Protokoll der Sitzung vom 16.09.2014

Jetzt hat sich noch Frau Kollegin Schmidt zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Frau Ministerin, wie kann es sein, dass ein privater Unternehmer wie ein großes Möbelhaus in unserer Region schneller Wohnraum zur Verfügung gestellt hat, als wir es im Freistaat oder im Bund leisten können, und dazu noch 400 Betten gestiftet hat? Warum können wir nicht so schnell agieren wie ein privater Unternehmer?

Frau Staatsministerin.

Wir haben mit dem Inhaber des Möbelhauses vereinbart, dass er uns dieses Objekt zur Verfügung stellt. Wir nehmen diese feste Unterkunft sehr gerne an. Wir wollen aus den Zelten raus. Das habe ich auch gesagt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das Möbelhaus in Anspruch nehmen können. Der Besitzer hat neue Böden verlegt. Er hat die Betten unentgeltlich aufgestellt und verlangt auch keine Miete. Das ist eine außergewöhnliche Leistung, und dafür gebührt dem Unternehmen ein großes Kompliment.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Jetzt hat Frau Kollegin Kamm gebeten, ihre restliche Redezeit ausnutzen zu dürfen. Zwei Minuten und 43 Sekunden stehen ihr noch zur Verfügung.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich möchte auf zwei Punkte eingehen. Liebe Frau Ministerin, der Dreiklang, von dem Sie gesprochen haben, wird bei der Vielzahl der ehrenamtlichen Akteure, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind, keine Zustimmung finden. Ein Dreiklang aus Abschiebung, Grenzkontrollen und Hilfe für den Rest fin

det mit Sicherheit keine Zustimmung bei denjenigen, die sich für Asylsuchende und Flüchtlinge einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann zum Thema Akzeptanz und Ihrem Hinweis, Sie bekämen schlimme Briefe: Briefe von ewig Gestrigen bekommen wir schon lange, seit 20 bis 30 Jahren, seitdem wir politisch aktiv sind, völlig unabhängig davon, ob und wie viele Flüchtlinge in unserem Land Schutz suchen. So ist es eben. Wir können sie Ihnen zeigen. Das ist kein Problem der Flüchtlinge, sondern ein Problem der demokratischen Bildung der Bevölkerung in unserem Land. Deshalb fordere ich auch Sie auf, nicht immer wieder durch falschen Zungenschlag ewig gestrige Meinungen zu beschwören und nach vorne zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann noch zu dem Thema, das Sie, Herr Neumeyer, angesprochen haben: Wir sind zwar in vielen Punkten einer Meinung, aber man muss zur Begründung der Forderung nach einer besseren europäischen RomaStrategie nicht das Bild des Hochhauses in Duisburg beschwören. Die Zustände dort sind durch einen Immobilienbesitzer verschuldet, der einen ziemlich großen Reibach macht, aber auch durch Menschen, die Sinti und Roma, aber auch ärmere Menschen aus anderen europäischen Ländern, an unseren normalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen vorbei ausbeuten. Wir müssen deshalb bei uns selber anfangen und die Kontrollen verbessern.

Zum Thema Immobilien habe ich die Frage, warum immer nur Kasernen gefordert werden, obwohl Kasernen zum Wohnen nicht gerade die allerbeste Lösung sind. Warum suchen wir nicht auch nach Immobilien unserer Kirchen? Warum fragen wir nicht verstärkt bei den Kirchen nach? Warum suchen wir nicht auch landeseigene Immobilien? Ich bin sicher, dass wir dort noch die eine oder andere geeignete Unterkunft finden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat jetzt Herr Staatsminister Herrmann ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem heute in einigen Debattenbeiträgen der Asylmissbrauch, die Situation am westlichen Balkan und die Grenzen angesprochen worden sind, will ich dazu in der noch verbleibenden Redezeit in aller Kürze drei Anmerkungen machen.

