Protokoll der Sitzung vom 16.09.2014

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Müller um das Wort gebeten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die derzeitige Situation der Flüchtlinge in der Welt bewegt uns alle. Das ist heute mehrfach angesprochen worden. Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Ungefähr 600.000 Menschen warten in Nordafrika auf die Überfahrt Richtung Europa. Die Menschen aus Syrien und anderen Krisengebieten haben ein erschütterndes Schicksal hinter sich. Oft haben sie Not und Krieg, Gewalt und auch Vergewaltigung erlebt. Diese Schicksale rühren uns alle. Ihnen müssen wir helfen. Das ist unsere humanitäre Aufgabe. Dabei stehen viele Menschen vor einem emotionalen Spagat: zwischen Mitleid mit den Bürgerkriegsflüchtlingen und den Asylbewerbern und dem Gefühl der Überforderung angesichts der Vielzahl von Asylsuchenden, die selbst in kleinsten Gemeinden untergebracht werden müssen. Der Zustrom ist in ganz Deutschland dramatisch angestiegen. Die Prognosen sind permanent nach oben verändert worden.

Für Menschen auf der Flucht ist Deutschland die Nummer eins in Europa. Die meisten wollen zu uns, weil es hier die Möglichkeiten für Schutz und Unterkunft gibt. Von diesen in Deutschland ankommenden Asylbewerbern werden Bayern aufgrund des Verteilungsverfahrens immer, egal wie die Prognose lautet, 15,2 % zugewiesen, und zwar unabhängig davon, wie die politischen Maßnahmen in der Zukunft aussehen.

Derzeit sind in Bayern rund 45.000 Asylbewerber untergebracht und haben bei uns eine feste Bleibe. Allein im Jahr 2014 kommen nach der derzeitigen Prognose rund 33.000 Menschen nach Bayern. Alle Bundesländer stehen vor den gleichen Problemen und Herausforderungen. Es handelt sich damit nicht um ein bayerisches Problem. Herr Kollege Neumeyer hat es vorher angesprochen. In der dpa-Meldung lese ich, dass der SPD-Politiker Oberbürgermeister Maly nach dem Asylgipfel die Bemühungen der Staatsregierung gelobt hat.

(Volkmar Halbleib (SPD): Bemühungen seit letzter Woche!)

Ich zitiere:

Die Probleme sind in ganz Deutschland gleich. Aber die Problemlösungsmöglichkeiten sind in Bayern besser als in anderen Bundesländern durch die Kooperation von Freistaat und Kommunen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Warum haben Sie das nicht früher genutzt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, bei diesem Thema vernehme ich wieder nur die übliche Oppositionsrhetorik.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

In Bayern sei alles schlecht, schlechter als überall sonst. Sie entwerfen ein Zerrbild von Bayern, und das wissen Sie. Ich sage Ihnen: Ich war schon mit vielen von Ihnen unterwegs. Ich habe mit vielen von Ihnen über diese Thematik diskutiert. Sie haben mich enttäuscht, vor allem bei diesem Thema. Es geht um Menschen, die wirklich ein schweres Schicksal haben. Ich bin der Überzeugung, dass wir alles tun müssen, um diesen Menschen zu helfen.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Dann tun Sie das bitte auch!)

Die Unterbringung und die Betreuung erfolgen in enger Zusammenarbeit von Freistaat, Kommunen und Wohlfahrtsverbänden.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Und den Ehrenamtlichen!)

- Und vielen Ehrenamtlichen. Diesen Menschen möchte ich heute ein Dankeschön aussprechen.

