Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tiermast (Drs. 17/4176)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Horst Arnold, Florian von Brunn u. a. und Fraktion (SPD) Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast und in der Milchviehhaltung verbieten (Drs. 17/4190)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Karl Vetter u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Missbrauch von Reserveantibiotika eindämmen! (Drs. 17/4191)
Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche wurde bekannt, dass im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen Antibiotika im Grundwasser gefunden wurden. Es handelte sich dabei um einen Wirkstoff, der ausschließlich in der Tiermast Anwendung findet. Noch sind die Mengen sehr gering. Doch liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier nur um die Spitze eines Eisbergs handelt und die Spuren von Antibiotika weiter in der Umwelt verbreitet sind, als wir es uns alle wünschen.
Was ist denn passiert? - In einer Gegend mit sehr großer Viehdichte wurden Antibiotika mit der Gülle auf die Felder ausgebracht. Diese wurden ausgewaschen und sind jetzt im Grundwasser gelandet. Dass Antibiotika in der Gülle vorhanden sind, ist bereits bekannt und wurde auch schon oft bewiesen. Die Auswaschung ins Grundwasser war also nur noch eine Frage der Zeit.
Übrigens wird man immer wieder mit der Aussage, Grundwasser sei nicht gleich Trinkwasser, konfrontiert. In Bayern werden 75 % des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. Auch wir haben bereits massive Probleme mit Rückständen aus der Landwirtschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen im Trinkwasser weder Nitrat noch Pflanzengifte noch Antibiotika. Wie lange wollen Sie eigentlich noch zuschauen, wie unser Lebensmittel Nummer 1 langsam verseucht wird? Wie lange wollen Sie eigentlich noch so tun, als ginge uns die Industrialisierung der Landwirtschaft nichts an? Im letzten Jahr wurden deutschlandweit allein in der Tierhaltung 1.400 Tonnen Antibiotika eingesetzt. Davon wurde auch ein erklecklicher Teil in Bayern verwendet.
Im Vergleich zum Vorjahr haben wir zwar einen Rückgang um 170 Tonnen zu verzeichnen. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Wer nun aber glaubt, dass damit eine Kehrtwende eingeleitet worden ist, kann sich irren; denn die Abgabemenge täuscht darüber hinweg, dass es neue und bessere Antibiotika gibt, die den gleichen Effekt mit wesentlich weniger Wirkstoff erreichen. Es kann also sein, dass die gleiche Menge an Tieren behandelt worden ist, allerdings mit wesentlich geringeren Dosen und mit wesentlich geringerer Dauer.
Ein Indiz für diese Annahme liefert wieder die Statistik. Der Einsatz von hoch wirksamen Antibiotika hat nämlich im gleichen Zeitraum stark zugenommen. Mittlerweile sind es etwa 18 Tonnen, was sich vielleicht nicht so viel anhört. Aber diese 18 Tonnen sind 18 zu viel.
Diese hoch wirksamen Antibiotika nennt man auch Reserveantibiotika. Warum nennt man sie so? - Sie spielen eine wichtige Rolle beim Kampf gegen resistente Keime. Deshalb werden sie in der Humanmedizin nur sehr begrenzt eingesetzt, damit die Resistenzbildung erschwert wird. Schließlich sind diese Antibiotika oft die letzte Rettung, wenn alle anderen Antibiotika versagen.
Jetzt fragen viele Menschen zu Recht: Was haben diese Lebensretter in der Tiermast verloren? Ich sage es Ihnen: Gar nichts!
Richtig ist: Auch Tiere werden krank. Dann sollen sie auch behandelt werden, und wenn nötig, auch mit Antibiotika. Das ist keine Frage. Allerdings sind wir der Meinung, dass dafür genug Mittel zur Verfügung stehen. Es reicht doch nicht aus, immer nach neuen und besseren Medikamenten zu rufen. Um der zunehmenden Resistenzbildung in der Tiermast Herr zu werden, müssen wir uns auch die Haltungsbedingungen anschauen, die den Einsatz von Antibiotika immer öfter notwendig machen. Antibiotika sind das Schmiermittel der industrialisierten Tiermast.