Erstens. Wer die Entscheidungspraxis und die Ergebnisse der Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge anschaut, wird feststellen, dass nach wie vor zwei Drittel derjenigen, die als Asylbewerber in unser Land kommen, nicht anerkannt werden und auch keinen Abschiebeschutz genießen. Das ist das Ergebnis einer rechtsstaatlichen Überprüfung.

(Widerspruch der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

- Frau Kollegin, mit Verlaub, das darf man schon beim Namen nennen. Zwei Drittel kommen missbräuchlich hierher.

(Beifall bei der CSU)

Darüber muss man auch reden dürfen. Wenn Verwaltungsgerichte festgestellt haben, dass diese Leute kein Recht auf Asyl und keinen Abschiebeschutz haben, gehört es zu dem Verfahren, dass sie unser Land wieder verlassen müssen. Sonst macht das ganze Verfahren keinen Sinn. Vielleicht sind Sie in diesem Punkt völlig anderer Meinung. In einem rechtsstaatlichen Verfahren ist es jedoch richtig, dass wir entsprechend vorgehen. – Abgesehen davon haben wir ein eigenes Kontingent für 20.000 Flüchtlinge aus Syrien geschaffen, die, ohne ein Asylverfahren zu durchlaufen, bei uns aufgenommen werden.

(Christine Kamm (GRÜNE): Sie haben gar nichts gemacht!)

Bei den Leuten, die aus Syrien zu uns kommen, liegt die Anerkennungsquote aktuell über 85 %. Bei denen, die aus Mazedonien, Serbien oder Bosnien-Herzegowina zu uns kommen, liegt die Anerkennungsquote unter einem Prozent. Deshalb hat die Große Koalition mit Fug und Recht beschlossen, dass in die seit Jahren bestehende Liste sicherer Herkunftsländer auch diese drei Westbalkanstaaten aufgenommen werden. Deshalb frage ich mich, warum diese Entscheidung aus dem Kreis der SPD-Fraktion wieder relativiert wird. Dass diese drei Westbalkanstaaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer aufgenommen werden, ist gut und richtig. In der Summe sind immerhin 20 % aller Asylbewerber in den letzten eineinhalb Jahren aus diesen Ländern zu uns gekommen. 20 % stammen allein aus diesen drei Ländern. Das ist nicht zu vernachlässigen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt geht es nur noch darum, dass die grüne Blockadepolitik im Bundesrat überwunden wird. Ich hoffe sehr, dass es am kommenden Freitag im Bundesrat

eine Mehrheit für dieses aus klugen Erwägungen vom Bundestag beschlossene Gesetz geben wird.

(Beifall bei der CSU)

Der zweite Punkt betrifft unsere Grenzen. Im Hinblick auf die Entwicklung in Italien freue ich mich sehr darüber, dass die neue italienische Regierung unter Ministerpräsident Renzi mit Bootsflüchtlingen anders umgeht, als es unter Berlusconi der Fall war. Es ist unsere gemeinsame humanitäre Verantwortung in Europa, dass man diese Leute nicht im Mittelmeer ertrinken lässt. Es gibt aber klare Regeln dafür, wann solche Flüchtlinge in Europa ankommen und aufgenommen werden sollen. Offenkundig kommt Italien seinen vertraglichen Verpflichtungen im Moment nicht nach. In ganz erheblichem Maße werden Flüchtlinge, die in Italien ankommen, ganz einfach in den Zug gesetzt und nach Deutschland geschickt. Das ist ein Thema der Flüchtlingspolitik der EU, mit dem wir uns in Brüssel beschäftigen müssen. Täglich bekomme ich Berichte sowohl von der Bundespolizei als auch von der Landespolizei, wie viele Leute ohne Papiere, ohne ein Ausweisdokument oder ein Visum nicht nur auf der Strecke vom Brenner in Richtung Rosenheim, sondern zunehmend auch im Raum Passau auf den dortigen Autobahnen und Eisenbahnstrecken aufgegriffen werden. Aufgrund dieser illegalen Einreisen stellt sich die Frage, ob das ganze Schengen-System im Moment noch funktioniert. Laut dem Schengener Abkommen wurden die Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes abgeschafft. Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, die Außengrenzen umso intensiver zu schützen und dafür zu sorgen, dass niemand illegal den Schengen-Raum betreten kann.

