(Ministerpräsident Horst Seehofer: Nein! Sie haben gesagt, die Stromtrassen sind da drin! Nicht tricksen!)
Sie haben nach der Katastrophe von Fukushima von den norddeutschen Bundesländern an der Küste verlangt, dass sie möglichst viel Windstrom erzeugen, damit dieser über Stromautobahnen nach Bayern kommt. Dem haben alle Parteien zugestimmt, auch die CSU, die FREIEN WÄHLER und auch Herr Pohl.
Und hoppla, gestern sagt Frau Aigner: Leitungen werden nur gebaut, wenn sie für die Versorgung notwendig sind, und nicht etwa für den Export von über
schüssigem Strom, den die nördlichen Länder produzieren. - Was glauben Sie denn, Frau Aigner, warum die nördlichen Küstenländer in Strom aus erneuerbaren Energien ersaufen? - Weil der Abtransport, den Sie gewünscht haben, nicht stattfindet. Ich würde das so übersetzen: Die CSU hat bestellt und bis heute nicht abgeholt.
Frau Aigner, ich frage Sie, ob es besonders clever ist, die nördlichen Küstenländer mit Bemerkungen, wie von Ihnen gestern, als inkompetente Fehlplaner hinzustellen: "Wir halten nicht für die Überproduktion im Norden her." Glauben Sie, dass die Ministerpräsidenten der Nordländer solche Bemerkungen tatsächlich gut finden und dass im bundesweiten Kontext eine gute bayerische Verhandlungsposition entsteht, wenn Sie so mit den anderen Bundesländern umgehen und denen mit diesen lapidaren Bemerkungen mal links und mal rechts eine reingeben?
- Ich sitze im Bayerischen Landtag. - Wenn Sie eine gute bayerische Verhandlungsposition haben wollen, dann müssen Sie sich deutlich anders positionieren.
Jetzt zu Herrn Kirchner, der gestern nach dem Energiedialog verlauten ließ, die Opposition müsse in Berlin bayerisch denken; das haben Sie gerade auch gesagt. Ich frage Sie, Herr Kirchner: Ist es klug, die anderen Bundesländer wie Vollpfosten zu behandeln und sich gleichzeitig Gaskraftwerkskapazitäten für Bayern zu wünschen, die diese Länder mitzahlen sollen? Ist das bayerisch klug in Berlin? - Ich behaupte, nein.
Für Sie, Herr Kirchner, in Kurzform: Die CSU wünscht sich 2011 nach eigener Planung Stromautobahnen. Die CSU wünscht sich 2011 zukünftig viel Windstromproduktion in den nördlichen Küstenländern. Das alles steht hier auf der Seite 28. Die CSU treibt die Verwirklichung dieser Wünsche drei Jahre lang voran. Die CSU erschrickt 2014, allen voran der Ministerpräsident, vor den eigenen Planungen, und die Bevölkerung ist sauer.
Die CSU stellt 2015 die nördlichen Bundesländer als inkompetente Überproduzenten von Windstrom dar. Die CSU nimmt 2015 den Kampf gegen die selbst geplanten Trassen auf und versucht, sich selbst zu besiegen.
Sie, Frau Aigner, haben gestern einen ganz speziellen Begriff dafür verwendet, nämlich "Systemwechsel". Okay, wechseln wir das System. Das System heißt jetzt: Die CSU will ab 2015 ganz viele Gaskraftwerke haben. Dies müssen die anderen Bundesländer bezahlen. Dann sollen die anderen Bundesländer einmal schauen, ob Bayern noch Leitungen braucht. Das ist der Systemwechsel von Frau Aigner. Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln, das ist schon so.
Lieber Herr Seehofer, ich sage Ihnen, was bayerisches Denken in Berlin meiner Meinung nach bedeutet: Das heißt, mit den anderen Bundesländern zusammenzuarbeiten und sie zu respektieren; denn die Energiewende ist keine bayerische, sondern sie ist eine gesamtdeutsche, so wie Herr Blume es gesagt hat. Dies ist eine Herausforderung für uns alle, für ganz Deutschland.
Sie sollten auch nicht vergessen, dass Bayern zum heutigen Tage noch 46,6 % Atomstrom einsetzt, die ersetzt werden müssen. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit allen Bundesländern, um zu einer technischen Lösung für unsere bayerische Versorgungssicherheit zu kommen. Das ist bayerisches Denken in Berlin. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und frage mich, ob Sie das noch schaffen.
