ist heterogen; das ist nicht wegzubringen, und das ist nicht zu leugnen. Viele Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Zeit, um die Bildungsziele zu erreichen. Für diese Schüler müssen wir mehr Zeit schaffen. Für die Struktur der Schule kann das nur bedeuten, dass wir grundständig wieder auf neun Jahre gehen müssen. Wir müssen darüber nachdenken, wie Beschleunigungsspuren für die, die es schneller können, eingebaut werden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Inklusion haben wir unter der Mitwirkung von Herrn Kollegen Eisenreich Maßstäbe gesetzt. Wir haben versucht, ein schwieriges Thema aus den Alltagsdiskussionen he
rauszuhalten, um es wirklich vernünftig zu lösen. Das ist uns mehr oder weniger gelungen. Darüber möchte ich heute nicht spekulieren. Wenn wir jedoch jetzt diese letzte Chance nicht wahrnehmen, das Gymnasium auf einen ruhigen Weg zu bringen, wird uns dieses Thema noch zehn Jahre beschäftigen. Das kann doch nicht Sinn und Zweck sein.
Deshalb bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause, egal, ob sie sich mit der Bildung beschäftigen wollen oder nicht: Lassen Sie uns dieses Thema Gymnasium noch einmal in aller Ruhe gemeinsam anschauen! Wir haben dazu zwei Werkstattgespräche in einer offenen und guten Atmosphäre geführt. Wenn wir genügend Zeit hätten, dieses Thema zu diskutieren, und uns nicht unter Druck setzen, könnten wir eine Lösung finden, die die nächsten Jahre überdauert. Damit würden wir allen einen Gefallen tun, den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und nicht zuletzt unseren Lehrerinnen und Lehrern, die mittlerweile alle unter dieser unaufgelösten Situation leiden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das beenden. Das Thema Volksbegehren hin oder her müssen wir jetzt durchstehen. Mein Appell lautet: Wir können und dürfen nicht aufhören, uns mit diesem Thema in der Weise, wie ich das gerade gesagt habe, auseinanderzusetzen.
Die SPD-Fraktion und, wie ich glaube, auch die anderen Fraktionen sind dazu bereit. Springen wir über unseren Schatten! Lösen wir dieses Problem gemeinsam! Das wäre im Sinne aller Beteiligten.
Vielen Dank, Herr Kollege Güll. Herr Kollege Gehring von der Fraktion der GRÜNEN steht schon bereit. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Bildung braucht Zeit", heißt es in der Überschrift der FW-Fraktion. Ich würde sagen: Schülerinnen und Schüler brauchen Zeit für Bildung. Sie brauchen mehr als Zeit; denn Schülerinnen und Schüler sind nicht wie ein Wein, den man in Fässer abfüllt und der dann beim Lagern mit der Zeit reift. Schülerinnen und Schüler brauchen die aktive Auseinandersetzung, sie brauchen guten Unterricht,
Wir alle sind sehr unterschiedlich. Wir haben unterschiedliche Lerntempi. Der eine hat schon alles verstanden, der andere braucht noch etwas Zeit, um etwas zu vertiefen. Jeder braucht seine Zeit, und jede braucht ihre Zeit. Bei der Anhörung im Bildungsausschuss hat es eine Referentin zum Thema Schulgrößen sehr schön formuliert. Sie hat gesagt, es helfe nichts, wenn eine Schule die Schuhgröße 42 anbiete und irgendwann auch noch die Schuhgröße 37. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FW-Fraktion, es hilft auch nichts, wenn man die Schuhgrößen 37 und 42 parallel anbietet.
(Beifall bei den GRÜNEN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wenn man nur eine anbietet, ist es noch schlimmer!)