Einzelfälle kann es immer geben, aber inzwischen halten sich jeden Monat Hunderte von Menschen in unserem Land mitten im Schengen-Raum auf, ohne bei der Einreise richtig kontrolliert worden zu sein und ohne über Ausweisdokumente zu verfügen. Dabei haben sie schon mindestens zwei, manchmal auch drei Schengen-Länder durchquert, bevor sie bei uns in Deutschland angekommen sind. Für mich ist das nicht nur eine Frage der Flüchtlingspolitik, sondern auch eine Frage der Sicherheit in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Die Frage stellt sich, wie sicher die Vereinbarungen des Schengener Abkommens überhaupt noch sind. Im Schengener Grenzkodex steht, dass bei Erkenntnissen, wonach die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist und Schengen-Mitgliedsländer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sehr wohl die Frage nach einer Wiedereinführung der Grenzkontrollen aufge

worfen werden kann. Das steht zu Recht ausdrücklich im Schengener Grenzkodex. Genau das hat unser Ministerpräsident aufgegriffen, und das ist auch wichtig und richtig so. Wir können dieser Entwicklung doch nicht tatenlos zusehen, meine Damen und Herren. Es handelt sich um die Frage der Sicherheit für die Menschen in Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Ich komme zum dritten und letzten Punkt. Es ist wichtig, dass das Folgende auch thematisiert wird und in dem vorliegenden Antrag zur Beschlussfassung angelegt ist: Wir müssen uns gemeinsam darum kümmern, wie es in Arabien und in Afrika weitergeht. Das bedeutet für die Entwicklungshilfepolitik unseres Landes und der Europäischen Union insgesamt eine Herausforderung. Dass in Teilen Afrikas schwer zumutbare Zustände herrschen, ist überhaupt keine Frage. Der gesunde Menschenverstand sagt uns aber, dass wir die Probleme all dieser Staaten in Afrika auf Dauer nicht dadurch lösen können, dass Millionen von Afrikanern nach Europa kommen. Die Probleme können nur dadurch gelöst werden, dass wir die Situation in Afrika verändern. Auch dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.

(Beifall bei der CSU – Staatsminister Joachim Herrmann verlässt das Rednerpult – Christine Kamm (GRÜNE): Halt, ich habe mich schon die ganze Zeit gemeldet! – Staatsminister Joachim Herrmann kehrt zum Rednerpult zurück)

Herr Staatsminister, danke für Ihre Rückkehr zum Rednerpult. – Frau Kollegin Kamm, bitte.

Sie haben beschworen, dass mehr Entwicklungshilfe für Afrika geleistet werden soll. In welcher Form hat sich Bayern bisher für nennenswerte Verbesserungen der Entwicklungshilfe und der humanitären Hilfe in den betroffenen Ländern eingesetzt? – Sie haben für den CSU-Antrag geworben, in dem steht, drei Länder sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Im CSU-Antrag sind aber fünf Länder aufgeführt. Was wollen Sie jetzt eigentlich? – Sie haben behauptet, Italien würde Flüchtlinge in den Zug setzen, um sie nach Bayern zu schicken. Welche Belege haben Sie, dass tatsächlich italienische Stellen und für Italien Verantwortliche dergleichen tun? Meines Wissens befinden sich natürlich Flüchtlinge in Zügen; in der Regel haben sie diese aber aus eigenem Antrieb bestiegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Frau Kollegin Kamm, ich beginne mit der Beantwortung Ihrer letzten Frage. Die Regeln nach dem Dublin-Abkommen sind eindeutig. Der Staat, in dem die Menschen zuerst ankommen, hat sie zu registrieren und zunächst aufzunehmen. Nach den Zahlen, die die italienische Regierung veröffentlicht, ist die Lage ganz offenkundig: Zwischen den Zahlen der Menschen, die Italien laut der italienischen Regierung aus dem Mittelmeer aufgenommen hat, und den Zahlen der Menschen, die die italienische Regierung offiziell als registrierte Asylbewerber nach Brüssel meldet, klafft nach den aktuellen Entwicklungen der letzten Monate ein sehr großer Unterschied.

