Frau Sonnenholzner und Herr Vetter, Sie haben unseren Gesetzentwurf in der Ersten Lesung kommentiert. Wir waren uns einig, dass die bisher bestehenden Hilfen wahrscheinlich nicht ausreichen werden. Ich möchte noch einmal betonen, dass das richtig ist. Wir werden für eine bessere Versorgung der psychisch Kranken in Bayern wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen müssen als bisher. Ich hoffe, dass das, was Herr Vetter in der Ersten Lesung gesagt hat, nämlich dass uns durch ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz langfristig Kosten erspart werden, zutreffen wird. Aber zunächst einmal müssen wir Geld in die Hand nehmen. Daran mangelt es aber bisher leider.
nannte Sternstundenhaus, in dem zusätzliche Therapien für Kinder angeboten werden können. Das Haus heißt aber nicht deshalb Sternstundenhaus, weil es eine Sternstunde des Landtags war, es einzurichten. Im Gegenteil. Es heißt Sternstundenhaus, weil der Verein Sternstunden e. V. fast eine Million Euro gespendet hat. Die Landesstiftung der Bezirke, die Universitätsklinik, der Verein Menschenskinder e. V. und private Förderer wie Dirk Nowitzki, die Familie Krick und andere haben den Rest beigetragen.
Hätten wir ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das die Aufgaben im Bereich der Psychisch-Kranken-Hilfe neu definiert, hätte der Bau des Hauses vielleicht auch zu einer Sternstunde für den Landtag werden können. Hätten wir ein Gesetz, das die Aufgaben und Zuständigkeiten im Bereich des Psychisch-KrankenHilfe-Gesetzes neu definiert, hätten wir vielleicht auch nicht mehr die Situation, dass in Bayern wesentlich mehr Menschen untergebracht werden müssen als in anderen Bundesländern.
Hinter jedem einzelnen Satz steckt ein persönliches Schicksal, und jede einzelne Unterbringung bedeutet einen großen Einschnitt nicht nur in das Leben des Betroffenen, sondern auch in das Leben der Angehörigen. Diese brauchen ortsnahe Hilfsangebote vor, in und nach einer Krise.
Das Bayerische Unterbringungsgesetz vom 5. April 1992 ist aber in seiner ganzen Regelungsstruktur und seiner Begrifflichkeit im Gegensatz zu unserem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz einem polizeirechtlichen Ansatz verhaftet. Da geht es um öffentliche Sicherheit und Ordnung, und Hilfsangebote werden in dem bestehenden Gesetz nicht konstituiert. Vielmehr wird auf bestehende Versorgungsangebote sowie auf die Hilfe des Sozialgesetzbuches verwiesen. Das entspricht nicht mehr den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es entspricht nicht mehr den Anforderungen der Praxis und auch nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung.
Deshalb wollen wir die Situation mit diesem Gesetzentwurf ändern und darüber diskutieren, wie wir die Versorgung psychisch Kranker und von Menschen in psychischen Krisensituationen in Bayern verbessern können.
Ein besonders wichtiger Punkt ist dabei die Schaffung einer flächendeckenden Versorgung mit Sozialpsychiatrischen Diensten sowie Krisendiensten.
(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Wenn Sie diskutieren wollen, hätten Sie diesen Gesetzentwurf nicht einbringen sollen!)
Frau Kollegin, eine Antwort ginge jetzt von meiner Redezeit ab. Danach bitte! - Sowohl der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass eine Freiheitsentziehung nur als Ultima Ratio in Betracht kommt, als auch Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erfordern ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, in dem für jeden Betroffenen erreichbare Hilfen konstituiert werden, die eine Unterbringung vermeiden oder verkürzen.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erfordert aber auch eine grundrechtskonforme Regelung der Zwangsbehandlung. Dabei werden insbesondere Grundrechtseingriffe im Bereich der Zwangsbehandlung, der besonderen Sicherheitsmaßnahmen einschließlich der Fixierung sowie des Kontaktes nach außen auf eine eindeutige gesetzliche Grundlage gestellt, die den Handelnden klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten überträgt und die Rechte der Betroffenen definiert.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, möchten wir, dass die bisher unzureichende Rechtsgrundlage schnellstmöglich durch ein zeitgemäßes Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz abgelöst wird. Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf frühzeitig eingereicht, damit die inzwischen von allen anerkannten Defizite endlich beseitigt werden.