- Lieber Herr Kollege Aiwanger, die meisten Schülerinnen und Schüler haben nicht die Größen 37 und 42. – Wir beteiligen uns nicht an diesem Volksbegehren, weil es nur ein strukturelles Angebot macht. Die Unzufriedenheit mit dem G 8 ist sehr groß. Sie durch eine Beteiligung an einem Gesetzentwurf, den man nicht unterstützen kann, auszudrücken, würde bedeuten, das Instrument des Volksgesetzgebungsverfahrens nicht ernst zu nehmen. Deswegen werden wir uns daran nicht beteiligen. Wir müssen die Diskussion hier, in diesem Bayerischen Landtag führen.
Herr Kollege Güll hat bereits angesprochen, worum es geht: Wir müssen einen gemeinsamen Diskurs führen. Diesen Diskurs werden wir auch führen, wenn das Volksbegehren vorbei ist. Wir werden ihn sicherlich im Herbst führen und entsprechende Gesetzesinitiativen einbringen.
Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was die Experten bei der Anhörung im Bildungsausschuss gesagt haben. Ich empfehle allen, die sich damit beschäftigen wollen, diese Aussagen nachzulesen. Die erste übergreifende Antwort aller Experten lautete: Das Prä liegt bei der inhaltlichen Reform. Es geht darum, Unterricht zu verändern, selbstständiges Lernen der Schülerinnen und Schüler zu formen und nachhaltiges Lernen zu fördern. Diese inhaltliche Reform des Gymnasiums können wir nicht durch strukturelle Antworten leisten.
Ein zweites Ergebnis dieser Anhörung, das sehr deutlich von vielen Experten formuliert wurde, lautet: Ganztagsschulen, Ganztagsgymnasien. Ich darf an den Appell von Herrn Professor Dr. Prenzel am Schluss erinnern. Diese Diskussion, wie wichtig ganztägige Schulen auch in der gymnasialen Bildung sind, ist momentan vollkommen verloren gegangen.
Herr Kollege Güll hat bereits das dritte Thema angesprochen, die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft an den Gymnasien, die gestiegenen Übertrittsquoten und die Prognosen, wonach diese Übertrittsquoten steigen werden, unabhängig davon, ob das Gymnasium als G 8, als G 9 oder wie auch immer geführt wird. Diese steigende Heterogenität erhöht die Notwendigkeit einer inhaltlichen Reform des Gymnasiums. Wir brauchen diese Reform in allen Stufen des Gymnasiums, in der Unterstufe, in der Mittelstufe, aber auch in der Oberstufe, gerade wenn es um die Studierfähigkeit geht, um die Vertiefung in bestimmten Bereichen oder um die Vorbereitung auf ein naturwissenschaftliches Studium. Hier müssen wir die Diskussion führen.
Wir werden im Bayerischen Landtag keine Ruhe geben. Wir werden das Thema G 8 angehen. Ich hoffe, dass auch die CSU-Fraktion kapiert hat, dass es mit der Parole "Ruhe" vorbei ist. Beim G 8 gibt es keine Ruhe. Wir haben einen großen Reformbedarf. Wir haben viel Arbeit vor uns. Wir warten auf Ihre Reformvorschläge. Dazu hören wir leider noch nichts. Wir warten auf konkrete Diskussionsanreize aus der CSU-Fraktion, die uns allen weiterhelfen würden.
Ich kann Ihnen versichern: Wir werden einen Gesetzentwurf einbringen, einfach um die Beratungen fortzuführen. Wir werden im Sommer über das G 8, die Zukunft des Gymnasiums und ein zukunftsfähiges Gymnasium reden. Wir werden auch im Herbst darüber reden. Herr Kollege Güll hat es bereits angesprochen: Wir werden versuchen, möglichst breit zu diskutieren, wenn wir fraktionsübergreifend etwas auf den Weg bringen können. Wir müssen aber jetzt in Kontroversen die Knackpunkte herausarbeiten. Dazu wünsche ich uns allen viel Freude und viel Spaß. Diesen Spaß werden wir bei diesem Thema auch noch im Herbst haben.
Vielen Dank, Herr Kollege Gehring. Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Lederer von der CSUFraktion. Bitte schön.