In der Humanmedizin haben wir zunehmend Probleme mit multiresistenten Keimen, was natürlich teilweise auch durch die Humanmedizin selbst verursacht wurde. Gerade in Gegenden mit vielen Tiermastbetrieben gehen die Krankenhäuser dazu über, Patienten aus landwirtschaftlichen Betrieben auf mögliche resistente Keime zu untersuchen, und werden dabei sehr oft fündig. Diese Patienten kommen dann in Quarantäne, bis sie ohne diese Keime sind, damit sie keine Gefahr für andere Patienten darstellen. Das hat
Eines ist jedenfalls klar: Wir müssen vom hohen Antibiotikaverbrauch runter. Deshalb wurde 2008 die nationale Antibiotikaresistenzstrategie ins Leben gerufen. Auch in Bayern gibt es ein bayerisches Aktionsbündnis. Das ist absolut richtig. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie muss das Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast sein. Wir müssen die Mittel schützen, die uns oder unseren Kindern einmal das Leben retten können. Die WHO warnt bereits vor einem Zeitalter, in dem selbst ein entzündeter Kratzer nicht mehr zu behandeln ist. Was aber tun wir? - Wir verheizen die letzten lebensrettenden Stoffe, die uns zur Verfügung stehen.
Was sagen Sie eigentlich Ihren Kindern, wenn Sie einmal gefragt werden, was Sie gegen diese Entwicklung getan haben? Sie können jedenfalls nicht sagen, Sie hätten es nicht gewusst.
Dem Antrag der SPD stimmen wir zu, dem Antrag der FREIEN WÄHLER können wir leider nicht zustimmen, weil er völlig am Problem vorbeigeht.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Tag der offenen Tür hat an meiner Stimme Spuren hinterlassen. Die Redezeit ist auch etwas kürzer, es passt also.
Im Juni 2014 hat mir das Umweltministerium auf meine Anfrage zum Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung mitgeteilt, dass die Abgabemenge von fluorchinolonhaltigen Antibiotika in Bayern zwischen 2011 und 2012 um 70 % gestiegen sei. Rund 90 Jahre nach der Erfindung des Antibiotikums diskutieren wir nun heute über den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast und Milchviehhaltung.
Antibiotika waren ein Meilenstein in der medizinischen Forschung. Damit konnten Krankheiten, die früher tödlich verliefen, geheilt werden. Was dem Menschen nützt, hilft auch dem Tier. Nach dieser Devise werden Antibiotika heute auch in der Tiermedizin verwendet, allerdings mit den fatalen Folgen, dass sich dadurch Resistenzen bilden. Die Weltgesundheitsorganisation, die meine Vorrednerin, Frau Steinberger, schon zitiert hat, warnt davor, dass bei bakteriellen Infektions
krankheiten die lebensrettenden Medikamente versagen werden. Ich sage hier und heute ganz deutlich, dass nicht nur die Landwirtschaft an der Resistenzproblematik beteiligt ist. Auch in der Humanmedizin werden Antibiotika zu oft und zu undifferenziert verordnet.
Deshalb gilt es nun zu handeln. Die Reserveantibiotika wurden entwickelt, um alternative Mittel für Menschen mit Unverträglichkeiten und Patienten mit Resistenzen zu haben, aber nicht zur Gewinnoptimierung in der Tiermast und Milchviehhaltung. Es kann nicht sein, dass beispielsweise in der Milchviehhaltung Kühe mit Reserveantibiotika behandelt werden und keine Wartezeit bei der Milch einzuhalten ist. Genau das führt dazu, dass der Verbrauch unserer letzten Waffe, der Antibiotika, in unverantwortlichem Maße steigt. Wir brauchen in der Tiermast und der Milchviehhaltung keine Reserveantibiotika. Unsere konventionellen Mittel sind wirksam. Das Problem ist, dass viele Reserveantibiotika billiger sind als konventionelle Mittel, was ebenfalls zu einer Erhöhung des Verbrauchs führt. Diesen Teufelskreis werden wir irgendwann einmal teuer bezahlen.