(Beifall bei der CSU)

Ich erlebe viel Solidarität der Menschen vor Ort. Das geht Ihnen sicherlich genauso. Diese Solidarität dürfen wir aber nicht aufs Spiel setzen; denn die Akzeptanz der Bevölkerung ist beim Thema Asyl entscheidend. Wir müssen daher alles daran setzen, dass wir uns um die Menschen kümmern können, die wirklich unseren Schutz brauchen und die des Schutzes bedürfen. Der Dreiklang, den die Menschen zu Recht von uns erwarten, lautet: Verhinderung ungerechtfertigter Einreise, Durchsetzung der Ausreisepflicht und Hilfe für die zu Recht bei uns Schutz Suchenden. Das ist unsere zentrale Aufgabe.

(Beifall bei der CSU)

Bayern steht für eine menschliche Asylpolitik. Wir tun alles Menschenmögliche, um die Asylsuchenden menschenwürdig unterzubringen. Wir haben die Essenspakete in den Gemeinschaftsunterkünften abgeschafft. Nur Mittelfranken steht noch aus, weil die Verträge noch laufen. In den letzten Jahren haben wir die Asylsozialberatung enorm ausgebaut und passen sie weiter den steigenden Herausforderungen an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonderes Augenmerk legen wir auf die Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen die Menschen nach einem langen Fluchtweg ankommen. Diese Menschen kommen aus vielen Nationen, sprechen die unterschiedlichsten Sprachen; darunter sind Analphabeten, Menschen unterschiedlicher Religionen. Sie brauchen sofortige Unterstützung und Hilfe. Deshalb möchte ich den Betreuungsschlüssel bei der Asylsozialberatung in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf 1 : 100 anheben.

(Beifall bei der CSU)

Herr Dr. Fahn, wenn Sie im Ausschuss etwas anderes verstanden haben, war es ein Wunschdenken, und Sie interpretieren meine Aussage.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Nein, ich habe alles mitgeschrieben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Kapazitäten in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf auf 3.500 Plätze massiv ausgebaut. Wir haben das Personal erhöht. Wir haben die Anzahl der medizinischen Untersuchungen vervierfacht. Wir schaffen jetzt in jedem Regierungsbezirk eine Erstaufnahmeeinrichtung. Deren Zahl steigt also von zwei auf sieben. Zur Behauptung, dass wir zu langsam waren, sage ich: Der Beschluss war im April. Wir haben schon vorher die Aufnahmeeinrichtung Deggendorf verkündet und sind dieses Projekt angegangen. Wir werden neben München und Zirndorf zusätzliche Standorte haben, nämlich Deggendorf, Bayreuth, Augsburg, Regensburg und Schweinfurt. Die

Kapazitäten dieser Einrichtungen stehen uns ab dem Jahr 2015 zur Verfügung.

Für Zugangsspitzen und unvorhergesehenen Bedarf stocken wir die Zahl der Plätze bis Ende des Jahres auf 6.600 auf. Damit können heuer noch 23.000 Asylbewerber bei uns aufgenommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sommer hatten wir eine Notsituation, eine Ausnahmesituation. Diese Situation hat sich noch nicht erledigt. Ich sage das hier mit allem Nachdruck. Wir mussten die Bayernkaserne, die zwei Drittel unserer Kapazitäten ausmacht, wegen der Masernfälle schließen, und zwar so lange, bis die Inkubationszeit vorüber war. Am letzten Freitag konnten wir die Bayernkaserne wieder öffnen. Deswegen entzerrt sich die Situation.

Auch mir gefällt es nicht, dass wir Zelte als Notlösung aufbauen mussten. Ein Zelt konnten wir mittlerweile schließen. Die "Bugwelle", die sich angehäuft hat, arbeiten wir derzeit ab.

(Susann Biedefeld (SPD): Es handelt sich hier um Menschen!)

Wir holen die Leute in die Erstaufnahmeeinrichtung. Wir streben an, dass dies zügig vollzogen wird. Für ungeahnte Entwicklungen stellen wir einen Notfallplan auf. Auch die Anschlussunterbringung stellen wir sicher. Wir steigern in diesem Jahr die Kapazitäten in den Gemeinschaftsunterkünften, für die wir verantwortlich sind, um 30 %. In gleicher Weise bauen die Kreisverwaltungsbehörden derzeit ihre Kapazitäten aus.