Wir wollen die Rechte von Menschen in Krisensituationen absichern und weiterentwickeln, um ihnen eine schnelle Wiedereingliederung zu ermöglichen. Wir wollen ihnen eine langfristige Hilfe geben, damit eine Chronifizierung und Verschlimmerung ihrer Krankheiten verhindert werden kann.
Bei Kindern, bei jungen Erwachsenen, bei Älteren, in jeder Altersklasse kommen psychische Erkrankungen vor und begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang. Die Patienten werden immer jünger. Zehnjährige Mädchen mit Essstörungen sind keine Seltenheit mehr. Kinder, bei denen im Vorschulalter Verhaltensstörungen diagnostiziert und behandelt werden, kämpfen oft als Jugendliche mit ähnlichen Problemen. Warum? - Weil nach der Behandlung der akuten Krise keine Weiterbehandlung vor Ort durchgeführt wurde, vielleicht auch in Ermangelung von Möglichkeiten.
Mindestens jeder siebte, wahrscheinlich sogar mehr Menschen erleiden psychische Krankheiten. Deren Angehörige leiden oft mit. Wahrscheinlich kennt jeder von uns Abgeordneten mindestens einen Fall in seinem Bekannten- oder Verwandtenkreis. Deshalb wird
jedem hier im Hohen Hause bewusst sein, wie wichtig es ist, endlich eine Regelung zu treffen und ein zeitgemäßes Gesetz zu verabschieden, das echte Hilfe bringt.
Wird unser Gesetzentwurf aber abgelehnt, dann verzögert sich die Diskussion und die Erarbeitung des gesamten Konzeptes um viele Monate. Das wird der Problemlage nicht gerecht. Deswegen bitte ich Sie um konstruktive inhaltliche Debatten, damit wir endlich schnellstmöglich vorankommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Zweiter Lesung beraten wir heute den Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Hilfe und Unterbringung in psychischen Krisen und bei psychischen Krankheiten. Wir haben es gerade gehört: Eingebracht wurde dieser Gesetzentwurf im Sommer 2014, zeitlich direkt rund um die Sachverständigenanhörung vom 24. Juni 2014, die Kollegin Celina zitiert hat. Der Gesetzentwurf trägt das Datum vom 10. Juli 2014. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein solcher Gesetzentwurf schreibt sich nicht in drei Wochen. Er lag schon während der Expertenanhörung in der Schublade, das ist klar. Gerne rufe ich in Erinnerung, dass während dieser Anhörung viele Experten sehr beredt und kundig Stellung zur Problematik und zu den Eckpunkten und Anforderungen an ein bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz genommen haben.
Bemerkenswert war damals zweierlei: Erstens gab es große Einmütigkeit unter den Experten und auch in den Fraktionen, dass wir für Bayern ein PsychischKranken-Hilfe-Gesetz brauchen und wollen. Das ist bereits eine starke Botschaft, die seinerzeit eine Neuigkeit war. Zweitens sollte dieses Gesetz im Konsens erarbeitet werden, und alle Betroffenen sollten in die Diskussion eingebunden werden.
Genau das passiert seither. Unter der Federführung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege werden aktuell die Eckpunkte für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erarbeitet, die dann Grundlage für die Diskussion an einem großen Runden Tisch sein werden. Noch in der ersten Jahreshälfte 2015 will das Ministerium diese Diskussionsgrundlage schaffen. Also: Wir wollen ein Gesetz. Es soll gemeinsam erarbeitet werden, und zwar möglichst im Konsens mit
Wenn wir heute dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen würden, wäre dies ein glatter Bruch dieser einmütigen Abmachung. Schon aus diesen formalen Gründen heraus können wir das nicht tun, können wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN nicht zustimmen.