(Christine Kamm (GRÜNE): Sie haben halt keinen Antrag gestellt! – Lachen bei der CSU)

- Genau. Dann befinden wir uns aber, liebe Frau Kollegin Kamm, genau an dem Punkt, den ich vorhin angesprochen habe; dann sind wir beim Schengener Abkommen. Wenn sie nicht gesagt haben, dass sie einen Asylantrag stellen, stellt sich die Frage, ob sie ein Visum für den Schengen-Raum haben. Das ist Ihnen ein Begriff? – Ja. Wenn jemand über kein Visum für den Schengen-Raum verfügt und keinen Antrag auf Asyl gestellt hat, darf ihn der italienische Staat nicht einreisen lassen. Die Rechtslage ist wirklich völlig eindeutig, liebe Frau Kamm.

Mir liegt ein Schreiben eines Mitarbeiters der Deutschen Bahn aus der letzten Woche vor. Er hat mir einfach als Bürger, nicht offiziell als Mitarbeiter der Bahn, einen Brief geschrieben. Darin hat er beschrieben, was er als Zugbegleiter in einem Eurocity von Verona nach München erlebt hat. In Verona hat er festgestellt, dass Menschen im Zug sitzen, die über keine Papiere und dergleichen verfügen. Er hat die italienische Polizei um Hilfe gebeten, weil diese Menschen in diesem Zug nichts verloren haben. Darauf hat ihm die italienische Polizei bedeutet, er solle nicht für ein Durcheinander sorgen, und im Übrigen habe sie die Anweisung, solche Züge nach Deutschland ihrerseits nicht weiter in irgendeiner Weise zu begleiten, zu kontrollieren und dergleichen mehr. – Das ist die Realität.

Ich sage ausdrücklich: Wir müssen mit den Italienern zu einer vernünftigen Zusammenarbeit kommen. Ich bin aber auch der Meinung, dass die Europäische Union die Italiener bei dieser großen Belastung besonders unterstützen sollte. Wenn wir in der Europäischen Union vernünftig zusammenarbeiten wollen, geht es aber nicht an, dass ein Staat für sich alle Regeln außer Kraft setzt und einfach nicht mehr mitmacht.

(Beifall bei der CSU)

Auf dieser Basis kann ich nämlich keine vernünftige Zusammenarbeit in der Europäischen Union organisieren. Das ist unsere Haltung. Deshalb müssen wir engagiert mit unseren italienischen Freunden reden. Damit handeln wir im Interesse des Anliegens, weiterhin eine vernünftige Asylpolitik in unserem Land zu betreiben. Wir wollen eine vernünftige Zusammenarbeit in der Europäischen Union, tragen aber auch weiterhin Verantwortung für die Sicherheit in unserem Land, im Bayernland und in Deutschland insgesamt. Dafür stehen wir auch in Zukunft.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Vielen Dank. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/3036 abstimmen.

(Unruhe)

Darf ich um Ruhe bei der Abstimmung bitten? – Hierzu wurde vonseiten der Antragsteller während der Aussprache ein Änderungsantrag gestellt. Danach soll in der Nummer 5 der letzte Spiegelstrich folgende Fassung erhalten:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Asylsozialberatung bedarfsgerecht auszubauen. Dazu ist ein Betreuungsschlüssel von 1 : 100 sicherzustellen.