Ein weiterer Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, sind die unbegleiteten Minderjährigen. Wir haben im Vergleich zu den Zahlen vom letzten Jahr eine Versechsfachung.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir erwarten 3.000 neu ankommende unbegleitete Minderjährige. Diese Versechsfachung stellt uns in den Kommunen vor riesige Herausforderungen. Die Staatsregierung lässt die Kommunen mit dieser Verantwortung aber nicht allein. Die Kommunen erhalten für die Verwaltungskosten und Vormundschaften für die unbegleiteten Minderjährigen und für den Bau zentraler Inobhutnahmeeinrichtungen in den Jahren 2015 und 2016 8,5 Millionen Euro, damit die unbegleiteten Minderjährigen gut untergebracht werden können. Die unbegleiteten Minderjährigen, die zu uns kommen, sind hochmotiviert und engagiert. Sie wollen etwas lernen. Wir unterstützen sie im Hinblick auf das Erlernen der deutschen Sprache. Wir wollen ihnen

eine Ausbildung ermöglichen. Das alles tun wir derzeit.

(Beifall bei der CSU)

Zudem setzt sich Bayern dafür ein, dass die unbegleiteten Minderjährigen künftig bundes- und bayernweit verteilt werden können, um besonders betroffene Kommunen entlang der Hauptfluchtrouten zu entlasten.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden dazu eine Bundesratsinitiative starten. Wir müssen die Kommunen Rosenheim, Passau und Kempten, aber auch die Landeshauptstadt München von dieser großen Flut entlasten.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen aber auch den Bund stärker in die Verantwortung nehmen. Er muss ehemalige Kasernen schneller freigeben und sich finanziell beteiligen.

Die Asylpolitik ist eine sensible, verantwortungsvolle Aufgabe. Sie eignet sich weder für populistische Spielchen noch für parteipolitische Taktierereien. Deshalb appelliere ich an Sie alle, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Aus meiner Sicht ist die Unterstützung der Asylsuchenden eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall bei der CSU)

Abschließend darf ich noch einmal sagen: Alle sind gefordert. Das war das einvernehmliche Signal, das heute vom Asylgipfel ausgegangen ist. Meine Damen und Herren, ich glaube, daran sollten wir uns orientieren.

(Beifall bei der CSU)

Eine Zwischenbemerkung von Frau Osgyan. – Bitte schön.

Frau Staatsministerin Müller, das hört sich so an, als ob das Ganze eine Naturgewalt wäre. Sie haben von einer Flut gesprochen. In Nürnberg, wo ich herkomme, sind Zelte aufgebaut worden. Das war in der Situation wahrscheinlich nicht mehr anders machbar. Eine Woche lang war dort nur ein privater Sicherheitsdienst. Die Leute waren sich selbst überlassen. Warum ist es nicht möglich, hier die Polizei oder das Technische Hilfswerk einzusetzen? Diese Leute sind geschult, mit solchen Situationen umzugehen. Sie hätten zur Betreuung abgestellt werden sollen. Ich möchte Sie darum bitten, uns zu erklären, was man in der Hinsicht besser machen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Staatsministerin.

Neben der Einrichtung in Zirndorf befindet sich eine Polizeistation. Der Innenminister kann das mit Sicherheit besser erklären. Auch in Zirndorf ist die Polizeipräsenz erhöht worden. Es gibt auch dort Asylsozialberatung durch die Diakonie und die Innere Mission. Die Leute werden dort betreut. Der Zustrom war aber enorm. Alle Leute, die über die verschiedenen Fluchtrouten nach Bayern kamen, wurden nach Zirndorf weitergeleitet. Von dort aus werden die Asylbewerber wiederum in andere Bundesländer geschickt.

Jetzt hat sich noch Frau Kollegin Schmidt zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.