Ja, liebe Frau Celina, Sie haben es richtig erkannt: Nur aus diesen formalen Gründen können wir das nicht tun. Das wäre nämlich nicht nur eine Missachtung des Parlaments, sondern auch eine Missachtung der Experten, die sich in die Vorbereitung eines Gesetzentwurfes einbringen wollen, die sich in der Anhörung der Sachverständigen bereits eingebracht haben, wobei Ihr Gesetzentwurf offenbar schon fertig war, und die sich im Rahmen des Runden Tisches weiterhin einbringen werden. Uns ist deren Meinung wichtig. Es gibt nun einmal Themen, die sich für eine politische Profilierung nur sehr wenig bzw. gar nicht eignen. Dazu gehört das Psychisch-Kranken-HilfeGesetz.
Liebe Frau Celina, Sie sagen, wenn wir ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen, verzögere sich die Diskussion. Mit der Annahme des Gesetzentwurfes verzögert sich diese Diskussion nicht, sondern wir hätten sie beendet! Und das wäre ein Fehler.
Ich erkenne gerne an, dass Sie sich mit Ihrem Gesetzentwurf große Mühe gemacht haben. Keine Frage. Er ist im aktuellen Stadium eine gute Diskussionsgrundlage, aber auch nicht mehr. Wir sollten den Gesetzentwurf als Expertenmeinung auffassen und auch verwenden. Er kann und soll auf diese Weise auch in die Beratungen am Runden Tisch einfließen. Aber wir dürfen und können die Beratung nicht durch Ihren Gesetzentwurf ersetzen.
Das liegt auch an einigen inhaltlichen Punkten, die wir im Ausschuss am 14. Oktober erörtert haben und auf die mein Kollege Hermann Imhof anschließend noch detaillierter eingehen wird.
Von meiner Seite nur so viel: Die Frage, wo die Sozialpsychiatrischen Dienste angesiedelt werden, ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht überzeugend gelöst. Sie verkennen dabei die wichtige Rolle, die die Bezirke bei der stationären, aber auch bei der komplementären Versorgung psychisch Kranker aktuell spielen und auch künftig spielen müssen. Sie wollen ja die Ansiedlung bei den Gesundheitsämtern, also bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten.
Wenn wir über die Hilfen für psychisch Kranke sprechen, ist auch und gerade die öffentlich-rechtliche Unterbringung eine wichtige Maßnahme. Sie nimmt in
Ihrem Gesetzentwurf entsprechend einen breiten Raum ein. Von Artikel 7 an abwärts sind eigentlich alle Paragrafen mit der öffentlich-rechtlichen Unterbringung befasst. Deshalb muss auch das Sozialministerium, das für diese Fragen zuständig ist, eingebunden sein. Und deshalb wird in der Folge auch unser sozialpolitischer Sprecher Joachim Unterländer zum Gesetzentwurf noch Stellung nehmen.
Zusammenfassend kann ich sagen: Wir freuen uns auf die Arbeit am Runden Tisch. Wir nehmen Ihren Gesetzentwurf gern als Material mit in die Diskussion hinein und werden ihn gerade deshalb heute nicht als Gesetz beschließen. - Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege, verbleiben Sie bitte am Rednerpult. Ich habe eine Meldung für eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Celina. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Seidenath, ich bin froh, dass der Gesetzentwurf wenigstens als Grundlage in die Beratungen mit eingehen wird. Trotzdem etwas zu Ihren Ausführungen: Wir haben den Gesetzentwurf datiert vom 10. Juli vorgelegt. Sie haben den Referentenentwurf, den es vor längerer Zeit einmal gab, wieder in die Schublade zurückgelegt. Ich frage mich, was da im Interesse der Angehörigen und der Betroffenen ist.
Im Übrigen habe ich gesagt, dass ich mir mehr inhaltliche Debatten wünsche. Da kam von Ihnen der Punkt Sozialpsychiatrische Dienste, Rolle der Bezirke. In unserem Gesetzentwurf ist klar festgelegt, dass die Rolle der Bezirke unverändert bleibt. Gewünscht hätte ich mir in einer Zweiten Lesung allerdings eine Alternative zu dem, was vorliegt. Da kam leider heute wiederum nichts.