Ich habe noch einen anderen schönen Vorschlag, über den Sie auch einmal nachgrübeln könnten. Es gäbe nämlich noch eine Möglichkeit, wie Sie bayerisch in Bayern denken können. Herr Seehofer oder Frau Aigner – ich weiß ja nicht, wer am Ende des Tages entscheidet -, für ein mittelgroßes Gaskraftwerk hier in Bayern könnten Sie 200 Millionen Euro an bayerischem Steuergeld in die Hand nehmen und Ihr eigenes Gaskraftwerk bauen. Das könnten Sie tun. Sie könnten 1 plus x Gaskraftwerke bauen, je nachdem, wie Sie das x definieren. Das ist ja nach oben offen. Technisch ist das alles machbar. Dann können Sie weiter über die norddeutschen Küstenländer herziehen. Sie müssten dann nur noch Wladimir Putin als "best buddy" gewinnen. Und das mit dem Klimaschutz sehen Sie ja sowieso nicht mehr so eng, wenn Sie nur noch auf Gas hinarbeiten.
Sie haben angeblich ein klareres Bild von der Energiezukunft. Aber wie passt denn Ihre gestrige Aussage, dass Sie an den Ausbauzielen der erneuerbaren Energien festhalten, mit der 10-H-Regel zusammen? Das hat sich mir gestern nicht erschlossen. Wir hätten gestern gerne gehört, welche exakten Ausbauprozentzahlen Sie für Windkraft haben wollen. Das ist keine Entscheidung Berlins; das ist Ihre Entscheidung, weil in Bayern gebaut wird.
Wir hätten auch gerne gewusst: Wie viel PV soll dazukommen, wie viel Biomasse, wie viel Wasserkraft? 2011 haben Sie das sehr genau gewusst. Damals sollten es zum Beispiel 10 % Windkraft werden. Meinen Sie, dass das mit der 10-H-Regel noch 10 % sind?
Sie haben gesagt, Sie halten an den Ausbauzielen fest. Ich glaube, das meinten wahrscheinlich auch die GRÜNEN. Wir hätten gern ein Energiekonzept mit konkreten, festen Zahlen gehabt.
Gestern haben Sie zu meinem großen Erstaunen in Richtung Bund gesagt, Sie forderten Rahmenbedingungen für die Pumpspeicher, die angeblich Erzeugungsspitzen aufnehmen und zeitversetzt wieder zur Verfügung stellen; das haben Sie gestern so gesagt. Diese Rahmenbedingungen müssten verbessert werden. Sie haben aber merkwürdigerweise bereits im September vor dem Energiedialog klargemacht, dass Sie keine Pumpspeicher in Bayern wollen. Warum fordern Sie es dann von Berlin? Da habe ich ein Verständnisproblem. Das ist mir nicht klar. Speicherforschung, lieber Herr Blume, schön und gut, aber das alleine wird das Ganze nicht regeln. Nur so viel zu Ihren Absichtserklärungen. Klarheit, liebe Frau Aigner, sieht für mich anders aus. Ich verstehe Ihre Aussage nicht mehr. Ich finde, sie ist unklarer als vor vier Jahren. Wenn wir wirklich klarer sehen wollen, liebe Frau Aigner und lieber Herr Blume, dann brauchen wir ein bayerisches Energiekonzept. Tun wir nicht so, als wäre die Welt neu erfunden worden. Im Jahre 2011 haben sich 90 % der Teilnehmer am Dialog bereits Gedanken gemacht. Wir sind doch nach Fukushima nicht wie die letzten Menschen an das Thema herangegangen und haben irgendetwas zusammengeschrieben, dem dann alle zugestimmt hätten. Das ist Quatsch. Es war doch etwas entwickelt worden, was vernünftig war, verdammt noch mal. Jetzt haben wir überhaupt nichts mehr außer einem einzigen Chaos. Keiner kennt sich mehr aus.
Ehrlich gesagt, das, was Sie gestern nach dem Energiedialog vorgetragen haben, war mehr oder minder ein Wünsch-dir-was-Katalog. Keiner weiß mehr, was Sache ist.