Den Antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir als unpraktikabel und als nicht genug weitgehend ab. Dem Antrag der GRÜNEN stimmen wir zu. Wir wollen aber eine Antibiotikaminimierungsstrategie. Dazu gehören die Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher, neue Regelungen in der Humanmedizin, neue Regelungen in der Zulassung von Tierarzneimitteln und das Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast und der Milchviehhaltung.
Danke schön, Frau Kollegin Müller. Während Herr Kollege Dr. Herz auf dem Weg zum Rednerpult ist, möchte ich ankündigen, dass beim nächsten Tagesordnungspunkt 8 nach Übereinkunft der Fraktionen auf eine Aussprache verzichtet wird. Seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist jedoch namentliche Abstimmung beantragt worden.
Der nächste Redner auf der Liste zu diesem Tagesordnungspunkt ist Dr. Herz. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit darf ich mich leider nur auf ein paar wesentliche Punkte beschränken, die jedoch nicht unwichtig sind. Zunächst einmal zur Kollegin Steinberger von den GRÜNEN: Ihre Aussage, unser Antrag liege
voll daneben, teilen wir nicht. Zwar haben die GRÜNEN ein Thema aufgegriffen, das schon eine Rolle spielt, jedoch sind wir der Auffassung, dass wir das Thema nicht allein auf dem Rücken der Landwirte austragen können. In diesem Punkt stimmen wir der Aussage der SPD-Fraktion zu.
Der Antrag der SPD hat mich zunächst gefreut. Er beginnt zwar recht schwungvoll, dann geht es aber mit demselben Schwung abwärts. Das Problem besteht eher in der Tiermast. Zwischen Schweinemastbetrieben und Geflügelmastbetrieben sollte unterschieden werden. Wir müssen viel mehr in die großen Geflügelbetriebe schauen. Sie haben ebenfalls die Milchviehbetriebe in den Antrag aufgenommen. Dazu traue ich mich, einiges zu sagen. Ich habe es zusammengezählt: Monatlich werden 22 Kontrollen durchgeführt. Ich kann diese Kontrollen aufzählen, wenn das jemand wissen will. Das können wir später im kleinen Kreis machen. Sie sagen, wir hätten große Probleme. Dazu kann ich Ihnen bloß sagen: Wenn ich eine Kuh trockenstellen will, muss ich meinem Tierarzt ein Untersuchungsergebnis liefern. Nur dann bekomme ich Trockenstellpenicillin – für die Nichtpraktiker hier im Raum. Den Begriff "Milchviehhaltung" in den Antrag aufzunehmen, ist sehr mutig. Daher müssen wir den Antrag aus Gründen der Zweckmäßigkeit ablehnen.
In aller Kürze komme ich noch zu unserem Antrag. Wir haben fünf Punkte aufgeführt, die wir begründen. Das Thema ist wichtig. Immer mehr Menschen leiden unter Resistenzen. Wir kommen jedoch zu der klaren Auffassung, dass wir das nicht allein auf dem Rücken der Landwirte austragen können. Wir brauchen einen breiteren Konsens. Wir haben Leute in der Fraktion, die lange Zeit als Mediziner praktiziert haben und zugeben, dass an dieser Stelle Nachholbedarf besteht. Heutzutage wird in der modernen Gesellschaft bei jeder Kleinigkeit auf Chemie zurückgegriffen. An dieser Stelle besteht erheblicher Handlungsbedarf.
Aufgrund der abgelaufenen Redezeit muss ich meine Rede leider beenden. Wir bitten um Zustimmung zu unserem praxisnahen Antrag.