Liebe Frau Celina, ich weiß nicht, ob Sie mir zugehört haben. Ich bin auf die Sozialpsychiatrischen Dienste eingegangen und habe auch aufgrund der bewährten Arbeitsteilung darauf hingewiesen, dass der Herr Kollege Imhof darauf noch detaillierter eingehen wird. Ich möchte Ihnen aber schon sagen, dass auch Sie selbst keine inhaltlichen Punkte genannt und nicht argumentiert haben, warum der Bereich bei den Landkreisen und kreisfreien Städten und nicht bei den Bezirken angesiedelt werden muss. Sie haben auch Ihre einzelnen Punkte und Themen nicht begründet. Nichts haben Sie gemacht! Sie haben nur groß erzählt, warum Bayern
nach Ihrer Auffassung nicht die Vorstufe des Paradieses ist, aber ansonsten keine inhaltlichen Punkte genannt. Diesen Vorwurf kann ich Ihnen gerne zurückspiegeln.
Deswegen noch einmal: Wir halten die Einbeziehung von Experten und Sachverständigen für enorm wichtig. Wir haben jetzt die Chance und sind gerade dabei, ein gutes neues Gesetz zu schaffen. Dazu brauchen wir keine Vorgängerleistungen. Das ist doch eine große, schöne Aufgabe, mit den Betroffenen in großer Einmütigkeit hier in Bayern etwas zu entwickeln. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen wollen und der wir uns nicht stellen müssten, wenn wir heute Ihrem Gesetzentwurf zustimmen müssten und würden. Sie sagen selber, Sie seien froh, dass Ihr Gesetzentwurf als Grundlage diene. Dann sollten Sie ihn heute nicht zur Abstimmung stellen; denn dann wäre er keine Beratungsgrundlage mehr, sondern Gesetz. Sie haben jetzt die Chance, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Natürlich ist dies eine Grundlage und eine Idee, mit der wir uns befassen werden. Aber noch einmal: in einer Gemeinschaftsleistung! In dieser Art und Weise wollen wir der Situation der psychisch Kranken in Bayern gerecht werden. Genau das wollen wir tun.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt hat Frau Kollegin Sonnenholzner das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es war Herr Kollege Vetter, der in der Ausschussberatung gesagt hat, dieses Thema eigne sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Er hat völlig recht.
Frau Kollegin Celina, aber was Sie uns hier geboten haben, ist nur mit dem Wort "Zumutung" zu beschreiben. Die von Ihnen geschilderte Chronologie und die Vorwürfe, die Sie uns, den anderen drei Fraktionen, machen, sind völlig haltlos und zum Teil falsch; denn falsch ist, dass Sie zuerst etwas vorgelegt, aber wir die ganze Zeit nichts getan hätten. Falsch ist ebenso die Behauptung, dass in der ganzen Zeit seit dem Beschluss der drei Fraktionen – der SPD, der CSU und der FREIEN WÄHLER –, vom Ministerium diese Eckpunkte erarbeiten zu lassen, dann den Experten vorzulegen und einen Runden Tisch einzurichten, nichts passiert wäre. Ich komme später noch darauf zu sprechen.
Den Boden des Konsenses haben nicht wir, sondern Sie verlassen. Es wäre bereits bei der Anhörung oder danach gut gewesen zu sagen: Wir haben eine her
vorragende Vorarbeit geleistet; wir stellen sie zur Verfügung, würgen aber diesen Diskussionsprozess nicht ab. – Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben in diesem Prozess einen Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt. Dem können wir nicht zustimmen, weil es unser Weg ist, mit den Betroffenen und Beteiligten zu diskutieren und dieses Gesetz zu erarbeiten. Wenn wir das vorliegende Gesetz heute beschlössen, würden wir diesen Diskussionsprozess abwürgen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Reden Sie gelegentlich einmal mit in der Psychiatrie Erfahrenen, mit den Angehörigen und allen anderen Gruppen. Lassen Sie sich sagen, welchen der Wege die jetzt besser finden.