Eines nervt mich noch besonders. Heute Morgen haben Sie in der "radioWelt" auf die insistierenden Fragen einer Journalistin gesagt – sie fragte, ob vielleicht der Schwarze Peter nach Berlin geschoben würde –: Nun ja, im Prinzip ist Sigmar Gabriel für alles verantwortlich.
Ja, das ist er. Aber er hat vor einem Jahr die Planungen von Schwarz-Gelb übernommen. Er versucht, 16 Bundesländer unter einen Hut zu bringen, nachdem ein Bundesland im Prinzip nicht mehr weiß, was das andere macht und was es selbst möchte.
Das alles ist verdammt schwierig. Machen Sie Ihre Aufgaben hier in Bayern und übernehmen Ihre Verantwortung dafür in Berlin, statt alles immer nur nach Berlin zu schieben und zu sagen: Es ist Sache von Sigmar Gabriel. Das ist nicht redlich.
Danke schön, Frau Kollegin. - Als Nächster hat der Kollege Thorsten Glauber von den FREIEN WÄHLERN das Wort.
Herr Präsident, verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Blume, Sie haben dargelegt, dass der Dialog über die HGÜ-Trassen nicht geführt worden sei. Er wurde selbstverständlich über die HGÜ-Trassen geführt, und zwar deshalb, weil Sie nicht bereit waren, eine Entscheidung zu treffen. Um sich vor der Entscheidung zu drücken, haben Sie den Dialog ins Leben gerufen, um dann eine Lösung zu finden. Aber die Lösung lag natürlich nicht auf dem Tisch. Zunächst wurde der Ball vom Ministerpräsidenten an die Wirtschaftsministerin gespielt, jetzt kommt er wieder zurück, und dann wird er weiter nach Berlin gespielt.
- Ja, im Bundesrat! - Da frage ich mich, auf welcher Grundlage Sie diesen HGÜ-Trassen zugestimmt haben. Für mich als Ingenieur stellt sich doch diese Frage. Sie sagten nach Fukushima 2011 hier an diesem Rednerpult: Bayern soll ein leuchtendes Vorbild für Deutschland sein. Dazu braucht man natürlich
einen eigenen Beitrag. Man braucht eine Grundlage, auf der man letzten Endes in Berlin seinen Zustand verhandeln will.
Herr Ministerpräsident, im Jahre 2022 sollten wir zwei Passagen haben, nämlich die Südost-Passage und den SuedLink. Ich vermute, dass beide bis dahin nicht fertig sein werden. Wenn beide Passagen nicht fertig sein werden, wie stellen Sie dann die Energieversorgung in Bayern sicher?
Wie wird es dann gemacht? - Über ein sogenanntes Redispatch. Wir werden die Energie in Bayern über Reservekraftwerke zur Verfügung stellen müssen. Wenn Sie also Bayern stark vertreten wollen, brauchen wir ein starkes Signal aus Bayern. Sie hätten bei den Koalitionsverhandlungen dafür sorgen müssen, dass ein Marktdesign geschaffen wird. Dieses müsste CO2 bewerten, es müsste hoch effiziente und schnelle Kraftwerke bewerten, und es müsste letztendlich zukunftsorientiert sein. Was aber haben wir gemacht? - Sie haben einen Koalitionsvertrag in Berlin geschmiedet.
- Sie Herr Ministerpräsident! - Sie haben in Berlin einen Koalitionsvertrag unterschrieben, in dem wir eine Renaissance der Braunkohle erleben.
Meine geschätzte Kollegin Natascha Kohnen hat versucht, den Blick nach Norden zu richten. Sie hat ganz geschickt die Südost-Passage mit dem darin befindlichem Braunkohlestrom umgangen.
Wenn wir eine ehrliche Diskussion über die Passagen führen wollen, brauchen wir beide Trassen. Da liegt momentan die Südost-Passage mit der Braunkohle immer noch auf dem Tisch. Die wurde insofern interessant, als wir nun eine Renaissance der Braunkohle erfahren.
Herr Seehofer, wenn Sie jetzt nach Berlin fahren, frage ich Sie, unter welchen Gesichtspunkten das geschieht. Wir hatten eine Energiekommission. Wir hätten diesen Energiedialog nur bedingt gebraucht.