Protokoll der Sitzung vom 04.11.2014

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Blindengeld beziehungsweise diese Beihilfe gab es meiner Meinung nach schon einmal in erhöhter Form. Es geht darum, den Lebensmehraufwand von Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung oder Taubblindheit auszugleichen.

Ich weiß nicht, ob Sie einschlägige Fälle aus der Praxis kennen. In unserer Verwandtschaft gibt es einen jungen Mann, der die Brailleschrift lernt und ein Lesegerät hat. Bitte nehmen Sie zum Vergleich einfach Ihre Brille ab und halten Sie sich Ihre Augen halb zu. Dieses Material wurde von der Schule nach Hause und wieder zurückgeschleppt, nur damit der Junge mehr lesen kann. Das ging sehr lange so weiter. Diese Geräte sind heute billiger und besser. Es kann doch nicht angehen, dass Menschen der Zugang zur Bildung und zur Information verwehrt wird.

Ich sehe Sie alle gerade auch beim Lesen. Viele von Ihnen haben dazu eine Hilfe. Wir alle rufen nach Inklusion. Frau Kollegin, Sie haben vorhin von 7.000 Menschen gesprochen. Wir wissen, wie wir 7.000 Menschen helfen können, an Bildung teilzunehmen, lesen zu können und an der Gesellschaft teilzuhaben. Wir haben viele Tausend Menschen, bei denen es schwerfällt, mit so einfachen Möglichkeiten wie Brailleschrift-Notizblöcken oder Lesegeräten zu helfen. Alles, was für Sie selbstverständlich ist, ist für andere ein Lebensmehraufwand.

Die Gesetzentwürfe der SPD und der GRÜNEN bieten Ihnen Lösungsansätze, um diesen Mehraufwand auszugleichen und den Bemühungen, am Leben gleichberechtigt teilzuhaben, mit wenig Aufwand zu entsprechen. Auch Menschen mit einer schweren Sehbehinderung muss diese Teilhabe gewährleistet werden. Ich glaube nicht, dass es hier angebracht ist, auf den Geldbeutel zu schauen. Hier gibt es eine Lösung. Wir kennen die Lösung. Es sind Lesegeräte oder Brailleschrift-Blöcke – ich habe es neulich gesehen. Es gibt mittlerweile elektronische Lupen. Es gibt auch Geräte, um hell und dunkel zu unterscheiden und damit im Leben besser klarzukommen. Die Menschen setzen diese Technik ein, um alleine zurechtkommen zu können. Diese kann auch psychische Stabilität geben, denn immer ausgegrenzt zu sein und keinen Zugang zur Gesellschaft zu haben, ist auch nicht der richtige Weg.

Dafür soll ein finanzieller Ausgleich in Höhe von 30 % übernommen werden. Wenn es andere Länder können, müssten wir es auch hinbringen. Ich möchte Ihnen nur eines mitgeben: Als es vorhin um die Pflege ging, haben wir alle ins gleiche Horn geblasen und

von einem guten und gerechteren Bayern gesprochen. Bitte machen Sie doch das beim Blindengeld oder bei diesem Lebensmehraufwand auch. Nennen Sie es dann doch Lebensmehraufwand.

Ich habe mir noch viel mehr aufgeschrieben. Ich bitte Sie bloß, im Ausschuss auch zu bedenken, dass die CSU schon auf diesem Weg war. Es gab schon Möglichkeiten. Für manche Menschen ist es besonders schwer, dass sie schon einmal eine Unterstützung bekommen haben, die dann aber wieder weggefallen ist. Das ist noch unsäglicher gewesen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das hat der Ministerpräsident eingespart!)

- Ja, da hat er gespart. Man spart gerne an den Schwächsten. Wenn ich in die Runde schaue, sehe ich, dass alle am Lesen sind. Wenn Sie den anderen schon nicht ermöglichen zu lesen, sollten Sie vielleicht einmal eine Woche lang ohne Brille verbringen. Vielleichten könnten Sie dann ein bisschen Empathie für Menschen mit Sehbehinderung, Taubblindheit oder anderen Sinnesbehinderungen entwickeln. Ich möchte es gar nicht weiter ausführen. Für eine Gesellschaft wie die unsere müsste es selbstverständlich sein, nur 7.000 Menschen, wie Sie gesagt haben, so einfach zu helfen. Nachdem in Bayern alles besser ist, machen Sie das bitte auch besser. Wir werden uns auch in den Ausschüssen so verhalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. Die Aussprache ist hiermit geschlossen. Ich schlage vor, die beiden Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe Ihr Einverständnis. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Hinsichtlich des jeweiligen Abstimmungsverhaltens mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um sein Handzeichen. –

Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Auch keine Enthaltungen. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Eingabe betreffend "Bayerisches Reinheitsgebot - rein ohne Gentechnik" (UV.0060.17)