Danke schön, Kollege Dr. Herz. Für die CSU-Fraktion hat Herr Kollege Beißwenger das Wort. Bitte sehr.
spreche jetzt die Dringlichkeitsanträge der GRÜNEN und der SPD an. Die Staatsregierung wird darin aufgefordert, den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast und Milchviehhaltung zu verbieten. Der Begriff der Reserveantibiotika ist weder in der Humannoch in der Veterinärmedizin eindeutig definiert und wird unter unterschiedlichen Gesichtspunkten verwendet. In der Humanmedizin bezeichnet man im Allgemeinen solche Antibiotika als Reserveantibiotika, deren Wirkstoffe entweder bei schweren Infektionen oder als Mittel der letzten Wahl bei einer Infektion mit multiresistenten Erregern zum Einsatz kommen. Als besonders schützenswerte Antibiotika gelten folgende Wirkstoffe: Das sind Makrolide, Chinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation sowie Glycopeptide. Viele in der Humanmedizin verwendeten Wirkstoffe der genannten Antibiotikagruppen dürfen bei Nutztieren nicht eingesetzt werden.
Die EU-Kommission hat per Verordnung bestimmte Wirkstoffe von der Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren ausgenommen. Ein Beispiel hierfür ist die Gruppe der Glycopeptide, die bei Nutztieren generell nicht angewendet werden dürfen und für die es gar keine in Deutschland zugelassenen Tierarzneimittel gibt. Jeder Einsatz von Antibiotika kann die Ausbreitung resistenter Bakterien fördern. Daher muss mit ihnen sorgfältig und verantwortungsvoll umgegangen werden, und zwar sowohl beim Menschen als auch bei Tieren. Daher ist es grundsätzlich sinnvoll, den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung generell zu senken.
Jetzt gibt es jedoch erstmals mit der aktuellen Änderung des Arzneimittelgesetzes, der sogenannten 16. AMG-Novelle, die vor allem auf eine Verbesserung der Tiergesundheit abzielt, eine gesetzliche Grundlage dafür. Diese verpflichtet Tierhalter von Mastrindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Hähnchen und Puten ab dem 1. Juli 2014 zur Meldung der Tierbewegungen und der Antibiotikaanwendungen. Dazu melden die Halter den Einsatz von Antibiotika bei ihren Tieren an eine staatliche Datenbank. Anhand dieser Meldungen wird für jeden Betrieb und jede Tierart berechnet, wie häufig die Tiere im letzten Halbjahr im Durchschnitt mit Antibiotika behandelt wurden. Damit können die Betriebe erstmalig bundesweit hinsichtlich der Häufigkeit ihres Antibiotikaeinsatzes verglichen werden. Betriebe, in denen Tiere überdurchschnittlich häufig behandelt wurden, ergreifen Maßnahmen, um die Gesundheit ihrer Tiere zu verbessern und dadurch den Antibiotikaverbrauch zu senken. Schwerpunkte liegen also auf der Vorbeugung von Krankheiten und der Gesunderhaltung der Tiere; denn gesunde Tiere brauchen überhaupt kein Antibiotikum.
Betriebe mit hohem Antibiotikaverbrauch sind verpflichtet, tierärztlichen Rat einzuholen und eventuelle Anordnungen der Veterinärbehörde zu berücksichtigen. In Bayern ziehen Behörden, Tierärzte und Landwirte bei der Umsetzung dieses Gesetzes an einem Strang. Welche Folge hätte jedoch ein generelles Verbot der Reserveantibiotika für die bayerische Landwirtschaft? – Bei einem völligen Verbot besteht die Gefahr, dass Nutztiere in bestimmten Fällen nicht mehr arzneilich versorgt werden können. Das ginge zulasten der Tiere. Leid oder Tod der Tiere kann nicht billigend in Kauf genommen werden. Ein gänzliches Verbot ist aus Gründen des Tierschutzes und der Tiergesundheit nicht realisierbar. Deswegen lehnen wir die Anträge der GRÜNEN und der SPD ab.