Ich darf hier gleich ankündigen, dass vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz hat sich mit der Eingabe in seiner Sitzung am 16. Oktober 2014 befasst und beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären. Die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD haben gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Ich eröffne hiermit die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Erste Rednerin ist die Kollegin Steinberger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Umweltministerin Scharf feiert nächste Woche ein denkwürdiges Jubiläum, nämlich fünf Jahre gentechnikanbaufreies Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir sind der Meinung, dass man die Feste feiern sollte, wie sie fallen. Dieser Anlass ist doch etwas merkwürdig. Wenn die Staatsregierung schon einen Grund zum Feiern findet, sollte sie auch irgendetwas mit diesem Anlass zu tun haben. Das tut es nicht. Obwohl die CSU in Bayern ständig gegen Agro-Gentechnik wettert, haben Ihre Abgeordneten im Bundestag immer gegen unsere Anträge gestimmt. In Brüssel reichte es nur zur Enthaltung. Eine deutliche Ablehnung sieht anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man kann also sagen, dass GVOs, gentechnisch veränderte Organismen, nicht wegen, sondern trotz der Aktivitäten der Staatsregierung in Bayern nicht angebaut werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser von uns allen gewünschte Zustand muss aber nicht so bleiben. Im Gegenteil, es gibt gerade einige Versuche, GVOs in Europa durchzudrücken. Gegen

diese Bedrohung muss sich auch Bayern zur Wehr setzen. Dafür muss die Staatsregierung aber erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass Gefahr in Verzug ist. Leider habe ich die Befürchtung, dass das nicht der Fall ist. Im Umweltausschuss habe ich jedenfalls keine Bereitschaft verspürt, über dieses Thema überhaupt nur zu diskutieren. Deshalb sind wir Frau Krieger und ihren 120 Unterstützern von den Brauern und Mälzern sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie schon auf uns und die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land nicht hören, sollten Sie in CSU-Kreisen wenigstens die Stimme der Wirtschaft hören. Im Umweltausschuss war das leider nicht der Fall.

Damit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einmal klar wird, was auf uns zukommt, lassen Sie es mich kurz skizzieren. Das Erste ist die sogenannte Opt-outKlausel. Mit dieser Klausel soll es künftig den europäischen Mitgliedstaaten ermöglicht werden, eigenständige Anbauverbote für GVOs zu erlassen. Das klingt erst einmal gut. Doch die Sache hat einen Pferdefuß. Um GVOs zu verbieten, sind nur noch wenige Gründe erlaubt. Zum Beispiel sind es sozioökonomische Gründe. Das können ethische oder religiöse Gründe sein. Insgesamt wird aber die Zulassung von GVOs von Brüssel erleichtert. Man sagt dort, dagegen können die Nationalstaaten etwas machen. Außerdem – und das ist das Schlimme – muss sich der Nationalstaat vor einem Verbot mit dem Saatgutkonzern abstimmen. Damit werden Staaten zu Bittstellern bei den Konzernen. Das bringt mich zum zweiten Punkt.

Die amerikanischen Saatgutkonzerne haben ein großes Interesse am europäischen Markt. Bei den TTIPVerhandlungen sitzen zum Beispiel von Anfang an Vertreter von Monsanto mit am Tisch. Wenn nun dieses Freihandelsabkommen abgeschlossen wird, ohne die Landwirtschaft auszunehmen, werden wir es nicht mehr schaffen, den Anbau von GVOs zu verhindern. Die Konzerne werden sich den Zugang zu unseren Märkten einfach einklagen. Was ist Ihre Antwort darauf? Vom Kollegen Erwin Huber hört man zum Beispiel ein leidenschaftliches Plädoyer für TTIP. Wenn Sie TTIP ermöglichen, öffnen Sie unseren Markt für die amerikanischen Konzerne. Sie tun aber so, als ginge das gegen China. Mit Verlaub, das ist wirklich naiv.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das machen wir später.

Danke.

Was passiert eigentlich, wenn der Mais 1507, den Sie nicht verhindert haben, endgültig zugelassen wird? Welche Schutzmechanismen haben wir in Bayern, wenn ein Landwirt diesen Mais anbauen möchte? Welchen Schutz haben die Imker, die gentechnikfreien Honig produzieren möchten?

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Da schaut es ganz schlecht aus.

Es stehen noch einige Sorten zur Zulassung an. Wie wird sich die Bundesregierung bei der Abstimmung verhalten? – Mit Verlaub: Ich habe da so meine Zweifel. Bei der Gentechnik ist die bayerische Stimme in Berlin ganz leise, obwohl sie sonst so laut sein kann. Deshalb müssen wir in Bayern mehr tun. Größere Schutzabstände wären ein Mittel der Wahl. Den entsprechenden Antrag haben Sie aber schon abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Petition von Frau Krieger ist nicht überflüssig, wie Sie von der CSU meinen, im Gegenteil: Sie beschreibt ganz genau, welche Sorgen unsere mittelständische Wirtschaft umtreiben. Wir unterstützen diese Petition und empfehlen das Votum "80.3", die Eingabe der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen; denn auch Ihnen sollte langsam klarwerden, dass die Devise "Augen zu und durch" der völlig falsche Weg ist, um dieser Problematik zu begegnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön. Bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Kollege Steiner hat eine Zwischenbemerkung.

Frau Kollegin, ich bin es leid, dass Sie, die Fraktion der GRÜNEN, hier immer die Ankläger spielen. Die Büchse der Pandora hat im Jahr 2003 Ihre Landwirtschaftsministerin Frau Künast geöffnet, die erstmals 30 Tonnen gentechnisch veränderten Mais freigegeben hat. Das heißt, Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet. Sie brauchen jetzt hier also nicht die Ankläger zu spielen. Ich habe das schon mehrmals gesagt.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo! – Zurufe von den GRÜNEN: Ach!)

Lieber Herr Kollege Steiner, mit Blick auf Ihr Abstimmungsverhalten in Brüssel und im Bundestag sollten Sie mit Anklagen wegen etwas, das über 10 Jahre zurückliegt, zurückhaltend sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir reden heute über eine Petition, die sich um das künftige Verhalten der Bayerischen Staatsregierung dreht. Sie sollten vielleicht ein bisschen bescheidener sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön. – Jetzt bitte ich Kollegen Herbert Woerlein zum Rednerpult.